Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 3617/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3147/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung höheren Arbeitslosengelds ab 23.07.2010.
Der 1948 geborene Kläger ist im Jahr 1993 aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. In Kasachstan war er als Facharzt für Hygiene und Epidemiologie tätig. Diese Tätigkeit setzte in der ehemaligen Sowjetunion ein reguläres sechsjähriges Hochschulstudium mit Abschluss (Diplom) voraus (Schreiben der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen vom 26.09.1994). Sie ist inhaltlich nur partiell mit dem deutschen Medizinstudium vergleichbar und berechtigte in der ehemaligen Sowjetunion z.B. zu Tätigkeiten in einem Gesundheitsamt.
Nach seiner Einreise nahm der Kläger an einem Schulungsprogramm zur sprachlichen und beruflichen Anpassung für Akademiker teil. In dem abschließenden Zertifikat des christlichen Bildungswerks B. N. S. (cbw) vom 31.07.1995 wurden ihm gute Kenntnisse in Allgemeinmedizin bescheinigt. In der Folge absolvierte der Kläger ein Praktikum in einem Labor. Eine Approbation zur Ausübung ärztlicher Tätigkeiten erhielt er ebenso wenig wie eine Anerkennung seines Diploms als gleichwertig mit einem deutschen medizinischen Staatsexamen. Ein (verkürztes) Hochschulstudium zur Begründung der Möglichkeit, in der Bundesrepublik als Arzt zu arbeiten, absolvierte der Kläger nicht.
Im Jahr 1996 bestand der Kläger die Weiterbildungsprüfung als Pharmareferent (Diplom vom 19.06.1996). Eine Tätigkeit als Pharmareferent nahm er nicht auf.
In der Zeit vom 01.09.1997 bis 31.08.2000 machte der Kläger eine Berufsausbildung zum Altenpfleger und war in diesem Beruf in der Zeit von 2000 bis 2004 in seiner Ausbildungsstätte Schloss M. als Fachkraft, von 2004 bis 31.07.2008 in Vollzeit als Altenpfleger im Seniorenzentrum B. T. gGmbH zu einem Jahresarbeitsentgelt von zuletzt 32.138,42 EUR zuzüglich 1.267,16 EUR Einmalzahlung tätig (Arbeitsbescheinigung vom 30.07.2008). In der Folge bezog er bis 01.06.2010 Krankengeld von der BKK Gesundheit (Bescheinigung vom 04.08.2010), mit Unterbrechung durch den Bezug von Übergangsgeld vom 17.11.2008 bis 16.05.2009 (Bescheinigung vom 19.08.2010) und gefolgt bis einschließlich 22.07.2010 von Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung B. (Bescheinigung vom 02.08.2010).
Am 23.07.2010 meldete der Kläger sich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 30.08.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 27,31 EUR täglich (Bemessungsentgelt 68,13 EUR, 2.043,90 EUR monatlich) und teilte ihm dazu mit Schreiben vom 27.08.2010 mit, dass in seinem Fall das Arbeitslosengeld fiktiv zu bemessen sei, weil er in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Dazu habe sie die Tätigkeit als Altenpfleger zugrunde gelegt. Da hierfür eine Ausbildung erforderlich sei werde Qualifikationsstufe 3 zugrunde gelegt.
Dagegen erhob der Kläger am 06.09.2010 Widerspruch und machte geltend, er habe sich schon am 08.08.2008 arbeitslos gemeldet. Er habe 1.700 EUR netto verdient. Dieser Betrag müsse der Berechnung zugrunde gelegt werden. Insofern sei der Zwei-Jahres-Zeitraum auf fünf Jahre zu verlängern. Außerdem habe die Beklagte nicht beachtet, dass er ein abgeschlossenes Hochschulstudium habe und eine sechsmonatige Ausbildung zum Pharmareferenten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 11.11.2010 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG), zu deren Begründung er seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholte und geltend machte, dass er nur deshalb als Altenpfleger gearbeitet habe, weil es an Stellen für Hygieneärzte fehle.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.06.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach § 132 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken habe. Der Kläger habe zwar ein Hochschulstudium absolviert. Er habe aber mangels Anerkennung desselben keine Möglichkeit in Deutschland als Hygienearzt entsprechend seiner Ausbildung in der ehemaligen Sowjetunion eine Tätigkeit aufzunehmen. Es sei insofern auch nicht zu beanstanden, dass es entsprechende Stellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gebe. Die Beklagte sei deshalb zutreffend vom Beruf des Altenpflegers ausgegangen.
Gegen dem seinen Prozessbevollmächtigten am 30.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23.07.2012 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er seinen Vortrag aus dem Klageverfahren und dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er fühle sich ungleich behandelt, weil man seine Hochschulausbildung in Deutschland nicht akzeptiere. Schließlich sei sie ihm bisher nicht aberkannt worden. Auch gebe es durchaus auch in Deutschland solche Stellen z.B. in den Gesundheitsämtern. Er wäre insofern auch bereit gewesen, eine unterqualifizierte Tätigkeit aufzunehmen. Die sei ihm aber ebenso wenig angeboten worden wie es ihm 1996 gelungen sei, eine Tätigkeit als Pharmareferent zu finden. Das könne aber jetzt nicht zu seinem Nachteil gereichen. Außerdem habe er sich schon 2008 arbeitslos melden wollen. Damals habe man ihm aber gesagt, dass das wegen des Kranken- und Übergangsgelds nicht gehe. Inzwischen sei er in Rente und verdiene nebenher Geld mit der Betreuung von Behinderten.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.06.2012 aufzuheben sowie den Bescheid vom 30.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld ab 23.07.2010 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 28.02.2013 erörtert.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Betreffend die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Reutlingen sowie die beim Senat angefallene Akte.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld zu.
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die Grundsätze für die Bemessung des Arbeitslosengelds einschließlich der Bemessung bei Fehlen von Arbeitsentgelt in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das SG hat zutreffend begründet, warum der Kläger nicht in die Qualifikationsstufe 1 (bei Hochschulausbildung) eingestuft und entsprechend höheres Arbeitslosengeld beanspruchen kann. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Erörterungstermin ist insofern ergänzend auszuführen, dass es nicht darauf ankommt, ob dem Kläger sein Hochschulstudium in der ehemaligen Sowjetunion aberkannt wurde, sondern darauf, ob die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen auf eine Tätigkeit als Hochschulabsolvent erstrecken musste. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es für die Zuordnung zu der jeweiligen Qualifikationsgruppe darauf an, ob der Arbeitslose tatsächlich über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen förmlichen Berufsabschluss verfügt (zuletzt BSG, Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R, SozR 4-4300 § 132 Nr. 8, Juris Rn. 17). Wie schon das BSG kann auch der Senat offen lassen, ob bei der Zuordnung außer dem ursprünglichen Berufsabschluss - einschließlich erfolgreich absolvierter Weiterbildungsmaßnahmen - eine tatsächlich ausgeübte höherwertige Tätigkeit entscheidend sein kann, wenn eine Vermittlung in einer entsprechende Beschäftigung - aufgrund der bisherigen Tätigkeit - realistisch erscheint (BSG a.a.O., Rn. 17).
Vorliegend fehlt es dem Kläger sowohl an dem maßgeblichen Berufsabschluss für eine Tätigkeit als Hochschulabsolvent als auch an einer realistischen Möglichkeit auf diesem Gebiet vermittelt zu werden. Schon nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger nicht den für die Einordnung in die Qualifikationsgruppe 1 erforderlichen Berufsabschluss. Zwar verfügt er über einen Hochschulabschluss in Kasachstan, der ihm, wie er zutreffend vorgetragen hat, bisher nicht aberkannt wurde. Jedoch fehlt ihm die Anerkennung dieses Hochschulabschlusses als ein in der Bundesrepublik Deutschland für die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit gleichwertiger Hochschulabschluss. Für diese Anerkennung hätte es - nach dem eigenen Vortrag des Klägers im Erörterungstermin vom 28.02.2013 - eines weiteren (verkürzten) Studiums an einer deutschen (oder zumindest in einem EU-Land gelegenen) Hochschule bedurft, die der Kläger nicht absolviert hat. Auch an einer Approbation als Voraussetzung für die Ausübung eines ärztlichen Berufs (§ 2 Abs. 1 Bundesärzteordnung) fehlt es dem Kläger. Auf die ausdrückliche Nachfrage der Berichterstatterin im Erörterungstermin hat er bestätigt, dass er nach wie vor nicht die Berechtigung zur Ausübung ärztlicher Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland hat. Für eine solche Berechtigung eines anderes Staates der Europäischen Union ergeben sich keine Anhaltspunkte, ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Hochschulabschlüssen mit Kasachstan besteht nicht.
Es fehlt auch an einer realistischen Möglichkeit der Vermittlung des Klägers in eine Tätigkeit als Arzt für Hygiene und Epidemiologie. Der Kläger selbst hat - von der Beklagten im Ergebnis bestätigt - vorgetragen, dass keine Arbeitsplätze angeboten werden, die ein Tätigkeitsprofil aufweisen, das seiner in Kasachstan erworbenen Berufserfahrung entspricht.
Für die Bemessung des Arbeitslosengelds kann der Bemessungsrahmen auch nicht auf fünf Jahre erweitert werden, denn eine solche Erweiterung sieht § 130 SGB III in der vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 20.12.2011 (BGBl 2011 I S. 2865) geltenden Fassung (a.F.). nicht vor. Lediglich die Rahmenfrist für die Erfüllung der Anwartschaftszeit kann nach § 124 Abs. 3 SGB III a.F. auf fünf Jahre erweitert werden, wenn Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen wird. Diese Rahmenfrist betrifft aber die Erfüllung der Anwartschaftszeit, also die Frage, ob ein Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde (nicht: der Höhe) nach besteht (s. § 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III a.F.). Von einem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach geht aber auch die Beklagte aus.
Dem Kläger hat auch nicht deshalb einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld, weil er sich bereits im Jahr 2008 arbeitslos melden wollte. Nach § 131 Abs. 4 SGB III a.F. ist das Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden ist, wenn der Arbeitslose innerhalb von zwei Jahren vor der Entstehung des Anspruchs bereits Arbeitslosengeld bezogen hat. Diese Voraussetzungen liegen auch nach dem Vortrag des Klägers nicht vor. Zunächst hat er selbst angegeben, sich nicht arbeitslos gemeldet und auch keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt zu haben. Insofern fehlt es im Jahr 2008 bereits an der Arbeitslosmeldung als Voraussetzung für einen Arbeitslosengeldanspruch (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.) Jedenfalls bezog der Kläger auch nach seinem eigenen Vortrag im Jahr 2008 kein Arbeitslosengeld. Hinweise auf eine Pflichtverletzung seitens der Beklagten ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.
Soweit der Kläger im Erörterungstermin vom 28.02.2013 geltend gemacht hat, dass er sich ungleich behandelt fühle, führt das ebenfalls nicht zum Erfolg der Berufung. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung begründet die Regelung des § 132 SGB III a.F. nicht, denn sie behandelt alle Arbeitslosengeldempfänger insofern gleich, als sie auf die Vermittlungsmöglichkeiten des konkreten Arbeitslosengeldempfängers abstellt. Der Kläger wendet sich im Ergebnis auch gar nicht gegen § 132 SGB III als solches oder gegen dessen Anwendung durch die Beklagte sondern dagegen, dass sein Hochschulabschluss in der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt wird. Die Anerkennung seines Hochschulabschlusses in der Bundesrepublik Deutschland ist aber nicht Sache der Beklagten, denn die Beklagte hat die Anerkennung nicht abgelehnt und ist für die Anerkennung von Hochschulabschlüssen in der Bundesrepublik Deutschland oder im Land Baden-Württemberg auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers gar nicht zuständig, so dass auch die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Diplome vom Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist (vgl. dazu aber BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 - 3 C 33/07, NJW 2009, 867, Juris Rn. 17, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.09.2012 - OVG 10 M 33.11, Juris Rn. 15, OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.10.2010 - L 8 LA 65/10, Juris Rn. 16, Bayerisches Verfassungsgericht v. 04.06.2003 - Vf. 4-VII-02 Juris).
Zutreffend ist das SG auch davon ausgegangen, dass der Kläger in Qualifikationsstufe 3 (mit abgeschlossener Berufsausbildung) einzustufen ist, denn die Voraussetzungen für die Einstufung in Qualifikationsstufe 2 (Fachschulabschluss, Meister und vergleichbar) liegen nicht vor. Die Tätigkeit als Pharmareferent entspricht nicht einer Qualifikation als Meister oder Absolvent einer Fachschule. Der Senat schließt sich insofern der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an (Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R, SozR 4-4300 § 132 Nr. 8) und verweist auf diese.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, insbesondere kommt dem Rechtsstreit im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 04.07.2012 a.a.O) keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung höheren Arbeitslosengelds ab 23.07.2010.
Der 1948 geborene Kläger ist im Jahr 1993 aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. In Kasachstan war er als Facharzt für Hygiene und Epidemiologie tätig. Diese Tätigkeit setzte in der ehemaligen Sowjetunion ein reguläres sechsjähriges Hochschulstudium mit Abschluss (Diplom) voraus (Schreiben der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen vom 26.09.1994). Sie ist inhaltlich nur partiell mit dem deutschen Medizinstudium vergleichbar und berechtigte in der ehemaligen Sowjetunion z.B. zu Tätigkeiten in einem Gesundheitsamt.
Nach seiner Einreise nahm der Kläger an einem Schulungsprogramm zur sprachlichen und beruflichen Anpassung für Akademiker teil. In dem abschließenden Zertifikat des christlichen Bildungswerks B. N. S. (cbw) vom 31.07.1995 wurden ihm gute Kenntnisse in Allgemeinmedizin bescheinigt. In der Folge absolvierte der Kläger ein Praktikum in einem Labor. Eine Approbation zur Ausübung ärztlicher Tätigkeiten erhielt er ebenso wenig wie eine Anerkennung seines Diploms als gleichwertig mit einem deutschen medizinischen Staatsexamen. Ein (verkürztes) Hochschulstudium zur Begründung der Möglichkeit, in der Bundesrepublik als Arzt zu arbeiten, absolvierte der Kläger nicht.
Im Jahr 1996 bestand der Kläger die Weiterbildungsprüfung als Pharmareferent (Diplom vom 19.06.1996). Eine Tätigkeit als Pharmareferent nahm er nicht auf.
In der Zeit vom 01.09.1997 bis 31.08.2000 machte der Kläger eine Berufsausbildung zum Altenpfleger und war in diesem Beruf in der Zeit von 2000 bis 2004 in seiner Ausbildungsstätte Schloss M. als Fachkraft, von 2004 bis 31.07.2008 in Vollzeit als Altenpfleger im Seniorenzentrum B. T. gGmbH zu einem Jahresarbeitsentgelt von zuletzt 32.138,42 EUR zuzüglich 1.267,16 EUR Einmalzahlung tätig (Arbeitsbescheinigung vom 30.07.2008). In der Folge bezog er bis 01.06.2010 Krankengeld von der BKK Gesundheit (Bescheinigung vom 04.08.2010), mit Unterbrechung durch den Bezug von Übergangsgeld vom 17.11.2008 bis 16.05.2009 (Bescheinigung vom 19.08.2010) und gefolgt bis einschließlich 22.07.2010 von Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung B. (Bescheinigung vom 02.08.2010).
Am 23.07.2010 meldete der Kläger sich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 30.08.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 27,31 EUR täglich (Bemessungsentgelt 68,13 EUR, 2.043,90 EUR monatlich) und teilte ihm dazu mit Schreiben vom 27.08.2010 mit, dass in seinem Fall das Arbeitslosengeld fiktiv zu bemessen sei, weil er in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Dazu habe sie die Tätigkeit als Altenpfleger zugrunde gelegt. Da hierfür eine Ausbildung erforderlich sei werde Qualifikationsstufe 3 zugrunde gelegt.
Dagegen erhob der Kläger am 06.09.2010 Widerspruch und machte geltend, er habe sich schon am 08.08.2008 arbeitslos gemeldet. Er habe 1.700 EUR netto verdient. Dieser Betrag müsse der Berechnung zugrunde gelegt werden. Insofern sei der Zwei-Jahres-Zeitraum auf fünf Jahre zu verlängern. Außerdem habe die Beklagte nicht beachtet, dass er ein abgeschlossenes Hochschulstudium habe und eine sechsmonatige Ausbildung zum Pharmareferenten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 11.11.2010 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG), zu deren Begründung er seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholte und geltend machte, dass er nur deshalb als Altenpfleger gearbeitet habe, weil es an Stellen für Hygieneärzte fehle.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.06.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach § 132 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken habe. Der Kläger habe zwar ein Hochschulstudium absolviert. Er habe aber mangels Anerkennung desselben keine Möglichkeit in Deutschland als Hygienearzt entsprechend seiner Ausbildung in der ehemaligen Sowjetunion eine Tätigkeit aufzunehmen. Es sei insofern auch nicht zu beanstanden, dass es entsprechende Stellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gebe. Die Beklagte sei deshalb zutreffend vom Beruf des Altenpflegers ausgegangen.
Gegen dem seinen Prozessbevollmächtigten am 30.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23.07.2012 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er seinen Vortrag aus dem Klageverfahren und dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er fühle sich ungleich behandelt, weil man seine Hochschulausbildung in Deutschland nicht akzeptiere. Schließlich sei sie ihm bisher nicht aberkannt worden. Auch gebe es durchaus auch in Deutschland solche Stellen z.B. in den Gesundheitsämtern. Er wäre insofern auch bereit gewesen, eine unterqualifizierte Tätigkeit aufzunehmen. Die sei ihm aber ebenso wenig angeboten worden wie es ihm 1996 gelungen sei, eine Tätigkeit als Pharmareferent zu finden. Das könne aber jetzt nicht zu seinem Nachteil gereichen. Außerdem habe er sich schon 2008 arbeitslos melden wollen. Damals habe man ihm aber gesagt, dass das wegen des Kranken- und Übergangsgelds nicht gehe. Inzwischen sei er in Rente und verdiene nebenher Geld mit der Betreuung von Behinderten.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.06.2012 aufzuheben sowie den Bescheid vom 30.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld ab 23.07.2010 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 28.02.2013 erörtert.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Betreffend die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Reutlingen sowie die beim Senat angefallene Akte.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld zu.
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die Grundsätze für die Bemessung des Arbeitslosengelds einschließlich der Bemessung bei Fehlen von Arbeitsentgelt in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das SG hat zutreffend begründet, warum der Kläger nicht in die Qualifikationsstufe 1 (bei Hochschulausbildung) eingestuft und entsprechend höheres Arbeitslosengeld beanspruchen kann. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Erörterungstermin ist insofern ergänzend auszuführen, dass es nicht darauf ankommt, ob dem Kläger sein Hochschulstudium in der ehemaligen Sowjetunion aberkannt wurde, sondern darauf, ob die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen auf eine Tätigkeit als Hochschulabsolvent erstrecken musste. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es für die Zuordnung zu der jeweiligen Qualifikationsgruppe darauf an, ob der Arbeitslose tatsächlich über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen förmlichen Berufsabschluss verfügt (zuletzt BSG, Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R, SozR 4-4300 § 132 Nr. 8, Juris Rn. 17). Wie schon das BSG kann auch der Senat offen lassen, ob bei der Zuordnung außer dem ursprünglichen Berufsabschluss - einschließlich erfolgreich absolvierter Weiterbildungsmaßnahmen - eine tatsächlich ausgeübte höherwertige Tätigkeit entscheidend sein kann, wenn eine Vermittlung in einer entsprechende Beschäftigung - aufgrund der bisherigen Tätigkeit - realistisch erscheint (BSG a.a.O., Rn. 17).
Vorliegend fehlt es dem Kläger sowohl an dem maßgeblichen Berufsabschluss für eine Tätigkeit als Hochschulabsolvent als auch an einer realistischen Möglichkeit auf diesem Gebiet vermittelt zu werden. Schon nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger nicht den für die Einordnung in die Qualifikationsgruppe 1 erforderlichen Berufsabschluss. Zwar verfügt er über einen Hochschulabschluss in Kasachstan, der ihm, wie er zutreffend vorgetragen hat, bisher nicht aberkannt wurde. Jedoch fehlt ihm die Anerkennung dieses Hochschulabschlusses als ein in der Bundesrepublik Deutschland für die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit gleichwertiger Hochschulabschluss. Für diese Anerkennung hätte es - nach dem eigenen Vortrag des Klägers im Erörterungstermin vom 28.02.2013 - eines weiteren (verkürzten) Studiums an einer deutschen (oder zumindest in einem EU-Land gelegenen) Hochschule bedurft, die der Kläger nicht absolviert hat. Auch an einer Approbation als Voraussetzung für die Ausübung eines ärztlichen Berufs (§ 2 Abs. 1 Bundesärzteordnung) fehlt es dem Kläger. Auf die ausdrückliche Nachfrage der Berichterstatterin im Erörterungstermin hat er bestätigt, dass er nach wie vor nicht die Berechtigung zur Ausübung ärztlicher Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland hat. Für eine solche Berechtigung eines anderes Staates der Europäischen Union ergeben sich keine Anhaltspunkte, ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Hochschulabschlüssen mit Kasachstan besteht nicht.
Es fehlt auch an einer realistischen Möglichkeit der Vermittlung des Klägers in eine Tätigkeit als Arzt für Hygiene und Epidemiologie. Der Kläger selbst hat - von der Beklagten im Ergebnis bestätigt - vorgetragen, dass keine Arbeitsplätze angeboten werden, die ein Tätigkeitsprofil aufweisen, das seiner in Kasachstan erworbenen Berufserfahrung entspricht.
Für die Bemessung des Arbeitslosengelds kann der Bemessungsrahmen auch nicht auf fünf Jahre erweitert werden, denn eine solche Erweiterung sieht § 130 SGB III in der vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 20.12.2011 (BGBl 2011 I S. 2865) geltenden Fassung (a.F.). nicht vor. Lediglich die Rahmenfrist für die Erfüllung der Anwartschaftszeit kann nach § 124 Abs. 3 SGB III a.F. auf fünf Jahre erweitert werden, wenn Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen wird. Diese Rahmenfrist betrifft aber die Erfüllung der Anwartschaftszeit, also die Frage, ob ein Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde (nicht: der Höhe) nach besteht (s. § 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III a.F.). Von einem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach geht aber auch die Beklagte aus.
Dem Kläger hat auch nicht deshalb einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld, weil er sich bereits im Jahr 2008 arbeitslos melden wollte. Nach § 131 Abs. 4 SGB III a.F. ist das Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden ist, wenn der Arbeitslose innerhalb von zwei Jahren vor der Entstehung des Anspruchs bereits Arbeitslosengeld bezogen hat. Diese Voraussetzungen liegen auch nach dem Vortrag des Klägers nicht vor. Zunächst hat er selbst angegeben, sich nicht arbeitslos gemeldet und auch keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt zu haben. Insofern fehlt es im Jahr 2008 bereits an der Arbeitslosmeldung als Voraussetzung für einen Arbeitslosengeldanspruch (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.) Jedenfalls bezog der Kläger auch nach seinem eigenen Vortrag im Jahr 2008 kein Arbeitslosengeld. Hinweise auf eine Pflichtverletzung seitens der Beklagten ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.
Soweit der Kläger im Erörterungstermin vom 28.02.2013 geltend gemacht hat, dass er sich ungleich behandelt fühle, führt das ebenfalls nicht zum Erfolg der Berufung. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung begründet die Regelung des § 132 SGB III a.F. nicht, denn sie behandelt alle Arbeitslosengeldempfänger insofern gleich, als sie auf die Vermittlungsmöglichkeiten des konkreten Arbeitslosengeldempfängers abstellt. Der Kläger wendet sich im Ergebnis auch gar nicht gegen § 132 SGB III als solches oder gegen dessen Anwendung durch die Beklagte sondern dagegen, dass sein Hochschulabschluss in der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt wird. Die Anerkennung seines Hochschulabschlusses in der Bundesrepublik Deutschland ist aber nicht Sache der Beklagten, denn die Beklagte hat die Anerkennung nicht abgelehnt und ist für die Anerkennung von Hochschulabschlüssen in der Bundesrepublik Deutschland oder im Land Baden-Württemberg auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers gar nicht zuständig, so dass auch die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Diplome vom Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist (vgl. dazu aber BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 - 3 C 33/07, NJW 2009, 867, Juris Rn. 17, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.09.2012 - OVG 10 M 33.11, Juris Rn. 15, OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.10.2010 - L 8 LA 65/10, Juris Rn. 16, Bayerisches Verfassungsgericht v. 04.06.2003 - Vf. 4-VII-02 Juris).
Zutreffend ist das SG auch davon ausgegangen, dass der Kläger in Qualifikationsstufe 3 (mit abgeschlossener Berufsausbildung) einzustufen ist, denn die Voraussetzungen für die Einstufung in Qualifikationsstufe 2 (Fachschulabschluss, Meister und vergleichbar) liegen nicht vor. Die Tätigkeit als Pharmareferent entspricht nicht einer Qualifikation als Meister oder Absolvent einer Fachschule. Der Senat schließt sich insofern der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an (Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R, SozR 4-4300 § 132 Nr. 8) und verweist auf diese.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, insbesondere kommt dem Rechtsstreit im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 04.07.2012 a.a.O) keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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