Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 25 (22) VJ 88/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 (6) VJ 18/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.05.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin, deren Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) mit 100 und den Nachteilsausgleichen G, B, H und aG festgestellt ist, an einem entschädigungspflichtigen Impfschaden leidet.
Die am 00.00.2004 in der 31. Schwangerschaftswoche geborene Klägerin befand sich nach der Geburt bis zum 25.06.2004 in stationärer Behandlung in der Klinik für Kinder und Jugendliche der Städtischen Kliniken N1 (F-Krankenhaus S). Die Diagnose lautete damals: Frühgeborenes, Metabolische Azidose, Diarrhoe und Gastroenteritis, Anämie, Störung der Temperaturregulation und sonstige Apnoe beim Neugeborenen. Wegen eines Ovarvorfalls links mit operativer Herniorrhaphie und Reposition des linken Ovars war in der Zeit vom 28.06. 2004 bis 01.07.2004 ein erneuter stationärer Aufenthalt erforderlich. Eine weitere Behandlung wegen Blutbeimengung im Stuhl aufgrund von Nahrungsumstellungen bei bekannter Anämie, Koprostase und Hämangiom rechts frontal fand in der Zeit vom 17.07.2004 bis 22.07.2004 statt.
Am 09.09.2004 erhielt die Klägerin die erste und am 11.10.2004 die zweite von insgesamt drei Schutzimpfungen gegen Diphterie, Haemophilus Influenzae b, Hepatitis B, Pertussis, Poliomyelitis und Tetanus mit dem Impfstoff Hexavac® der Firma Aventis-Pasteur. Nach den Angaben der die Klägerin damals behandelnden Kinderärzte Dres. G vertrug die Klägerin diese beiden Impfungen gut. Abgesehen von leicht erhöhter Temperatur, die sich bereits am folgenden Tag wieder normalisiert hatte, sind unmittelbare Impfreaktionen nicht aktenkundig.
Um Weihnachten 2004 traten bei der Klägerin leichte Anfälle auf, die mit einem Verdrehen der Augen nach rechts oben und einem untypischen Strecken der Arme verbunden waren. Die Eltern suchten deshalb am 03.01.2005 den Kinderarzt auf. Bei der Untersuchung zeigten sich keine Auffälligkeiten. Die Klägerin erhielt bei dieser Gelegenheit die dritte Schutzimpfung mit Hexavac®. Die Eltern dokumentierten die Auffälligkeiten zuhause mit einer Videokamera. Der Kinderarzt veranlasste daraufhin am nächsten Tag eine stationäre Beobachtung und Behandlung im F-Krankenhaus S (04.01.2005 bis 02.03.2005). Die Ärzte erhoben erstmals unter anderem den Befund einer BNS-Epilepsie (sog. West Syndrom) mit psychomotorischer Entwicklungsretardierung (Arztbrief vom 02.03.2005). Die Klägerin leidet, von den Eltern nicht in Abrede gestellt, zudem an einer infantilen Zerebralparese, einer beidseitigen Schädigung der Sehnerven und einem offenen Ductus Arteriosus Botalli mit Links-Rechts-Shunt.
Am 27.06.2006 beantragten die Eltern der Klägerin für diese beim Versorgungsamt B Leistungen wegen eines Impfschadens. Dem Antrag fügten sie Berichte des F-Krankenhaus S über die dort erfolgten Behandlungen, den Bericht der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der RWTH B vom 20.09.2005 sowie Ablichtungen der Ergebnisse verschiedener Vorsorgeuntersuchungen bei.
Das Versorgungsamt zog zunächst einen Befundbericht des Kinderarztes Dr. C, der eine BNS-Epilepsie mit schwerer psychomentaler und motorischer Retardierung beschrieb und der Bezug nahm auf zum Teil bereits aktenkundige Arztbriefe und Berichte der Praxis für Kinderphysiotherapie in Heinsberg. Das Versorgungsamt nahm im Weiteren in Ablichtung den Mutterpass mit den Berichten über den Schwangerschaftsverlauf zu den Akten.
In der sodann eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme der Oberregierungs-medizinalrätin und Sozialmedizinerin Q kam diese zu dem Ergebnis, ein Impfschaden sei nicht wahrscheinlich. Die Klägerin gelte als sehr unreifes Frühgeborenes. Bereits ab dem zweiten Lebenstag habe sich eine unklare metabolische Azidose gezeigt. Bei der U2 am 31.05.04 seien Temperaturregulationsstörungen und eine Anämie vermerkt und am 06.06.04 sei die Klägerin wegen einer nichtinfektiösen Darmerkrankung behandelt worden. Alle drei Impfungen seien ohne Komplikationen verlaufen. Schon kurz vor der dritten Hexavac®-Impfung seien erste Krampfsymptome aufgetreten. Dies habe der behandelnde Kinderarzt nicht als Kontraindikation für die letzte Impfung angesehen. Nach dieser Impfung sei auch keine akute Verstärkung der Symptomatik beschrieben worden. Die Ärztin wies darauf hin, dass BNS-Krämpfe sich üblicherweise zwischen dem 2. und 8. Lebensmonat manifestierten. Da bei der Klägerin schon zum Zeitpunkt der Diagnose ein schwerer allgemeiner Entwicklungsrückstand bestanden habe und auch in der sofort durchgeführten Kernspinuntersuchung des Schädels deutliche Hirngewebeveränderungen beschrieben seien, sei die BNS-Epilepsie am ehesten auf ein anlagebedingtes Krampfleiden zurückzuführen. Dies spreche dagegen, dass die vorliegenden Gesundheitsstörungen Folge der Impfungen seien. Ebenso sei eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufes durch die Impfungen nicht festzustellen.
Das Versorgungsamt lehnte mit Bescheid vom 09.01.07 den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab. Ein ursächlicher Zusammenhang der BNS-Epilepsie mit schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 60 des IfSG sei nicht wahrscheinlich. Zur Begründung führte es die Gesichtspunkte der versorgungsärztlichen Beurteilung an.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch vertraten die Eltern der Klägerin die Ansicht, es sei von versorgungsärztlicher Seite nicht bewiesen, dass die einer Frühgeborenen verabreichten Impfungen nicht zu einer Schädigung geführt haben könnten. Weil bei Frühgeborenen andere Voraussetzungen für die Verträglichkeit gegeben seien, könnten die ersten beiden Impfungen durchaus den Schaden ausgelöst haben. Jedenfalls habe die dritte Impfung die Stärke der späteren Anfälle erheblich vergrößert. Das Versorgungsamt habe auch nicht berücksichtigt, dass der Impfstoff Hexavac® inzwischen vom Markt genommen worden sei; dies ließe einen Zusammenhang vermuten.
Als zuständiges Landesversorgungsamt wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch mit Bescheid vom 19.06.2007 zurück. Auch nach erneuter versorgungsärztlicher Überprüfung sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht wahrscheinlich. Aus dem Vorliegen der Gesundheitsstörungen lasse sich nicht automatisch auf einen Impfschaden als Ursache schließen. Die ruhende Zulassung des Impfstoffes "Hexavac®" beziehe sich lediglich auf einen möglicherweise beeinträchtigten Langzeitschutz, nicht etwa auf das nachweisliche Hervorrufen von Erkrankungen. Hexavac® sei nicht als schädigendes Mittel vom Markt genommen worden. Nur die Vermutung eines eventuellen Zusammenhangs reiche für die Entschädigung nach dem IfSG nicht aus.
Am 06.07.07 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Aachen erhoben und zur Begründung insbesondere darauf hingewiesen, während der zahlreichen, auch stationären, Behandlungen im Jahr 2004 habe niemand die Eltern auf irgendwelche anderen Komplikationen oder gar auf ein anlagebedingtes Krampfleiden aufmerksam gemacht. Die Klägerin sei gesund gewesen und habe sich entsprechend entwickelt. Erst nach Weihnachten 2004 habe man Auffälligkeiten festgestellt und deshalb am 03.01.2005 die damals behandelnde Kinderarztpraxis aufgesucht. Da bis Ende Dezember 2004 keinerlei Anzeichen für die jetzt bestehende Erkrankung aufgetreten seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die Impfungen im September und Oktober 2004 einer Frühgeborenen nicht zuträglich gewesen seien und letztlich zu den Krampfanfällen geführt hätten; diese seien durch die dritte Impfung noch verschlimmert worden.
Das SG hat ein Gutachten des Chefarztes der Klinik für Allgemein-Pädiatrie, Epileptologie und Neonatologie des Kreiskrankenhauses H, Dr. Q, vom 15.01.2008 eingeholt. Dieser hat eine BNS-Epilepsie, einhergehend mit einer deutlichen psychomotorischen, sprachlichen und geistigen Entwicklungsretardierung diagnostiziert und ausgeführt, es sei nicht wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und Funktionsstörungen und den Hexavac®-Impfungen bestehe. Es sei typisch für eine BNS-Epilepsie, dass diese sich erst nach Monaten während des ersten Lebensjahres bei vorheriger klinischer Unauffälligkeit manifestiere. Aufgrund dieses Umstandes falle ihr Auftreten zufällig in den Zeitraum der Impfung. Bei der Klägerin zeige sich im MRT-Befund eine Hirnatrophie. Eine solche Reifungsstörung liege zeitlich länger zurück und könne nicht durch die Impfungen hervorgerufen worden sein. Zudem bestünden zusätzliche Risikofaktoren, wie zB die schwierige Schwangerschaft, die extreme Frühgeburtlichkeit und die Auffälligkeiten nach der Geburt, die wahrscheinlich zu hypoxisch-ischämischen Hirnschäden geführt hätten. Inwieweit die Impfungen den Krankheitsverlauf der vorherbestehenden Erkrankung beeinflusst haben könnten, liege außerhalb des zu beurteilenden Rahmens.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.05.2008 abgewiesen: Es sei nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen der bestehenden Epilepsie und den diese begleitenden Entwicklungsretardierungen sowie den Impfungen bestehe. Auch nach der herrschenden medizinischen-wissenschaftlichen Lehrmeinung gäbe es keinen Zusammenhang zwischen dem Krankheitsbild der Klägerin und Impfungen mit dem Impfstoff Hexavac®. Insoweit sei auf die Arbeitsergebnisse der ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts abzustellen. Nachdem die STIKO ihre Arbeitsergebnisse bereits im Epidemiologischen Bulletin 6/2004 veröffentlicht habe, sei im Juni 2007 eine Aktualisierung erschienen (Epidemiologisches Bulletin 25/07 vom 22.06.2007). In beiden Veröffentlichungen würden als Komplikationen nach Hexavac® Impfungen lediglich selten auftretende Fieberkrämpfe bzw. allergische Reaktionen auf den Impfstoff oder Einzelfälle von hypoton-hyporesponsiven Episoden beschrieben. Hingegen sei nicht mit einer Hirnschädigung, wie sie bei der Klägerin vorliege, zu rechnen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 30.05.2008 zugestellte Urteil am 24.06.2008 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie insbesondere ausführt, bislang sei die Diagnose eines frühkindlichen Hirnschadens bei ihr noch nie gestellt worden. Sie hat eine Erklärung der Großeltern (I und N X1) vorgelegt. Danach habe die Klägerin sich zunächst prächtig entwickelt. Im Herbst 2004 sei ihnen aufgefallen, dass die Klägerin irgendwie apathisch scheine und sich bei Kontaktaufnahme nicht mehr so stark wie bisher gefreut habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.05.2008 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2007 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer BNS-Epilepsie bzw. eines hirnorganischen Anfallsleidens als Folge, der Sechsfachschutzimpfungen vom 09.09.2004, 11.10.2004 und 03.01.2005 Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat zunächst den Chefarzt der Klinik für Allgemein-Pädiatrie, Epileptologie und Neonatologie des Kreiskrankenhauses H, Dr. G Nachfolger des Sachverständigen Dr. Q um eine ergänzende Stellungnahme zu dem Gutachten des Dr. Q vom 15.01.2008 gebeten. Dieser hat dargelegt, dass bei etwa zwei Drittel der Kinder, die unter BNS-Epilepsie leiden, eine tiefgreifende organische Störung, insbesondere Hirnschäden z B durch Asphyxie oder Hypoxie nachweisbar seien. Vorliegend sei allerdings zu beanstanden, dass die Klägerin trotz offensichtlich bekannt gewordenem Symptom insbesondere am Tag der Einweisung in das Krankenhaus noch die dritte Impfdosis verabreicht bekommen habe. Dies habe zwar die Erkrankung sicher nicht ausgelöst, man könne allerdings nachträglich nicht mehr feststellen, ob sie den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflusst habe.
Der nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag der Klägerin gehörte Sachverständige Dr. I1 hat in dem Gutachten vom 04.08.2009 dargelegt, bei der Klägerin bestehe seit Ende 2004 eine Hirnentwicklungsstörung mit Ausbildung einer BNS-Epilepsie (West-Syndrom). Diese Erkrankung sei wahrscheinlich durch die vorabreichten Hexavac®-Impfungen verursacht worden. Hierfür sprächen der zeitliche Verlauf, die aus tierexperimentellen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse über die Toxizität der verwendeten Impfstoffe und ihrer Adjuvantien, insbesondere des unspezifischen Immunverstärkers Aluminiumhydroxid und das Fehlen alternativer Ursachen. Zur Begründung hat der Sachverständige die Kriterien der WHO zur Kausalitätsbewertung von Verdachtsfällen unerwünschter Arzneimittelwirkungen angeführt, die erfüllt seien. So bestehe 1. ein plausibles zeitliches Intervall, 2. eine plausible Pathophysiologie und 3. ein differenzialdiagnostischer Ausschluss anderer Ursachen. Nach WHO Algorithmus sei die Erkrankung der Klägerin danach durch die verabreichten Impfungen verursacht worden. Die Begründung, die Hepathitis B Komponente habe einen fraglichen Langzeitschutz für die am 20.09.2005 völlig überraschend ruhend gestellte Zulassung des Impfstoffes Hexavac® "verblüffe". Da über die molekularen und immunologischen Abläufe von Impfkomplikationen noch keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen, käme eine Anerkennung auch als Kann-Versorgung in Betracht. Die MdE sei mit 100 zu veranschlagen.
Der Beklagte hat zu den Feststellungen des Dr. I1 eine Stellungnahme von Prof. Dr. T, Arzt für Mikrobiologie und Kinder-und Jugendmedizin, vom 21.09.2009 eingeholt. Dieser kommt zu dem Ergebnis, die von Dr. I1 angenommene Gefährlichkeit der in Hexavac® enthaltenen aluminiumhaltigen Adjuvantien sowie des Formaldehyds sei widerlegt. Im unmittelbaren Anschluss an die Impfungen seien bei der Klägerin typische Nebenwirkungen wie Fieber etc. nicht beschrieben oder dokumentiert. Auch finde man in den Akten keinen Hinweis darauf, dass die Eltern in den ersten Tagen nach den Impfungen einen Arzt aufgesucht hätten. Hieraus sei zu schließen, dass die Klägerin keine übermäßige Impfreaktion erlitten habe. Es sei typisch, dass sich die Klägerin im ersten Lebenshalbjahr altersgerecht normal entwickelt habe. Auch wenn bei etwa 20 % der an dieser Erkrankung leidenden Kinder eine auslösende Ursache nicht gefunden werde, sei das Krankheitsbild selbst in der Medizin wissenschaftlich gründlich erforscht, so dass die Voraussetzungen für eine Kannversorgung nicht gegeben seien.
Auf Antrag der Klägerin hat der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. I1 am 21.01.2010 zu den Darlegungen von Dr. T Stellung bezogen. Letzterer hat hierauf am 02.03.2010 erwidert.
Das Gericht hat von den Kinderärzten Dres. B. u. H. G (03.06.2010) die damaligen Krankenakten und von den Frauenärzten Dr. S (21.07.2010) und M (18.08.2010) die Unterlagen über die Behandlung der Mutter der Klägerin beigezogen.
Das Robert Koch Institut, Berlin hat dem Gericht auf Anfrage am 17.06.2010 auszugsweise aus dem "Epidemiologisches Bulletin" vom 22. Juni 2007 die "Hinweise für Ärzte und Aufklärungsbedarf über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen /Stand 2007" mit den Ausführungen der STIKO zu möglichen Impfreaktionen übersandt. Vom Gericht zu den Nebenwirkungen nach Impfungen mit Hexavac® befragt, hat das Paul-Ehrlich-Institut, Langen, mit Schreiben vom 12.07.2010 Stellung genommen und 624 Verdachtsfälle von Impfkomplikationen und die Reaktionen aufgelistet und beschrieben.
Es ist im Weiteren Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Eltern der Klägerin, C und M X sowie der Großeltern, N und I X1 als Zeugen. Die Eltern der Klägerin haben angegeben, bis zur ersten Impfung sei die Entwicklung der Klägerin normal verlaufen. Nach der zweiten Impfung sei eine Wesensänderung eingetreten. Es seien seither keine Entwicklungsfortschritte mehr festzustellen gewesen. Vor der zweiten Impfung habe die Klägerin etwa normal Blickkontakt aufgenommen und sei ein lebhaftes Kind gewesen. Dies sei nach der zweiten Impfung nicht mehr der Fall gewesen. Unmittelbare Reaktionen nach der zweiten Impfung seien nicht eingetreten, allenfalls leicht erhöhte Temperaturen, die man noch nicht als Fieber bezeichnen könne und die sich bereits am nächsten Tag wieder normalisiert gehabt hätten. Die Großeltern haben dies bestätigt und ergänzend ausgesagt, die Klägerin sei nach der zweiten Impfung apathisch und sehr ruhig geworden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird im Übrigen Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 16.06.2010
Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, N. Der Sachverständige hat mit Zustimmung des Gerichts zunächst ein radiologisches Zusatzgutachten von Prof. Dr. F, N, eingeholt. Die Sachverständige hat in dem kernspintomografischen Gutachten vom 25.07.2011 und in der weiteren Stellungnahme vom 17.08.2011 die Aufnahmen dahingehend bewertet, es sei gesichert, dass der typische Befund einer periventrikulären Leukomalazie (PVL) in mittel- bis höhergradiger Ausprägung vorliege. Solche Schädigungen träten in dieser Form nur vor der 36. Schwangerschaftswoche auf und beruhten klassischerweise auf Schädigungen der direkt periventrikulär gelegenen weißen Substanz/germinalen Matrixzone im noch unreifen Gehirn. Das Schädigungsmuster lasse sich besonders häufig bei Frühgeborenen finden. Ein entsprechendes Bild habe sich auch schon, soweit beurteilbar, bei NMR-Aufnahmen vom 06.01.2005 gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt sei das Gehirn der Klägerin allerdings entwicklungsbedingt von der weißen Substanz her noch nicht myelinisiert gewesen, so dass sich der bildmorphologische Befund etwas unterschiedlich dargestellt habe.
Der Sachverständige Dr. Dr. W hat unter Berücksichtigung der Ergebnisse des radiologischen Zusatzgutachtens in seinem Gutachten vom 15.05.2012 festgestellt, dass die bekannten Impfkomplikationen nach Hexavac®-Impfungen, wie zB Rötungen, unstillbares Schreien, Erbrechen, allergische Reaktionen etc. bei der Klägerin nicht beobachtet worden seien. Unzweifelhaft habe diese aber eine auffällige postnatale Entwicklung durchgemacht. Der Sachverständige Dr. I1 habe nicht beachtet, dass die Klägerin von Anfang an ein Risikokind (Frühgeburt mit Komplikationen) gewesen sei. Er habe auch nicht beachtet, dass die Klägerin ua eine spastische Tetraparese links mehr als rechts und Bein-betont aufweise, sich psychomotorisch nicht normal entwickle, einen dynamischen Spitzfuß beidseits habe und bei den BNS-Anfällen zusätzlich eine Sehschwäche beidseits objektiviert sei. Solche Schädigungen hätten in aller Regel ihren Ursprung in einer perinatalen Risikogefährdung. Bei der Klägerin liege eine PVL vor, die durch die von Prof. Dr. F vorgenommene Magnetresonanztomografischen Untersuchung (NMR) des Gehirns belegt sei. Diese PVL habe vor der 36. Schwangerschaftswoche stattgefunden; hier spielten Schädigungsfaktoren, zB Sauerstoffunterversorgung des Hirns, etc eine kausale Rolle. Als Folge dieser Hirnschädigung habe sich ua eine infantile Zerebralparese, eine beidseitige Schädigung des Sehnervens, das BNS-Leiden, die Entwicklungsstörung etc. ergeben. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass bei der Klägerin bereits intrauterin und damit vorgeburtlich eine Hirnschädigung eingetreten sei. Diese Frage lasse sich aber nicht endgültig beantworten. Postnatal habe sich bereits im Alter von drei Monaten eine motorische Entwicklungsverzögerung gezeigt (fehlendes Drehen des Körpers). Der zeitliche Beginn des BNS-Leidens sei typisch. Im Anschluss an die drei durchgeführten Hexavac®-Impfungen sei es hingegen zu keinen typischen Impfnebenwirkungen oder gar Impfkomplikationen gekommen. Die Beobachtungen der Eltern und der Großeltern, insbesondere zum Stillstand der Entwicklung der Klägerin, seien spezifisch für einen bereits pränatal/perinatal erworbenen Hirnschaden. Es sei nicht erkennbar, dass die drei durchgeführten Impfungen die Entwicklung der Klägerin zusätzlich negativ beeinflusst hätten. Es gäbe auch keinen eindeutigen Grund dafür, dass die dritte Hexavac®-Impfung nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Dem Sachverständigen Dr. I1 seien die Ergebnisse der NMR nicht bekannt gewesen. Dieser habe damit nicht gewusst, dass bei der Klägerin eine PVL eindeutig bewiesen sei.
Die Klägerin hat die vom Sachverständigen gestellte Diagnose einer PVL angezweifelt. Sie hat erneut auf die zeitliche Koinzidenz zwischen insbesondere der dritten Hexavac®-Impfung und dem Auftreten der Epilepsie hingewiesen.
Zu der Einwänden der Eltern der Klägerin hat Prof Dr. Dr. W (20.08.2012) ergänzend Stellung genommen und dargelegt, dass sich die Diagnose der PVL aus der von ihm veranlassten NMR in 2011 ergebe. Hingegen habe es zu keiner Zeit klassische Zeichen einer Encephalitis gegeben. Die Klägerin habe auch entgegen den Ausführungen ihrer Eltern alles andere als eine normale Postnatalzeit durchlebt. Eindeutig nachgewiesen durch die vorliegenden medizinischen Befunde sei die metabolische Azidose, die Frühgeburt, die nekrotisierende Enterokolitis mit Diarrhoe und Gastroenteritis, eine Anämie, eine Störung der Temperaturregulation und eine sonstige Apnoe. Auch habe der behandelnde Kinderarzt Dr. G bereits am 29.10.04 beschrieben: "Noch kein aktives Drehen (chronologisches Alter 5, korrigiertes Alter 3 Monate)".
Die Eltern halten weiterhin einen Impfschaden für ausreichend wahrscheinlich, denn die Klägerin habe sich vor den Impfungen zunächst normal entwickelt. Sie haben die einzelnen Befunderhebungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W angezweifelt. Der Sachverständige hat hierzu am 23.11.2012 erneut erwidert und noch einmal hervorgehoben, dass die vorliegende komplexe Entwicklungsstörung typisch für eine pränatal erworbene Hirnschädigung sei. Alle bei der Klägerin vorhandenen Entwicklungsstörungen ließen sich hierdurch erklären. Ein Impfschaden sei nicht einmal wahrscheinlich.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten sowie der Schwerbehinderten-Akte der Klägerin verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Richtiger Klagegegner ist seit dem 01.01.2008 der örtlich zuständige Landschaftsverband Rheinland (vgl. zur Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts: Urteile des BSG vom 11.12.2008, R 9 VS 1/08 juris Rn 21 ff - zum Soldatenversorgungsgesetz - und B 9 V 3/07 R, juris Rn 22 f - zum BVG -, vom 23.04.2009, B 9 VG 1/08 R, juris Rn 24 - zum Opferentschädigungsgesetz -, mit denen die ständige Rechtsprechung des 6. Senats dieses Hauses bestätigt wurde; ständige Rechtsprechung jetzt auch des erkennenden Senates seit Urteil vom 11.03.2009, L 10 (7) VG 42/06, juris Rn 17; aA noch Vorlagebeschluss des Senats an das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - vom 03.09.2008, L 10 VG 20/03, Az: BVerfG 1 BvL 20/08, dort noch anhängig).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Auch nach Ansicht des Senats hat die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen als Folge der Impfungen mit Hexavac® am 09.09.2004, 11.10.2004 und 03.01.2005 und auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgung sowohl als Pflichtleistung gemäß § 60 Abs 1 iVm § 61 S 1 IfSG als auch als Kannleistung nach § 60 Abs 1 iVm § 61 S 2 IfSG sind nicht erfüllt.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 60 Abs 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in der seit dem 01.01.2001 geltenden bzw. der seit dem 23.06.2006 geltenden (inhaltsgleichen) Fassung. Nach dieser Vorschrift erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2. aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde
3. gesetzlich vorgeschrieben war oder
4. aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, auf Antrag wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt (§ 60 Abs 1 Satz 1 IfSG). Ein Impfschaden ist die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung (§ 2 Nr 11 IfSG). Als anspruchsbegründende Tatsachen müssen die schädigende Einwirkung (die Impfung), die gesundheitliche Schädigung (Impfkomplikation) und der Impfschaden (Dauerleiden) nachgewiesen sein (BSG, Urteile vom 19.03.1986, B 9 RVi 2/84, juris Rn 9 und zuletzt vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn 38) ). Der Vollbeweis setzt voraus, dass die Tatbestandsmerkmale mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch Zweifel hat (BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R, juris Rn 11 mwN). Lediglich für den Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis (Impfungen) und der (Primär)-Schädigung (Impfkomplikation) sowie zwischen dieser und den Schädigungsfolgen genügt es, wenn die Kausalität wahrscheinlich gemacht ist (§ 52 Abs 2 S 1 BSeuchG / § 61 S 1 IfSG). Wahrscheinlich in diesem Sinne ist die Kausalität nur dann, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen sie spricht, d.h. die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen (vgl AHP 2008 Nr 38/Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) Teil C 3a; vgl auch BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84, juris Rn mwN; BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01, juris Rn 8, Urteil des erkennenden Senates vom 24.02.2010, L 10 VJ 15/06, juris Rn 44). Die Mehrfachschutzimpfungen der Klägerin am 09.09.2004, 11.10.2004 und 03.01.2005 mit Hexavac® fallen als öffentlich empfohlen in den Schutzbereich des § 60 IfSG (siehe zuletzt das aktuelle Epidemologische Bulletin des Robert-Koch-Instituts Nr 46 vom 17.11.2006, Seite 403). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich nicht feststellen, dass die BNS-Epilepsie und die nach Ansicht der Sachverständigen Prof Dr. Dr. W und Prof. Dr. F gesicherte PVL in mittel- bis höhergradiger Ausprägung, sowie die nachfolgenden Gesundheitsstörungen und jetzigen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch eine oder alle drei Impfungen wesentlich (mit)verursacht worden sind. Ein als Impfkomplikation iS des § 60 IfSG in Betracht kommendes Krankheitsgeschehen, das im Sinne eines Vollbeweises feststehen muss, ist nicht aufgetreten. Die bloße Möglichkeit reicht insoweit nicht. Davon ist der Senat aufgrund des ausführlich begründeten Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W überzeugt. Zu diesem Ergebnis sind auch der im Klageverfahren gehörte Sachverständige Dr. Q und die von der Beklagten zu Rate gezogenen Ärzte Frau Q1 und Prof Dr. T in ihren Gutachten und Stellungnahmen gelangt. Die Darlegungen des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. I1 überzeugen den Senat nicht. Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat in zwei Schritten zu erfolgen. Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffenden Impfungen zurückzuführen sind (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, in juris Rn 38 ff). Für die Beurteilung, ob ein Krankheitsgeschehen als Impfkomplikation in Betracht kommt, sind die im sozialen Entschädigungsrecht bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, ab 01.01.2009 als allgemeine Rechtsverordnung ersetzt durch die Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedVO -) zu berücksichtigen. Die detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen (damals noch als Impfschaden bezeichnet) bei Schutzimpfungen in Nr 57 AHP 1983 bis 2005 sind allerdings Ende 2006 gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden: "Die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete STIKO entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar. Die versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden bzgl. Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kann-Versorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von §§ 60 IfSG durchzuführen." Für den Sechsfachimpfstoff Impfstoff Hexavac® gibt es keine Vorgaben der AHP in den bis 2005 geltenden Fassungen. Nach dem maßgeblichen heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft (BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, in juris Rn 42) stellt das Krankheitsbild der Klägerin keine bekannte Impfkomplikation dar und steht nicht im Zusammenhang mit den Hexavac®-Impfungen. Das SG hat den aktuellen Stand der Wissenschaft berücksichtigt und sich auf die Epidemiologischen Bulletins 6/2004 und 25/2007 bezogen. Der Senat nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs 2 SGG). Nach der Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts, auf welches das Robert-Koch-Institut verweist, sind gegenwärtig als Lokal- und Allgemeinreaktionen nach Impfungen mit Hexavac® mit den Impfkomponenten, wie sie für die drei Impfungen der Klägerin verwendet wurden, Rötung und/oder Verhärtung bzw. Schwellung/Schmerzen an der Injektionsstelle, lokale Ödeme, Pruritus und Urtikaria bekannt. Als Komplikationen, bei denen der ursächliche Zusammenhang als gesichert oder überwiegend wahrscheinlich anzusehen ist, berichtet das Institut Durchfall, Erbrechen, anhaltendes, ungewöhnliches oder schrilles Schreien, Fieberkrämpfe und (sehr selten) allergische Reaktionen einschließlich anaphylaktischer Reaktionen, Schüttelfrost, Müdigkeit, hypotone-hyporesponsive Episoden, Unruhe, Schlafstörungen, angioneurotisches Ödem, Bauchschmerzen, Meteorismus, Übelkeit, Schwellung und Ödeme von ganzen Gliedmaßen. Weiter berichtete Krampfanfälle ohne Fieber, Enzephalitis, Augenrollen, Muskelhypotonie, Dyspnoe etc, stünden in ungeklärtem ursächlichem Zusammenhang mit den Impfungen. Unbewiesene Hypothesen seien plötzlicher Kindstod und plötzlicher Tod im zweiten Lebensjahr nach Impfungen mit Hexavac®. Derartige Impfreaktionen sind bei der Klägerin nach den damaligen ärztlichen Stellungnahmen nicht aufgetreten und werden auch von den Eltern und Großeltern nicht beschrieben. Bei der Klägerin waren an der Injektionsstelle keine Rötungen, Verhärtungen, Schwellung oder lokale Ödeme aufgetreten. Über Schmerzen, Reizbarkeit, Schläfrigkeit gibt es keine Hinweise. Die als Zeugin gehörte Mutter hat lediglich eine leichte Temperaturerhöhung nach der zweiten Impfung angegeben, diese selbst aber noch nicht als Fieber bezeichnet. Hohes Fieber, 40 Grad und höher, war nicht aufgetreten. Irgendwelche atypische Auffälligkeiten werden von den Eltern und den Großeltern nach der ersten Impfung nicht berichtet. Nach der zweiten Impfung habe die Klägerin anders als nach der ersten Impfung keine Entwicklungsfortschritte mehr gemacht. Nach der dritten Impfung werden dann die im Krankenhaus behandelten epileptischen Krampfanfälle geschildert. Weder die festgestellte Entwicklungsretardierung noch die Krampfanfälle kurz vor und nach der dritten Impfung stellen eine typische, vorstehend beschriebene Impfreaktion dar. Das hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W in Übereinstimmung mit den genannten epidemiologischen Bulletins der STIKO und der Stellungnahmen des Paul-Ehrlich-Institut überzeugend dargelegt. Die epileptischen Krampfanfälle sind zudem nach den Angaben der Eltern der Klägerin kurz vor der dritten Impfung aufgetreten und kommen insoweit als unmittelbare Impfreaktion nicht Betracht. Es besteht insoweit auch kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Gesundheitsstörungen.
Bei den bei der Klägerin eingetretenen gesundheitlichen Dauerschäden handelt es sich nach Überzeugung des Senats vielmehr um impfunabhängige Schäden. Sie sind nicht auf die Impfungen zurückzuführen. Gegen einen Kausalzusammenhang spricht bereits die vom Senat eingeholte Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts, das entsprechende Erscheinungen bzw. Gesundheitsstörungen nicht als typische Impfkomplikationen, sondern allenfalls als in ungeklärtem zeitlichen Zusammenhang zu Impfungen mit Hexavac® stehende Erkrankungen dargestellt hat. Mit Ausnahme von Dr. I1 sind sich die gehörten Sachverständigen, wenn auch mit verschiedenen Begründungen, in der Beurteilung einig.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Q manifestiert sich eine BNS-Epilepsie typischerweise erst nach Monaten während des ersten Lebensjahres (dritter bis zehnter Monat) bei vorheriger klinischer Unauffälligkeit. Sie sei vorliegend nur zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit den 2004/2005 erfolgten Sechsfach-Schutzimpfungen der Klägerin aufgetreten. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass dem West-Syndrom häufig eine hirnorganische Störung zugrunde liegt, welche zeitlich länger zurück liegt und nicht durch die späteren Impfungen hervorgerufen seien kann. Dies sieht auch Prof. Dr. T so. Der Senat schließt sich diesen Feststellungen an.
Auch der im Berufungsverfahren auf Empfehlung der Klägerin gehörte Sachverständige Prof Dr. Dr. W hat das Vorliegen einer Impfkomplikation verneint. Der Sachverständige hat alle aktenkundigen Befunde und die ihm von den Eltern der Klägerin überlassenen Krankenakten ausgewertet. Der zuletzt klägerseits angeführte Einwand, dem Sachverständigen hätten die Unterlagen des F-Krankenhaus S nicht vorgelegen, trifft nicht zu (vgl S 3 des Gutachtens vom 15.05.2012). Der Sachverständige hat gerade diese Unterlagen ausgewertet und in seiner Beurteilung angesprochen; er hat sich eingehend mit der prä- und perinatal relevanten Vorgeschichte der Klägerin befasst und diese auch diskutiert. Er hat zur Befundabklärung die Anfertigung eines MNR und hierzu eine sachverständige radiologisches Beurteilung eingeholt. Nach den von der Zusatz-Gutachterin Prof. Dr. F erhobenen bildgebenden Befunden liegt bei der Klägerin MR-tomografisch der typische Befund einer PVL in mittel- bis höhergradiger Auswirkung vor. Nach ihren weiteren Ausführungen ist eine PVL zudem eine klassische Schädigung des noch unreifen Gehirns. Periventrikulär leukomalazische Schädigungen treten in der bei der Klägerin vorliegenden Form nur vor der 36. Schwangerschaftswoche bzw. einem Gestationsalter von 36 Wochen auf. Der von der Sachverständigen erhobene Befund belegt, dass ein (enger) zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung ausscheidet. Der Senat sieht den Befund einer PVL als gesichert an. Die Klägerin hat danach mit großer Wahrscheinlichkeit als Frühgeborene (Geburt in der 31. Schwangerschaftswoche) eine pränatale Hirnschädigung erlitten. Die bei der Klägerin eingetretene Entwicklungsverzögerung ist typisch für eine derartige Hirnschädigung. Prof. Dr. F1 hat zur Begründung ihrer Beurteilung dargelegt, dass klassische Zeichen einer PVL auch schon bei den am 06.01.2005 gemachten NMR-Aufnahmen vorgelegen hätten. Prof. Dr. Dr. W hat ausgeführt (Stellungnahme vom 20.08.2012), dass solche periventrikulären Leukomalazien typisch für Frühgeborene seien, vor allem für Frühgeborene mit der aktenkundigen Krankengeschichte nach der Geburt. So litt die Klägerin nach den aktenkundigen Befundunterlagen neben der extremen Frühgeburtlichkeit an einer metabolischen Azidose, einer nekrotisierenden Enterocolitis mit Gastroenteritis, einer Blutarmut, einer Störung der Temperaturregelation und einer sonstigen Apnoe beim Neugeborenen. Diese erklären als erhebliche Risiken nach den Ausführungen des Sachverständigen die auch seiner Beurteilung nach gesicherte PVL. Hinweise auf klassische Zeichen einer Enzephalitis, die durch die Impfungen möglicherweise hätte hervorgerufen werden können, haben sich entgegen der Annahme des Sachverständigen Dr. I1 gerade nicht gezeigt.
Der Senat hält die Aufarbeitung der damaligen Krankengeschichte durch Prof. Dr. Dr. W, seine Schlussfolgerungen und seine Beurteilung für schlüssig und nachvollziehbar. Sie sind überzeugend. Auch die im Verwaltungsverfahren gehörte Ärztin Q1 hatte auf die von den ersten Lebenstagen an auffällige, mit erheblichen Risiken verbundene Entwicklung der Klägerin hingewiesen. Sie hat insoweit angesprochen, dass die Schwangerschaft im Rahmen der sog. Reproduktionsmedizin ausgelöst worden sei. Auch postnatal sei es bereits unmittelbar nach der Geburt der Klägerin immer wieder zu Auffälligkeiten wie zum Abfallen der Sauerstoffsättigung und zusätzlich zum Beginn einer narkotisierenden Enterokolitis mit einer beginnenden Entzündung des Darms gekommen. Auch habe bereits eine Anämie vorgelegen, die beispielsweise eine Bluttransfusion notwendig gemacht hatte. In der Beurteilung der frühkindlichen Krankengeschichte stimmt sie danach im Wesentlichen mit Prof. Dr. Dr. W überein.
Die Einwände der Klägerin gegen seine Beurteilung greifen nicht. Dem Sachverständigen lagen alle Krankenunterlagen vor. Dass der Pädiatrie-Befund vom 05.01.2005 den Hinweis "keine Leukomalazie" erhält, erklärt dieser nachvollziehbar damit, dass eine PVL bei Frühgeborenen mit hohem Risiko oft erst mit zunehmendem Entwicklungsalter diagnostiziert werden kann. Weder ist das Gutachten insoweit fehlerhaft; ein Diagnosefehler des damaligen Arztes ist damit auch nicht belegt. Soweit die Klägerin eine Fehldeutung eines Laborwertes durch den Sachverständigen anführt, so fehlt dem Befund die entsprechende Bezugsgröße. Die weitere Interpretation dieses Laborwertes hält der Sachverständige für die Beurteilung der postnatalen Gefährdung für nachrangig.
Die Feststellungen des Prof. Dr. Dr. W und von Dr. Q werden ebenso wie die Ausführungen der Sozialmedizinerin Q1 und von Prof. Dr. T durch die Darlegungen des Dr. I1 nicht widerlegt. Soweit dieser meint, die Zulassung des Impfstoffes Hexavac® sei im Jahr 2005 zurückgezogen worden wegen fraglicher Langszeitwirkung der Komponente Hepatitis B und die Begründung hierzu habe ihn verblüfft, so übersieht er, dass damals zugleich festgestellt worden ist: "Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Sicherheit des Impfstoffes. Empfehlungen der STIKO, Angehörige von Riskogruppen wie auch Säuglinge und Kinder und Jugendliche zu impfen, sind unvermindert gültig". Dr. I1 nennt als Ursache für das West Syndrom bei der Klägerin eine postvakzinale pathologische Immunreaktion und das Vorliegen einer Enzephalitis, ohne aber mehr als den zeitlichen Zusammenhang als Indiz anführen zu können. Das von ihm mit zehn Wochen gegriffene plausible zeitliche Intervall zwischen der zweiten Impfung und dem Auftreten der Entwicklungsstörung ist kein anspruchsbegründendes Kriterium für die Annahme einer wesentlichen Ursache, dies vorliegend auch schon deshalb, weil nach der vom Senat durchgeführten Zeugenvernehmung der Eltern und Großeltern der Klägerin bereits vorher Entwicklungsstörungen vorlagen. Schließlich sind die postvakzinale pathologische Immunreaktion und das Vorliegen einer Enzephalitis befundmäßig nicht belegt. Dr. I1 geht auch von unzutreffenden Fakten aus, wenn er differenzialdiagnostisch andere Ursachen als die Impfungen für die Hirnentwicklungsstörung ausschließt. Er übersieht zum einen die vorgeburtlichen Risiken und berücksichtigt zudem nicht das Vorliegen der PVL. Er ignoriert auch, dass Impfreaktionen ärztlich nicht belegt sind. Der Arzt wählt mit den WHO Vorgaben für unerwünschte Medikamentennebenwirkungen im Übrigen unzulässiger Weise einen eigenen Maßstab zur Kausalitätsfeststellung. Der Ursachenzusammenhang wäre aber auch bei Anwendung der WHO-Kriterien ausgeschlossen. Verwertbare Kriterien über die Toxizität von Haxavac® Impfstoffen und ihrer Adjuvantien liegen nicht vor. Dr. I1 führt tierexperimentelle Untersuchungen für seine Ansicht an. Dem Senat ist aus anderen Verfahren bekannt, dass Dr. I1 selbst davon ausgeht, dass seine Feststellungen auf Hypothesen beruhen und ihm auch bewusst ist, dass die Grenzwerte nicht erreicht werden. Die von ihm angeführten drei Kriterien der WHO greifen alle nicht. Es fehlt das zeitliche Intervall (1), die von ihm dargestellte Pathophysiologie ist oberflächlich und entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten (2) und von einen differentialdiagnostischen Ausschluss anderer Ursachen kann angesichts des Vorliegens der PVL nicht die Rede sein (3). Die Ansichten des Dr. I1 zu der Impfproblematik sind gerichtsbekannt und regelmäßig Gegenstand von Verfahren, in denen Impfschäden zu beurteilen sind. Der Senat sieht von einer weiteren Diskussion der Ansichten des Dr. I1 ab und nimmt Bezug auf das Urteil des 6. Senates dieses Hauses vom 01.02.2011, L 6 (7) VJ 42/03, juris Rn 46 und das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16.11.2011, L 4 VJ 2/10, juris Rn 39.
Schließlich liegen, anders als dies Dr. I1 meint, die Voraussetzungen für eine sog. Kannversorgung gemäß § 60 Abs 1 IfSG iVm § 61 S. 2 IfSG nicht vor. Hiernach ist eine Versorgung mit Zustimmung des zuständigen Ministeriums zu gewähren, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur deshalb nicht als wahrscheinlich angenommen werden kann, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Das Krankheitsbild des West-Syndroms ist in der Kinderheilkunde bekannt. Bei etwa 20 % der erkrankten Kinder lässt sich eine auslösende Ursache für die Krankheit nicht finden (Ausführungen von Prof. Dr. T; Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.11.2011 aaO, Rn 32 mwN). Allein dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Voraussetzungen der Kann-Versorgung als gegeben anzusehen. Die Voraussetzungen liegen nicht schon dann vor, wenn die Ursache des festgestellten Leidens, welches Schädigungsfolge sein soll, in der medizinischen Wissenschaft ungewiss ist (Urteil des Hessischen LSG vom 27.06.2007, L 4 VJ 3/04, juris, zweiter Leitsatz). Eine Kann-Versorgung kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil es bei dem West-Syndrom im Hinblick auf die von der Klägerin als schädigende Ereignisse angenommenen Impfungen an einer fundierten, einen Ursachenzusammenhang bejahenden medizinischen Lehrmeinung fehlt. Lediglich Dr. I1 vertritt die Auffassung, dass ein möglicher Ursachenzusammenhang zwischen dieser Erkrankung und Impfungen mit dem Impfstoff Hexavac® gegeben sein kann. Seine Ansicht ist, wie ausgeführt, nicht nachvollziehbar und nicht durch wissenschaftliche Fakten und statistischen Erhebungen untermauert. Damit fehlt es an der für die Kannversorgung tatbestandlich zumindest stützenden wissenschaftlichen Mindermeinung in der Medizin. Zudem ist vorliegend die Kausalität der Impfungen mit Hexavac® für die geltend gemachten Gesundheitsschäden unabhängig davon zu verneinen, ob die Entstehungsgeschichte des West-Syndroms in der Wissenschaft noch weiter geklärt werden kann. Jedenfalls im Fall der Klägerin kann die Impfung nach heutigem Kenntnisstand als wesentliche Ursache ausgeschlossen werden. Die Kannversorgung ersetzt aber nicht die Feststellung der erforderlichen rechtserheblichen Schädigung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG) sind nicht gegeben.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin, deren Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) mit 100 und den Nachteilsausgleichen G, B, H und aG festgestellt ist, an einem entschädigungspflichtigen Impfschaden leidet.
Die am 00.00.2004 in der 31. Schwangerschaftswoche geborene Klägerin befand sich nach der Geburt bis zum 25.06.2004 in stationärer Behandlung in der Klinik für Kinder und Jugendliche der Städtischen Kliniken N1 (F-Krankenhaus S). Die Diagnose lautete damals: Frühgeborenes, Metabolische Azidose, Diarrhoe und Gastroenteritis, Anämie, Störung der Temperaturregulation und sonstige Apnoe beim Neugeborenen. Wegen eines Ovarvorfalls links mit operativer Herniorrhaphie und Reposition des linken Ovars war in der Zeit vom 28.06. 2004 bis 01.07.2004 ein erneuter stationärer Aufenthalt erforderlich. Eine weitere Behandlung wegen Blutbeimengung im Stuhl aufgrund von Nahrungsumstellungen bei bekannter Anämie, Koprostase und Hämangiom rechts frontal fand in der Zeit vom 17.07.2004 bis 22.07.2004 statt.
Am 09.09.2004 erhielt die Klägerin die erste und am 11.10.2004 die zweite von insgesamt drei Schutzimpfungen gegen Diphterie, Haemophilus Influenzae b, Hepatitis B, Pertussis, Poliomyelitis und Tetanus mit dem Impfstoff Hexavac® der Firma Aventis-Pasteur. Nach den Angaben der die Klägerin damals behandelnden Kinderärzte Dres. G vertrug die Klägerin diese beiden Impfungen gut. Abgesehen von leicht erhöhter Temperatur, die sich bereits am folgenden Tag wieder normalisiert hatte, sind unmittelbare Impfreaktionen nicht aktenkundig.
Um Weihnachten 2004 traten bei der Klägerin leichte Anfälle auf, die mit einem Verdrehen der Augen nach rechts oben und einem untypischen Strecken der Arme verbunden waren. Die Eltern suchten deshalb am 03.01.2005 den Kinderarzt auf. Bei der Untersuchung zeigten sich keine Auffälligkeiten. Die Klägerin erhielt bei dieser Gelegenheit die dritte Schutzimpfung mit Hexavac®. Die Eltern dokumentierten die Auffälligkeiten zuhause mit einer Videokamera. Der Kinderarzt veranlasste daraufhin am nächsten Tag eine stationäre Beobachtung und Behandlung im F-Krankenhaus S (04.01.2005 bis 02.03.2005). Die Ärzte erhoben erstmals unter anderem den Befund einer BNS-Epilepsie (sog. West Syndrom) mit psychomotorischer Entwicklungsretardierung (Arztbrief vom 02.03.2005). Die Klägerin leidet, von den Eltern nicht in Abrede gestellt, zudem an einer infantilen Zerebralparese, einer beidseitigen Schädigung der Sehnerven und einem offenen Ductus Arteriosus Botalli mit Links-Rechts-Shunt.
Am 27.06.2006 beantragten die Eltern der Klägerin für diese beim Versorgungsamt B Leistungen wegen eines Impfschadens. Dem Antrag fügten sie Berichte des F-Krankenhaus S über die dort erfolgten Behandlungen, den Bericht der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der RWTH B vom 20.09.2005 sowie Ablichtungen der Ergebnisse verschiedener Vorsorgeuntersuchungen bei.
Das Versorgungsamt zog zunächst einen Befundbericht des Kinderarztes Dr. C, der eine BNS-Epilepsie mit schwerer psychomentaler und motorischer Retardierung beschrieb und der Bezug nahm auf zum Teil bereits aktenkundige Arztbriefe und Berichte der Praxis für Kinderphysiotherapie in Heinsberg. Das Versorgungsamt nahm im Weiteren in Ablichtung den Mutterpass mit den Berichten über den Schwangerschaftsverlauf zu den Akten.
In der sodann eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme der Oberregierungs-medizinalrätin und Sozialmedizinerin Q kam diese zu dem Ergebnis, ein Impfschaden sei nicht wahrscheinlich. Die Klägerin gelte als sehr unreifes Frühgeborenes. Bereits ab dem zweiten Lebenstag habe sich eine unklare metabolische Azidose gezeigt. Bei der U2 am 31.05.04 seien Temperaturregulationsstörungen und eine Anämie vermerkt und am 06.06.04 sei die Klägerin wegen einer nichtinfektiösen Darmerkrankung behandelt worden. Alle drei Impfungen seien ohne Komplikationen verlaufen. Schon kurz vor der dritten Hexavac®-Impfung seien erste Krampfsymptome aufgetreten. Dies habe der behandelnde Kinderarzt nicht als Kontraindikation für die letzte Impfung angesehen. Nach dieser Impfung sei auch keine akute Verstärkung der Symptomatik beschrieben worden. Die Ärztin wies darauf hin, dass BNS-Krämpfe sich üblicherweise zwischen dem 2. und 8. Lebensmonat manifestierten. Da bei der Klägerin schon zum Zeitpunkt der Diagnose ein schwerer allgemeiner Entwicklungsrückstand bestanden habe und auch in der sofort durchgeführten Kernspinuntersuchung des Schädels deutliche Hirngewebeveränderungen beschrieben seien, sei die BNS-Epilepsie am ehesten auf ein anlagebedingtes Krampfleiden zurückzuführen. Dies spreche dagegen, dass die vorliegenden Gesundheitsstörungen Folge der Impfungen seien. Ebenso sei eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufes durch die Impfungen nicht festzustellen.
Das Versorgungsamt lehnte mit Bescheid vom 09.01.07 den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab. Ein ursächlicher Zusammenhang der BNS-Epilepsie mit schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 60 des IfSG sei nicht wahrscheinlich. Zur Begründung führte es die Gesichtspunkte der versorgungsärztlichen Beurteilung an.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch vertraten die Eltern der Klägerin die Ansicht, es sei von versorgungsärztlicher Seite nicht bewiesen, dass die einer Frühgeborenen verabreichten Impfungen nicht zu einer Schädigung geführt haben könnten. Weil bei Frühgeborenen andere Voraussetzungen für die Verträglichkeit gegeben seien, könnten die ersten beiden Impfungen durchaus den Schaden ausgelöst haben. Jedenfalls habe die dritte Impfung die Stärke der späteren Anfälle erheblich vergrößert. Das Versorgungsamt habe auch nicht berücksichtigt, dass der Impfstoff Hexavac® inzwischen vom Markt genommen worden sei; dies ließe einen Zusammenhang vermuten.
Als zuständiges Landesversorgungsamt wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch mit Bescheid vom 19.06.2007 zurück. Auch nach erneuter versorgungsärztlicher Überprüfung sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht wahrscheinlich. Aus dem Vorliegen der Gesundheitsstörungen lasse sich nicht automatisch auf einen Impfschaden als Ursache schließen. Die ruhende Zulassung des Impfstoffes "Hexavac®" beziehe sich lediglich auf einen möglicherweise beeinträchtigten Langzeitschutz, nicht etwa auf das nachweisliche Hervorrufen von Erkrankungen. Hexavac® sei nicht als schädigendes Mittel vom Markt genommen worden. Nur die Vermutung eines eventuellen Zusammenhangs reiche für die Entschädigung nach dem IfSG nicht aus.
Am 06.07.07 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Aachen erhoben und zur Begründung insbesondere darauf hingewiesen, während der zahlreichen, auch stationären, Behandlungen im Jahr 2004 habe niemand die Eltern auf irgendwelche anderen Komplikationen oder gar auf ein anlagebedingtes Krampfleiden aufmerksam gemacht. Die Klägerin sei gesund gewesen und habe sich entsprechend entwickelt. Erst nach Weihnachten 2004 habe man Auffälligkeiten festgestellt und deshalb am 03.01.2005 die damals behandelnde Kinderarztpraxis aufgesucht. Da bis Ende Dezember 2004 keinerlei Anzeichen für die jetzt bestehende Erkrankung aufgetreten seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die Impfungen im September und Oktober 2004 einer Frühgeborenen nicht zuträglich gewesen seien und letztlich zu den Krampfanfällen geführt hätten; diese seien durch die dritte Impfung noch verschlimmert worden.
Das SG hat ein Gutachten des Chefarztes der Klinik für Allgemein-Pädiatrie, Epileptologie und Neonatologie des Kreiskrankenhauses H, Dr. Q, vom 15.01.2008 eingeholt. Dieser hat eine BNS-Epilepsie, einhergehend mit einer deutlichen psychomotorischen, sprachlichen und geistigen Entwicklungsretardierung diagnostiziert und ausgeführt, es sei nicht wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und Funktionsstörungen und den Hexavac®-Impfungen bestehe. Es sei typisch für eine BNS-Epilepsie, dass diese sich erst nach Monaten während des ersten Lebensjahres bei vorheriger klinischer Unauffälligkeit manifestiere. Aufgrund dieses Umstandes falle ihr Auftreten zufällig in den Zeitraum der Impfung. Bei der Klägerin zeige sich im MRT-Befund eine Hirnatrophie. Eine solche Reifungsstörung liege zeitlich länger zurück und könne nicht durch die Impfungen hervorgerufen worden sein. Zudem bestünden zusätzliche Risikofaktoren, wie zB die schwierige Schwangerschaft, die extreme Frühgeburtlichkeit und die Auffälligkeiten nach der Geburt, die wahrscheinlich zu hypoxisch-ischämischen Hirnschäden geführt hätten. Inwieweit die Impfungen den Krankheitsverlauf der vorherbestehenden Erkrankung beeinflusst haben könnten, liege außerhalb des zu beurteilenden Rahmens.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.05.2008 abgewiesen: Es sei nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen der bestehenden Epilepsie und den diese begleitenden Entwicklungsretardierungen sowie den Impfungen bestehe. Auch nach der herrschenden medizinischen-wissenschaftlichen Lehrmeinung gäbe es keinen Zusammenhang zwischen dem Krankheitsbild der Klägerin und Impfungen mit dem Impfstoff Hexavac®. Insoweit sei auf die Arbeitsergebnisse der ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts abzustellen. Nachdem die STIKO ihre Arbeitsergebnisse bereits im Epidemiologischen Bulletin 6/2004 veröffentlicht habe, sei im Juni 2007 eine Aktualisierung erschienen (Epidemiologisches Bulletin 25/07 vom 22.06.2007). In beiden Veröffentlichungen würden als Komplikationen nach Hexavac® Impfungen lediglich selten auftretende Fieberkrämpfe bzw. allergische Reaktionen auf den Impfstoff oder Einzelfälle von hypoton-hyporesponsiven Episoden beschrieben. Hingegen sei nicht mit einer Hirnschädigung, wie sie bei der Klägerin vorliege, zu rechnen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 30.05.2008 zugestellte Urteil am 24.06.2008 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie insbesondere ausführt, bislang sei die Diagnose eines frühkindlichen Hirnschadens bei ihr noch nie gestellt worden. Sie hat eine Erklärung der Großeltern (I und N X1) vorgelegt. Danach habe die Klägerin sich zunächst prächtig entwickelt. Im Herbst 2004 sei ihnen aufgefallen, dass die Klägerin irgendwie apathisch scheine und sich bei Kontaktaufnahme nicht mehr so stark wie bisher gefreut habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.05.2008 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2007 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer BNS-Epilepsie bzw. eines hirnorganischen Anfallsleidens als Folge, der Sechsfachschutzimpfungen vom 09.09.2004, 11.10.2004 und 03.01.2005 Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat zunächst den Chefarzt der Klinik für Allgemein-Pädiatrie, Epileptologie und Neonatologie des Kreiskrankenhauses H, Dr. G Nachfolger des Sachverständigen Dr. Q um eine ergänzende Stellungnahme zu dem Gutachten des Dr. Q vom 15.01.2008 gebeten. Dieser hat dargelegt, dass bei etwa zwei Drittel der Kinder, die unter BNS-Epilepsie leiden, eine tiefgreifende organische Störung, insbesondere Hirnschäden z B durch Asphyxie oder Hypoxie nachweisbar seien. Vorliegend sei allerdings zu beanstanden, dass die Klägerin trotz offensichtlich bekannt gewordenem Symptom insbesondere am Tag der Einweisung in das Krankenhaus noch die dritte Impfdosis verabreicht bekommen habe. Dies habe zwar die Erkrankung sicher nicht ausgelöst, man könne allerdings nachträglich nicht mehr feststellen, ob sie den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflusst habe.
Der nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag der Klägerin gehörte Sachverständige Dr. I1 hat in dem Gutachten vom 04.08.2009 dargelegt, bei der Klägerin bestehe seit Ende 2004 eine Hirnentwicklungsstörung mit Ausbildung einer BNS-Epilepsie (West-Syndrom). Diese Erkrankung sei wahrscheinlich durch die vorabreichten Hexavac®-Impfungen verursacht worden. Hierfür sprächen der zeitliche Verlauf, die aus tierexperimentellen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse über die Toxizität der verwendeten Impfstoffe und ihrer Adjuvantien, insbesondere des unspezifischen Immunverstärkers Aluminiumhydroxid und das Fehlen alternativer Ursachen. Zur Begründung hat der Sachverständige die Kriterien der WHO zur Kausalitätsbewertung von Verdachtsfällen unerwünschter Arzneimittelwirkungen angeführt, die erfüllt seien. So bestehe 1. ein plausibles zeitliches Intervall, 2. eine plausible Pathophysiologie und 3. ein differenzialdiagnostischer Ausschluss anderer Ursachen. Nach WHO Algorithmus sei die Erkrankung der Klägerin danach durch die verabreichten Impfungen verursacht worden. Die Begründung, die Hepathitis B Komponente habe einen fraglichen Langzeitschutz für die am 20.09.2005 völlig überraschend ruhend gestellte Zulassung des Impfstoffes Hexavac® "verblüffe". Da über die molekularen und immunologischen Abläufe von Impfkomplikationen noch keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen, käme eine Anerkennung auch als Kann-Versorgung in Betracht. Die MdE sei mit 100 zu veranschlagen.
Der Beklagte hat zu den Feststellungen des Dr. I1 eine Stellungnahme von Prof. Dr. T, Arzt für Mikrobiologie und Kinder-und Jugendmedizin, vom 21.09.2009 eingeholt. Dieser kommt zu dem Ergebnis, die von Dr. I1 angenommene Gefährlichkeit der in Hexavac® enthaltenen aluminiumhaltigen Adjuvantien sowie des Formaldehyds sei widerlegt. Im unmittelbaren Anschluss an die Impfungen seien bei der Klägerin typische Nebenwirkungen wie Fieber etc. nicht beschrieben oder dokumentiert. Auch finde man in den Akten keinen Hinweis darauf, dass die Eltern in den ersten Tagen nach den Impfungen einen Arzt aufgesucht hätten. Hieraus sei zu schließen, dass die Klägerin keine übermäßige Impfreaktion erlitten habe. Es sei typisch, dass sich die Klägerin im ersten Lebenshalbjahr altersgerecht normal entwickelt habe. Auch wenn bei etwa 20 % der an dieser Erkrankung leidenden Kinder eine auslösende Ursache nicht gefunden werde, sei das Krankheitsbild selbst in der Medizin wissenschaftlich gründlich erforscht, so dass die Voraussetzungen für eine Kannversorgung nicht gegeben seien.
Auf Antrag der Klägerin hat der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. I1 am 21.01.2010 zu den Darlegungen von Dr. T Stellung bezogen. Letzterer hat hierauf am 02.03.2010 erwidert.
Das Gericht hat von den Kinderärzten Dres. B. u. H. G (03.06.2010) die damaligen Krankenakten und von den Frauenärzten Dr. S (21.07.2010) und M (18.08.2010) die Unterlagen über die Behandlung der Mutter der Klägerin beigezogen.
Das Robert Koch Institut, Berlin hat dem Gericht auf Anfrage am 17.06.2010 auszugsweise aus dem "Epidemiologisches Bulletin" vom 22. Juni 2007 die "Hinweise für Ärzte und Aufklärungsbedarf über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen /Stand 2007" mit den Ausführungen der STIKO zu möglichen Impfreaktionen übersandt. Vom Gericht zu den Nebenwirkungen nach Impfungen mit Hexavac® befragt, hat das Paul-Ehrlich-Institut, Langen, mit Schreiben vom 12.07.2010 Stellung genommen und 624 Verdachtsfälle von Impfkomplikationen und die Reaktionen aufgelistet und beschrieben.
Es ist im Weiteren Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Eltern der Klägerin, C und M X sowie der Großeltern, N und I X1 als Zeugen. Die Eltern der Klägerin haben angegeben, bis zur ersten Impfung sei die Entwicklung der Klägerin normal verlaufen. Nach der zweiten Impfung sei eine Wesensänderung eingetreten. Es seien seither keine Entwicklungsfortschritte mehr festzustellen gewesen. Vor der zweiten Impfung habe die Klägerin etwa normal Blickkontakt aufgenommen und sei ein lebhaftes Kind gewesen. Dies sei nach der zweiten Impfung nicht mehr der Fall gewesen. Unmittelbare Reaktionen nach der zweiten Impfung seien nicht eingetreten, allenfalls leicht erhöhte Temperaturen, die man noch nicht als Fieber bezeichnen könne und die sich bereits am nächsten Tag wieder normalisiert gehabt hätten. Die Großeltern haben dies bestätigt und ergänzend ausgesagt, die Klägerin sei nach der zweiten Impfung apathisch und sehr ruhig geworden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird im Übrigen Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 16.06.2010
Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, N. Der Sachverständige hat mit Zustimmung des Gerichts zunächst ein radiologisches Zusatzgutachten von Prof. Dr. F, N, eingeholt. Die Sachverständige hat in dem kernspintomografischen Gutachten vom 25.07.2011 und in der weiteren Stellungnahme vom 17.08.2011 die Aufnahmen dahingehend bewertet, es sei gesichert, dass der typische Befund einer periventrikulären Leukomalazie (PVL) in mittel- bis höhergradiger Ausprägung vorliege. Solche Schädigungen träten in dieser Form nur vor der 36. Schwangerschaftswoche auf und beruhten klassischerweise auf Schädigungen der direkt periventrikulär gelegenen weißen Substanz/germinalen Matrixzone im noch unreifen Gehirn. Das Schädigungsmuster lasse sich besonders häufig bei Frühgeborenen finden. Ein entsprechendes Bild habe sich auch schon, soweit beurteilbar, bei NMR-Aufnahmen vom 06.01.2005 gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt sei das Gehirn der Klägerin allerdings entwicklungsbedingt von der weißen Substanz her noch nicht myelinisiert gewesen, so dass sich der bildmorphologische Befund etwas unterschiedlich dargestellt habe.
Der Sachverständige Dr. Dr. W hat unter Berücksichtigung der Ergebnisse des radiologischen Zusatzgutachtens in seinem Gutachten vom 15.05.2012 festgestellt, dass die bekannten Impfkomplikationen nach Hexavac®-Impfungen, wie zB Rötungen, unstillbares Schreien, Erbrechen, allergische Reaktionen etc. bei der Klägerin nicht beobachtet worden seien. Unzweifelhaft habe diese aber eine auffällige postnatale Entwicklung durchgemacht. Der Sachverständige Dr. I1 habe nicht beachtet, dass die Klägerin von Anfang an ein Risikokind (Frühgeburt mit Komplikationen) gewesen sei. Er habe auch nicht beachtet, dass die Klägerin ua eine spastische Tetraparese links mehr als rechts und Bein-betont aufweise, sich psychomotorisch nicht normal entwickle, einen dynamischen Spitzfuß beidseits habe und bei den BNS-Anfällen zusätzlich eine Sehschwäche beidseits objektiviert sei. Solche Schädigungen hätten in aller Regel ihren Ursprung in einer perinatalen Risikogefährdung. Bei der Klägerin liege eine PVL vor, die durch die von Prof. Dr. F vorgenommene Magnetresonanztomografischen Untersuchung (NMR) des Gehirns belegt sei. Diese PVL habe vor der 36. Schwangerschaftswoche stattgefunden; hier spielten Schädigungsfaktoren, zB Sauerstoffunterversorgung des Hirns, etc eine kausale Rolle. Als Folge dieser Hirnschädigung habe sich ua eine infantile Zerebralparese, eine beidseitige Schädigung des Sehnervens, das BNS-Leiden, die Entwicklungsstörung etc. ergeben. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass bei der Klägerin bereits intrauterin und damit vorgeburtlich eine Hirnschädigung eingetreten sei. Diese Frage lasse sich aber nicht endgültig beantworten. Postnatal habe sich bereits im Alter von drei Monaten eine motorische Entwicklungsverzögerung gezeigt (fehlendes Drehen des Körpers). Der zeitliche Beginn des BNS-Leidens sei typisch. Im Anschluss an die drei durchgeführten Hexavac®-Impfungen sei es hingegen zu keinen typischen Impfnebenwirkungen oder gar Impfkomplikationen gekommen. Die Beobachtungen der Eltern und der Großeltern, insbesondere zum Stillstand der Entwicklung der Klägerin, seien spezifisch für einen bereits pränatal/perinatal erworbenen Hirnschaden. Es sei nicht erkennbar, dass die drei durchgeführten Impfungen die Entwicklung der Klägerin zusätzlich negativ beeinflusst hätten. Es gäbe auch keinen eindeutigen Grund dafür, dass die dritte Hexavac®-Impfung nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Dem Sachverständigen Dr. I1 seien die Ergebnisse der NMR nicht bekannt gewesen. Dieser habe damit nicht gewusst, dass bei der Klägerin eine PVL eindeutig bewiesen sei.
Die Klägerin hat die vom Sachverständigen gestellte Diagnose einer PVL angezweifelt. Sie hat erneut auf die zeitliche Koinzidenz zwischen insbesondere der dritten Hexavac®-Impfung und dem Auftreten der Epilepsie hingewiesen.
Zu der Einwänden der Eltern der Klägerin hat Prof Dr. Dr. W (20.08.2012) ergänzend Stellung genommen und dargelegt, dass sich die Diagnose der PVL aus der von ihm veranlassten NMR in 2011 ergebe. Hingegen habe es zu keiner Zeit klassische Zeichen einer Encephalitis gegeben. Die Klägerin habe auch entgegen den Ausführungen ihrer Eltern alles andere als eine normale Postnatalzeit durchlebt. Eindeutig nachgewiesen durch die vorliegenden medizinischen Befunde sei die metabolische Azidose, die Frühgeburt, die nekrotisierende Enterokolitis mit Diarrhoe und Gastroenteritis, eine Anämie, eine Störung der Temperaturregulation und eine sonstige Apnoe. Auch habe der behandelnde Kinderarzt Dr. G bereits am 29.10.04 beschrieben: "Noch kein aktives Drehen (chronologisches Alter 5, korrigiertes Alter 3 Monate)".
Die Eltern halten weiterhin einen Impfschaden für ausreichend wahrscheinlich, denn die Klägerin habe sich vor den Impfungen zunächst normal entwickelt. Sie haben die einzelnen Befunderhebungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W angezweifelt. Der Sachverständige hat hierzu am 23.11.2012 erneut erwidert und noch einmal hervorgehoben, dass die vorliegende komplexe Entwicklungsstörung typisch für eine pränatal erworbene Hirnschädigung sei. Alle bei der Klägerin vorhandenen Entwicklungsstörungen ließen sich hierdurch erklären. Ein Impfschaden sei nicht einmal wahrscheinlich.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten sowie der Schwerbehinderten-Akte der Klägerin verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Richtiger Klagegegner ist seit dem 01.01.2008 der örtlich zuständige Landschaftsverband Rheinland (vgl. zur Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts: Urteile des BSG vom 11.12.2008, R 9 VS 1/08 juris Rn 21 ff - zum Soldatenversorgungsgesetz - und B 9 V 3/07 R, juris Rn 22 f - zum BVG -, vom 23.04.2009, B 9 VG 1/08 R, juris Rn 24 - zum Opferentschädigungsgesetz -, mit denen die ständige Rechtsprechung des 6. Senats dieses Hauses bestätigt wurde; ständige Rechtsprechung jetzt auch des erkennenden Senates seit Urteil vom 11.03.2009, L 10 (7) VG 42/06, juris Rn 17; aA noch Vorlagebeschluss des Senats an das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - vom 03.09.2008, L 10 VG 20/03, Az: BVerfG 1 BvL 20/08, dort noch anhängig).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Auch nach Ansicht des Senats hat die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen als Folge der Impfungen mit Hexavac® am 09.09.2004, 11.10.2004 und 03.01.2005 und auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgung sowohl als Pflichtleistung gemäß § 60 Abs 1 iVm § 61 S 1 IfSG als auch als Kannleistung nach § 60 Abs 1 iVm § 61 S 2 IfSG sind nicht erfüllt.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 60 Abs 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in der seit dem 01.01.2001 geltenden bzw. der seit dem 23.06.2006 geltenden (inhaltsgleichen) Fassung. Nach dieser Vorschrift erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2. aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde
3. gesetzlich vorgeschrieben war oder
4. aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, auf Antrag wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt (§ 60 Abs 1 Satz 1 IfSG). Ein Impfschaden ist die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung (§ 2 Nr 11 IfSG). Als anspruchsbegründende Tatsachen müssen die schädigende Einwirkung (die Impfung), die gesundheitliche Schädigung (Impfkomplikation) und der Impfschaden (Dauerleiden) nachgewiesen sein (BSG, Urteile vom 19.03.1986, B 9 RVi 2/84, juris Rn 9 und zuletzt vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn 38) ). Der Vollbeweis setzt voraus, dass die Tatbestandsmerkmale mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch Zweifel hat (BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R, juris Rn 11 mwN). Lediglich für den Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis (Impfungen) und der (Primär)-Schädigung (Impfkomplikation) sowie zwischen dieser und den Schädigungsfolgen genügt es, wenn die Kausalität wahrscheinlich gemacht ist (§ 52 Abs 2 S 1 BSeuchG / § 61 S 1 IfSG). Wahrscheinlich in diesem Sinne ist die Kausalität nur dann, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen sie spricht, d.h. die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen (vgl AHP 2008 Nr 38/Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) Teil C 3a; vgl auch BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84, juris Rn mwN; BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01, juris Rn 8, Urteil des erkennenden Senates vom 24.02.2010, L 10 VJ 15/06, juris Rn 44). Die Mehrfachschutzimpfungen der Klägerin am 09.09.2004, 11.10.2004 und 03.01.2005 mit Hexavac® fallen als öffentlich empfohlen in den Schutzbereich des § 60 IfSG (siehe zuletzt das aktuelle Epidemologische Bulletin des Robert-Koch-Instituts Nr 46 vom 17.11.2006, Seite 403). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich nicht feststellen, dass die BNS-Epilepsie und die nach Ansicht der Sachverständigen Prof Dr. Dr. W und Prof. Dr. F gesicherte PVL in mittel- bis höhergradiger Ausprägung, sowie die nachfolgenden Gesundheitsstörungen und jetzigen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch eine oder alle drei Impfungen wesentlich (mit)verursacht worden sind. Ein als Impfkomplikation iS des § 60 IfSG in Betracht kommendes Krankheitsgeschehen, das im Sinne eines Vollbeweises feststehen muss, ist nicht aufgetreten. Die bloße Möglichkeit reicht insoweit nicht. Davon ist der Senat aufgrund des ausführlich begründeten Gutachtens von Prof. Dr. Dr. W überzeugt. Zu diesem Ergebnis sind auch der im Klageverfahren gehörte Sachverständige Dr. Q und die von der Beklagten zu Rate gezogenen Ärzte Frau Q1 und Prof Dr. T in ihren Gutachten und Stellungnahmen gelangt. Die Darlegungen des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. I1 überzeugen den Senat nicht. Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat in zwei Schritten zu erfolgen. Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffenden Impfungen zurückzuführen sind (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, in juris Rn 38 ff). Für die Beurteilung, ob ein Krankheitsgeschehen als Impfkomplikation in Betracht kommt, sind die im sozialen Entschädigungsrecht bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, ab 01.01.2009 als allgemeine Rechtsverordnung ersetzt durch die Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedVO -) zu berücksichtigen. Die detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen (damals noch als Impfschaden bezeichnet) bei Schutzimpfungen in Nr 57 AHP 1983 bis 2005 sind allerdings Ende 2006 gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden: "Die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete STIKO entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar. Die versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden bzgl. Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kann-Versorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von §§ 60 IfSG durchzuführen." Für den Sechsfachimpfstoff Impfstoff Hexavac® gibt es keine Vorgaben der AHP in den bis 2005 geltenden Fassungen. Nach dem maßgeblichen heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft (BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, in juris Rn 42) stellt das Krankheitsbild der Klägerin keine bekannte Impfkomplikation dar und steht nicht im Zusammenhang mit den Hexavac®-Impfungen. Das SG hat den aktuellen Stand der Wissenschaft berücksichtigt und sich auf die Epidemiologischen Bulletins 6/2004 und 25/2007 bezogen. Der Senat nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs 2 SGG). Nach der Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts, auf welches das Robert-Koch-Institut verweist, sind gegenwärtig als Lokal- und Allgemeinreaktionen nach Impfungen mit Hexavac® mit den Impfkomponenten, wie sie für die drei Impfungen der Klägerin verwendet wurden, Rötung und/oder Verhärtung bzw. Schwellung/Schmerzen an der Injektionsstelle, lokale Ödeme, Pruritus und Urtikaria bekannt. Als Komplikationen, bei denen der ursächliche Zusammenhang als gesichert oder überwiegend wahrscheinlich anzusehen ist, berichtet das Institut Durchfall, Erbrechen, anhaltendes, ungewöhnliches oder schrilles Schreien, Fieberkrämpfe und (sehr selten) allergische Reaktionen einschließlich anaphylaktischer Reaktionen, Schüttelfrost, Müdigkeit, hypotone-hyporesponsive Episoden, Unruhe, Schlafstörungen, angioneurotisches Ödem, Bauchschmerzen, Meteorismus, Übelkeit, Schwellung und Ödeme von ganzen Gliedmaßen. Weiter berichtete Krampfanfälle ohne Fieber, Enzephalitis, Augenrollen, Muskelhypotonie, Dyspnoe etc, stünden in ungeklärtem ursächlichem Zusammenhang mit den Impfungen. Unbewiesene Hypothesen seien plötzlicher Kindstod und plötzlicher Tod im zweiten Lebensjahr nach Impfungen mit Hexavac®. Derartige Impfreaktionen sind bei der Klägerin nach den damaligen ärztlichen Stellungnahmen nicht aufgetreten und werden auch von den Eltern und Großeltern nicht beschrieben. Bei der Klägerin waren an der Injektionsstelle keine Rötungen, Verhärtungen, Schwellung oder lokale Ödeme aufgetreten. Über Schmerzen, Reizbarkeit, Schläfrigkeit gibt es keine Hinweise. Die als Zeugin gehörte Mutter hat lediglich eine leichte Temperaturerhöhung nach der zweiten Impfung angegeben, diese selbst aber noch nicht als Fieber bezeichnet. Hohes Fieber, 40 Grad und höher, war nicht aufgetreten. Irgendwelche atypische Auffälligkeiten werden von den Eltern und den Großeltern nach der ersten Impfung nicht berichtet. Nach der zweiten Impfung habe die Klägerin anders als nach der ersten Impfung keine Entwicklungsfortschritte mehr gemacht. Nach der dritten Impfung werden dann die im Krankenhaus behandelten epileptischen Krampfanfälle geschildert. Weder die festgestellte Entwicklungsretardierung noch die Krampfanfälle kurz vor und nach der dritten Impfung stellen eine typische, vorstehend beschriebene Impfreaktion dar. Das hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W in Übereinstimmung mit den genannten epidemiologischen Bulletins der STIKO und der Stellungnahmen des Paul-Ehrlich-Institut überzeugend dargelegt. Die epileptischen Krampfanfälle sind zudem nach den Angaben der Eltern der Klägerin kurz vor der dritten Impfung aufgetreten und kommen insoweit als unmittelbare Impfreaktion nicht Betracht. Es besteht insoweit auch kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Gesundheitsstörungen.
Bei den bei der Klägerin eingetretenen gesundheitlichen Dauerschäden handelt es sich nach Überzeugung des Senats vielmehr um impfunabhängige Schäden. Sie sind nicht auf die Impfungen zurückzuführen. Gegen einen Kausalzusammenhang spricht bereits die vom Senat eingeholte Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts, das entsprechende Erscheinungen bzw. Gesundheitsstörungen nicht als typische Impfkomplikationen, sondern allenfalls als in ungeklärtem zeitlichen Zusammenhang zu Impfungen mit Hexavac® stehende Erkrankungen dargestellt hat. Mit Ausnahme von Dr. I1 sind sich die gehörten Sachverständigen, wenn auch mit verschiedenen Begründungen, in der Beurteilung einig.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Q manifestiert sich eine BNS-Epilepsie typischerweise erst nach Monaten während des ersten Lebensjahres (dritter bis zehnter Monat) bei vorheriger klinischer Unauffälligkeit. Sie sei vorliegend nur zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit den 2004/2005 erfolgten Sechsfach-Schutzimpfungen der Klägerin aufgetreten. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass dem West-Syndrom häufig eine hirnorganische Störung zugrunde liegt, welche zeitlich länger zurück liegt und nicht durch die späteren Impfungen hervorgerufen seien kann. Dies sieht auch Prof. Dr. T so. Der Senat schließt sich diesen Feststellungen an.
Auch der im Berufungsverfahren auf Empfehlung der Klägerin gehörte Sachverständige Prof Dr. Dr. W hat das Vorliegen einer Impfkomplikation verneint. Der Sachverständige hat alle aktenkundigen Befunde und die ihm von den Eltern der Klägerin überlassenen Krankenakten ausgewertet. Der zuletzt klägerseits angeführte Einwand, dem Sachverständigen hätten die Unterlagen des F-Krankenhaus S nicht vorgelegen, trifft nicht zu (vgl S 3 des Gutachtens vom 15.05.2012). Der Sachverständige hat gerade diese Unterlagen ausgewertet und in seiner Beurteilung angesprochen; er hat sich eingehend mit der prä- und perinatal relevanten Vorgeschichte der Klägerin befasst und diese auch diskutiert. Er hat zur Befundabklärung die Anfertigung eines MNR und hierzu eine sachverständige radiologisches Beurteilung eingeholt. Nach den von der Zusatz-Gutachterin Prof. Dr. F erhobenen bildgebenden Befunden liegt bei der Klägerin MR-tomografisch der typische Befund einer PVL in mittel- bis höhergradiger Auswirkung vor. Nach ihren weiteren Ausführungen ist eine PVL zudem eine klassische Schädigung des noch unreifen Gehirns. Periventrikulär leukomalazische Schädigungen treten in der bei der Klägerin vorliegenden Form nur vor der 36. Schwangerschaftswoche bzw. einem Gestationsalter von 36 Wochen auf. Der von der Sachverständigen erhobene Befund belegt, dass ein (enger) zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung ausscheidet. Der Senat sieht den Befund einer PVL als gesichert an. Die Klägerin hat danach mit großer Wahrscheinlichkeit als Frühgeborene (Geburt in der 31. Schwangerschaftswoche) eine pränatale Hirnschädigung erlitten. Die bei der Klägerin eingetretene Entwicklungsverzögerung ist typisch für eine derartige Hirnschädigung. Prof. Dr. F1 hat zur Begründung ihrer Beurteilung dargelegt, dass klassische Zeichen einer PVL auch schon bei den am 06.01.2005 gemachten NMR-Aufnahmen vorgelegen hätten. Prof. Dr. Dr. W hat ausgeführt (Stellungnahme vom 20.08.2012), dass solche periventrikulären Leukomalazien typisch für Frühgeborene seien, vor allem für Frühgeborene mit der aktenkundigen Krankengeschichte nach der Geburt. So litt die Klägerin nach den aktenkundigen Befundunterlagen neben der extremen Frühgeburtlichkeit an einer metabolischen Azidose, einer nekrotisierenden Enterocolitis mit Gastroenteritis, einer Blutarmut, einer Störung der Temperaturregelation und einer sonstigen Apnoe beim Neugeborenen. Diese erklären als erhebliche Risiken nach den Ausführungen des Sachverständigen die auch seiner Beurteilung nach gesicherte PVL. Hinweise auf klassische Zeichen einer Enzephalitis, die durch die Impfungen möglicherweise hätte hervorgerufen werden können, haben sich entgegen der Annahme des Sachverständigen Dr. I1 gerade nicht gezeigt.
Der Senat hält die Aufarbeitung der damaligen Krankengeschichte durch Prof. Dr. Dr. W, seine Schlussfolgerungen und seine Beurteilung für schlüssig und nachvollziehbar. Sie sind überzeugend. Auch die im Verwaltungsverfahren gehörte Ärztin Q1 hatte auf die von den ersten Lebenstagen an auffällige, mit erheblichen Risiken verbundene Entwicklung der Klägerin hingewiesen. Sie hat insoweit angesprochen, dass die Schwangerschaft im Rahmen der sog. Reproduktionsmedizin ausgelöst worden sei. Auch postnatal sei es bereits unmittelbar nach der Geburt der Klägerin immer wieder zu Auffälligkeiten wie zum Abfallen der Sauerstoffsättigung und zusätzlich zum Beginn einer narkotisierenden Enterokolitis mit einer beginnenden Entzündung des Darms gekommen. Auch habe bereits eine Anämie vorgelegen, die beispielsweise eine Bluttransfusion notwendig gemacht hatte. In der Beurteilung der frühkindlichen Krankengeschichte stimmt sie danach im Wesentlichen mit Prof. Dr. Dr. W überein.
Die Einwände der Klägerin gegen seine Beurteilung greifen nicht. Dem Sachverständigen lagen alle Krankenunterlagen vor. Dass der Pädiatrie-Befund vom 05.01.2005 den Hinweis "keine Leukomalazie" erhält, erklärt dieser nachvollziehbar damit, dass eine PVL bei Frühgeborenen mit hohem Risiko oft erst mit zunehmendem Entwicklungsalter diagnostiziert werden kann. Weder ist das Gutachten insoweit fehlerhaft; ein Diagnosefehler des damaligen Arztes ist damit auch nicht belegt. Soweit die Klägerin eine Fehldeutung eines Laborwertes durch den Sachverständigen anführt, so fehlt dem Befund die entsprechende Bezugsgröße. Die weitere Interpretation dieses Laborwertes hält der Sachverständige für die Beurteilung der postnatalen Gefährdung für nachrangig.
Die Feststellungen des Prof. Dr. Dr. W und von Dr. Q werden ebenso wie die Ausführungen der Sozialmedizinerin Q1 und von Prof. Dr. T durch die Darlegungen des Dr. I1 nicht widerlegt. Soweit dieser meint, die Zulassung des Impfstoffes Hexavac® sei im Jahr 2005 zurückgezogen worden wegen fraglicher Langszeitwirkung der Komponente Hepatitis B und die Begründung hierzu habe ihn verblüfft, so übersieht er, dass damals zugleich festgestellt worden ist: "Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Sicherheit des Impfstoffes. Empfehlungen der STIKO, Angehörige von Riskogruppen wie auch Säuglinge und Kinder und Jugendliche zu impfen, sind unvermindert gültig". Dr. I1 nennt als Ursache für das West Syndrom bei der Klägerin eine postvakzinale pathologische Immunreaktion und das Vorliegen einer Enzephalitis, ohne aber mehr als den zeitlichen Zusammenhang als Indiz anführen zu können. Das von ihm mit zehn Wochen gegriffene plausible zeitliche Intervall zwischen der zweiten Impfung und dem Auftreten der Entwicklungsstörung ist kein anspruchsbegründendes Kriterium für die Annahme einer wesentlichen Ursache, dies vorliegend auch schon deshalb, weil nach der vom Senat durchgeführten Zeugenvernehmung der Eltern und Großeltern der Klägerin bereits vorher Entwicklungsstörungen vorlagen. Schließlich sind die postvakzinale pathologische Immunreaktion und das Vorliegen einer Enzephalitis befundmäßig nicht belegt. Dr. I1 geht auch von unzutreffenden Fakten aus, wenn er differenzialdiagnostisch andere Ursachen als die Impfungen für die Hirnentwicklungsstörung ausschließt. Er übersieht zum einen die vorgeburtlichen Risiken und berücksichtigt zudem nicht das Vorliegen der PVL. Er ignoriert auch, dass Impfreaktionen ärztlich nicht belegt sind. Der Arzt wählt mit den WHO Vorgaben für unerwünschte Medikamentennebenwirkungen im Übrigen unzulässiger Weise einen eigenen Maßstab zur Kausalitätsfeststellung. Der Ursachenzusammenhang wäre aber auch bei Anwendung der WHO-Kriterien ausgeschlossen. Verwertbare Kriterien über die Toxizität von Haxavac® Impfstoffen und ihrer Adjuvantien liegen nicht vor. Dr. I1 führt tierexperimentelle Untersuchungen für seine Ansicht an. Dem Senat ist aus anderen Verfahren bekannt, dass Dr. I1 selbst davon ausgeht, dass seine Feststellungen auf Hypothesen beruhen und ihm auch bewusst ist, dass die Grenzwerte nicht erreicht werden. Die von ihm angeführten drei Kriterien der WHO greifen alle nicht. Es fehlt das zeitliche Intervall (1), die von ihm dargestellte Pathophysiologie ist oberflächlich und entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten (2) und von einen differentialdiagnostischen Ausschluss anderer Ursachen kann angesichts des Vorliegens der PVL nicht die Rede sein (3). Die Ansichten des Dr. I1 zu der Impfproblematik sind gerichtsbekannt und regelmäßig Gegenstand von Verfahren, in denen Impfschäden zu beurteilen sind. Der Senat sieht von einer weiteren Diskussion der Ansichten des Dr. I1 ab und nimmt Bezug auf das Urteil des 6. Senates dieses Hauses vom 01.02.2011, L 6 (7) VJ 42/03, juris Rn 46 und das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16.11.2011, L 4 VJ 2/10, juris Rn 39.
Schließlich liegen, anders als dies Dr. I1 meint, die Voraussetzungen für eine sog. Kannversorgung gemäß § 60 Abs 1 IfSG iVm § 61 S. 2 IfSG nicht vor. Hiernach ist eine Versorgung mit Zustimmung des zuständigen Ministeriums zu gewähren, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur deshalb nicht als wahrscheinlich angenommen werden kann, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Das Krankheitsbild des West-Syndroms ist in der Kinderheilkunde bekannt. Bei etwa 20 % der erkrankten Kinder lässt sich eine auslösende Ursache für die Krankheit nicht finden (Ausführungen von Prof. Dr. T; Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.11.2011 aaO, Rn 32 mwN). Allein dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Voraussetzungen der Kann-Versorgung als gegeben anzusehen. Die Voraussetzungen liegen nicht schon dann vor, wenn die Ursache des festgestellten Leidens, welches Schädigungsfolge sein soll, in der medizinischen Wissenschaft ungewiss ist (Urteil des Hessischen LSG vom 27.06.2007, L 4 VJ 3/04, juris, zweiter Leitsatz). Eine Kann-Versorgung kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil es bei dem West-Syndrom im Hinblick auf die von der Klägerin als schädigende Ereignisse angenommenen Impfungen an einer fundierten, einen Ursachenzusammenhang bejahenden medizinischen Lehrmeinung fehlt. Lediglich Dr. I1 vertritt die Auffassung, dass ein möglicher Ursachenzusammenhang zwischen dieser Erkrankung und Impfungen mit dem Impfstoff Hexavac® gegeben sein kann. Seine Ansicht ist, wie ausgeführt, nicht nachvollziehbar und nicht durch wissenschaftliche Fakten und statistischen Erhebungen untermauert. Damit fehlt es an der für die Kannversorgung tatbestandlich zumindest stützenden wissenschaftlichen Mindermeinung in der Medizin. Zudem ist vorliegend die Kausalität der Impfungen mit Hexavac® für die geltend gemachten Gesundheitsschäden unabhängig davon zu verneinen, ob die Entstehungsgeschichte des West-Syndroms in der Wissenschaft noch weiter geklärt werden kann. Jedenfalls im Fall der Klägerin kann die Impfung nach heutigem Kenntnisstand als wesentliche Ursache ausgeschlossen werden. Die Kannversorgung ersetzt aber nicht die Feststellung der erforderlichen rechtserheblichen Schädigung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG) sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved