Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 1137/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.042,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % hierauf seit dem 20.05.2010 zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Frau B., geboren am XXXXX1921 (im Weiteren: die Versicherte), wurde am 01.03.2009 im B1 Allgemeinen Krankenhaus, Innere Abteilung, wegen fluktuierender Vigilanzminderung sowie einer armbetonten Hemiparese links aufgenommen. In der CT-Angiographie zeigte sich eine Basilarisembolie, so dass eine Thrombolyse durchgeführt wurde. Nach Stabilisierung des Zustandes wurde die Versicherte am 23.03.2009 in die Abteilung der Geriatrischen Frührehabilitation im klägerischen Krankenhaus übernommen. Sie erhielt dort intensive krankengymnastische Übungsbehandlungen, physikalische, ergotherapeutische sowie logopädische Therapieeinheiten, letzteres insbesondere wegen Schluckstörungen und einer Kombination aus Störungen in den Bereichen Atmung, Phonation und Artikulation. Die Entlassung erfolgte am 13.05.2009 in ein Pflegeheim, unter Anerkennung der Pflegestufe II.
Die Klägerin stellte für den Aufenthalt vom 23.03.-13.05.2009 mit Schlussrechnung vom 26.05.2009 insgesamt 22.922,57 EUR in Rechnung und legte dabei die Fallpauschale (Diagnosis Related Group – DRG) B43Z (Frührehabilitation bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems, mehr als 28 Tage) zugrunde. Neben zwischen den Beteiligten unstreitigen Diagnosen kodierte die Klägerin den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-552.7 (Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation: Mindestens 28 bis höchstens 41 Behandlungstage).
Die Beklagte beauftragte am 08.06.2009 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) N. mit der Überprüfung der Verweildauer. Nach Anforderung der Krankenakte vom Krankenhaus nahm der MDK mit Gutachten vom 30.07.2009 Stellung und kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den OPS 8-552.7 nicht habe kodieren dürfen. Mindestvoraussetzung für die Abrechnung sei insoweit ein standardisiertes Frührehabilitations-Assessment zu Beginn der Behandlung zur Erfassung und Wertung der funktionellen Defizite in mindestens fünf der folgenden Bereiche: Bewusstseinslage, Kommunikation, Kognition, Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Verhalten, Emotion, welches hier nicht erfolgt sei. Kodiert werden könne gegebenenfalls der OPS 8-550.2 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung: Mindestens 21 Behandlungstage und 30 Therapieeinheiten), woraus die DRG B70F resultiere. Zudem sei die obere Grenzverweildauer um 33 Belegtage überschritten. In Anbetracht der schlechten Allgemeinzustandes, des Alters und der schweren Erkrankung sei eine Überschreitung um 19 Belegtage noch medizinisch nachvollziehbar. Eine Entlassung am 30.04.2009 in ein Pflegeheim wäre aber ausreichend und zweckmäßig gewesen.
Die Beklagte bat daraufhin unter dem 10.08.2009 um Rechnungskorrektur durch Berücksichtigung der DRG B70F und Verkürzung der Verweildauer um 14 Behandlungstage.
Die Klägerin widersprach dem Gutachten des MDK. Unter dem 16.09.2009 nahm der MDK erneut Stellung. Aus dem Entlassungsbrief ergebe sich, dass vorliegend lediglich folgende Bereiche durch standardisierte Assessments abgedeckt worden seien: Selbsthilfefähigkeit, Emotion, Kognition und Mobilität. Ein Assessment aus einem fünften Bereich fehle, weshalb die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des OPS 8-552 anhand der Unterlagen nicht nachvollziehbar sei. Es bleibe daher bei der bisherigen Auffassung. Dies teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 25.09.2009 mit.
Nach erneutem Widerspruch des Krankenhauses, der damit begründet wurde, dass die Bewusstseinslage der Versicherten vollständig und eindeutig im Aufnahmebefund erhoben und im Arztbrief beschrieben worden sei, verfasste der MDK unter dem 28.12.2009 eine weitere Stellungnahme und vertrat darin die Auffassung, für ein standardisiertes Assessment aus den Bereichen Bewusstseinslage, Kommunikation oder Verhalten sei eine allgemeine Beschreibung im Aufnahmebefund im Arztbrief nicht ausreichend.
Nachdem die Beklagte am 19.05.2010 mit dem von ihr geforderten Kürzungsbetrag i.H.v. 15.042,21 EUR gegen einen Anspruch der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall aufgerechnet hatte, hat die Klägerin hat am 23.06.2010 Klage erhoben.
Sie trägt vor, es sei seit Jahren Praxis der Klägerin, die auch niemals von der Beklagten beanstandet worden sei, die für die neurologische Frührehabilitation geforderten Angaben zu Bewusstseinslage, Orientierung und Aufforderungsbefolgung in einem standardisiert erhobenen neurologisch-psychiatrischen Aufnahmebefund festzustellen und in diesem zu dokumentieren. "Standardisiert" bedeute lediglich, dass die Untersuchung anerkannten Regeln entsprechen müsse und von Fachleuten regelhaft so durchgeführt werde. Vorliegend seien für die zu erhebenden Parameter maßgebend die Vorgaben der NIHSS (National Institutes of Health Stroke Scale). Für die Frührehabilitation seien hier die Punkte 1a bis c erforderlich. Diese seien im Aufnahmebefund dargestellt worden. Die Bewusstseinslage sei zudem detailliert im Arztbrief beschrieben worden, so dass sämtliche formalen Kriterien für die Kodierbarkeit des OPS 8-552.7 erfüllt seien. Auch die erbrachte Therapiedauer sei erforderlich gewesen, um der Versicherten wenigstens eine artikulatorische Verständigung mit der Umwelt und die orale Nahrungsaufnahme wieder zu ermöglichen. Zudem sei die Versicherte trotz ihres hohen Lebensalters einer Thrombolysetherapie unterzogen worden. Nach einer derart spezialisierten und risikobehafteten Ersttherapie seien therapeutische Bemühungen medizinisch in besonderem Maße geboten gewesen. Die Kürzung von 14 Behandlungstagen sei daher nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.042,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent hierauf seit dem 20.05.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der Verwaltungsakte.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nach Aktenlage des Sachverständigen Dr. G. vom 01.08.2011. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, das eine standardisierte Erfassung in sechs der in Rede stehenden Funktionsbereiche erfolgt sei, womit die Mindestvoraussetzungen für die Verwendung des OPS 8-552 erfüllt sein. Auch sei das Abweichen der Verweildauer von der oberen Grenzverweildauer im vorliegenden Fall gerechtfertigt gewesen.
Die Beklagte hat sich daraufhin erneut vom MDK beraten lassen. Mit Stellungnahme vom 26.07.2012, die sich die Beklagte zu eigen macht, vertritt der MDK die Auffassung, dass die vom gerichtlichen Sachverständigen als ausreichend angesehenen Beschreibungen in psychiatrischen und pflegerischen Befundungen nicht die Kriterien von Standardisierung mit Vergleichbarkeit und untersucherunabhängiger Wiederholbarkeit erfüllten. Bezüglich der Verweildauer bleibt der MDK bei seiner bisherigen Auffassung, die er mit den stagnierenden Werten des wöchentlich erhobenen "Barthel-Index" begründet. Zudem sei die Notwendigkeit einer akutstationären Behandlung, die Voraussetzung jeglicher Frührehabilitation sei, nicht mehr zu erkennen gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –, juris) und auch sonst zulässige Leistungsklage hat Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 15.042,21 EUR aus der Behandlung des Versicherten, zuzüglich Zinsen in beantragter Höhe.
I. Streitbefangen ist hier nicht mehr der Anspruch auf Zahlung des Behandlungsfalles der Versicherten B ... Denn diese Forderung hat die Beklagte beglichen. In Streit steht vielmehr, ob die Beklagte berechtigt war, mit einem öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall jener Versicherten gegen spätere, unstreitige Forderungen der Klägerin aus anderen Behandlungen aufzurechnen. Eine solche Aufrechnung ist nach § 69 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich möglich. Der Beklagten stand indes keine öffentlich-rechtliche Erstattungsforderung aus § 69 Satz 3 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB in Höhe der Klagesumme zu. Denn die Vergütung für die Behandlung der Versicherten war nicht rechtsgrundlos erfolgt (II.).
II. Anspruchsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung der Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten sowie weiter i.V.m. § 7 Satz 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz – KHEntgG –, in der bis zum 24.03.2009 geltenden Fassung), § 17b des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG –, in der bis zum 24.03.2009 geltenden Fassung) und schließlich der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2009 (Fallpauschalenvereinbarung – FPV – 2009) sowie dem am 01.01.2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19.12.2002 (im Weiteren: Vertrag nach § 112 SGB V) zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und unter anderem der Beklagten (vgl. dazu LSG Hamburg, Urteil vom 01.03.2012 – L 1 KR 28/10 R –, juris).
Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind unstreitig erfüllt. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist.
Streitig ist vorliegend aber zum einen die Kodierung, von der hier die Vergütungshöhe abhängt (1.), zum anderen die Frage, wie lange die Behandlung der Versicherten im Krankenhaus erforderlich gewesen ist (2.).
1. Nach Überzeugung der Kammer konnte die Klägerin auf Grundlage der DRG B43Z abrechnen, da der OPS 8-552.7 kodiert werden durfte.
a) Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nr. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30.06.2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragspartner auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien (§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren.
Der als Anlage 1 zur FPV 2009 enthaltene Fallpauschalenkatalog ist nach DRGs geordnet. Voraussetzung für die Eingruppierung eines Behandlungsfalles in eine DRG ist insbesondere die Verschlüsselung einer Hauptdiagnose und ggf. von behandlungsrelevanten Nebendiagnosen sowie der wesentlichen, am Patienten durchgeführten Leistungen (Prozeduren). Die Diagnosen werden mit einem Code gemäß der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) verschlüsselt. Die Verschlüsselung der Prozeduren erfolgt nach dem durch das DIMDI herausgegebenen OPS (hier in der Version 2009). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) in der Version 2009. Aus den Diagnosen und Prozeduren sowie dem Alter, Geschlecht, der Verweildauer und weiteren Parametern erfolgt die DRG-Ermittlung über einen vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, erstellten und veröffentlichten Algorithmus. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus – also eine genau definierte Handlungsvorschrift zu Lösung eines Problems in endlich vielen Schritten – zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Software-Programme (Grouper) eingesetzt, die vom InEK zertifiziert sind.
b) Das für die Kodierung der Prozedur OPS 8-552.7 nach der OPS-Version 2009 erforderliche "standardisierte Frührehabilitationsassessment" in mindestens fünf Funktionsbereichen hat vorliegend stattgefunden. Darüber, dass sich die Klägerin für die Beurteilung der Funktionsbereiche Selbsthilfefähigkeit, Emotion, Kognition und Mobilität mit Verwendung von "Barthel-Index", "Geriatrischer Depressionsskala" (GDS), "Mini Mental State Examination" (MMSE) bzw. "Timed ‚Up-And-Go‘-Test" standardisierter Erhebungsinstrumente bedient hat, besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit.
Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob darüber hinaus ein "standardisiertes Frührehabilitations-Assessment" in Bezug auf zumindest einen weiteren Funktionsbereich – "Bewusstsein" oder "Kommunikation" – stattgefunden hat, ist im Sinne der Klägerin zu beantworten.
Dabei ist Ausgangspunkt zunächst der Grundsatz, dass Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Auslegungsregeln auszulegen sind (so bereits zur BPflV BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 1/01 R –, juris). Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs, des OPS-Kodes und der Kodierrichtlinien in der Hand, diese für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R –, juris). Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (vgl. zur Auslegung der vertragsärztlichen Bewertungsmaßstäbe und Gebührenordnungen BSG, Urteil vom 31.01.2001 – B 6 KA 5/00 R –, juris).
Auch bei einer engen Wortlautauslegung sind die vorliegend unstreitig von den Krankenhausärzten der Klägerin vorgenommenen Erhebungen betreffend den Funktionsbereich "Bewusstsein" als "standardisiert" i.S.d. so bezeichneten Merkmals des OPS 8-552 zu beurteilen.
Der OPS 8-552 enthält selbst keine Definition des "standardisierten Assessments". Bezüglich der Definition des Begriffs "Assessment" hat bereits der MDK in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 28.12.2009 auf den Eintrag im Pschyrembel hingewiesen. Danach handelt es sich um eine Bezeichnung für standardisierte Verfahren, Methoden und Instrumente zur Beantwortung medizinischer, funktionaler oder psychosozialer Fragestellungen, z.B. bei Schlaganfall, seniler Demenz, nach wiederholten Stürzen oder zur Beurteilung der Selbständigkeit älterer Menschen, der Pflegebedürftigkeit bzw. Notwendigkeit einer Heimunterbringung und zur Planung, Steuerung und Ergebnisdokumentation im Rehabilitationsbereich (Pschyrembel, 263. Aufl. 2012). Der Begriff des Assessments setzt nach dieser Definition bereits eine standardisierte Verfahrensweise voraus. Standardisierung bedeutet im eigentlichen Wortsinn eine Vereinheitlichung von u.a. Verfahrensweisen. Ziel ist die Schaffung gemeinsamer Standards respektive Parameter. Ein Standard ist eine vergleichsweise einheitliche oder vereinheitlichte, weithin anerkannte und meist auch angewandte Art und Weise, etwas herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat (www.wikipedia.de).
Im Bereich der Frührehabilitation existiert in diesem Sinne eine Reihe anerkannter Erhebungsinstrumente (vgl. die Übersicht bei Boldt et al., Einsatz standardisierter Erhebungsinstrumente in der Frührehabilitation, in: Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin und Kurortmedizin 2004, S. 18, 21).
Nach Auffassung der Kammer setzt die "Standardisierung" eines Frührehabilitations-Assessments aber nicht zwingend die Verwendung eines dieser – bezogen auf die jeweiligen Funktionsbereiche – Instrumente voraus. Der Wortlaut des OPS 8-552 erfordert kein solch enges Verständnis. Die Assessment-Definition des Pschyrembel nennt "standardisierte Verfahren, Methoden und Instrumente" alternativ nebeneinander, und der OPS 8-552 schreibt nicht die Verwendung eines standardisierten "Instrumentes" vor. Bereits dies lässt Raum für eine Interpretation dahingehend, dass sich die Einhaltung eines anerkannten Standards auf das durchgeführte Verfahren bezieht. Insoweit hat aber die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass ihre Krankenhausärzte die anerkanntermaßen erforderlichen Befunde bei der Versicherten erhoben haben. Zutreffend ist nämlich insoweit, dass als anerkanntes Erhebungsinstrument für den Funktionsbereich "Bewusstsein" die NIHSS gelten kann. Diese enthält aber über den Bereich des Bewusstseins hinaus u.a. auch Kategorien zur Beurteilung von Motorik, Sensibilität und Sprache (Boldt aaO). Maßgeblich für die Beurteilung des Bewusstseins des Patienten ist demnach nicht die gesamte NIHSS, sondern sind dies – worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat – die Punkte 1a (Bewusstseinsgrad), 1b (Fragen nach dem aktuellen Monat und dem Alter des Patienten) und 1c (Bewusstseinsgrad-Befehle) der Skala. Diese haben die Ärzte aber bei der Versicherten der Sache nach überprüft und im Aufnahmebefund vom 24.03.2009 festgehalten. Die Versicherte wird dort hinsichtlich des Bewusstseinsgrades als "wach" beschrieben, als "zu allen Qualitäten orientiert" – was sich auf Person, Ort, Zeit und Situation bezieht – und führte den sog. "Finger-Nase-Versuch" durch – und damit einen "Bewusstseinsgrad-Befehl", der dem in der NIHSS vorgesehenen, dem Schließen der nicht betroffenen Hand, zumindest gleichkommt. Da der NIHSS demnach nur in einem Teilbereich das Bewusstsein abprüft, wird deutlich, dass die Einhaltung eines "standardisierten Assessments" in diesem Bereich nicht von der Verwendung des Formbogens der NIHSS abhängen kann. Vom OPS 8-552 wird deshalb nach Auffassung der Kammer nicht die Verwendung eines "standardisierten" Formbogens also eine bestimmte Art der Dokumentation der erhobenen Befunde verlangt, sondern die standardisierte Erhebung der erforderlichen Parameter (in diesem Sinne auch – zum OPS 8-985 – SG Magdeburg, Urteil vom 08.07.2011 – S 13 KR 147/07 –, juris).
Entsprechendes gilt für den FIM-Test (Functional Independence Measure). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung durch den MDK-Vertreter darstellen lassen, dass der FIM-Test in der Vergangenheit durch den MDK als Erhebungsinstrument im Rahmen des OPS 8-552 anerkannt worden sei. Der FIM dient aber eigentlich der Messung der funktionellen Einschränkungen der elementaren Funktionen des täglichen Lebens sowie der kognitiven und kommunikativen Funktionen (Boldt aaO). Auch bei ihm sind – wie es der gerichtliche Sachverständige plastisch ausgedrückt hat – die Erhebungen im Bereich der Bewusstseinslage nur "Beifang", also ein Nebenaspekt, was so auch die MDK-Vertreterin im Termin ausdrücklich anerkannt hat. Der Sachverständige hat insoweit auch verdeutlicht, dass der FIM in diesem Bereich nicht über das hinausgeht, was im vorliegenden Fall von den Ärzten der Klägerin erhoben worden ist.
Des Weiteren ergab sich auch aus der von der MDK-Vertreterin im Termin zur Einsicht überreichten gutachterlichen Stellungnahme des Kompetenzzentrums Geriatrie – einer gemeinsamen Einrichtung des GKV-Spitzenverbandes und der Gemeinschaft der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung –, die eine Übersicht über die gebräuchlichen Assessment-Instrumente enthält, dass der Bereich der Bewusstseinslage nicht gesondert erhoben wird. Existiert aber für den ausdrücklich im OPS 8-552 genannten Bereich des Bewusstseins ohnehin kein gängiges Erhebungsinstrument, das ausschließlich diesen Bereich abdeckt, so wäre es bloße Förmelei, insoweit die – dann nur ausschnittsweise – Verwendung eines Formbogens, bspw. der NIHSS oder des FIM, zu verlangen. Nicht die Verwendung eines Formblattes, sondern die Durchführung der Erhebung muss "standardisiert" sein. Dafür spricht letztlich auch, dass der OPS 8-552 für die Erfassung und Wertung der funktionellen Defizite nicht die Verwendung bestimmter Instrumente vorsieht. Angesichts dessen, dass auf der anderen Seite ausdrücklich die Durchführung eines "Frührehabilitations-Barthel-Index nach Schönle" vorgesehen ist, hätte es nahe gelegen, auch für die Erhebung in den einzelnen Funktionsbereichen bestimmte Erhebungsinstrumente ausdrücklich zu benennen. Dass dies unterblieben ist, spricht dafür, dass der Praxis bei der Art der Erhebung einen Gestaltungsspielraum belassen bleiben sollte.
2. Die Beklagte kann darüber hinaus nicht mit ihrem Einwand der zu langen Verweildauer der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin durchdringen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Versicherte hätte bereits am 30.04.2009 entlassen werden können und möchte daher die Verweildauer um 14 Tage kürzen. Dies begründete sie zuletzt damit, dass "die jeglicher Frührehabilitation zugrunde liegende medizinische Notwendigkeit einer akutstationären Krankenhausbehandlung" über den 30.04.2009 hinaus nicht nachvollzogen werden könne.
Zutreffend ist insoweit, dass im Rahmen des § 39 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz SGB V medizinische Reha-Leistungen nur innerhalb der für die jeweilige Akutbehandlung erforderlichen Verweildauer zu erbringen sind. Reha-Einrichtungen werden durch die Reha-Leistungen im Akut-Krankenhaus nicht ersetzt; sie stehen für weitergehende Reha-Ziele zur Verfügung (KassKomm-Brandts, § 39 SGB V Rn. 85).
Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass überhaupt bis zur Entlassung der Versicherten eine Krankenhausbehandlung stattgefunden hat (zu den Kriterien BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 33/84; Urteil vom 10.04.2008 – B 3 KR 19/05 R; jeweils juris). Allein zu beantworten ist damit die Frage, ob die Krankenhausbehandlung der Versicherten bis zur Entlassung am 13.05.2009 erforderlich i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V war. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Vorliegend war die vollstationäre Behandlung der Versicherten über den gesamten Zeitraum bis zur Entlassung am 13.05.2009 erforderlich.
Die Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung ist davon abhängig, dass die Behandlung primär dazu dient, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl. § 27 Abs. 1 SGB V) und dass gerade bezogen auf eines dieser Behandlungsziele die besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich sind. Da der Aufenthalt im Krankenhaus also einem Behandlungszweck dienen muss, ist die Krankenkasse dann nicht mehr leistungspflichtig, wenn der Versicherte keiner ärztlichen Behandlung (mehr) bedarf, sondern aus anderen Gründen, etwa wegen Hilflosigkeit, Pflegebedürftigkeit, zur Verwahrung oder zum Schutz der Öffentlichkeit im Krankenhaus behalten und dort untergebracht wird. Nach dem Großen Senat des BSG (Beschluss vom 25.09.2007 – GS 1/06 –, juris) ergibt sich aus der Aufgabenstellung der GKV, der Systematik des SGB V sowie dem Zweck und Entstehungsgeschichte des § 39 Abs. 1 SGB V, dass die Krankenkasse eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nur schuldet, wenn der Gesundheitszustand des Patienten sie aus medizinischen Gründen erfordert. Reicht nach den Krankheitsbefunden eine teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten einer dennoch durchgeführten vollstationären Krankenhausbehandlung auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt, die gegenwärtig außerhalb des Krankenhauses nicht gewährleistet ist. Dabei kann nach Auffassung des 3. Senats des BSG (Urteil vom 10.04.2008 aaO) bei Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs "aus medizinischen Gründen" nicht der Maßstab eines "objektiven Patienten" mit einer bestimmten Art der Erkrankung angelegt werden. Vielmehr sind – wenn auch beschränkt auf medizinische Erfordernisse – die konkreten Umstände des Einzelfalls bei der Beurteilung zu berücksichtigen (so auch im Anschluss ausdrücklich der 1. Senat im Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 3/08 R –, juris). Insbesondere bei komplexen medizinischen Sachverhalten, etwa bei langwierigen psychiatrischen Erkrankungen und bei schwierigen Prognoseentscheidungen kann die Entscheidung mitunter schwierig sein, da für die ärztliche Entscheidung, Behandlungsverfahren ambulant oder stationär durchzuführen, vor allem Risikoabwägungen ausschlaggebend sind (BSG, Urteil vom 10.04.2008 aaO).
Die Frage, ob eine vollstationäre (oder teilstationäre) Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, ist gerichtlich grundsätzlich in vollem Umfang zu überprüfen; jedoch hat das Gericht dabei von den nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes zum Behandlungszeitpunkt auszugehen, mithin die medizinische Erforderlichkeit aus vorausschauender Sicht zu beurteilen (BSG, Beschluss vom 25.09.2007 aaO). Dem Krankenhausarzt kommt demnach keine Einschätzungsprärogative (mehr) zu. Allerdings muss der Krankenhausarzt aber vor allem bei der erstmaligen Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit eine medizinische Prognose abgeben, also eine konkrete Diagnose stellen und dabei zukunftsorientiert beurteilen, ob die besonderen Mittel des Krankenhauses erforderlich sind, um eine Krankheit zu erkennen, sie zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (BSG, Urteil vom 10.04.2008 aaO).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt, hat die Kammer keine Zweifel an der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung über den gesamten Behandlungszeitraum. Der gerichtliche Sachverständige hat sowohl im Gutachten als auch in seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung eindrücklich und nachvollziehbar dargestellt, dass wegen des hohen Alters der Versicherten, des schweren Eingriffs der Basilarisembolie und des fluktuierenden Krankheitsverlaufs ein Überschreiten der oberen Grenzverweildauer gerechtfertigt war. Der Sachverständige hat darüber hinaus zum einen auf die Gefahr einer Pneumonie wegen der bestehenden Schluckstörung und zum anderen auf den behandlungsbedürftigen Harnwegsinfekt der Versicherten hingewiesen. Letztlich hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Versicherte auch unter einer Schilddrüsenfunktionsstörung gelitten habe und mit einem Antidepressivum habe neu eingestellt werden müssen. Bei diesem sich ergebenden Gesamtbild hat die Kammer keinen Anlass die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung für den gesamten Zeitraum anzuzweifeln.
Dies gilt umso mehr, als sich die Einwände des MDK, die sich die Beklagte zu Eigen gemacht hat, nicht auf die Frage der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit, sondern auf die stagnierende Entwicklung der Früh-Reha-Bemühungen, die sich im Barthel-Index spiegelt, bezogen haben. Die Vertreterin des MDK hat auf entsprechenden Vorhalt durch die Kammer diese Argumentation des MDK selbst als "nicht ganz konsequent" bezeichnet. Was die Durchführung der Frührehabilitation selbst betrifft, hat der gerichtliche Sachverständige erst die anhaltende Stagnation als vertretbares Argument für die Beendigung der Behandlung bezeichnet. Diese Stagnation sei aber erst ex post zu erkennen gewesen.
III. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 12 und 14 Satz 1 des Vertrages nach § 112 SGB V.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Frau B., geboren am XXXXX1921 (im Weiteren: die Versicherte), wurde am 01.03.2009 im B1 Allgemeinen Krankenhaus, Innere Abteilung, wegen fluktuierender Vigilanzminderung sowie einer armbetonten Hemiparese links aufgenommen. In der CT-Angiographie zeigte sich eine Basilarisembolie, so dass eine Thrombolyse durchgeführt wurde. Nach Stabilisierung des Zustandes wurde die Versicherte am 23.03.2009 in die Abteilung der Geriatrischen Frührehabilitation im klägerischen Krankenhaus übernommen. Sie erhielt dort intensive krankengymnastische Übungsbehandlungen, physikalische, ergotherapeutische sowie logopädische Therapieeinheiten, letzteres insbesondere wegen Schluckstörungen und einer Kombination aus Störungen in den Bereichen Atmung, Phonation und Artikulation. Die Entlassung erfolgte am 13.05.2009 in ein Pflegeheim, unter Anerkennung der Pflegestufe II.
Die Klägerin stellte für den Aufenthalt vom 23.03.-13.05.2009 mit Schlussrechnung vom 26.05.2009 insgesamt 22.922,57 EUR in Rechnung und legte dabei die Fallpauschale (Diagnosis Related Group – DRG) B43Z (Frührehabilitation bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems, mehr als 28 Tage) zugrunde. Neben zwischen den Beteiligten unstreitigen Diagnosen kodierte die Klägerin den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-552.7 (Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation: Mindestens 28 bis höchstens 41 Behandlungstage).
Die Beklagte beauftragte am 08.06.2009 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) N. mit der Überprüfung der Verweildauer. Nach Anforderung der Krankenakte vom Krankenhaus nahm der MDK mit Gutachten vom 30.07.2009 Stellung und kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den OPS 8-552.7 nicht habe kodieren dürfen. Mindestvoraussetzung für die Abrechnung sei insoweit ein standardisiertes Frührehabilitations-Assessment zu Beginn der Behandlung zur Erfassung und Wertung der funktionellen Defizite in mindestens fünf der folgenden Bereiche: Bewusstseinslage, Kommunikation, Kognition, Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Verhalten, Emotion, welches hier nicht erfolgt sei. Kodiert werden könne gegebenenfalls der OPS 8-550.2 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung: Mindestens 21 Behandlungstage und 30 Therapieeinheiten), woraus die DRG B70F resultiere. Zudem sei die obere Grenzverweildauer um 33 Belegtage überschritten. In Anbetracht der schlechten Allgemeinzustandes, des Alters und der schweren Erkrankung sei eine Überschreitung um 19 Belegtage noch medizinisch nachvollziehbar. Eine Entlassung am 30.04.2009 in ein Pflegeheim wäre aber ausreichend und zweckmäßig gewesen.
Die Beklagte bat daraufhin unter dem 10.08.2009 um Rechnungskorrektur durch Berücksichtigung der DRG B70F und Verkürzung der Verweildauer um 14 Behandlungstage.
Die Klägerin widersprach dem Gutachten des MDK. Unter dem 16.09.2009 nahm der MDK erneut Stellung. Aus dem Entlassungsbrief ergebe sich, dass vorliegend lediglich folgende Bereiche durch standardisierte Assessments abgedeckt worden seien: Selbsthilfefähigkeit, Emotion, Kognition und Mobilität. Ein Assessment aus einem fünften Bereich fehle, weshalb die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des OPS 8-552 anhand der Unterlagen nicht nachvollziehbar sei. Es bleibe daher bei der bisherigen Auffassung. Dies teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 25.09.2009 mit.
Nach erneutem Widerspruch des Krankenhauses, der damit begründet wurde, dass die Bewusstseinslage der Versicherten vollständig und eindeutig im Aufnahmebefund erhoben und im Arztbrief beschrieben worden sei, verfasste der MDK unter dem 28.12.2009 eine weitere Stellungnahme und vertrat darin die Auffassung, für ein standardisiertes Assessment aus den Bereichen Bewusstseinslage, Kommunikation oder Verhalten sei eine allgemeine Beschreibung im Aufnahmebefund im Arztbrief nicht ausreichend.
Nachdem die Beklagte am 19.05.2010 mit dem von ihr geforderten Kürzungsbetrag i.H.v. 15.042,21 EUR gegen einen Anspruch der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall aufgerechnet hatte, hat die Klägerin hat am 23.06.2010 Klage erhoben.
Sie trägt vor, es sei seit Jahren Praxis der Klägerin, die auch niemals von der Beklagten beanstandet worden sei, die für die neurologische Frührehabilitation geforderten Angaben zu Bewusstseinslage, Orientierung und Aufforderungsbefolgung in einem standardisiert erhobenen neurologisch-psychiatrischen Aufnahmebefund festzustellen und in diesem zu dokumentieren. "Standardisiert" bedeute lediglich, dass die Untersuchung anerkannten Regeln entsprechen müsse und von Fachleuten regelhaft so durchgeführt werde. Vorliegend seien für die zu erhebenden Parameter maßgebend die Vorgaben der NIHSS (National Institutes of Health Stroke Scale). Für die Frührehabilitation seien hier die Punkte 1a bis c erforderlich. Diese seien im Aufnahmebefund dargestellt worden. Die Bewusstseinslage sei zudem detailliert im Arztbrief beschrieben worden, so dass sämtliche formalen Kriterien für die Kodierbarkeit des OPS 8-552.7 erfüllt seien. Auch die erbrachte Therapiedauer sei erforderlich gewesen, um der Versicherten wenigstens eine artikulatorische Verständigung mit der Umwelt und die orale Nahrungsaufnahme wieder zu ermöglichen. Zudem sei die Versicherte trotz ihres hohen Lebensalters einer Thrombolysetherapie unterzogen worden. Nach einer derart spezialisierten und risikobehafteten Ersttherapie seien therapeutische Bemühungen medizinisch in besonderem Maße geboten gewesen. Die Kürzung von 14 Behandlungstagen sei daher nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.042,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent hierauf seit dem 20.05.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der Verwaltungsakte.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nach Aktenlage des Sachverständigen Dr. G. vom 01.08.2011. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, das eine standardisierte Erfassung in sechs der in Rede stehenden Funktionsbereiche erfolgt sei, womit die Mindestvoraussetzungen für die Verwendung des OPS 8-552 erfüllt sein. Auch sei das Abweichen der Verweildauer von der oberen Grenzverweildauer im vorliegenden Fall gerechtfertigt gewesen.
Die Beklagte hat sich daraufhin erneut vom MDK beraten lassen. Mit Stellungnahme vom 26.07.2012, die sich die Beklagte zu eigen macht, vertritt der MDK die Auffassung, dass die vom gerichtlichen Sachverständigen als ausreichend angesehenen Beschreibungen in psychiatrischen und pflegerischen Befundungen nicht die Kriterien von Standardisierung mit Vergleichbarkeit und untersucherunabhängiger Wiederholbarkeit erfüllten. Bezüglich der Verweildauer bleibt der MDK bei seiner bisherigen Auffassung, die er mit den stagnierenden Werten des wöchentlich erhobenen "Barthel-Index" begründet. Zudem sei die Notwendigkeit einer akutstationären Behandlung, die Voraussetzung jeglicher Frührehabilitation sei, nicht mehr zu erkennen gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –, juris) und auch sonst zulässige Leistungsklage hat Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 15.042,21 EUR aus der Behandlung des Versicherten, zuzüglich Zinsen in beantragter Höhe.
I. Streitbefangen ist hier nicht mehr der Anspruch auf Zahlung des Behandlungsfalles der Versicherten B ... Denn diese Forderung hat die Beklagte beglichen. In Streit steht vielmehr, ob die Beklagte berechtigt war, mit einem öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall jener Versicherten gegen spätere, unstreitige Forderungen der Klägerin aus anderen Behandlungen aufzurechnen. Eine solche Aufrechnung ist nach § 69 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich möglich. Der Beklagten stand indes keine öffentlich-rechtliche Erstattungsforderung aus § 69 Satz 3 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB in Höhe der Klagesumme zu. Denn die Vergütung für die Behandlung der Versicherten war nicht rechtsgrundlos erfolgt (II.).
II. Anspruchsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung der Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten sowie weiter i.V.m. § 7 Satz 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz – KHEntgG –, in der bis zum 24.03.2009 geltenden Fassung), § 17b des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG –, in der bis zum 24.03.2009 geltenden Fassung) und schließlich der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2009 (Fallpauschalenvereinbarung – FPV – 2009) sowie dem am 01.01.2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19.12.2002 (im Weiteren: Vertrag nach § 112 SGB V) zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und unter anderem der Beklagten (vgl. dazu LSG Hamburg, Urteil vom 01.03.2012 – L 1 KR 28/10 R –, juris).
Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind unstreitig erfüllt. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist.
Streitig ist vorliegend aber zum einen die Kodierung, von der hier die Vergütungshöhe abhängt (1.), zum anderen die Frage, wie lange die Behandlung der Versicherten im Krankenhaus erforderlich gewesen ist (2.).
1. Nach Überzeugung der Kammer konnte die Klägerin auf Grundlage der DRG B43Z abrechnen, da der OPS 8-552.7 kodiert werden durfte.
a) Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nr. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30.06.2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragspartner auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien (§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren.
Der als Anlage 1 zur FPV 2009 enthaltene Fallpauschalenkatalog ist nach DRGs geordnet. Voraussetzung für die Eingruppierung eines Behandlungsfalles in eine DRG ist insbesondere die Verschlüsselung einer Hauptdiagnose und ggf. von behandlungsrelevanten Nebendiagnosen sowie der wesentlichen, am Patienten durchgeführten Leistungen (Prozeduren). Die Diagnosen werden mit einem Code gemäß der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) verschlüsselt. Die Verschlüsselung der Prozeduren erfolgt nach dem durch das DIMDI herausgegebenen OPS (hier in der Version 2009). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) in der Version 2009. Aus den Diagnosen und Prozeduren sowie dem Alter, Geschlecht, der Verweildauer und weiteren Parametern erfolgt die DRG-Ermittlung über einen vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, erstellten und veröffentlichten Algorithmus. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus – also eine genau definierte Handlungsvorschrift zu Lösung eines Problems in endlich vielen Schritten – zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende DRG werden Software-Programme (Grouper) eingesetzt, die vom InEK zertifiziert sind.
b) Das für die Kodierung der Prozedur OPS 8-552.7 nach der OPS-Version 2009 erforderliche "standardisierte Frührehabilitationsassessment" in mindestens fünf Funktionsbereichen hat vorliegend stattgefunden. Darüber, dass sich die Klägerin für die Beurteilung der Funktionsbereiche Selbsthilfefähigkeit, Emotion, Kognition und Mobilität mit Verwendung von "Barthel-Index", "Geriatrischer Depressionsskala" (GDS), "Mini Mental State Examination" (MMSE) bzw. "Timed ‚Up-And-Go‘-Test" standardisierter Erhebungsinstrumente bedient hat, besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit.
Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob darüber hinaus ein "standardisiertes Frührehabilitations-Assessment" in Bezug auf zumindest einen weiteren Funktionsbereich – "Bewusstsein" oder "Kommunikation" – stattgefunden hat, ist im Sinne der Klägerin zu beantworten.
Dabei ist Ausgangspunkt zunächst der Grundsatz, dass Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Auslegungsregeln auszulegen sind (so bereits zur BPflV BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 1/01 R –, juris). Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs, des OPS-Kodes und der Kodierrichtlinien in der Hand, diese für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R –, juris). Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (vgl. zur Auslegung der vertragsärztlichen Bewertungsmaßstäbe und Gebührenordnungen BSG, Urteil vom 31.01.2001 – B 6 KA 5/00 R –, juris).
Auch bei einer engen Wortlautauslegung sind die vorliegend unstreitig von den Krankenhausärzten der Klägerin vorgenommenen Erhebungen betreffend den Funktionsbereich "Bewusstsein" als "standardisiert" i.S.d. so bezeichneten Merkmals des OPS 8-552 zu beurteilen.
Der OPS 8-552 enthält selbst keine Definition des "standardisierten Assessments". Bezüglich der Definition des Begriffs "Assessment" hat bereits der MDK in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 28.12.2009 auf den Eintrag im Pschyrembel hingewiesen. Danach handelt es sich um eine Bezeichnung für standardisierte Verfahren, Methoden und Instrumente zur Beantwortung medizinischer, funktionaler oder psychosozialer Fragestellungen, z.B. bei Schlaganfall, seniler Demenz, nach wiederholten Stürzen oder zur Beurteilung der Selbständigkeit älterer Menschen, der Pflegebedürftigkeit bzw. Notwendigkeit einer Heimunterbringung und zur Planung, Steuerung und Ergebnisdokumentation im Rehabilitationsbereich (Pschyrembel, 263. Aufl. 2012). Der Begriff des Assessments setzt nach dieser Definition bereits eine standardisierte Verfahrensweise voraus. Standardisierung bedeutet im eigentlichen Wortsinn eine Vereinheitlichung von u.a. Verfahrensweisen. Ziel ist die Schaffung gemeinsamer Standards respektive Parameter. Ein Standard ist eine vergleichsweise einheitliche oder vereinheitlichte, weithin anerkannte und meist auch angewandte Art und Weise, etwas herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber anderen Arten und Weisen durchgesetzt hat (www.wikipedia.de).
Im Bereich der Frührehabilitation existiert in diesem Sinne eine Reihe anerkannter Erhebungsinstrumente (vgl. die Übersicht bei Boldt et al., Einsatz standardisierter Erhebungsinstrumente in der Frührehabilitation, in: Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin und Kurortmedizin 2004, S. 18, 21).
Nach Auffassung der Kammer setzt die "Standardisierung" eines Frührehabilitations-Assessments aber nicht zwingend die Verwendung eines dieser – bezogen auf die jeweiligen Funktionsbereiche – Instrumente voraus. Der Wortlaut des OPS 8-552 erfordert kein solch enges Verständnis. Die Assessment-Definition des Pschyrembel nennt "standardisierte Verfahren, Methoden und Instrumente" alternativ nebeneinander, und der OPS 8-552 schreibt nicht die Verwendung eines standardisierten "Instrumentes" vor. Bereits dies lässt Raum für eine Interpretation dahingehend, dass sich die Einhaltung eines anerkannten Standards auf das durchgeführte Verfahren bezieht. Insoweit hat aber die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass ihre Krankenhausärzte die anerkanntermaßen erforderlichen Befunde bei der Versicherten erhoben haben. Zutreffend ist nämlich insoweit, dass als anerkanntes Erhebungsinstrument für den Funktionsbereich "Bewusstsein" die NIHSS gelten kann. Diese enthält aber über den Bereich des Bewusstseins hinaus u.a. auch Kategorien zur Beurteilung von Motorik, Sensibilität und Sprache (Boldt aaO). Maßgeblich für die Beurteilung des Bewusstseins des Patienten ist demnach nicht die gesamte NIHSS, sondern sind dies – worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat – die Punkte 1a (Bewusstseinsgrad), 1b (Fragen nach dem aktuellen Monat und dem Alter des Patienten) und 1c (Bewusstseinsgrad-Befehle) der Skala. Diese haben die Ärzte aber bei der Versicherten der Sache nach überprüft und im Aufnahmebefund vom 24.03.2009 festgehalten. Die Versicherte wird dort hinsichtlich des Bewusstseinsgrades als "wach" beschrieben, als "zu allen Qualitäten orientiert" – was sich auf Person, Ort, Zeit und Situation bezieht – und führte den sog. "Finger-Nase-Versuch" durch – und damit einen "Bewusstseinsgrad-Befehl", der dem in der NIHSS vorgesehenen, dem Schließen der nicht betroffenen Hand, zumindest gleichkommt. Da der NIHSS demnach nur in einem Teilbereich das Bewusstsein abprüft, wird deutlich, dass die Einhaltung eines "standardisierten Assessments" in diesem Bereich nicht von der Verwendung des Formbogens der NIHSS abhängen kann. Vom OPS 8-552 wird deshalb nach Auffassung der Kammer nicht die Verwendung eines "standardisierten" Formbogens also eine bestimmte Art der Dokumentation der erhobenen Befunde verlangt, sondern die standardisierte Erhebung der erforderlichen Parameter (in diesem Sinne auch – zum OPS 8-985 – SG Magdeburg, Urteil vom 08.07.2011 – S 13 KR 147/07 –, juris).
Entsprechendes gilt für den FIM-Test (Functional Independence Measure). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung durch den MDK-Vertreter darstellen lassen, dass der FIM-Test in der Vergangenheit durch den MDK als Erhebungsinstrument im Rahmen des OPS 8-552 anerkannt worden sei. Der FIM dient aber eigentlich der Messung der funktionellen Einschränkungen der elementaren Funktionen des täglichen Lebens sowie der kognitiven und kommunikativen Funktionen (Boldt aaO). Auch bei ihm sind – wie es der gerichtliche Sachverständige plastisch ausgedrückt hat – die Erhebungen im Bereich der Bewusstseinslage nur "Beifang", also ein Nebenaspekt, was so auch die MDK-Vertreterin im Termin ausdrücklich anerkannt hat. Der Sachverständige hat insoweit auch verdeutlicht, dass der FIM in diesem Bereich nicht über das hinausgeht, was im vorliegenden Fall von den Ärzten der Klägerin erhoben worden ist.
Des Weiteren ergab sich auch aus der von der MDK-Vertreterin im Termin zur Einsicht überreichten gutachterlichen Stellungnahme des Kompetenzzentrums Geriatrie – einer gemeinsamen Einrichtung des GKV-Spitzenverbandes und der Gemeinschaft der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung –, die eine Übersicht über die gebräuchlichen Assessment-Instrumente enthält, dass der Bereich der Bewusstseinslage nicht gesondert erhoben wird. Existiert aber für den ausdrücklich im OPS 8-552 genannten Bereich des Bewusstseins ohnehin kein gängiges Erhebungsinstrument, das ausschließlich diesen Bereich abdeckt, so wäre es bloße Förmelei, insoweit die – dann nur ausschnittsweise – Verwendung eines Formbogens, bspw. der NIHSS oder des FIM, zu verlangen. Nicht die Verwendung eines Formblattes, sondern die Durchführung der Erhebung muss "standardisiert" sein. Dafür spricht letztlich auch, dass der OPS 8-552 für die Erfassung und Wertung der funktionellen Defizite nicht die Verwendung bestimmter Instrumente vorsieht. Angesichts dessen, dass auf der anderen Seite ausdrücklich die Durchführung eines "Frührehabilitations-Barthel-Index nach Schönle" vorgesehen ist, hätte es nahe gelegen, auch für die Erhebung in den einzelnen Funktionsbereichen bestimmte Erhebungsinstrumente ausdrücklich zu benennen. Dass dies unterblieben ist, spricht dafür, dass der Praxis bei der Art der Erhebung einen Gestaltungsspielraum belassen bleiben sollte.
2. Die Beklagte kann darüber hinaus nicht mit ihrem Einwand der zu langen Verweildauer der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin durchdringen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Versicherte hätte bereits am 30.04.2009 entlassen werden können und möchte daher die Verweildauer um 14 Tage kürzen. Dies begründete sie zuletzt damit, dass "die jeglicher Frührehabilitation zugrunde liegende medizinische Notwendigkeit einer akutstationären Krankenhausbehandlung" über den 30.04.2009 hinaus nicht nachvollzogen werden könne.
Zutreffend ist insoweit, dass im Rahmen des § 39 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz SGB V medizinische Reha-Leistungen nur innerhalb der für die jeweilige Akutbehandlung erforderlichen Verweildauer zu erbringen sind. Reha-Einrichtungen werden durch die Reha-Leistungen im Akut-Krankenhaus nicht ersetzt; sie stehen für weitergehende Reha-Ziele zur Verfügung (KassKomm-Brandts, § 39 SGB V Rn. 85).
Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass überhaupt bis zur Entlassung der Versicherten eine Krankenhausbehandlung stattgefunden hat (zu den Kriterien BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 33/84; Urteil vom 10.04.2008 – B 3 KR 19/05 R; jeweils juris). Allein zu beantworten ist damit die Frage, ob die Krankenhausbehandlung der Versicherten bis zur Entlassung am 13.05.2009 erforderlich i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V war. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Vorliegend war die vollstationäre Behandlung der Versicherten über den gesamten Zeitraum bis zur Entlassung am 13.05.2009 erforderlich.
Die Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung ist davon abhängig, dass die Behandlung primär dazu dient, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl. § 27 Abs. 1 SGB V) und dass gerade bezogen auf eines dieser Behandlungsziele die besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich sind. Da der Aufenthalt im Krankenhaus also einem Behandlungszweck dienen muss, ist die Krankenkasse dann nicht mehr leistungspflichtig, wenn der Versicherte keiner ärztlichen Behandlung (mehr) bedarf, sondern aus anderen Gründen, etwa wegen Hilflosigkeit, Pflegebedürftigkeit, zur Verwahrung oder zum Schutz der Öffentlichkeit im Krankenhaus behalten und dort untergebracht wird. Nach dem Großen Senat des BSG (Beschluss vom 25.09.2007 – GS 1/06 –, juris) ergibt sich aus der Aufgabenstellung der GKV, der Systematik des SGB V sowie dem Zweck und Entstehungsgeschichte des § 39 Abs. 1 SGB V, dass die Krankenkasse eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nur schuldet, wenn der Gesundheitszustand des Patienten sie aus medizinischen Gründen erfordert. Reicht nach den Krankheitsbefunden eine teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten einer dennoch durchgeführten vollstationären Krankenhausbehandlung auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt, die gegenwärtig außerhalb des Krankenhauses nicht gewährleistet ist. Dabei kann nach Auffassung des 3. Senats des BSG (Urteil vom 10.04.2008 aaO) bei Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs "aus medizinischen Gründen" nicht der Maßstab eines "objektiven Patienten" mit einer bestimmten Art der Erkrankung angelegt werden. Vielmehr sind – wenn auch beschränkt auf medizinische Erfordernisse – die konkreten Umstände des Einzelfalls bei der Beurteilung zu berücksichtigen (so auch im Anschluss ausdrücklich der 1. Senat im Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 3/08 R –, juris). Insbesondere bei komplexen medizinischen Sachverhalten, etwa bei langwierigen psychiatrischen Erkrankungen und bei schwierigen Prognoseentscheidungen kann die Entscheidung mitunter schwierig sein, da für die ärztliche Entscheidung, Behandlungsverfahren ambulant oder stationär durchzuführen, vor allem Risikoabwägungen ausschlaggebend sind (BSG, Urteil vom 10.04.2008 aaO).
Die Frage, ob eine vollstationäre (oder teilstationäre) Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, ist gerichtlich grundsätzlich in vollem Umfang zu überprüfen; jedoch hat das Gericht dabei von den nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes zum Behandlungszeitpunkt auszugehen, mithin die medizinische Erforderlichkeit aus vorausschauender Sicht zu beurteilen (BSG, Beschluss vom 25.09.2007 aaO). Dem Krankenhausarzt kommt demnach keine Einschätzungsprärogative (mehr) zu. Allerdings muss der Krankenhausarzt aber vor allem bei der erstmaligen Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit eine medizinische Prognose abgeben, also eine konkrete Diagnose stellen und dabei zukunftsorientiert beurteilen, ob die besonderen Mittel des Krankenhauses erforderlich sind, um eine Krankheit zu erkennen, sie zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (BSG, Urteil vom 10.04.2008 aaO).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt, hat die Kammer keine Zweifel an der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung über den gesamten Behandlungszeitraum. Der gerichtliche Sachverständige hat sowohl im Gutachten als auch in seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung eindrücklich und nachvollziehbar dargestellt, dass wegen des hohen Alters der Versicherten, des schweren Eingriffs der Basilarisembolie und des fluktuierenden Krankheitsverlaufs ein Überschreiten der oberen Grenzverweildauer gerechtfertigt war. Der Sachverständige hat darüber hinaus zum einen auf die Gefahr einer Pneumonie wegen der bestehenden Schluckstörung und zum anderen auf den behandlungsbedürftigen Harnwegsinfekt der Versicherten hingewiesen. Letztlich hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Versicherte auch unter einer Schilddrüsenfunktionsstörung gelitten habe und mit einem Antidepressivum habe neu eingestellt werden müssen. Bei diesem sich ergebenden Gesamtbild hat die Kammer keinen Anlass die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung für den gesamten Zeitraum anzuzweifeln.
Dies gilt umso mehr, als sich die Einwände des MDK, die sich die Beklagte zu Eigen gemacht hat, nicht auf die Frage der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit, sondern auf die stagnierende Entwicklung der Früh-Reha-Bemühungen, die sich im Barthel-Index spiegelt, bezogen haben. Die Vertreterin des MDK hat auf entsprechenden Vorhalt durch die Kammer diese Argumentation des MDK selbst als "nicht ganz konsequent" bezeichnet. Was die Durchführung der Frührehabilitation selbst betrifft, hat der gerichtliche Sachverständige erst die anhaltende Stagnation als vertretbares Argument für die Beendigung der Behandlung bezeichnet. Diese Stagnation sei aber erst ex post zu erkennen gewesen.
III. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 12 und 14 Satz 1 des Vertrages nach § 112 SGB V.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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