S 1 KR 73/09

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 73/09
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine sozialversicherungspflichtig beschäftigte Krankenschwester, die auf Honorarbasis freiberuflich als
Krankenschwester arbeitet, unterliegt bei dieser Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht.
Die Möglichkeit der Ablehnung eines Auftrages bzw. Einsatzes stellt ein Indiz für eine Selbständigkeit dar,
auch wenn dieses allein diese nicht zu begründen vermag.
Die Fertigung von Pflegeberichten, Anordnungsbögen oder Übergabeprotokollen, die bei derartigen Tätigkeiten
regelmäßig und üblich anfallen, vermögen keine Weisungsbefugnis zu begründen.
Ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich zunächst aus dem Vertragsverhältnis
oder den Absprachen zwischen den Beteiligten, so wie es im Rahmen des Zulässigen tatsächlich vollzogen
worden ist.
Die Versicherungspflicht ist von der Rentenversicherung konkret zu jedem Versicherungszweig hinsichtlich
der Beschäftigungszeiträume und der Zuordnung der hierauf entfallenden Entgelte festzustellen.
• Die Bescheide der Beklagten vom 14. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 und der Bescheid vom 16. Februar 2012 werden aufgehoben. • Es wird festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. Juni 2007 bei der Beigeladenen nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. • Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin in ihrer Eigenschaft als freiberufliche Krankenschwester im Betrieb der Beigeladenen.

Die geborene Klägerin beantragte am 08. Januar 2007 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status als freiberufliche Krankenschwester ab 01. Dezember 2006 bei der Betreuung intensiv- und beatmungspflichtigen Patienten in häuslicher Umgebung auf Honorarbasis für die Beigeladene. Sie gab an, komplett auf eigene Rechnung zu arbeiten, und begehrte die Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB 4) nicht vorliegt. Auf Nachfrage der Beklagten teilte sie am 14. März 2007 mit, dass der Einsatz bei einer Privatperson erfolge im Zusammenhang mit ihrem Neustart als Selbständige. Die Erstgespräche würden von einer leitenden Person der Beigeladenen ebenso durchgeführt wie der Behandlungsplan von dort erarbeitet würde. Sie sei nicht verpflichtet, an wöchentlichen Dienstbesprechungen teilzunehmen, allerdings habe sie Berichtspflicht über die geleistete Arbeit, die Führung von Pflegeberichte und Anordnungsbögen, sowie Wartungshefte. Die Leistungen würden ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Arbeitsgebers erbracht. Sie übe auch die gleiche Tätigkeit wie festangestellte Mitarbeiter aus. Diesem Antrag waren Rechnungen vom 01. Februar und 01. März 2007 über Tätigkeiten als freie Krankenschwester bei Herrn P. S. Über 1.121.00 EUR (01. Februar 2007) und 541,50 EUR (01. März 2007) beigefügt.

Am 02. April 2007 hörte die Beklagte die Beigeladene zu der beabsichtigen Entscheidung an, dass die Tätigkeit der Klägerin als freiberufliche Krankenschwester als abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB 4 festzustellen ... Mit gleicher Post wurde die Klägerin angehört.

Die Klägerin nahm am 23. April 2007 hierzu Stellung und teilte mit, sie sei im Hauptberuf beim Universitätsklinikum beschäftigt und darüber auch sozialversichert. Sie war der Meinung, dass sie als freiberufliche Krankenschwester eine selbständige Tätigkeit ausübt und trug ergänzend vor, sie bemühe sich um weitere Tätigkeitsbereiche und habe verschiedene Pflegedienste angeschrieben. Darüber hinaus stehe sie in konkreten Verhandlungen mit einer Agentur für Pflegekräfte in Hamburg und der Diakonie.

Mit Bescheid vom 02. Mai 2007, gerichtet sowohl an die Klägerin als auch an die Beigeladene stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Krankenschwester seit dem 01. Dezember 2006 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausübt. Die Versicherungspflicht beginne mit der Aufnahme der Tätigkeit. Zu Begründung führte sie aus, die Klägerin sei in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden und dieser erteile einseitig im Wege des Direktionsrechtes Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie die Art und Weise der Durchführung beträfen.

Dagegen erhob die Klägerin am 22. Mai 2007 Widerspruch und führte zunächst an, es sei ein falscher Sachverhalt zugrunde gelegt worden, da die Klägerin nicht –wie im Bescheid angeführt- als Zahntechniker sondern als Pflegekraft tätig sei. Darüber hinaus habe sie zur Zeit mindestens zwei Auftraggeber und man könne sie über eine Agentur buchen ( www.Pflegeboerse.de). Weiter werde sie von der Firma in und auch von der Beigeladenen gebucht. Da sie hauptberuflich in der Universitätsklinik mit einer 75 % Stelle angestellt sei, blieben ihr maximal 60 Stunden im Monat, über die sie im Rahmen ihrer Selbständigkeit verfügen könne. Die Klägerin übersandte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schwester Pflegedienstleistungen Stand 01. Dezember 2006. Darin ist die Freiberuflichkeit der Auftragnehmerin ebenso festgellegt wie der fehlende Anspruch auf Honorarfortzahlung im Krankheitsfall. Auf weitere Nachfrage teilte die Klägerin mit, es habe zwischen ihr und der Beigeladenen nur einen mündlichen Vertrag gegeben und die Einsätze hätten von Januar 2007 bis Mai 2007 angedauert. Danach seien keine weiteren Aufträge mehr übernommen worden. Weiterhin teilte die Klägerin mit, dass sie aus ihren Einkünften im Pflegedienst auch ihre Beiträge zur Berufshaftpflicht und zur Berufsgenossenschaft für Wohlfahrtspflege und Gesundheitsdienste entrichte. Einem späteren Begin der Versicherungspflicht stimmte die Klägerin ausdrücklich zu.

Mit Bescheid vom 14. August 2008 nahm die Beklagte ihren Beschied vom 02. Mai 2007 in so weit zurück, als die Versicherungspflicht, aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin bei der Beigeladenen frühestens mit Bekanntgabe des Bescheides vom 02. Mai 2007 über das Vorliegen der abhängigen Beschäftigung beginnt. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund der anderweitigen Absicherung lägen die Voraussetzungen für einen späteren Begin der Versicherungspflicht nach § 7 a Abs. 6 Satz 1 SGB 4 i. V. m. § 7 b Nr. 3 SGB IV in der Fassung des 31. Dezember 2007 vor.

Den weitergehenden Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 19. November 2008 zurück. Zur Begründung wiederholte sie, die Klägerin habe allein schon durch die Aufgabenbeschreibung dem Direktionsrecht eines Arbeitgebers unterlegen. Sie habe zwar frei entscheiden können, ob sie Aufträge annehmen oder ablehnen wolle, jedoch stehe es jedem Beschäftigten frei, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen oder abzulehnen. Bei Annahme wären vorliegend die Arbeitszeiten und –orte vorgegeben. Es habe eine Eingliederung in den Betrieb der Beigeladenen vorgelegen. Offenbar ging die Beklagte auch davon aus, dass die Klägerin kein Unternehmerrisiko trug, auch wenn dies im Beschied nicht ausdrücklich festgestellt wurde. So führte die Beklagte jedenfalls zur Begründung aus, es sei unerheblich, dass der finanzielle Erfolg der Tätigkeit von der beruflichen Tüchtigkeit abhinge. Dieses Risiko des Einkommens sei von einem bei Selbständigen berufstypischen Unternehmerrisiko zu unterscheiden. Ersteres trügen auf andere Arbeitnehmer. Letzteres bedeutet dagegen Einsatz eignen Kapitals, der auch mit der Gefahr eines Verlustes verbunden sein könne, was vorliegend nicht gegeben sei. Auf die Zahlung der Beiträge zu den Versicherungen ging die Beklagte ebenso wenige wie auf das Risiko der Insolvenz der Auftraggeberin ein.

Dagegen richtet sich die am 19. Dezember 2008 bei dem Sozialgericht eingegangene Klage. Zu Begründung führt die Klägerin aus, sie sei durch ihre freiberufliche Tätigkeit nicht in einem Betrieb eingegliedert und dem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsleistung eines Arbeitgebers unterworfen. Sie sei hauptberuflich beim Universitätsklinikum beschäftigt und dort auch sozialversichert. Sie habe die Nebenerwerbsbefugnis von ihrem Arbeitgeber erhalten mit der Auflage, dass sie nicht mehr als 40 Stunden im Monat für einen anderen Auftraggeber arbeiten dürfe. Sie habe in der Zeit von Dezember 2006 bis Mai 2007 Aufträge der Beigeladenen angenommen und in diesem Zeitraum ca. 5 Dienste im Monat ausgeführt. Zwischen Mai und Juni 2007 habe sie die Beigeladene über die Vermittlungsagentur gebucht. Sie habe dieser Agentur zuvor ihre freien Kapazitäten mitgeteilt. Im August 2007 schließlich habe sie durch ihre eigene Aquisition einen weiteren Auftraggeber gefunden, der freie Kapazitäten gebucht habe. Die Klägerin weist darauf hin, dass sie freiberuflich mit 19,- EUR einen erheblich höheren Stundensatz als eine Krankenschwester in einem abhängigem Verhältnis erzielen könne, allerdings das Risiko trage, nach Rechnungsstellung kein Geld zu bekommen, weil die Leistung bemängelt oder sogar Regressforderungen an sie gestellt werden könnten. Für Schäden komme nicht die Beigeladene sondern ihre eigene Berufshaftpflichtversicherung auf.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 02. Mai 2007 in Fassung des Abänderungsbescheides vom 14. August 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wendet ein, nicht die Klägerin, sondern die Beigeladene habe die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Patienten vereinbart und trete insofern weiterhin als dessen Auftragnehmerin auf. Während des Zeitraums der Beauftragung habe die Klägerin nicht gleich einem Unternehmer im Wesentlichen frei über seine Arbeitskraft verfügen können, da sie an die zeitlichen und örtlichen Vorgaben der Beigeladenen und ihr insoweit weitergegebenen fachlichen Anweisungen des Arztes gebunden gewesen sei. Letztlich bestehe auch die Gesamtverantwortung weiterhin bei der Beigeladenen.

Die Kammer hat durch Beschluss vom 15. September 2011 die Firma " nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen, um eine einheitliche Feststellung des versicherungsrechtlichen Status gewährleisten. Auf Anfrage hat die Beigeladene am 05. Oktober 2011 mitgeteilt, die Klägerin sei als freie Mitarbeiterin tätig und frei in ihren Entscheidungen zu Diensten, Einsatzort und Arbeitszeiten. Darüber hinaus sei sie in ihren pflegerischen Tätigkeiten eigenverantwortlich tätig gewesen. Auf Nachfrage hat die frühere Inhaberin der Beigeladenen mit Schreiben vom 22. November 2011 mitgeteilt, die Klägerin habe in dem Zeitraum vom 26. Dezember 2006 bis Mai/Juni 2007 selbständig Dienste bei einem Patienten, die sie absolut nicht mit ihren Mitarbeitern habe abdecken können, übernommen. Sie sei kurzfristig angerufen und gefragt worden, ob sie den freigewordenen Dienst übernehmen könnte. Sie war zur keiner Zeit fest im Dienstplan eingeplant und habe selbständig entscheiden können, ob sie den Einsatz übernehmen möchte. Telefonisch seien dann Anfang- und Endzeiten vereinbart worden. in diesen Zeiten habe die Klägerin professionell die Pflege des Patienten übernommen. Dabei habe sie die zu ihrer Ausbildung gehörige Dokumentationspflicht wahrgenommen und eigenverantwortlich die individuelle Versorgung und die Wünsche des Patienten erfüllt. Bei den Aufträgen habe es sich um 7-12 Stunden Einsätze zu 19,- EUR die Stunde gehandelt. An- und Abfahrt und gefahrene Kilometer seien in dem Stundensatz enthalten gewesen. Im Juni 2007 sei die Klägerin noch zweimal über die Vermittlungsagentur Heier gebucht worden. Insgesamt habe sie etwa 15 Aufträge bekommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 06. Dezember 2011 hat die ehemalige Inhaberin der Beigeladenen weiter ausgesagt, dass es sich bei diesem Unternehmen um einen Intensivpflegedienst handele, der in ganz Schleswig-Holstein Patienten betreue. Es sei jeweils ein Team von etwa 6-8 Personen tätig. Für einzelnen Patienten würden in der dazugehörigen Region Mitarbeiter gesucht, und so war sowohl über das Arbeitsamt als auch über Zeitungsinserate. Die Anzeigen zielten auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ab, wobei in der Regel Krankenschwestern gesucht würden. Die Klägerin sei zum Einsatz gekommen, wenn aus Krankheits- oder Urlaubsgründen ein Dienst nicht habe abgedeckt werden können. Der Vertrag sei zwischen dem Patienten und dem Pflegedienst geschlossen worden. Die Klägerin sei angerufen worden, ob sie, wenn jemand ausgefallen war, einen Dienst übernehmen könne. Zu einem Einsatz bei weiteren Patienten sei nicht gekommen, obwohl sie es gerne gewollt hätte.

Im Termin ist das Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. September 2011 (B12 KR 15/10 R ) zur Versicherungspflicht einer hauswirtschaftlichen Pflegerin und Betreuerin erörtert worden, das die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. November 2011 zur Gerichtsakte gereicht hatte (NZS 2011, 1122), obwohl es zu diesem Zeitpunkt vom 12. Senat den Beteiligten noch gar nicht zugestellt worden war.

Unter dem 16. Februar 2012 hat die Beklagte einen weiteren Bescheid erlassen, indem der Begin der Versicherungspflicht auf den 05. Mai 2007 gelegt wurde und die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt wurde.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. März 2012 beantragt die Klägerin,

den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2008 sowie den Bescheid vom 16. Februar 2012 aufzuheben und festzustellen, dass sie in der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. Juni 2007 bei der Beigeladenen nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat.

Die Beklagte hat ihren Antrag auf Klagabweisung aufrecht erhalten.

In diesem wie auch in dem Termin zuvor haben die Verwaltungs- und die Gerichtsakte vorgelegen. Darauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht an dem berechtigten Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung (§ 55 Abs 1 SGG) des Status. Die Klage ist auch begründet, denn entgegen der Feststellung der Beklagten war die Klägerin bei ihrer freiberuflichen Tätigkeit für die Beigeladene als Selbständige tätig und stand nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Die angefochtenen Bescheide waren deshalb aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin in der Zeit vom 01. Dezember 2006 bis 30. Juni 2007 bei der Beigeladenen nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung der Beitrag- bzw. Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV bzw. seit dem 1. Januar 1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1999 durch Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a, Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999, BGBL I 2000, Seite 2) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und ein Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einen Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zu dem Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 12 KR 21/07 R Rn 15 mit weiteren Nachweisen).

Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18 S 45). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteile vom 1. Dezember 1977, 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199, 200 ff = SozR 2200 § 1227 Nr 8; vom 4. Juni 1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 31 f; vom 10. August 2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46, jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist.

Zwar liegt kein schriftlicher Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vor, aus den glaubhaften und überzeugenden Einlassungen der ehemaligen Inhaberin der Beigeladenen schriftlich und auch mündlich haben sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene eine selbständige freiberufliche Tätigkeit vereinbaren wollen des Inhalts, dass die Klägerin als Aushilfe bei Bedarf nach unvorhergesehenem Wegfall eines nach Dienstplan vorgesehenen und festangestellten Mitarbeiters für die Beigeladene freiberuflich auf Honorarbasis tätig wird. Die Klägerin hat stets die Betreuung ein- und desselben Patienten übernommen, der mit der Beigeladenen einen Betreuungs- beziehungsweise Versorgungsvertrag abgeschlossen hatte. Diese Betreuung und Versorgung ist regelmäßig von festangestellten sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern der Beigeladenen durchgeführt worden. Erst bei unerwartetem Ausfall ist es nach Absprache zu den jeweiligen Einsätzen der Klägerin gekommen, die diese dann auf Honorarbasis mit der Beigeladenen abgerechnet hat.

Die Klägerin war frei ihrer Entscheidung, nach Anfrage den Einsatz anzunehmen oder abzulehnen. Diese Entscheidungsfreiheit bei der Auftragsannahme kennzeichnet sehr wohl die Selbstständigkeit. Insoweit kann der Beklagten, es stehe jedem Beschäftigten frei, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen oder abzulehnen, hinsichtlich der Relevanz bei der Einschätzung, ob ein selbständiges oder sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, nicht gefolgt werden. Denn der Beschäftigte ist zwar frei, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen, diese Entscheidungsfreiheit steht ihm jedoch nur einmalig zu, denn anschließend ist er in dem Betrieb des Weisungsbefugten eingebunden und muss die dort ihm aufgetragenen Arbeiten erledigen. Ein freiberuflich auf Honorarbasis Tätiger hat demgegenüber bei jedem Angebot eines Einsatzes die Entscheidungsfreiheit, diesen anzunehmen oder abzulehnen. Zwar reicht diese Entscheidungsfreiheit allein nicht aus, um eine selbstständige Tätigkeit zu begründen. Nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und der Zugrundelegung des gewollten Vertragsverhältnisses kann zur Überzeugung der Kammer vorliegend jedoch nur eine selbständige Tätigkeit festgestellt werden.

Denn ohne Zweifel war die Klägerin in dem Betrieb der Beigeladenen nicht eingegliedert, da sie niemals im Dienstplan aufgeführt war und ihr Einsatz stets nach Anfrage der Beigeladenen und Zustimmung der Klägerin im Einzelfall vereinbart wurde. Dass dann dieser Dienst den für die Tätigkeit üblichen Rahmenbedingungen entsprochen hat, wie zum Beispiel die Führung von Berichten über die geleistete Arbeit, die Erstellung der Pflegeberichte, die Befolgung von Anordnungsbögen usw., vermag eine Weisungsbefugnis der Beigeladenen nicht zu begründen sondern liegt in der Natur der Tätigkeit. Es ging bei der Arbeit der Klägerin –ebenso wie bei den festeingestellten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten- stets um die Betreuung eines beatmungspflichtigen Patienten rund um die Uhr. Soweit war sicherzustellen, dass bei einem Wechsel der Betreuung die Daten, wie im Schichtdienst üblich, ausgetauscht wurden.

Neben der fehlenden Weisungsbefugnis der Beigeladenen scheitert die von der Beklagten festgestellte Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch daran, dass die Klägerin ein Unternehmerrisiko trug, was sich zumindest in der Zahlung der Beiträge sowohl für die Berufshaftpflichtversicherung als auch für die Berufsgenossenschaft darstellte. Derartige Beiträge, insbesondere zu einer Berufshaftpflichtversicherung sind –wie aus den Presseberichten zu der Beitragshöhe bei Hebammen ersichtlich- aufgrund deren Höhe von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Bei einer festangestellten Krankenschwester trägt dieses Risiko der Arbeitgeber. Bei der Klägerin war dies nicht der Fall, sodass auch dieses Kriterium für eine Selbstständigkeit spricht.

Schließlich steht diese Entscheidung in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, auf die die Klägerin durch Übersendung des Urteils des 12. Senates des BSG vom 28. September 2011 ( B 12 R 17/09 R ) hingewiesen hat. Danach hat der 12. Senat bei einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin eine selbständige Tätigkeit angenommen und folgendes ausgeführt: "So ist das LSG bei seiner Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit zu Recht davon ausgegangen, dass den – hier allein mündlich getroffenen - Abreden dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, nur dann keine – indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abwichen, und dann maßgebend ist wie Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde. Der 12. Senat hat auch kein Widerspruch zu diesen Abreden darin gesehen, dass die Tätigkeit der dortigen hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin jeweils für 14. Tage mit Diensten rund um die Uhr begründet wurde. Vielmehr hat er darauf abgestellt, dass nicht daraus sondern nur bei Bewertung der Einzelaufträge am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze Maßstab für die Feststellung seien können. Er hat weiterhin ausgeführt, dass allein aus der im Hinblick auf die genannten allgemeinen Vorgaben der Klägerin und der Betreuten bestehenden Minderung der Autonomie der Pflegepartner bei der Durchführung der einzelnen Einsätze nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit eine persönliche Abhängigkeit geschlossen werden kann. Insbesondere sei die Pflegeperson nicht aufgrund der Pflegeberichte, Pflegeprotokolle und Checklisten für Pflegepartner zu Durchführung einer Ablösung weisungsabhängig gewesen.

Diese Urteil ist zur Auffassung der Kammer – die sie der Beklagten bereits im ersten Termin mitgeteilt hat - auf den vorliegenden Sachverhalt durchaus in dem Sinne anzuwenden, dass auch die Klägerin mündliche Abreden mit der Beigeladenen getroffen hat und beide Beteiligte eine selbständige und freiberufliche Tätigkeit wollten und diese auch tatsächlich in rechtlich zulässiger Weise durchgeführt wurde. Auch bei ihr sind die Dokumentationen Gegenstand ihrer Tätigkeit gewesen und nicht geeignet, eine Weisungsunterworfenheit zu begründen. Übereinstimmung besteht auch insoweit, als das BSG es in dem o. a. Urteil. hat ausreichen lassen, dass bei einem Risiko des Ausfalls des Verdienstes bei Kundeninsolvenz bereits ein Unternehmerrisiko begründet ist (BSG am angegebenen Ort Rd. Nr. 26).

Letztlich waren die angefochtenen Bescheide auch deshalb aufzuheben, weil die Beklagte –trotz des nachgeschobenen Bescheides vom 16. Februar 2012- die Versicherungspflicht der Klägerin nicht hinsichtlich der Beschäftigungszeiträume und der Zuordnung der hierauf entfallenen Entgelte festgestellt hat (BSG Urteil vom 11. März 2009 B 12 R 11/07 R Rd. Nr. 27 – SG Urteil vom 27. September 2011, S 1 KR 129/08). Den es ist im Einzelfall zum Beispiel zu prüfen, ob eine Tage- oder stundenweise Beschäftigung im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch SGB 4 vorgelegen hat. Auch insoweit ist die Feststellung der einzelnen Beschäftigungszeiträume und die Zuordnung der hierauf entfallenen Entgelte erforderlich (BSG Urteil vom 11. März 2009 B 12 R 11/07 R Rd. Nr. 27). Die Rentenversicherungsträger dürfen sich nicht darauf beschränken, nur ein oder mehrere Elemente des jeweiligen Versicherungspflichttatbestandes wie das Vorliegen einer Beschäftigung oder Versicherungspflicht im Grunde nach festzustellen (BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 12 R 11/07 R Rd. Nr. 23; BSG, Urteil vom 10. Mai 2006 B 12 KR 5/05 R). Denn ob auch bei Vorliegen einer Beschäftigung im Einzelfall tatsächlich Versicherungspflicht oder –freiheit im Rahmen des jeweiligen Sozialversicherungszweiges besteht, ergibt sich jeweils erst in der Zusammenschau der Normen über die Versicherungspflicht und der spezialgesetzlichen Regelungen über die Versicherungsfreiheit (BSG, Urteil vom 11. März 2009, am angegeben Ort Rd. Nr. 15).

Da die Beklagte zu keinem Zeitpunkt unter Zugrundelegung der von der Klägerin erzielten Honorare eine Prüfung durchgeführt hat, in welcher Höhe welche Beiträge zu welcher Versicherung zu erheben sind, waren die angefochtenen Bescheide auch aus diesen Gründen aufzuheben.

Nach allem war der Klage im vollen Umfang stattzugeben.

Der Entscheidung über die Kosten liegt § 193 SGG zu Grunde.

Denn die Klägerin ist im Rahmen der Kostenentscheidung Versicherte, obwohl die Feststellung begehrt wurde, dass keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt. Zwar bestimmt § 183 SGG als Norm für die Kostenfreiheit der Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, dass diesen Personen gleich steht, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Daraus lässt sich jedoch nur schließen, dass die Kostenfreiheit auch dann gilt, wenn ein Beteiligter geltend macht, er sei Versicherter, ohne dass es auf den Erfolg der Klage ankommt. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, der Beteiligte, der sich im Rechtstreit erfolgreich gegen die Feststellung gegen die Versicherungseigenschaft zu Wehr setzt, sei nicht Versicherter im Sinne des § 183 SGG; Maßgebend ist, dass über den Status als Versicherter gestritten wird (BSG, Urteil vom 05. Oktober 2006, B 10 LW 5/05 R;BSG E 97,153, 156).

Der Vorsitzende der 1. Kammer gez. Direktor des Sozialgerichts
Rechtskraft
Aus
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