L 2 AS 1679/12 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 137/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1679/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 26.07.2012 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bietet.

Hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung sind gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt ist.

Gemessen an diesen Maßstäben bietet die auf Gewährung von weiteren 29,- Euro für monatliche Kosten in Höhe von 30,- Euro für die verpflichtende Teilnahme am Instrumentalunterricht einer Schulklasse mit musikalischem Schwerpunkt keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Es kann im Rahmen des PKH-Beschwerde-Verfahrens dahingestellt bleiben, ob die vom Sozialgericht im angefochtenen Beschluss geäußerten Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Klage durchgreifen, denn die Klage ist, wie vom Sozialgericht, auf dessen Ausführungen insoweit auch ergänzend Bezug genommen wird, zutreffend dargestellt wurde, jedenfalls nicht begründet.

Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche. Offen bleiben kann allerdings, ob der Kläger im gesamten streitbefangenen Zeitraum überhaupt nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) leistungsberechtigt war. Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen war sein persönlicher Bedarf in einzelnen Monaten durch Kindergeld, Unterhaltsvorschuss und Wohngeld mehr als gedeckt, so dass kein Anspruch auf Sozialgeld bestand und er gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht der Bedarfsgemeinschaft angehörte. Damit würde es schon an einer allgemeinen Leistungsberechtigung fehlen.

Unabhängig davon handelt es sich bei den Kosten des Instrumentalunterrichts nicht um Aufwendungen für eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung im Sinne von § 28 Abs. 5 SGB II. Denn eine angemessene Lernförderung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Die Aufnahme und auch der Verbleib in einer Schulklasse mit dem Schwerpunkt Musik gehört auch dann nicht dazu, wenn die Regelungen der Schule vorsehen, dass für Schüler dieser Klasse ein verpflichtender zusätzlicher kostenpflichtiger Instrumentalunterricht, der nachmittags von Lehrern der örtlichen Musikschule erteilt wird, zu besuchen ist. Wie die Beklagte und das Sozialgericht schon zutreffend dargestellt haben, handelt es sich bei dem Instrumentalunterricht nicht um eine Lernförderung, die geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Dies erschließt sich bereits aus der Gesetzesbegründung (s. S. 105 der Bundestags-Drucks. 17/3404, wonach eine Lernförderung als Sonderbedarf zu gewähren ist, wenn sie notwendig ist, um (vorübergehende) Lernschwächen zu beheben). Der Instrumentalunterricht dient hier ersichtlich nicht zur Beseitigung einer solchen Lernschwäche, sondern dem Erwerb zusätzlicher Fähigkeiten. Dies ist jedoch nicht Zielrichtung einer Förderung nach § 28 Abs. 5 SGB II. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich das wesentliche Lernziel im Sinne dieser Vorschrift im Einzelfall je nach Schulform und Klassenstufe aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergibt und auf ein ausreichendes Leistungsniveau im Hinblick auf eine Versetzung in die nächste Klassenstufe gerichtet ist. Zusätzliche und damit nicht versetzungsrelevante Unterrichtsangebote sind nach § 28 Abs. 5 SGB II nicht förderungsfähig. Eine erweiternde Auslegung dieser Norm kommt nicht in Betracht, da die Regelungen Ausnahmecharakter haben, weil Bedarfe grundsätzlich aus der Regelleistung zu bestreiten sind.

Die Bewilligung weiterer Mittel nach § 28 Abs. 7 SGB II ist ebenfalls nicht möglich, weil der Höchstbetrag von 10 Euro bereits ausgeschöpft wurde (9 Euro für die Mitgliedschaft in einem Verein und 1 Euro für den hier fraglichen Instrumentalunterricht).

Der geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht aus § 21 Abs. 6 SGB II herleiten. Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Diese Regelung ist Ausführung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09 u.a.) ergangen und orientiert sich am Wortlaut dieses Urteils, woraus zu folgern ist, dass der Gesetzgeber allein die Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllen und keine weitergehenden Regelungen treffen wollte.

Hier handelt es sich bereits nicht um einen unabweisbaren, besonderen Bedarf, dessen Deckung im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich ist. Der Kläger, der bereits bei Eintritt in die 5. Klasse einer Bedarfsgemeinschaft angehörte, die Leistungen nach dem SGB II bezog, hat sich zum damaligen Zeitpunkt für den Besuch einer Klasse mit dem Schwerpunkt Musik entschieden. Er hätte auch eine andere Klasse der Marienschule ohne Schwerpunkt Musik besuchen können. Kosten für den Instrumentalunterricht wären dann nicht angefallen. Der mithin schon nicht unabweisbare Bedarf ist auch nicht zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu decken. Zu einem menschenwürdigen Existenzminimum gehört auch die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Sozialstaatlich ist der Gesetzgeber aber nicht verpflichtet, dafür Mittel in unbegrenzter Höhe zur Verfügung zu stellen. Ausreichend ist, wenn einem Leistungsempfänger in einem gewissen Umfang eine Teilhabe ermöglicht wird. Dem Gesetzgeber steht insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der - neben den in der Regelleistung enthaltenen Beträgen für Teilhabe - auf zusätzlich 10 Euro monatlich für Leistungsberechtigte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in § 28 Abs. 7 SGB II konkretisiert wurde. Diese Leistungen sind u.a. ausdrücklich für Musikunterricht vorgesehen. Es ist Sache des Leistungsberechtigten, bzw. bei Minderjährigen seiner Erziehungsberechtigten, über die Verwendung der damit zur Verfügung stehenden Mittel im Einzelnen selber zu bestimmen. Sind mit der individuell gewählten Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben höhere Aufwendungen verbunden, ist es dem Leistungsberechtigten im Übrigen zuzumuten, einen aufgrund seiner Wünsche entstandenen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (s. Bundesverfassungsgericht a.a.O. zu Rdnr. 205 der Wiedergabe bei juris). Eine erweiternde Auslegung von § 21 Abs. 6 SGB II ist aufgrund des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift nicht möglich, zumal schon vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O. zu Rdnr. 208) angemerkt wurde, dass dieser zusätzliche Anspruch angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen kann.

Eine Kostenerstattung für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht vorgesehen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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