L 8 AL 213/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 70 AL 2045/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 213/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt war, die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe aufzuheben und Leistungen vom Kläger zurückzufordern.

Der Kläger ist 1958 geboren worden. Von 1978 bis Februar 1994 war er Geschäftsführer(assistent) eines gastronomischen Betriebs. Ab 15. März 1997 bezog er, mit Unterbrechungen wegen Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosenhilfe. Zuletzt war ihm für den am 15. März 2000 beginnenden Bewilligungsabschnitt die Leistung mit Bescheid vom 17. März 2000 bewilligt worden, durch weiteren Bescheid vom 25. April 2000 ab 1. April 2000 wegen Anpassung des Bemessungsentgelts auf 780,- DM in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 284,20 DM.

Nachdem der Kläger zu zwei Meldeterminen am 7. und 14. September 2000 ohne Angabe von Gründen nicht erschienen war, hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Ablauf des 8. September 2000 auf.

Am 9. April 2003 meldete sich der Kläger arbeitslos und gab an, der Arbeitgeber habe ihm aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. Ebenso war der Beklagten bekannt, dass der Kläger vom 1. April 2000 bis zum 1. Juli 2002 bei der I G M W(H) beschäftigt war. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 forderte die Beklagte von dem Arbeitgeber eine Arbeitsbescheinigung für das vom Kläger angegebene Beschäftigungsverhältnis an. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag teilte sie dem Kläger mit, dass sein Antrag auf Arbeitslosengeld noch nicht vorliege.

In der Folgezeit ermittelte die Beklagte, dass eine I GM KG am 14. November 2000 ein Gewerbe bei der Stadt W (H) angemeldet hatte (Auskunft der Stadtverwaltung vom 29. November 2004) und erinnerte den Arbeitgeber ohne Erfolg daran, eine Arbeitsbescheinigung auszustellen (Schreiben vom 6. Dezember 2004). Danach wurde die Akte nicht bearbeitet, bis der Kläger am 30. Juni 2006 bei der Beklagten wegen des Arbeitslosengeldantrags aus dem Jahr 2003 vorsprach. Im August 2006 erteilte die Beklagte dem Amtsgericht Tiergarten eine Auskunft in einer Strafsache betreffend den Kläger. Am 26. März 2007 reichte der Kläger unter anderem den Formularantrag auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab 9. April 2003, eine Bescheinigung der IKK Brandenburg und Berlin über eine Pflichtmitgliedschaft vom 1. April 2000 bis 30. April 2002, Verdienstabrechnungen für die Monate Mai 2001 bis April 2002 (Bruttogehalt durchgehend bei 4.000,- DM, netto bei ca. 2.500,- DM) sowie eine "wahrheitsgemäße Erklärung" ein, dass er vom 9. April bis 31. Dezember 2004 durchgehend arbeitslos gemeldet gewesen und seine Verfügbarkeit nicht eingeschränkt gewesen sei.

Durch Bescheid vom 26. März 2007 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 1. April 2000 ganz auf und forderte vom Kläger die in der Zeit vom 1. April bis zum 7. September 2000 gezahlten Leistungen in Höhe von umgerechnet 3.321,35 Euro zurück. Er habe grob fahrlässig seine Pflicht verletzt, Änderungen in den für die Leistung erheblichen Verhältnissen mitzuteilen, außerdem Einkommen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt habe, und schließlich wissen müssen, dass der zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen oder weggefallen sei.

Mit seinem Widerspruch hat der Kläger geltend gemacht, dass er die Arbeitsaufnahme im Jahr 2000 angezeigt habe. Es könne nicht ihm angelastet werden, wenn die Beklagte darauf verspätet reagiert habe. Kontoauszüge aus dem Aufhebungszeitraum besitze er nicht mehr, sodass er auch nicht nachvollziehen könne, ob er Leistungen in der von der Beklagten angegebenen Höhe auch erhalten habe. Ihm könne ferner keine grobe Fahrlässigkeit vorgehalten werden. Schließlich habe die Beklagte bei der Arbeitslosmeldung am 9. April 2003 gewusst, dass der Kläger in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe und trotzdem jahrelang keine Rückforderungsansprüche geltend gemacht.

Durch Widerspruchsbescheid vom 30. April 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei ihr vor 2003 nicht bekannt gewesen, dass der Kläger 2000 eine Arbeit aufgenommen habe. Die Leistungsbewilligung sei 2000 aufgehoben worden, weil der Kläger zu Meldeterminen nicht erschienen sei. Dass der Kläger eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe, sei der Beklagten erst 2007 bekannt geworden, weshalb die gesetzliche Jahresfrist gewahrt sei.

Mit der Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Er erhebe vorsorglich die Einrede der Verjährung. Seine Arbeitsaufnahme habe er am 15. April 2000 telefonisch mitgeteilt. Man habe ihm gesagt, dass das in Ordnung gehe. Er habe nicht mitbekommen, dass er weiterhin Arbeitslosenhilfe ausgezahlt bekommen habe, da er mit seiner Arbeit beschäftigt gewesen sei. Den Formularantrag auf Arbeitslosengeld habe er bereits am 20. April 2003 abgegeben.

Durch Urteil vom 30. Juni 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung zunächst auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Die Beklagte habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Leistungsbewilligung verschuldensunabhängig habe aufgehoben werden können, weil der Kläger in Gestalt seines Arbeitsentgelts Einkommen erzielt habe, das seine Bedürftigkeit und damit den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe wegfallen lassen. Es liege außerdem auf der Hand, dass ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht mehr bestehe, wenn eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und Einkommen erzielt werde. Da der Kläger selbst angebe, seine Arbeitsaufnahme am 15. April 2000 mitgeteilt zu haben, sei ihm nach seinem eigenen Vortrag bewusst, dass eine Beschäftigung sich auf den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe auswirke. Die Beklagte habe auch die Jahresfrist für die Aufhebung der Leistungsbewilligung gewahrt. Der Kläger habe nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass er die Beklagte bereits im Jahr 2003 über alle die Aufhebung rechtfertigenden Tatsachen in Kenntnis gesetzt habe. Selbst wenn er das Antragsformular bereits am 20. April 2003 abgegeben hätte, würde dies nicht ausreichen, um die Jahresfrist beginnen zu lassen. Denn es fehlten Angaben zum Umfang der Beschäftigung und der Höhe des daraus erzielten Entgelts. Nur mit diesen Informationen habe die Leistungsbewilligung aber wegen des Wegfalls des Anspruchs durch erzieltes Einkommen aufgehoben werden können. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt. Die Verjährung beginne erst, nachdem der Verwaltungsakt über die Höhe der zu erstattenden Leistungen unanfechtbar geworden sei, und somit nicht vor dem Ende des Rechtsstreits.

Mit der Berufung macht der Kläger weiter geltend, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht vorlägen. Über seinen bisherigen Vortrag hinaus macht er geltend, dass der Aufhebungsbescheid nicht ausreichend bestimmt sei, weil er nicht den Bescheid nenne, der aufgehoben werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung und ihre Bescheide für zutreffend. Sie seien auch hinreichend bestimmt.

Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist nicht aus formellen Gründen rechtswidrig. Im besonderen ist er hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch), obwohl er nicht die Bescheide nennt, die er aufhebt. Denn aus dem Gesamtzusammenhang lässt sich noch erkennen, dass die Bescheide vom 17. März und 25. April 2000 für die Zeit vom 1. April bis zum 7. September 2000 aufgehoben werden sollten (s. BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 - 11/7 RAr 115/87 - SozR 1300 § 45 Nr. 45).

Die Beklagte war auch berechtigt, die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 1. April 2000 bis zum Ende des Leistungsbezugs am 7. September 2000, der sich durch den 2000 erlassenen Aufhebungsbescheid wegen Meldeversäumnisses ergab, aufzuheben.

Als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid kommt, wovon die Beklagte zutreffend ausgegangen ist, nur § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Betracht. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V. mit § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ist der Verwaltungsakt zwingend mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse unter anderem aufzuheben, soweit (Nr. 3) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder (Nr. 4) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Eine wesentliche Veränderung in den für die Leistung erheblichen Verhältnissen war mit Aufnahme des Arbeitsverhältnisses am 1. April 2000 und damit nach Erlass des die Arbeitslosenhilfe für den streitigen Zeitraum erstmals bewilligenden Bescheides vom 17. März 2000 eingetreten. Durch den Bescheid vom 25. April 2000 war lediglich der Verfügungssatz zur Leistungshöhe des Erstbescheides geändert worden. Dies führt hier insgesamt zur Anwendbarkeit des § 48 SGB X (s. stellvertretend BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 - B 7a AL 76/05 R - SozR 4-4300 § 122 Nr. 4 und wie oben in SozR 1300 § 45 Nr. 45).

Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe setzte gemäß § 190 Abs. 1 SGB III in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung unter anderem voraus, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos (Nr. 1) und bedürftig (Nr. 4) war. Arbeitslos war nur, wer keine Beschäftigung im Umfang von 15 und mehr Stunden wöchentlich ausübte (§ 198 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 i.V. mit § 118 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SGB III). Bedürftig war ein Arbeitnehmer, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestritt oder bestreiten könnte und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreichte (§ 193 Abs. 1 SGB III). Als Einkommen war das des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es nicht als Nebeneinkommen anzurechnen war (§ 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 198 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 sowie § 141 SGB III). Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe waren gemäß § 194 Abs. 2 SGB III alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden konnte; abzusetzen waren (1.) die auf das Einkommen entfallenden Steuern, (2.) Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen wären, (3.) die notwendigen Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (Werbungskosten).

Weil der Kläger eine versicherungspflichtige und somit mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung ausübte, war er im Aufhebungszeitraum nicht arbeitslos. Weil sein Netto-Einkommen hieraus das Doppelte der Höhe der Arbeitslosenhilfe ausmachte, auch nichts dafür ersichtlich ist, dass Einkommensteile nach § 11 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung nicht berücksichtigungsfähig sein könnten, war er auch nicht bedürftig.

Die Beklagte und das Sozialgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass wegen des erzielten Einkommens - unabhängig von jeglichem Verschuldensvorwurf - jedenfalls die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt sind. Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vor. Der Kläger trägt selbst vor, dass er der Beklagten noch im April 2000 seine Arbeitsaufnahme mitgeteilt hatte. Der Zusammenhang zwischen der Aufnahme einer Arbeit und dem Wegfall eines Anspruchs auf Sozialleistungen, der wegen Arbeitslosigkeit gewährt wird, war ihm somit erkennbar geläufig; abgesehen davon kann von jedermann bei einfachster Überlegung erwartet werden, dass dieser Zusammenhang erkannt wird.

Die Rücknahme der Verwaltungsakte über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung für die Vergangenheit war auch nicht gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V. mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ausgeschlossen. Diese Vorschriften belassen der Behörde eine Frist von einem Jahr seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

Der Beginn der Jahresfrist setzt grundsätzlich die Kenntnis der Beklagten von den für die Rücknahme maßgeblichen Umständen voraus, im vorliegenden Fall also, dass der Kläger ein die Bedürftigkeit ausschließendes Einkommen tatsächlich erzielt hat, beziehungsweise dass er die Rechtsgrundlosigkeit (Rechtswidrigkeit) der Leistungserbringung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die Jahresfrist beginnt angesichts dessen grundsätzlich nicht, bevor der Betroffene zu der beabsichtigten Rücknahmeentscheidung angehört worden ist und bevor der zuständige Sachbearbeiter Kenntnis von den möglichen Rücknahmevoraussetzungen erlangt hat; unterbleibt - wie hier - eine Anhörung, beginnt die Frist dann, wenn die Behörde selbst der Auffassung war, über die für eine Rücknahme notwendigen Informationen zu verfügen, speziell indem sie einen Bescheid über die Rücknahme erlässt (ständige Rechtsprechung des BSG, s. stellvertretend in SozR 3-1300 § 45 Nr. 27 und § 48 Nr. 32).

Hiervon ausgehend begann die Jahresfrist erst mit dem Erlass des streitigen Rücknahmebescheides am 26. März 2007.

Die Rücknahmebefugnis war auch nicht verwirkt. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Zeitraum von nahezu sieben Jahren, in denen die Beklagte das ihr objektiv zustehende Recht zur Rücknahme der Leistungsbewilligung nicht ausgeübt hat, bereits ausreicht, um das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment bejahen zu können. Jedenfalls müssten weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (Umstandsmoment). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (s. stellvertretend BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 4/11 R - SozR 4-2700 § 180 Nr. 1). Es ist weder etwas dafür ersichtlich, dass die Beklagte eine Vertrauensgrundlage geschaffen hat noch dafür, dass der Kläger ein Vertrauensverhalten gezeigt hat. Vielmehr war die Situation dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger sich nach seinen eigenen Angaben seit der Arbeitsaufnahme im April 2000 praktisch nur noch mit seiner Arbeit befasst hat und somit auch nicht mit dem, was die Beklagte getan oder nicht getan hat. Auch nach seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom April 2003 blieb nicht nur die Beklagte untätig, sondern über Jahre hinweg auch der Kläger. Gerade dann, wenn er eine zur Sicherung des Lebensunterhalts gedachte Leistung, nämlich das Arbeitslosengeld zeitnah, deshalb nicht erhält, weil der Beklagten nicht die für die Bearbeitung des Antrags notwendigen Unterlagen vorliegen und er über Jahre hinweg nichts unternimmt, damit das Verwaltungsverfahren betreffend die Leistung fortgesetzt wird, kann eine unbillige Härte nicht darin gesehen werden, wenn dieser Anspruch faktisch dadurch ganz oder teilweise wieder aufgezehrt wird, dass ihm eine Rückforderung der Beklagten gegenübersteht.

Die Berechtigung der Beklagten, die Leistungen für den Rücknahmezeitraum zurückzufordern, folgt aus § 50 Abs. 1 SGB X. Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist nach eigener Berechnung des Senats zutreffend.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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