Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 84 KR 1775/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 258/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt in zweiter Instanz primär noch weitere Vergütung für physiotherapeutische Leistungen.
Er ist seit dem 1. Mai 2003 als Physiotherapeut zur Abgabe physiotherapeutischer Leistungen zugelassen. Seine Praxis liegt in B. Er war mit Beitrittserklärung vom 12. Februar 2002 bzw. vom 14. Februar 2003 dem für den Ostteil B(korrekt: "dem beigetretenen Teil B") abgeschlossenen Vertrag nach § 125 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) über die Erbringung physiotherapeutischer Leistungen zwischen diversen Verbänden der Physiotherapeuten, Krankengymnasten und Masseuren und der AOK Berlin sowie den Landesverbänden Betriebs- und Innungskrankenkassen vom 31. Mai 1991 beigetreten. Bestandteil dieses Vertrages ist die (ursprünglich) am 26. Juni 1995 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Berufsverbänden der Krankengymnasten/Physiotherapeuten abgeschlossene vierte Nachtragsvereinbarung zum Vertrag nach § 125 SGB V vom 31. Mai 1991. Diese regelt neben Einzelheiten der Versorgung der Versicherten die Preise für die physiotherapeutischen Leistungen im Ostteil Berlin einschließlich der für Hausbesuche. Für Hausbesuche sah die Vereinbarung die Vergütungsposition 29a (x9901) "Hausbesuchspauschale bei ärztlich verordnetem Hausbesuch, Vergütungssatz EUR 4,78" vor. Der vertraglich vereinbarte Preis für Hausbesuchspauschale im Westberliner Teil Berlins betrug 6,65 EUR.
Mit seiner am 4. Juni 2007 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen diese ungleiche Vergütung physiotherapeutischer Leistungen in B gewandt und die Vergütung seiner Hausbesuche nach der Pauschale des Westtarifs begehrt.
Am 1. September 2008 hat er den (Nachfolge-)Vertrag nach § 125 SGB V über die Versorgung mit Leistungen der physikalischen Therapie zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Berufsverbänden in B vom 31. März 2008 anerkannt.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, es sei ungerecht, dass er in einem Bezirk im Osten B für einen Hausbesuch 4,78 EUR als Pauschalvergütung erhalte, auch wenn er die Leistung im Westteil der Stadt erbringe. Der Leistungserbringer, der im Westteil zugelassen sei, erhalte eine Vergütung in Höhe von 6,65 EUR. Bei den vergleichbaren Berufsgruppen der Logopäden, Ärzte oder Ergotherapeuten werde bei der Hausbesuchspauschale nicht zwischen Ost und West differenziert. Er könne den Vertrag nicht kündigen, da dann ein vertragsloser Zustand bestehe. Die Beklagte würde auch einen neuen Vertrag nur zu ihren Bedingungen abschließen. Die Differenzierung verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG), gegen Europarecht und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Der Kläger hat erstinstanzlich wörtlich beantragt,
1. die Ungleichbehandlung bei gleichem Sachverhalt gegenüber der W RVO-Vergütung und gegenüber angegebener Leistungserbringer festzustellen, 2. die Gleichheit der Leistungserbringer in Sachen Kostenentscheidung und Gleichheit der Leistung in O und W festzustellen, 3. die Beklagte zur Gleichbehandlung, und somit EUR 6,92 je Hausbesuchspauschale zu zahlen, mit sofortiger Wirkung zu verurteilen, 4. die sozialversicherungsrechtliche Unterscheidung der Städte O und W festzustellen bzw. die geringere Wertigkeit der Arbeit der zugelassenen O physiotherapeutischen Leistungserbringer, 5. die Feststellung, welcher Vertrag inkl. Vergütungsvereinbarung gilt, 6. festzustellen, dass die Hausbesuchsvergütung und der Therapievergütung in der Höhe gezahlt wird, welche einem W Leistungserbringer gezahlt wird, wenn er die Leistung im Westteil der Stadt erbringt. Und zwar ab Zulassungserteilung, ersatzweise bis Rückwirkung einer evtl. eingetretenen Verjährung.
Die Beklagte hat erwidert, der Kläger habe nie zu erkennen gegeben, mit der Höhe der Vergütung für Hausbesuche nicht einverstanden zu sein. Entsprechende vertragliche Regelungen seien auch von den anderen Krankenkassenverbänden in B abgeschlossen worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. Juni 2011 als insgesamt unzulässig abgewiesen. Der Leistungsantrag zu 3. sei nicht hinreichend bestimmt. Der Kläger hätte die Klage zwingend auf einen bestimmten Geldbetrag richten müssen, hierauf sei er auch hingewiesen worden. Den übrigen Anträgen fehle es am erforderlichen Feststellungsinteresse. Das festzustellende Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) müsse hinreichend konkretisiert sein. Der Kläger könne vorrangig Leistungsklage erheben. Soweit er begehre festzustellen, welcher Vertrag inklusive Vergütungsvereinbarung gelte, sei der Antrag zusätzlich auch nicht hinreichend bestimmt. Nur ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Vertragsregelungen durch seinen Beitritt akzeptiert habe. Diese vertraglichen Regelungen verstießen auch weder gegen Artikel 3 GG noch gegen das GWB. Die Lebensverhältnisse in O- und W seien im hier streitigen Zeitraum bei typisierter und pauschalierender Betrachtung noch unterschiedlich gewesen. So habe es besonders bei dem Mieten für Gewerbe- und Praxisräume sowie bei den Löhnen für Mitarbeiter noch zahlreiche, sich aber immer mehr angleichende Unterschiede zwischen O- und W bestanden. Auch die vereinbarten Leistungssätze seien immer mehr angeglichen worden. Die seit dem 1. April 2007 geltende Vergütungsvereinbarung differenziere lediglich noch für vier Leistungspositionen zwischen den Tarifbereichen B West und B Ost. Nach § 2 der Vergütungsvereinbarung solle die Ost-Westanpassung in B zum 1. April 2011 abgeschlossen sein.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 30. August 2011. Zur Begründung hat er u. a. ausgeführt, Art. 3 Abs. 1 GG sei schwerwiegend verletzt, weil eine Gruppe im Vergleich zur anderen anders behandelt werde. Er müsse es nicht hinnehmen, dass ihm im Vorfeld ein festgelegter und unabänderbarer Preis vorgegeben werde, der akzeptiert werden müsse, um überhaupt die Zulassungserteilung zur Bearbeitung zu bringen. Ihm sei bis heute nicht klar, weshalb er den zulassungserhaltenden "Vertrag" ohne jegliche Verhandlungen unterschreiben müsse. Auch die Berufsverbände der Heilmittelerbringer hätten nicht frei verhandeln können bzw. seien zur Unterschrift gezwungen gewesen. Es liege eine missbräuchliche Ausnutzung eines marktstarken Unternehmens im Sinne des § 19 Abs. 2 GWB sowie des Artikel 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) vor. Der Europäische Gerichtshof solle klären, inwieweit eine O Herkunft eines Unternehmers noch zu Benachteiligungen führen dürfe. Es sei auch klärungsbedürftig, wann die AOK Berlin den ursprünglichen Vertrag gekündigt habe und ob sie den neuen 2008-Vertrag selbst überhaupt unterschrieben habe. Unklar sei auch, wer der unterschreibende BHV e. V. sei. Die vereinbarten Wegekosten seien Dumping. Die so genannten Zulassungsempfehlungen, in Wirklichkeit Zulassungsbedingungen, erfolgten rechtsgrundlos. Dies gelte beispielsweise für die Mindestanforderung der Praxis eines zusätzlichen 20-m²-Raumes. Die verlangte Mischkalkulation sei nicht hinnehmbar angesichts beispielsweise der gesetzlichen Verpflichtungen zur elektronischen Rechnungsstellung. Im Schriftsatz vom 19. August 2012 hat der Kläger das Prozedere geschildert, welches ihm von den Kassen hinsichtlich seines Vertragsbeitritts abverlangt worden sei. Bei den Physiotherapeuten trete der Abschluss des Vertrages bzw. eines Vertragsbeitritts an die Stelle einer Zulassung. Neben dem Vertrag bedürfe es keiner zusätzlichen Entscheidung der Krankenkasse über eine Zulassung.
Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2012 hat der Kläger nach dem wörtlichen Antrag die bisherigen Klageanträge aus den Schriftsätzen vom 4. Juli 2007 sowie vom 17. Mai 2009 zurückgenommen und den Antrag angekündigt, die Beklagte/Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und Krankenkassenverbände B zu verurteilen, für den Abrechnungsvorgang März 2007 4.579,04 EUR zu zahlen. Er habe die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen B gebeten, verfahrensvereinfachend Verjährungsverzicht zu erklären. Der Kläger habe "in der Stadt W" im Abrechnungsmonat März 2007 (abgerechnet werde meist vom 20. bis 20. des Folgemonats) laut Abrechnung 592 Hausbesuchsbehandlungen durchgeführt. Die ARGE-Kassen vergüteten ihm diese mit der Pauschale von 4,78 EUR statt 6,65 EUR, was eine Differenz von 1.107,04 EUR ergäbe (3.936,80 EUR – gezahlter 2.829,76 EUR). Für die Position 20.501 (Krankengymnastik) seien ihm 10,00 EUR pro Behandlung vergütet worden statt 14,00 EUR. Die Differenz betrage 3.472,00 EUR (592 Hausbesuche zzgl. 400 Praxisbehandlungen = 292 Stück x 3,5 = 3.472 EUR). Die Einzelpositionen 1.107,04 EUR + 3.472,00 EUR ergäben addiert 4.579,04 EUR.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an ihn 4.579,04 EUR zu zahlen, und die Beklagte zu verpflichten, Vertragsverhandlungen mit ihm aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Sie hat der Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung am 15. März 2013 widersprochen
Auf die von den Beteiligten eingereichten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten enthält u. a. Kopien des Zulassungsbescheides der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in B vom 11. April 2003, die Erklärungen des Klägers vom 14. Februar 2003 und vom 1. September 2008 über die Anerkennung der landesvertraglichen Regelungen sowie des Vertrages gemäß § 125 SGB V für Leistungen der Physiotherapie über die Versorgung der Versicherten über die gesetzlichen Krankenkassen mit physiotherapeutischen Leistungen im beigetretenen Teil des Landes B vom 31. Mai 1991, dem vierten Nachtrag zum Vertrag hierzu samt Preisliste ab 1. Juni 1995 sowie des Vertrages gemäß § 125 SGB V über die Versorgung mit Leistungen der physikalischen Therapie vom 31. März 2008 samt Vergütungsvereinbarung wirksam ab 1. April 2009. Der Vorgang lag zur Entscheidung vor und war Gegenstand der Erörterung.
Entscheidungsgründe:
Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, Vertragsverhandlungen mit ihm aufzunehmen, handelt es sich um eine unzulässige Klageänderung in Form einer Klageerweiterung. Diese ist nicht sachdienlich, weil es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt. Der Kläger begehrt etwas (gänzlich) anderes als Zahlung. Die Beklagte hat einer Klageänderung auch widersprochen (§ 153 Abs. 1 SGG i. V. m. § 99 Abs. 1 SGG).
Die Berufung selbst ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Klage in der in zweiter Instanz geänderten Form. Diese Klageänderung ist nach §§ 153 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit 99 Abs. 1 SGG zulässig, weil sie sachdienlich ist. Im Übrigen hat sich die Beklagte insoweit auch eingelassen.
Der Kläger hat sein unzulässiges Feststellungsbegehren wirksam auf das gebotene Leistungsbegehren umgestellt. Die Feststellungsanträge haben von Anfang an dem Ziel gedient, die ihm aus seiner Sicht zustehende Vergütung physiotherapeutischer Leistungen zu erhalten. Entgegen dem Wortlaut seines Schriftsatzes vom 14. Oktober 2012 hat er die erstinstanzliche Klage nicht insgesamt zurückgenommen und in zweiter Instanz eine gänzlich neue Leistungsklage erhoben. Vielmehr hat er von Anfang an auch die aus seiner Sicht aus den erstinstanzlich beantragten Feststellungen folgenden Leistungen beantragt.
Die geänderte Klage ist in diesem Umfang insgesamt zulässig. Dass der Kläger nicht nur eine ergänzende Vergütung für Leistungen an Versicherte der Beklagten selbst erreichen will, sondern für alle Versicherten der Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen begehrt, betrifft die Passivlegitimität: Die Frage, ob der Kläger den richtigen Schuldner verklagt, ist eine Frage der Begründetheit.
Soweit der Kläger die ergänzende Vergütung auch für Versicherte anderer Krankenkassen als der AOK Nord-Ost begehrt, ist diese bereits nicht Schuldnerin. Eine Aufteilung der Klageforderung braucht hier jedoch nicht zu erfolgen, weil der Leistungsklage auch abgesehen hiervon zur Gänze Erfolg versagt bleiben muss:
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruches ist (nur) § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB V i. V. m. § 3 des Vertrages vom 31. Mai 1991 und § 3 Abs. 1 des vierten Nachtrages zu diesem Vertrag vom 26. Juni 1995 und der Anlage (Preisliste, vgl. allgemein BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R- juris, Rdnr. 10). Nach dieser Preisliste hat der Kläger alles erhalten, was ihm zusteht.
Die Preisvereinbarung ist nicht teilweise unwirksam. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Der Senat verweist zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die Ausführungen des SG im angegriffenen Urteil, § 153 Abs. 2 SGG. Es ist im Übrigen die freie Entscheidung des Klägers gewesen, in Kenntnis der unterschiedlichen Vergütungsregeln seinen Praxissitz im Ostteil B zu nehmen und nicht wenige Kilometer westlich im Westteil. Europarechtliche Grundfreiheiten können bereits aufgrund des fehlenden Auslandsbezugs nicht verletzt sein.
Aus demselben Grund scheidet auch ein ergänzender Vergütungsanspruch aus dem Gesetz selbst aus. Die vertragliche Vereinbarung ist abschließend und bedarf keiner Ergänzung, wie dies beispielsweise von der Rechtsprechung im Falle eines (gänzlich) vertragslosen Zustandes angenommen wurde.
Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus §§ 197 a Abs. 1, Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 bzw. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt in zweiter Instanz primär noch weitere Vergütung für physiotherapeutische Leistungen.
Er ist seit dem 1. Mai 2003 als Physiotherapeut zur Abgabe physiotherapeutischer Leistungen zugelassen. Seine Praxis liegt in B. Er war mit Beitrittserklärung vom 12. Februar 2002 bzw. vom 14. Februar 2003 dem für den Ostteil B(korrekt: "dem beigetretenen Teil B") abgeschlossenen Vertrag nach § 125 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) über die Erbringung physiotherapeutischer Leistungen zwischen diversen Verbänden der Physiotherapeuten, Krankengymnasten und Masseuren und der AOK Berlin sowie den Landesverbänden Betriebs- und Innungskrankenkassen vom 31. Mai 1991 beigetreten. Bestandteil dieses Vertrages ist die (ursprünglich) am 26. Juni 1995 zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Berufsverbänden der Krankengymnasten/Physiotherapeuten abgeschlossene vierte Nachtragsvereinbarung zum Vertrag nach § 125 SGB V vom 31. Mai 1991. Diese regelt neben Einzelheiten der Versorgung der Versicherten die Preise für die physiotherapeutischen Leistungen im Ostteil Berlin einschließlich der für Hausbesuche. Für Hausbesuche sah die Vereinbarung die Vergütungsposition 29a (x9901) "Hausbesuchspauschale bei ärztlich verordnetem Hausbesuch, Vergütungssatz EUR 4,78" vor. Der vertraglich vereinbarte Preis für Hausbesuchspauschale im Westberliner Teil Berlins betrug 6,65 EUR.
Mit seiner am 4. Juni 2007 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen diese ungleiche Vergütung physiotherapeutischer Leistungen in B gewandt und die Vergütung seiner Hausbesuche nach der Pauschale des Westtarifs begehrt.
Am 1. September 2008 hat er den (Nachfolge-)Vertrag nach § 125 SGB V über die Versorgung mit Leistungen der physikalischen Therapie zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Berufsverbänden in B vom 31. März 2008 anerkannt.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, es sei ungerecht, dass er in einem Bezirk im Osten B für einen Hausbesuch 4,78 EUR als Pauschalvergütung erhalte, auch wenn er die Leistung im Westteil der Stadt erbringe. Der Leistungserbringer, der im Westteil zugelassen sei, erhalte eine Vergütung in Höhe von 6,65 EUR. Bei den vergleichbaren Berufsgruppen der Logopäden, Ärzte oder Ergotherapeuten werde bei der Hausbesuchspauschale nicht zwischen Ost und West differenziert. Er könne den Vertrag nicht kündigen, da dann ein vertragsloser Zustand bestehe. Die Beklagte würde auch einen neuen Vertrag nur zu ihren Bedingungen abschließen. Die Differenzierung verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG), gegen Europarecht und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Der Kläger hat erstinstanzlich wörtlich beantragt,
1. die Ungleichbehandlung bei gleichem Sachverhalt gegenüber der W RVO-Vergütung und gegenüber angegebener Leistungserbringer festzustellen, 2. die Gleichheit der Leistungserbringer in Sachen Kostenentscheidung und Gleichheit der Leistung in O und W festzustellen, 3. die Beklagte zur Gleichbehandlung, und somit EUR 6,92 je Hausbesuchspauschale zu zahlen, mit sofortiger Wirkung zu verurteilen, 4. die sozialversicherungsrechtliche Unterscheidung der Städte O und W festzustellen bzw. die geringere Wertigkeit der Arbeit der zugelassenen O physiotherapeutischen Leistungserbringer, 5. die Feststellung, welcher Vertrag inkl. Vergütungsvereinbarung gilt, 6. festzustellen, dass die Hausbesuchsvergütung und der Therapievergütung in der Höhe gezahlt wird, welche einem W Leistungserbringer gezahlt wird, wenn er die Leistung im Westteil der Stadt erbringt. Und zwar ab Zulassungserteilung, ersatzweise bis Rückwirkung einer evtl. eingetretenen Verjährung.
Die Beklagte hat erwidert, der Kläger habe nie zu erkennen gegeben, mit der Höhe der Vergütung für Hausbesuche nicht einverstanden zu sein. Entsprechende vertragliche Regelungen seien auch von den anderen Krankenkassenverbänden in B abgeschlossen worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. Juni 2011 als insgesamt unzulässig abgewiesen. Der Leistungsantrag zu 3. sei nicht hinreichend bestimmt. Der Kläger hätte die Klage zwingend auf einen bestimmten Geldbetrag richten müssen, hierauf sei er auch hingewiesen worden. Den übrigen Anträgen fehle es am erforderlichen Feststellungsinteresse. Das festzustellende Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) müsse hinreichend konkretisiert sein. Der Kläger könne vorrangig Leistungsklage erheben. Soweit er begehre festzustellen, welcher Vertrag inklusive Vergütungsvereinbarung gelte, sei der Antrag zusätzlich auch nicht hinreichend bestimmt. Nur ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Vertragsregelungen durch seinen Beitritt akzeptiert habe. Diese vertraglichen Regelungen verstießen auch weder gegen Artikel 3 GG noch gegen das GWB. Die Lebensverhältnisse in O- und W seien im hier streitigen Zeitraum bei typisierter und pauschalierender Betrachtung noch unterschiedlich gewesen. So habe es besonders bei dem Mieten für Gewerbe- und Praxisräume sowie bei den Löhnen für Mitarbeiter noch zahlreiche, sich aber immer mehr angleichende Unterschiede zwischen O- und W bestanden. Auch die vereinbarten Leistungssätze seien immer mehr angeglichen worden. Die seit dem 1. April 2007 geltende Vergütungsvereinbarung differenziere lediglich noch für vier Leistungspositionen zwischen den Tarifbereichen B West und B Ost. Nach § 2 der Vergütungsvereinbarung solle die Ost-Westanpassung in B zum 1. April 2011 abgeschlossen sein.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 30. August 2011. Zur Begründung hat er u. a. ausgeführt, Art. 3 Abs. 1 GG sei schwerwiegend verletzt, weil eine Gruppe im Vergleich zur anderen anders behandelt werde. Er müsse es nicht hinnehmen, dass ihm im Vorfeld ein festgelegter und unabänderbarer Preis vorgegeben werde, der akzeptiert werden müsse, um überhaupt die Zulassungserteilung zur Bearbeitung zu bringen. Ihm sei bis heute nicht klar, weshalb er den zulassungserhaltenden "Vertrag" ohne jegliche Verhandlungen unterschreiben müsse. Auch die Berufsverbände der Heilmittelerbringer hätten nicht frei verhandeln können bzw. seien zur Unterschrift gezwungen gewesen. Es liege eine missbräuchliche Ausnutzung eines marktstarken Unternehmens im Sinne des § 19 Abs. 2 GWB sowie des Artikel 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) vor. Der Europäische Gerichtshof solle klären, inwieweit eine O Herkunft eines Unternehmers noch zu Benachteiligungen führen dürfe. Es sei auch klärungsbedürftig, wann die AOK Berlin den ursprünglichen Vertrag gekündigt habe und ob sie den neuen 2008-Vertrag selbst überhaupt unterschrieben habe. Unklar sei auch, wer der unterschreibende BHV e. V. sei. Die vereinbarten Wegekosten seien Dumping. Die so genannten Zulassungsempfehlungen, in Wirklichkeit Zulassungsbedingungen, erfolgten rechtsgrundlos. Dies gelte beispielsweise für die Mindestanforderung der Praxis eines zusätzlichen 20-m²-Raumes. Die verlangte Mischkalkulation sei nicht hinnehmbar angesichts beispielsweise der gesetzlichen Verpflichtungen zur elektronischen Rechnungsstellung. Im Schriftsatz vom 19. August 2012 hat der Kläger das Prozedere geschildert, welches ihm von den Kassen hinsichtlich seines Vertragsbeitritts abverlangt worden sei. Bei den Physiotherapeuten trete der Abschluss des Vertrages bzw. eines Vertragsbeitritts an die Stelle einer Zulassung. Neben dem Vertrag bedürfe es keiner zusätzlichen Entscheidung der Krankenkasse über eine Zulassung.
Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2012 hat der Kläger nach dem wörtlichen Antrag die bisherigen Klageanträge aus den Schriftsätzen vom 4. Juli 2007 sowie vom 17. Mai 2009 zurückgenommen und den Antrag angekündigt, die Beklagte/Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und Krankenkassenverbände B zu verurteilen, für den Abrechnungsvorgang März 2007 4.579,04 EUR zu zahlen. Er habe die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen B gebeten, verfahrensvereinfachend Verjährungsverzicht zu erklären. Der Kläger habe "in der Stadt W" im Abrechnungsmonat März 2007 (abgerechnet werde meist vom 20. bis 20. des Folgemonats) laut Abrechnung 592 Hausbesuchsbehandlungen durchgeführt. Die ARGE-Kassen vergüteten ihm diese mit der Pauschale von 4,78 EUR statt 6,65 EUR, was eine Differenz von 1.107,04 EUR ergäbe (3.936,80 EUR – gezahlter 2.829,76 EUR). Für die Position 20.501 (Krankengymnastik) seien ihm 10,00 EUR pro Behandlung vergütet worden statt 14,00 EUR. Die Differenz betrage 3.472,00 EUR (592 Hausbesuche zzgl. 400 Praxisbehandlungen = 292 Stück x 3,5 = 3.472 EUR). Die Einzelpositionen 1.107,04 EUR + 3.472,00 EUR ergäben addiert 4.579,04 EUR.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an ihn 4.579,04 EUR zu zahlen, und die Beklagte zu verpflichten, Vertragsverhandlungen mit ihm aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Sie hat der Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung am 15. März 2013 widersprochen
Auf die von den Beteiligten eingereichten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten enthält u. a. Kopien des Zulassungsbescheides der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in B vom 11. April 2003, die Erklärungen des Klägers vom 14. Februar 2003 und vom 1. September 2008 über die Anerkennung der landesvertraglichen Regelungen sowie des Vertrages gemäß § 125 SGB V für Leistungen der Physiotherapie über die Versorgung der Versicherten über die gesetzlichen Krankenkassen mit physiotherapeutischen Leistungen im beigetretenen Teil des Landes B vom 31. Mai 1991, dem vierten Nachtrag zum Vertrag hierzu samt Preisliste ab 1. Juni 1995 sowie des Vertrages gemäß § 125 SGB V über die Versorgung mit Leistungen der physikalischen Therapie vom 31. März 2008 samt Vergütungsvereinbarung wirksam ab 1. April 2009. Der Vorgang lag zur Entscheidung vor und war Gegenstand der Erörterung.
Entscheidungsgründe:
Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, Vertragsverhandlungen mit ihm aufzunehmen, handelt es sich um eine unzulässige Klageänderung in Form einer Klageerweiterung. Diese ist nicht sachdienlich, weil es sich um einen anderen Streitgegenstand handelt. Der Kläger begehrt etwas (gänzlich) anderes als Zahlung. Die Beklagte hat einer Klageänderung auch widersprochen (§ 153 Abs. 1 SGG i. V. m. § 99 Abs. 1 SGG).
Die Berufung selbst ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Klage in der in zweiter Instanz geänderten Form. Diese Klageänderung ist nach §§ 153 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit 99 Abs. 1 SGG zulässig, weil sie sachdienlich ist. Im Übrigen hat sich die Beklagte insoweit auch eingelassen.
Der Kläger hat sein unzulässiges Feststellungsbegehren wirksam auf das gebotene Leistungsbegehren umgestellt. Die Feststellungsanträge haben von Anfang an dem Ziel gedient, die ihm aus seiner Sicht zustehende Vergütung physiotherapeutischer Leistungen zu erhalten. Entgegen dem Wortlaut seines Schriftsatzes vom 14. Oktober 2012 hat er die erstinstanzliche Klage nicht insgesamt zurückgenommen und in zweiter Instanz eine gänzlich neue Leistungsklage erhoben. Vielmehr hat er von Anfang an auch die aus seiner Sicht aus den erstinstanzlich beantragten Feststellungen folgenden Leistungen beantragt.
Die geänderte Klage ist in diesem Umfang insgesamt zulässig. Dass der Kläger nicht nur eine ergänzende Vergütung für Leistungen an Versicherte der Beklagten selbst erreichen will, sondern für alle Versicherten der Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen begehrt, betrifft die Passivlegitimität: Die Frage, ob der Kläger den richtigen Schuldner verklagt, ist eine Frage der Begründetheit.
Soweit der Kläger die ergänzende Vergütung auch für Versicherte anderer Krankenkassen als der AOK Nord-Ost begehrt, ist diese bereits nicht Schuldnerin. Eine Aufteilung der Klageforderung braucht hier jedoch nicht zu erfolgen, weil der Leistungsklage auch abgesehen hiervon zur Gänze Erfolg versagt bleiben muss:
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruches ist (nur) § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB V i. V. m. § 3 des Vertrages vom 31. Mai 1991 und § 3 Abs. 1 des vierten Nachtrages zu diesem Vertrag vom 26. Juni 1995 und der Anlage (Preisliste, vgl. allgemein BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R- juris, Rdnr. 10). Nach dieser Preisliste hat der Kläger alles erhalten, was ihm zusteht.
Die Preisvereinbarung ist nicht teilweise unwirksam. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Der Senat verweist zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die Ausführungen des SG im angegriffenen Urteil, § 153 Abs. 2 SGG. Es ist im Übrigen die freie Entscheidung des Klägers gewesen, in Kenntnis der unterschiedlichen Vergütungsregeln seinen Praxissitz im Ostteil B zu nehmen und nicht wenige Kilometer westlich im Westteil. Europarechtliche Grundfreiheiten können bereits aufgrund des fehlenden Auslandsbezugs nicht verletzt sein.
Aus demselben Grund scheidet auch ein ergänzender Vergütungsanspruch aus dem Gesetz selbst aus. Die vertragliche Vereinbarung ist abschließend und bedarf keiner Ergänzung, wie dies beispielsweise von der Rechtsprechung im Falle eines (gänzlich) vertragslosen Zustandes angenommen wurde.
Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus §§ 197 a Abs. 1, Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 bzw. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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