Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KN 113/05 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 216/08 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten H. D. wegen der von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit einer chronisch-obstruktiven Emphysembronchitis eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 vh auch in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 01.09.1994 zu gewähren ist.
Die Klägerin ist die Witwe des am 21.01.2004 verstorbenen Versicherten H. D ... Der Versicherte war von 1944 bis 1949 im französischen Steinkohlebergbau und von 1950 bis 1967 bei verschiedenen deutschen Bergbaugesellschaften als u.a. Hauer unter Tage tätig.
Die Beklagte leitete im Januar 1996 ein Feststellungsverfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO alter Fassung (chronische Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau) ein. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten ermittelte nach Best-Case-Berechnung 103 Feinstaubjahre und nach Worst-Case-Berechnung 206 Feinstaubjahre. Die Beklagte zog u.a. das Vorerkrankungsregister der Krankenkasse und Befundberichte der behandelnden Ärzte bei. Mit interner Verfügung vom 02.12.1996 erkannte die Beklagte bereits eine entschädigungspflichtige Erkrankung nach § 551 Abs. 2 RVO (CBE) an und verfügte eine Vorschusszahlung von 1.000,00 DM vorbehaltlich der Anerkennung der Leistungspflicht durch den Rentenausschuss.
Mit Bescheid vom 28.10.1997 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Entschädigung jedoch mit der Begründung ab, nunmehr liege der Entwurf des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Neuordnung der Berufskrankheiten-Verordnung vor. Danach solle künftig die chronisch-obstruktive Bronchitis oder das Emphysem als Berufskrankheit in der Anlage zur BKV aufgenommen werden. Nach Art. 2 § 1 Abs. 1 des Entwurfs seien entsprechende Erkrankungen auch rückwirkend als Berufskrankheit anzuerkennen, wobei diese Rückwirkung auf Versicherungsfälle begrenzt sei, die nach dem 31.12.1992 eingetreten seien. Bei der Entscheidung nach § 551 Abs. 2 RVO sei der Entwurf einer neuen Änderungsverordnung zur BKV mit Aufnahme einer Berufskrankheit Nr. 4111 in die Berufskrankheitenliste im Vorgriff zu berücksichtigen. Ansonsten würde es zu einer nur mit den Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs begründ- baren und damit nicht mehr gerechtfertigten Besserstellung gegenüber denjenigen Versicherten kommen, über deren Ansprüche erst nach Inkrafttreten der Änderung der BKV entschieden werden könne. Nach den Unterlagen habe der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten vom 21.05.1996 den Versicherungsfall auf den 23.01.1986 datiert. Der Versicherungsfall sei demnach nicht, wie in dem Entwurf zur Änderung der BKV gefordert, nach dem 31.12.1992 eingetreten. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten demnach nicht gewährt werden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies dies Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.1997 als unbegründet zurück. Mit der am 01.12.1997 inkraftgetretenen Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 sei die chronische-obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Feinstaubdosis von in der Regel 100 als Berufskrankheit nach Nr. 4111 der Anlage zur BKV anerkannt. Nach § 6 Abs. 1 Berufskrankheiten- Verordnung sei diese Erkrankung auch rückwirkend als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten sei. Da der Erkrankungsbeginn bereits bei der Begutachtung durch Herrn Prof. W. am 23.01.1986 vorgelegen habe, welche seinerzeit auf Anordnung des Sozialgerichts Duisburg in einem Rechtsstreit gegen die Bergbau-BG eingeholt worden sei, sei der Versicherungsfall bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Aufgrund der Vorschrift des § 6 Abs. 1 BKV könne daher die Erkrankung nicht rückwirkend als Berufskrankheit anerkannt werden.
Hiergegen hat der Kläger binnen Monatsfrist Klage erhoben.
Das Klageverfahren wurde im Hinblick auf das beim Landessozialgericht befindliche Berufungsverfahren zur Silikose (Az.: L 2 BU 63/95) ausgesetzt, weil der 2. Senat des LSG NRW in einem Schreiben vom 19.12.1997 die Auffassung vertrat, der Bescheid vom 28.10.1997 zur CBE sei Gegenstand des Berufungsverfahrens zur Silikose geworden. Der Senat werde die Vereinbarkeit der Stichtagsregelung mit Art. 3 Grundgesetz zu prüfen haben. Im nichtöffentlichen Termin des 2. Senats des LSG NRW vom 01.03.2001 schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtstreits einen Vergleich. Unter Ziffer 1) des Vergleichs wurde ausgeführt, die Beteiligten gingen nunmehr davon aus, dass Gegenstand dieses Verfahrens nur die Bescheide vom 23.04. und 21.07.1993 zur BKV 4101 sind, während die Bescheide vom 28.10. und 03.12.1997 ausschließlich Gegenstand des beim Sozialgericht Duisburg unter dem Az.: S 4 BU 141/97 anhängigen Klageverfahrens sind.
Nach Abschluss des Berufungsverfahrens zur Silikose nahm das Gericht daher das Klageverfahren wieder auf und brachte es im Hinblick auf die Überprüfung der Stichtagsregelung beim Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Beteiligten zum Ruhen.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2005 (1 BVR 235/00), wonach bei Entscheidungsreife eines Antrags auf Entschädigung nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung es unzulässig ist, die Entscheidung zu Lasten des Versicherten hinauszuzögern, weil er einen Anspruch auf Anwendung des geltenden Rechts ohne sachfremde Verzögerung habe, ist das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen worden. Mit Bescheid vom 28.10.2005 bewilligte die Beklagte daraufhin der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes zunächst eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 % ab dem 01.09.1994 und hob mit weiterem Bescheid vom 31.03.2006 den angegriffenen Bescheid vom 28.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.1997 auf und bewilligte eine Verletztenrente von 50 % ab dem 24.04.1998.
Die Klägerin ist mit dem Beginn der Verletztenrente nicht einverstanden. Der Begründung zur Rentenzahlung ab 01.09.1994 könne sie nicht folgen. Denn die "neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft", die die Entschädigung einer chronischen Emphysembronchitis nach § 551 Abs. 2 RVO ermöglichten, lägen bereits ab Januar 1993 vor. Es werde insoweit verwiesen auf das Urteil des BSG vom 30.09.1999 (B 8 KN 1/98 UR). Hiernach habe sich der ärztliche Sachverständigenbeirat zunächst letztmals im November 1982 mit einer eventuellen Aufnahme der chronischen Bronchitis in die BK-Liste befaßt und damals einen Bericht der deutschen Forschungsgemeinschaft nicht als ausreichende Grundlage für eine generelle Empfehlung angesehen. In der Folgezeit, so das BSG weitergehend, sei diese Problematik erstmals wieder seit Januar 1993 Gegenstand von Beratung des Sachverständigenbeirats BMA gewesen. Im September 1993 sei dort die Einigung darüber erfolgt, dass Feinstaub in Steinkohlebergwerken generell geeignet sei, eine Berufskrankheit der hier streitigen Art zu verursachen. Ausweislich des Gutachtens von Dr. K. aus dem Verfahren vor dem LSG NRW (Az.: L 2 BU 63/95) vom 04.06.1996 betrage die MdE bereits ab einem Zeitpunkt im Kalenderjahr 1992 40 vH. Es werde rechtlich nicht als entscheidungserheblich angesehen, zu welchem Zeitpunkt in der medizinischen Wissenschaft diejenigen wesentlichen Erkenntnisse gesichert vorlagen, die zu der Aufnahme der BK 4111 in die Liste geführt hätten. Es sei ausreichend, daß die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, die eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO ermöglichten, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.10.2005 sowie des weiteren Bescheides vom 31.03.2006 zu verurteilen, ihr aus der Versicherung des am 21.01.2004 verstorbenen Versicherten wegen der anerkannten Wie-Berufskrankheit eine Rente nach einer MdE von 40 % ab dem 01.01.1992 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, anspruchsbegründend für eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO sei die Feststellung des Vorliegens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Unfallversicherungsträger. Dies werde in der Regel zwischen dem Inkrafttreten zweier Listenerweiterungen geschehen. Auf der Basis dieser Grundsätze werde man vom Vorliegen der erforderlichen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse von dem Zeitpunkt an auszugehen haben, in denen das Merkmal der vorgeschlagenen neuen Listennummer 4111 bekannt war, nämlich die sogenannten 100 Feinstaubjahre. Erkenntnis sei hier die über eine konkrete Ursache-Wirkungsbeziehung, die einen wesentlichen Bestandteil in der Ermittlung und Definierung der Ursachen- komponente habe. Prof. Dr. B. habe seine Darstellung zur Feinstaubbelastung im September 1994 dem Medizinischen Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrankheiten" beim BMA mitgeteilt. Hier sähe die Beklagte die Grundlage, mit den Leistungsansprüchen nach § 551 Abs. 2 RVO ab dem 01.09.1994 zu beginnen.
Darüberhinaus übersandte die Beklagte eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 10.04.2006 auf eine entsprechende Anfrage des LSG NRW und ein Gutachten von Prof. Dr. W. vom 04. Januar 2007, welches das LSG NRW zur streitigen Frage des Zeitpunktes gesichert vorliegender neuer medizinisch- wissenschaftlicher Erkenntnisse eingeholt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichts- und Verwaltungsakten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch die hier noch streitigen Bescheide vom 28.10.2005 und vom 31.03.2006 nicht beschwert, denn sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 40 vH für die Zeit vom 01.01.1992 bis zum 01.09.1994.
Gemäß § 551 Abs. 2 RVO aF sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfalle eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind.
Voraussetzung für eine Entschädigung ist daher die Feststellung des Vorliegens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Träger der Unfallversicherung. Neu sind solche medizinischen Erkenntnisse, die nach Erlaß der letzten BK-Liste bekannt geworden sind, somit bei der geltenden Verordnung nicht berücksichtigt worden sind (BSGE 21, 296; 44, 91, 93; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Kommentar Stand: April 2008, § 9 SGB VII, Randnummer 34.1). Die Folge ist, dass eine Anerkennung und Entschädigung der geltend gemachten Erkrankung vor der letzten Änderung der BK-Liste zum 01.01.1993 durch die 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 nicht möglich ist.
Darüber hinaus geht die Kammer mit der Beklagten vom Vorliegen der erforderlichen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse von dem Zeitpunkt an aus, in dem das Merkmal der vorgeschlagenen neuen Listennummer 4111 bekannt war, die sogenannten 100 Feinstaubjahre. Prof. Dipl.-Ing. B. hat seine Darstellung zur Feinstaubbelastung im September 1994 dem Medizinischen Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrank- heiten" beim BMA mitgeteilt. In seinem Gutachten vom 04.01.2007 für das LSG NRW hat Prof. Dr. W. darauf hingewiesen, daß für die praktische Umsetzbarkeit der neuen Berufskrankheit Nr. 4111 BKV in die berufsgenossenschafte Praxis die äußerst verdienstvolle sicherheitstechnische Ausarbeitung von Prof. Dipl.-Ing. B. im Jahre 1994 von entscheidender Bedeutung war. Daher geht die Kammer mit der Auffassung der Beklagten überein, mit den Leistungsansprüchen nach § 551 Abs. 2 RVO ab dem 01.09.1994 zu beginnen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vielfach von den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zitiertem Urteil des BSG vom 27.06.2006, Az.: B 2 U 5/05 R.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten H. D. wegen der von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit einer chronisch-obstruktiven Emphysembronchitis eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 vh auch in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 01.09.1994 zu gewähren ist.
Die Klägerin ist die Witwe des am 21.01.2004 verstorbenen Versicherten H. D ... Der Versicherte war von 1944 bis 1949 im französischen Steinkohlebergbau und von 1950 bis 1967 bei verschiedenen deutschen Bergbaugesellschaften als u.a. Hauer unter Tage tätig.
Die Beklagte leitete im Januar 1996 ein Feststellungsverfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO alter Fassung (chronische Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau) ein. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten ermittelte nach Best-Case-Berechnung 103 Feinstaubjahre und nach Worst-Case-Berechnung 206 Feinstaubjahre. Die Beklagte zog u.a. das Vorerkrankungsregister der Krankenkasse und Befundberichte der behandelnden Ärzte bei. Mit interner Verfügung vom 02.12.1996 erkannte die Beklagte bereits eine entschädigungspflichtige Erkrankung nach § 551 Abs. 2 RVO (CBE) an und verfügte eine Vorschusszahlung von 1.000,00 DM vorbehaltlich der Anerkennung der Leistungspflicht durch den Rentenausschuss.
Mit Bescheid vom 28.10.1997 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Entschädigung jedoch mit der Begründung ab, nunmehr liege der Entwurf des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Neuordnung der Berufskrankheiten-Verordnung vor. Danach solle künftig die chronisch-obstruktive Bronchitis oder das Emphysem als Berufskrankheit in der Anlage zur BKV aufgenommen werden. Nach Art. 2 § 1 Abs. 1 des Entwurfs seien entsprechende Erkrankungen auch rückwirkend als Berufskrankheit anzuerkennen, wobei diese Rückwirkung auf Versicherungsfälle begrenzt sei, die nach dem 31.12.1992 eingetreten seien. Bei der Entscheidung nach § 551 Abs. 2 RVO sei der Entwurf einer neuen Änderungsverordnung zur BKV mit Aufnahme einer Berufskrankheit Nr. 4111 in die Berufskrankheitenliste im Vorgriff zu berücksichtigen. Ansonsten würde es zu einer nur mit den Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs begründ- baren und damit nicht mehr gerechtfertigten Besserstellung gegenüber denjenigen Versicherten kommen, über deren Ansprüche erst nach Inkrafttreten der Änderung der BKV entschieden werden könne. Nach den Unterlagen habe der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten vom 21.05.1996 den Versicherungsfall auf den 23.01.1986 datiert. Der Versicherungsfall sei demnach nicht, wie in dem Entwurf zur Änderung der BKV gefordert, nach dem 31.12.1992 eingetreten. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten demnach nicht gewährt werden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies dies Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.1997 als unbegründet zurück. Mit der am 01.12.1997 inkraftgetretenen Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 sei die chronische-obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Feinstaubdosis von in der Regel 100 als Berufskrankheit nach Nr. 4111 der Anlage zur BKV anerkannt. Nach § 6 Abs. 1 Berufskrankheiten- Verordnung sei diese Erkrankung auch rückwirkend als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten sei. Da der Erkrankungsbeginn bereits bei der Begutachtung durch Herrn Prof. W. am 23.01.1986 vorgelegen habe, welche seinerzeit auf Anordnung des Sozialgerichts Duisburg in einem Rechtsstreit gegen die Bergbau-BG eingeholt worden sei, sei der Versicherungsfall bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Aufgrund der Vorschrift des § 6 Abs. 1 BKV könne daher die Erkrankung nicht rückwirkend als Berufskrankheit anerkannt werden.
Hiergegen hat der Kläger binnen Monatsfrist Klage erhoben.
Das Klageverfahren wurde im Hinblick auf das beim Landessozialgericht befindliche Berufungsverfahren zur Silikose (Az.: L 2 BU 63/95) ausgesetzt, weil der 2. Senat des LSG NRW in einem Schreiben vom 19.12.1997 die Auffassung vertrat, der Bescheid vom 28.10.1997 zur CBE sei Gegenstand des Berufungsverfahrens zur Silikose geworden. Der Senat werde die Vereinbarkeit der Stichtagsregelung mit Art. 3 Grundgesetz zu prüfen haben. Im nichtöffentlichen Termin des 2. Senats des LSG NRW vom 01.03.2001 schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtstreits einen Vergleich. Unter Ziffer 1) des Vergleichs wurde ausgeführt, die Beteiligten gingen nunmehr davon aus, dass Gegenstand dieses Verfahrens nur die Bescheide vom 23.04. und 21.07.1993 zur BKV 4101 sind, während die Bescheide vom 28.10. und 03.12.1997 ausschließlich Gegenstand des beim Sozialgericht Duisburg unter dem Az.: S 4 BU 141/97 anhängigen Klageverfahrens sind.
Nach Abschluss des Berufungsverfahrens zur Silikose nahm das Gericht daher das Klageverfahren wieder auf und brachte es im Hinblick auf die Überprüfung der Stichtagsregelung beim Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Beteiligten zum Ruhen.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2005 (1 BVR 235/00), wonach bei Entscheidungsreife eines Antrags auf Entschädigung nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung es unzulässig ist, die Entscheidung zu Lasten des Versicherten hinauszuzögern, weil er einen Anspruch auf Anwendung des geltenden Rechts ohne sachfremde Verzögerung habe, ist das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen worden. Mit Bescheid vom 28.10.2005 bewilligte die Beklagte daraufhin der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes zunächst eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 % ab dem 01.09.1994 und hob mit weiterem Bescheid vom 31.03.2006 den angegriffenen Bescheid vom 28.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.1997 auf und bewilligte eine Verletztenrente von 50 % ab dem 24.04.1998.
Die Klägerin ist mit dem Beginn der Verletztenrente nicht einverstanden. Der Begründung zur Rentenzahlung ab 01.09.1994 könne sie nicht folgen. Denn die "neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft", die die Entschädigung einer chronischen Emphysembronchitis nach § 551 Abs. 2 RVO ermöglichten, lägen bereits ab Januar 1993 vor. Es werde insoweit verwiesen auf das Urteil des BSG vom 30.09.1999 (B 8 KN 1/98 UR). Hiernach habe sich der ärztliche Sachverständigenbeirat zunächst letztmals im November 1982 mit einer eventuellen Aufnahme der chronischen Bronchitis in die BK-Liste befaßt und damals einen Bericht der deutschen Forschungsgemeinschaft nicht als ausreichende Grundlage für eine generelle Empfehlung angesehen. In der Folgezeit, so das BSG weitergehend, sei diese Problematik erstmals wieder seit Januar 1993 Gegenstand von Beratung des Sachverständigenbeirats BMA gewesen. Im September 1993 sei dort die Einigung darüber erfolgt, dass Feinstaub in Steinkohlebergwerken generell geeignet sei, eine Berufskrankheit der hier streitigen Art zu verursachen. Ausweislich des Gutachtens von Dr. K. aus dem Verfahren vor dem LSG NRW (Az.: L 2 BU 63/95) vom 04.06.1996 betrage die MdE bereits ab einem Zeitpunkt im Kalenderjahr 1992 40 vH. Es werde rechtlich nicht als entscheidungserheblich angesehen, zu welchem Zeitpunkt in der medizinischen Wissenschaft diejenigen wesentlichen Erkenntnisse gesichert vorlagen, die zu der Aufnahme der BK 4111 in die Liste geführt hätten. Es sei ausreichend, daß die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, die eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO ermöglichten, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.10.2005 sowie des weiteren Bescheides vom 31.03.2006 zu verurteilen, ihr aus der Versicherung des am 21.01.2004 verstorbenen Versicherten wegen der anerkannten Wie-Berufskrankheit eine Rente nach einer MdE von 40 % ab dem 01.01.1992 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, anspruchsbegründend für eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO sei die Feststellung des Vorliegens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Unfallversicherungsträger. Dies werde in der Regel zwischen dem Inkrafttreten zweier Listenerweiterungen geschehen. Auf der Basis dieser Grundsätze werde man vom Vorliegen der erforderlichen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse von dem Zeitpunkt an auszugehen haben, in denen das Merkmal der vorgeschlagenen neuen Listennummer 4111 bekannt war, nämlich die sogenannten 100 Feinstaubjahre. Erkenntnis sei hier die über eine konkrete Ursache-Wirkungsbeziehung, die einen wesentlichen Bestandteil in der Ermittlung und Definierung der Ursachen- komponente habe. Prof. Dr. B. habe seine Darstellung zur Feinstaubbelastung im September 1994 dem Medizinischen Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrankheiten" beim BMA mitgeteilt. Hier sähe die Beklagte die Grundlage, mit den Leistungsansprüchen nach § 551 Abs. 2 RVO ab dem 01.09.1994 zu beginnen.
Darüberhinaus übersandte die Beklagte eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 10.04.2006 auf eine entsprechende Anfrage des LSG NRW und ein Gutachten von Prof. Dr. W. vom 04. Januar 2007, welches das LSG NRW zur streitigen Frage des Zeitpunktes gesichert vorliegender neuer medizinisch- wissenschaftlicher Erkenntnisse eingeholt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichts- und Verwaltungsakten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch die hier noch streitigen Bescheide vom 28.10.2005 und vom 31.03.2006 nicht beschwert, denn sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 40 vH für die Zeit vom 01.01.1992 bis zum 01.09.1994.
Gemäß § 551 Abs. 2 RVO aF sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfalle eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind.
Voraussetzung für eine Entschädigung ist daher die Feststellung des Vorliegens neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse durch den Träger der Unfallversicherung. Neu sind solche medizinischen Erkenntnisse, die nach Erlaß der letzten BK-Liste bekannt geworden sind, somit bei der geltenden Verordnung nicht berücksichtigt worden sind (BSGE 21, 296; 44, 91, 93; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Kommentar Stand: April 2008, § 9 SGB VII, Randnummer 34.1). Die Folge ist, dass eine Anerkennung und Entschädigung der geltend gemachten Erkrankung vor der letzten Änderung der BK-Liste zum 01.01.1993 durch die 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 nicht möglich ist.
Darüber hinaus geht die Kammer mit der Beklagten vom Vorliegen der erforderlichen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse von dem Zeitpunkt an aus, in dem das Merkmal der vorgeschlagenen neuen Listennummer 4111 bekannt war, die sogenannten 100 Feinstaubjahre. Prof. Dipl.-Ing. B. hat seine Darstellung zur Feinstaubbelastung im September 1994 dem Medizinischen Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrank- heiten" beim BMA mitgeteilt. In seinem Gutachten vom 04.01.2007 für das LSG NRW hat Prof. Dr. W. darauf hingewiesen, daß für die praktische Umsetzbarkeit der neuen Berufskrankheit Nr. 4111 BKV in die berufsgenossenschafte Praxis die äußerst verdienstvolle sicherheitstechnische Ausarbeitung von Prof. Dipl.-Ing. B. im Jahre 1994 von entscheidender Bedeutung war. Daher geht die Kammer mit der Auffassung der Beklagten überein, mit den Leistungsansprüchen nach § 551 Abs. 2 RVO ab dem 01.09.1994 zu beginnen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vielfach von den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zitiertem Urteil des BSG vom 27.06.2006, Az.: B 2 U 5/05 R.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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