L 11 AS 810/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 570/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 810/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 25/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz SGB II aF (nunmehr § 11b Abs 2 Satz 2 SGB II) ist als monatlicher Aufwand anzusehen, der vom gesamten Einkommen (aus Erwerbstätigkeit) abzusetzen ist, das in dem Monat, für den der Aufwand zu berücksichtigen ist, zufließt, unabhängig davon aus welchen Einkommensquellen der tatsächliche Zufluss stammt und unter welchen tatsächlichen oder rechtlichen Bedingungen dieser Einkommenszufluss zustande gekommen ist.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 02.08.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine teilweise Aufhebung bewilligter laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Januar 2011 sowie die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 106,40 EUR.

Die alleinstehende Klägerin bezog seit November 2006 Leistungen nach dem SGB II, zuletzt mit Bescheid vom 22.11.2010 für den Zeitraum vom 01.11.2010 bis zum 30.11.2010 in Höhe von 569,68 EUR sowie für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis zum 30.04.2011 in Höhe von 320,68 EUR. Im Hinblick auf die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung ab dem 01.11.2010 sei ab dem 01.12.2010 ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 240,- EUR monatlich anzusetzen.

Auf Nachweis des tatsächlich bezogenen Einkommens in Höhe von 133.- EUR für die Monate November 2010 (Zahlungseingang auf dem Konto der Klägerin: 01.12.2010) und Dezember 2010 (Zahlungseingang auf dem Konto der Klägerin: 05.01.2011) bewilligte der Beklagte der Klägerin mit den Bescheiden vom 15.12.2010 (Zeitraum 01.12.2010 bis 31.12.2010) und 11.01.2011 (Zeitraum 01.01.2011 bis 31.01.2011) Alg II in Höhe von jeweils 534,28 EUR wobei er nach Abzug der Freibeträge gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF (idF des Gesetzes vom 14.08.2005; BGBl. I S. 2407) und § 30 SGB II aF anzurechnendes Einkommen in Höhe von 26,40 EUR berücksichtigte,

Nach Vorlage von Kontoauszügen durch die Klägerin Anfang Februar 2011 stellte der Beklagte fest, dass der Klägerin das für Januar 2011 zu beanspruchenden Arbeitsentgelt in Höhe von 133.- EUR bereits am 31.01.2011 auf ihrem Konto gutgeschrieben worden war.

Nach Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 14.02.2011) hob der Beklagte mit Bescheid vom 03.03.2011 die mit Bescheid vom 11.01.2011 bewilligten Leistungen teilweise auf. Nachdem sowohl das für Dezember 2010 als auch das für Januar 2011 zu beanspruchende Arbeitsentgelt im Januar 2011 zugeflossen sei, sei das gesamte Einkommen auf den Leistungsanspruch für Januar 2011 anzurechnen. Unter Beachtung der maßgeblichen Freibeträge sei Alg II in Höhe von 106,40 EUR für den Monat Januar 2011 zu Unrecht bezogen worden. Dieser Betrag sei von der Klägerin zu erstatten.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass vorliegend eine Abweichung vom sogenannten Zuflussprinzip angezeigt sei. Entweder sei das Einkommen für Januar 2011 im Februar 2011 zu berücksichtigen oder die Freibeträge müssten bei der Berechnung im Monat Januar 2011 doppelt abgezogen werden. Im Ergebnis dürfe es zu keiner Erstattung kommen.

Nachdem die Gehaltszahlung für Februar 2011 bei der Klägerin bereits am 28.02.2011 eingegangen war, bewilligte der Beklagte der Klägerin in Abänderung des Bescheides vom 22.11.2010 mit Bescheid vom 04.03.2011 Alg II für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis 28.02.2011 in Höhe von 534,28 EUR unter Anrechnung berücksichtigungsfähigen Einkommens in Höhe von 26,40 EUR. Auch in der Folgezeit zahlte der Arbeitgeber der Klägerin das Arbeitsentgelt jeweils am Ende des Monats aus, für den es gezahlt wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß dem in § 2 Abs 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) verankerten Zuflussprinzip seien laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Hiervon seien die Freibeträge abzuziehen. Die Klägerin habe Einkommen erzielt, das zur Minderung des Leistungsanspruchs geführt habe (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X), so dass die maßgebliche Bewilligung aufzuheben und überzahlte Leistungen in Höhe von 106,40 EUR zu erstatten seien.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Mit der Gewährung der Freibeträge habe der Gesetzgeber einen Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung schaffen und damit einem Erwerbstätigen mehr belassen wollen, als demjenigen der nicht arbeitet. Soweit der Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF nicht im Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Einkommen berücksichtigt werde, werde der Gesetzeszweck nicht erfüllt. Insofern sei ein Abweichen vom Zuflussprinzip dergestalt erforderlich, dass entweder der Grundfreibetrag jeweils vom Einkommen abgezogen werde, mithin im Januar 2011 doppelt zu berücksichtigen sei, oder dass das Einkommen für Januar 2011 erst im Februar 2011 anzurechnen sei.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.08.2011 abgewiesen. Aufgrund der Zahlung des Arbeitsentgelts für Januar 2011 am 31.01.2011 sei der Klägerin Einkommen zugeflossen, das rechtfertige, die Leistungsbewilligung vom 11.01.2011 mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Unter Beachtung des Zuflussprinzips seien die beiden Zahlungseingänge am 05.01.2011 und 31.01.2011 bei der Klägerin als Einkommen für den Monat Januar 2011 zu berücksichtigen. Eine mehrfache Berücksichtigung der Freibeträge innerhalb eines Monats und ein Abweichen zum Zuflussprinzip seien nicht geboten. Vergleichbar sei die Situation mit Mehrfachbeschäftigungen, wobei auch hier eine mehrfache Berücksichtigung von Freibeträgen nicht möglich sei.

Mit der vom Bayerische Landessozialgericht (LSG) zugelassenen Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, dass das Landessozialgericht Baden- Württemberg (Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AS 5695/06) habe entschieden, dass der Freibetrag iSd § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF auch mehrfach zu berücksichtigen sei, soweit laufendes Arbeitsentgelt für mehrere Monate nachgezahlt werde. Die vom SG genannten Entscheidungen des Bundessozialgericht (BSG) befassten sich ausschließlich mit dem Zuflussprinzip, thematisierten die Frage der Freibeträge jedoch nicht.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 02.08.2011 aufzuheben, den Bescheid vom 03.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2011 abzuändern und den Erstattungsbetrag auf 26,40 EUR zu beschränken

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung (§§ 143, 144, 145, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist unbegründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 03.03.2011 idG des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2011 zu Recht abgewiesen. Die dort vorgenommene bedarfsmindernde Anrechnung des Nebeneinkommens und Rückforderung der überzahlten Leistungen erweist sich als rechtmäßig; die Entscheidung des Beklagten verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid vom 14.04.2011 zutreffend mit einer reinen Anfechtungsklage angegriffen, denn Gegenstand des Verfahrens ist allein die Anrechnung des Nebeneinkommens im Rahmen der mit Bescheid vom 03.03.2011 verfügten (Teil-)Aufhebung der Alg II-Bewilligung vom 11.01.2011 sowie die damit verbundene Rückforderung der Leistungen in Höhe von 106,40 EUR.-. Die (Teil-)Aufhebung der Alg II- Bewilligung für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.01.2011 ist nicht zu beanstanden, denn die (weitere) Anrechnung des am 31.01.2011 zugeflossenen Nebeneinkommens ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zutreffend. Die Klägerin kann für Januar 2011 lediglich einmalig einen Grundfreibetrag von 100.- EUR gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF beanspruchen und es gibt keinen Anlass, in Abweichung vom Zuflussprinzip, den Zahlungseingang auf dem Konto der Klägerin in Höhe von 133.- EUR am 31.01.2011, für die Bedarfsberechnung im Januar 2011 außer Betracht zu lassen.

Ein Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -, § 40 Abs 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II). Wesentlich iS des § 48 Abs 1 SGB X sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 47/08 R - BSGE 102, 295ff). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X). Dieser beginnt vorliegend gemäß § 13 Abs 1 Nr. 1 SGB II iVm § 2 Abs 2 Satz 1 Alg II - V am 01.01.2011, dem Beginn des Monats, in dem das Arbeitsentgelt zugeflossen ist, wobei vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (vgl. ständige Rechtsprechung zur modifizierten Zuflusstheorie: vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 55 mwN). Als wesentliche Änderung in diesem Sinne, die eine (Teil-) Aufhebung der Leistungsbewilligung vom 11.01.2011 für den Zeitraum vom 01.01.0211 bis 31.01.2011 rechtfertigt, ist der Zahlungseingang von 133.- EUR auf dem Konto der Klägerin am 31.01.2011 anzusehen. Die Klägerin erfüllte im Januar 2011 unabhängig vom Einkommenszufluss am 31.01.2011 die Voraussetzungen für Alg II-Bezug, denn sie war leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), sie war iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II iVm § 8 Abs 1 SGB II erwerbsfähig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Mit dem Einkommenszufluss am 31.01.2011 blieb die Klägerin auch hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II iVm §§ 9, 11, 12 SGB II und hatte Anspruch auf Alg II iSd §§ 19ff SGB II, denn mit der normativen Zurechnung des Einkommens im Zuflussmonat, war das Arbeitsentgelt für die Bedarfsberechnung im Januar 2011 zu berücksichtigen, wodurch für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.01.2011 zwar der Anspruch auf Alg II nicht vollständig weggefallen ist, jedoch hat sich ein geringerer Zahlungsanspruch der Klägerin errechnet, als mit Bescheid vom 11.01.2011 bewilligt.

Nachdem kein Sachverhalt gegeben ist, der für den Monat Januar 2011 einen höheren Bedarf der Klägerin - wegen eines Mehrbedarfs oder nicht gedeckter Unterkunftskosten - begründen kann, andererseits aber auch keine Hinweise darauf vorliegen, die Klägerin habe im streitigen Zeitraum weiteres bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen, ist auf der Grundlage der vom Beklagten berücksichtigten Bedarfe (Regelleistung: 359.- EUR; Unterkunftskosten 201,68 EUR) sowie des am 05.01.2011 zugeflossenen und bereits mit Bescheid vom 11.01.2011 berücksichtigten Einkommens von 133.- EUR der Anspruch der Klägerin für Januar 2011 mit 534,28 EUR zutreffend ermittelt gewesen. In diesem Zusammenhang war vom Einkommen der Klägerin gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF ein Grundfreibetrag in Höhe von 100.- EUR sowie der Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 11 Abs 2
Satz 1 Nr. 6 iVm § 30 Abs 1 Satz 2 Nr.1 SGB II aF in Höhe von 20 vH des Betrages, der einen Betrag von 100.- EUR übersteigt, mithin 6,60 EUR (= (133.- EUR - 100.- EUR) x 20 vH) abzuziehen, so dass sich ein für die Bedarfsberechnung berücksichtigungsfähiges Einkommen von 26,40 EUR (= 133.- EUR - 100.- EUR - 6,60 EUR) errechnet. Unter Berücksichtigung dieses Einkommensansatzes betrug der ungedeckte Bedarf der Klägerin 534,28 EUR (= 359.- EUR + 201,68 EUR - 26,40 EUR).

Wesentlich geänderte hat sich diese Bedarfslage mit Zufluss des Einkommens am 31.01.2011 in Höhe von 133.- EUR, das der Klägerin ermöglicht hat, das Arbeitsentgelt, auch wenn es erst am Monatsende auf ihrem Konto eingegangen ist, im Januar 2011 vollständig bedarfsbezogen zu verwenden, um den ungedeckten Bedarf in diesem Monat zu mindern (vgl. hierzu auch Geiger in LPK- SGB II, 4. Aufl., § 11 Rn. 24). Durch die weiteren, ab dem 31.01.2011 zur Verfügungen stehenden Mittel reduzierte sich der ungedeckte Bedarf der Klägerin auf einen Betrag von 427,88 EUR. Auch die insoweit durchgeführte Berechnung des Beklagten ist nicht zu beanstanden, denn bei einem Gesamteinkommen von 266.- EUR verbleibt nach Abzug des Grundfreibetrages (§ 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF) von 100.- EUR und des Erwerbstätigenfreibetrages (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr. 6 iVm § 30 Abs 1
Satz 2 Nr.1 SGB II aF) in Höhe von 33,20 EUR (= (266.- EUR - 100.- EUR) x 20 vH) ein berücksichtigungsfähiges Einkommen für Januar 2011 in Höhe von 132,80.- EUR (= 266.- EUR - 100.- EUR - 33,20 EUR). Dies vom Gesamtbedarf (Regelleistung und Unterkunftsbedarf) der Klägerin (560,68 EUR = 359.- EUR + 201,68 EUR) in Abzug gebracht, führt zu einem ungedeckten Bedarf von 427,88 EUR.

Diese wesentliche Änderung in Bezug auf den ungedeckten Bedarf, der durch den Zufluss von Einkommen am 31.01.2011 entstanden ist, rechtfertigt die Bewilligung vom 11.01.2011 teilweise aufzuheben und hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen den beiden Bedarfslagen die überzahlten Leistungen für den Monat Januar 2011 in Höhe von 106,40 EUR (= 534,28 EUR - 427,88 EUR) zurückzufordern.

Eine andere Betrachtungsweise ist nicht angezeigt. Das am 31.01.2011 zugeflossene Einkommen kann weder im Monat Januar 2011 bei der Bedarfsberechnung außer Betracht bleiben, noch ist der Klägerin für den Monat Januar 2011 ein (weiterer) Grundfreibetrag iSd § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF in Bezug auf dieses Einkommen einzuräumen.

Das Zuflussprinzip besagt, dass als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II aF - und damit zur Minderung des Hilfebedarfs - grundsätzlich alles das zu berücksichtigen ist, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R; Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 19/07 R;

Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - alle zitiert nach juris). Demgegenüber zielte die (ursprüngliche) Argumentation der Klägerin darauf ab, das im Januar 2011 erarbeitete Einkommen diene der Bedarfsdeckung im Februar 2011. Damit knüpfte sie an die vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entwickelte Identitätstheorie an (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.04.1968 - V C 62.67 - BVerwGE 29, 295ff), dass bei Einkommen, das zum Lebensunterhalt bestimmt war (Identität der Zweckbestimmung), diese Zweckbestimmung auch für einen mit dem Bedarfszeitraum identischen Zeitraum bestehen musste (Zeitraumidentität), was vorliegend zu dem Ergebnis führen würde, dass das am 31.01.2011 zugeflossene Einkommen mit der Zweckbestimmung den Lebensunterhalt im Februar 2011 zu sichern, von einer Anrechnung im Januar 2011 ausgenommen bliebe. Von diesen rechtlichen Überlegungen ist jedoch bereits das BVerwG selbst abgerückt (vgl. 18.02.1999 - 5 C 35/97 - BVerwGE 108, 296ff). Dem in diesem Zusammenhang entwickelten Zuflussprinzip sind auch die für die Fragen der Grundsicherung zuständigen Senate des Bundessozialgerichtes (BSG) gefolgt, wobei für den maßgeblichen Zeitpunkt der Einkommensberücksichtigung vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (ständige Rechtsprechung vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 aaO mwN). Dieser Auffassung ist die Klägerin mit ihrem zuletzt im Berufungsverfahren gestellten Antrag auch nicht mehr entgegen getreten, denn dieser Antrag beruht ausschließlich auf der Überlegung, es sei ihr wegen der verfrühten Auszahlung des Arbeitsentgeltes für Januar, bereits am letzten Tag des Monats, in dem es erarbeitet worden ist, der Abzug eines weiteren Grundfreibetrages in Höhe von 100.- EUR gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 SGB aF von dem am 31.01.2011 zugeflossenen Arbeitsentgelt einzuräumen.

Aber auch dies kann die Klägerin nicht für sich in Anspruch nehmen. Der Wortlaut des § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF sieht vor, dass der Grundfreibetrag "monatlich" statt der in § 11 Abs 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II aF genannten Beträge abzusetzen ist, und zwar von dem Einkommen, das gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF zu berücksichtigen ist. Dabei ist dem Wortlaut des § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF zwar nicht zu entnehmen, dass sich dieser Abzugsbetrag auf eine bestimmte Einkommensart beziehen muss. Die Beschränkung, den Grundfreibetrag lediglich im Zusammenhang mit dem Bezug von Erwerbseinkommen zu berücksichtigen, ergibt sich jedoch aus Regelungszusammenhang des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr. 6 iVm § 30 SGB II aF und den Motiven des Gesetzgebers, der, im Hinblick auf die bis dahin maßgebliche aber unzureichende und wenig transparente Regelung der Freibeträge, für Erwerbseinkommen höhere Freibeträge für Erwerbstätigkeit einräumen und die Freibetragsregelung vereinfachen wollte (vgl. BT-Drucks 15/5446). Darüber hinaus ist jedoch weder dem Wortlaut noch der Gesetzessystematik oder dem Willen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass der Grundfreibetrag in einer Beziehung zu einer bestimmten Einkommensquelle stehen muss. Der Gesetzgeber hat vielmehr formuliert, dass der Grundfreibetrag bei mehreren Beschäftigungen eines Hilfebedürftigen nur einmal monatlich abgesetzt werden kann (vgl. BT-Drucks 15/5446 S 4 Nummer 2 zu § 11), womit der wesentliche Charakter des Absetzungsbetrages verdeutlicht wird, nämlich die pauschalierte Berücksichtigung der in § 11 Abs 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II aF genannten Aufwendungen, von denen der Gesetzgeber unterstellt, dass diese im Zusammenhang mit der Erzielung von Erwerbseinkommen anfallen. Soweit der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang davon ausgeht, dass lediglich bei einem Einkommen ab einer Höhe von 400.- EUR monatlich ein konkreter Nachweis der Aufwendungen (iSd § 11 Abs 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II aF) möglich sein soll (§ 11 Abs 2 Satz 3 SGB II aF) wird dies in der Literatur zwar kritisch gesehen (vgl. Geiger in info also 2011, 106-115); für die Frage der Zuordnung des Grundfreibetrages verdeutlicht diese Regelung jedoch die gesetzgeberische Zielsetzung, den Grundfreibetrag nicht an die Erzielung von Einkommen aus einer bestimmten Einkommensquelle anzubinden, sondern diesen Freibetrag allein als monatlichen Aufwand anzusehen, der vom gesamten Einkommen (aus Erwerbstätigkeit) abzusetzen ist, das in dem Monat, für den der Aufwand zu berücksichtigen ist, zufließt, unabhängig davon aus welchen Einkommensquellen der tatsächliche Zufluss stammt und unter welchen tatsächlichen oder rechtlichen Bedingungen dieser Einkommenszufluss zustande gekommen ist. Insoweit ist daher keine Differenzierung angezeigt, auch wenn laufende Einnahmen aus einem einzigen Arbeitsverhältnis innerhalb eines Monats zufließen. Darüber hinaus misst der Gesetzgeber zwar dem Grundfreibetrag durch die deutliche Erhöhung der Hinzuverdienstmöglichkeiten auch eine Anreizfunktion zu, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. BT- Drucks 15/5446). Diese Anreizfunktion sollte jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen vom Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 30 SGB II aF ausgehen, der als Förderinstrument eigener Art, gering entlohnte Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt mit ergänzendem Bezug von Alg II attraktiver als die Beschäftigung in Arbeitsgelegenheiten zu machen sollte (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 40), wohingegen der Grundfreibetrag in erster Linie dem Wunsch nach Vereinfachung der Regelung tragen sollte. Unabhängig davon rechtfertigt jedoch allein eine Anreizfunktion des § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, keine Verknüpfung des Grundfreibetrages mit einem monatlich erarbeiteten und zu beanspruchenden Arbeitsentgelt, unabhängig davon, wie es konkret ausgezahlt wird (aA LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 09.08.2007 -
L 7 AS 5695/06 - Juris), denn bei konsequenter Betrachtungsweise dieser Überlegung, gäbe es auch keinen Anlass an der Verknüpfung von Erwerbstätigkeit und Erwerbseinkommen festzuhalten. Derartigen Überlegungen hat der Gesetzgeber jedoch mit der Regelung des § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF zum Grundfreibetrag eine Absage erteilt, denn nur bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die auch im Zeitraum des Einkommenszuflusses erwerbstätig sind, sind an Stelle der Beträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II aF ein Betrag von insgesamt 100.- EUR monatlich abzusetzen. Eine Berücksichtigung des Grundfreibetrages ausschließlich in einem zeitlichen Zusammenhang mit der tatsächlichen Auszahlung des Arbeitsentgeltes würde im Ergebnis dazu führen, dass der Grundfreibetrag und daran anknüpfende der Erwerbstätigenfreibetrag - entgegen der gesetzlichen Regelung - auch dann in einem Monat zu berücksichtigen wäre, in dem der Leistungsberechtigte nicht mehr erwerbsfähig oder nicht mehr erwerbstätig ist.

Im Ergebnis besteht daher keine Möglichkeit den Zufluss des Einkommens am 31.01.2011 bei der Bedarfsermittlung außer Betracht zu lassen, denn der von der Klägerin geltend gemachte "Verlust" des Grundfreibetrages entspricht der grundsätzlichen Systematik des SGB II, dass Aufwendungen (iSd § 11 Abs 2 Satz 1 SGB II aF) nicht bedarfserhöhend (iSe Mehrbedarfes) wirken, sondern nur von damit zeitlich in Zusammenhang stehendem Einkommen abgesetzt werden und daraus folgend anspruchserhöhend wirken können.

Zuletzt bestehen auch gegen das Erstattungsbegehren des Beklagten keine Bedenken, denn mit dem Bescheid vom 03.03.2011 hat der Beklagte die für eine Aufhebung einzuhaltende Jahresfrist gewahrt (§ 48 Abs 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X); nach Aufhebung der Leistungsbewilligung hat die Klägerin die in Höhe von 106,40 EUR zu Unrecht gezahlten Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X).

Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der Klägerin.

Die Revision war gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 SGG zuzulassen, denn die Frage der zeitlichen Zuordnung des gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF (nunmehr § 11b Abs 2 Satz 2 SGB II idF des Gesetzes vom 13.05.2011, BGBl. I S 850) zu gewährenden Grundfreibetrages ist von grundsätzlicher Bedeutung und bislang nicht höchstrichterlich geklärt.
Rechtskraft
Aus
Saved