L 2 U 438/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 5021/09 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 438/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das BSG hat in seinem Urteil vom 09.11.2010 (Az. B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 3 8 Nr. 39 Rdnr. 22 ff) unterschieden zwischen
- einer gemischten Tätigkeit, die zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht; eine Verrichtung ist nur ein konkretes, als auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist; und
- einer Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw. mit gemischter Motivationslage, wenn jemand mit ein und derselben Verrichtung sowohl betriebliche als auch eigenwirtschaftliche oder private Zwecke verfolgt.
Es ist möglich, dass eine gemischte Tätigkeit in mehrere Verrichtungen aufteilbar ist, von denen jede für sich genommen eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw. mit gemischter Motivationslage darstellt. In diesem Fall ist eine mehrstufige Prüfung vorzunehmen.
I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Unfall des Klägers und Berufungsbeklagten vom 31.05.2008 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) anzuerkennen ist.

Am 31.05.2008 gegen 16.30 Uhr fuhr der Landwirt J. H. mit seinem Traktor von seinem Hof in E. über die Straße OA 20 Richtung Parkplatz E. Weiher. Er wollte dort auf seiner Weidefläche in 2,5 km Entfernung zu seinem Hof eine Weide neu aufzäunen und den Jungrindern frisches Trinkwasser und Salzsteine bringen. Ein Wasserfass mit 300 l Inhalt wurde auf einem Anhänger gezogen, Material zum Aufzäunen wurde im Traktor mitgeführt. Der damals 17-jährige Sohn der Landwirts, P. H., saß neben seinem Vater auf dem Traktor, der über zwei Sitzplätze verfügte. Dessen Freunde, der damals 14-jährige S. H. und der damals 17-jährige Kläger, saßen in der Laderschaufel, die sich etwa 1 m über dem Boden befand und nach vorne offen war. H. saß in der Schaufel links mit angezogenen Beinen und der Kläger in der Mitte quer; rechts befand sich ein Notstromaggregat, das vom Kläger festgehalten wurde, damit es nicht nach vorne herausfiel. Die Jugendlichen sollten zusammen mit dem Landwirt die Arbeiten verrichten, wofür eine Zeitdauer von ca. 1 h angesetzt war. Der Kläger half regelmäßig im Betrieb des Landwirts unentgeltlich mit, etwa zwei- bis dreimal pro Woche. Danach wollten die Jugendlichen in einem Bauwagen eine "Führerscheinparty" abhalten, wozu sie das Stromaggregat mitführten. Zu dieser Feier waren noch weitere Jugendliche eingeladen. Der Bauwagen befand sich ca. 100 m entfernt von der Weide in Richtung Hof. Es war geplant, das Stromaggregat in dem auf dem Weg liegenden Bauwagen zu deponieren und dann die Arbeit zu beginnen. Nach etwa 5 bis 8 min Fahrtdauer, als sie gerade etwas mehr als die Hälfte der Wegstrecke zurückgelegt hatten, ging der Landwirt vom Gas, weil ein Wohnmobil entgegenkam. Dabei löste sich die Ladeschaufel aus nicht mehr aufklärbarer Ursache aus ihrer Arretierung und kippte nach vorn. Die Insassen fielen heraus, der Kläger kam zwischen den Rädern zum Liegen, ohne vom Traktor überrollt zu werden.

Nach den Entlassungsberichten des Klinikums B-Stadt vom 11.06.2008 und der Fachklinik E. vom 16.07.2008 hat der Kläger neben einer Schürfwunde lumbosakral dorsal eine Beckenfraktur Typ Tile C mit Frakturen des Os sacrum links, des Sitzbeins, des Acetabulum rechts und des Querfortsatzes L5 links erlitten.

Am 21.08.2008 erließ die Beklagte und Berufungsklägerin einen "Bescheid über die Ablehnung eines Versicherungsfalles". Darin heißt es, die Entschädigung des Unfalles, den der Kläger am 31.05.2008 erlitten habe, müsse abgelehnt werden, weil es sich dabei nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die geplante Mithilfe auf der Weide habe allenfalls einen geringfügigen Nebenzweck für die Fahrt mit dem Traktor dargestellt, da die unfallbringende Tätigkeit (Mitfahrt in der Frontladerschaufel zum Festhalten des Stromaggregats) ausschließlich zum Transport des für die private Feier benötigten Stromaggregats notwendig gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 23.09.2008 Widerspruch eingelegt und vorgebracht, da auf dem Traktor nicht genügend Sitzplätze für alle mithelfenden Personen vorhanden gewesen seien, habe er sich auf die Frontladeschaufel setzen müssen.

Die Beklagte hat daraufhin im Widerspruchsverfahren gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Vernehmung der Zeugen J. und P. H. und S. H. veranlasst. Auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Augsburg (SG) Az. S 7 RH 190/08 UL (Bl. 76 ff. Beklagtenakte) über den Beweisaufnahmetermin vom 31.03.2009 wird verwiesen.

Bei dieser Vernehmung sagte der Zeuge J. H. insbesondere aus, dass der Kläger und H. sicher auch dann beim Aufzäunen geholfen hätten, wenn die Feier nicht hätte stattfinden sollen. Sein Sohn hätte nämlich auf jeden Fall helfen müssen, und dann hätten die Arbeiten länger als eine Stunde gedauert. Speziell wegen des Aufzäunens seien die Freunde seines Sohnes jedoch nicht gekommen. Auch sonst seien gelegentlich schon Personen in der Frontladerschaufel mitgenommen worden, aber eher selten.

Der Zeuge P. H. gab zu Protokoll, wenn die Feier nicht vorgesehen gewesen wäre, hätten sein Vater und er und wahrscheinlich noch seine Mutter die Arbeiten verrichtet. Wenn der Kläger da gewesen wäre, hätte er sicher auch geholfen. Der Kläger sei nämlich öfter bei ihm. Sie wären dann auch auf dem Traktor mitgefahren. Auch wenn die Feier nicht geplant gewesen wäre, wäre der Traktor mit der Schaufel benutzt worden. Allerdings wäre dann niemand in der Schaufel mitgefahren. Auch sei es denkbar, dass jemand mit dem Fahrrad oder Mofa zur Weide gefahren wäre. Auch zu Fuß sei der Weg machbar. Üblicherweise werde der Traktor benützt.

Die Zeugen P. H. und S. H. gaben übereinstimmend an, sie gingen davon aus, dass sie zuerst zur Weide und erst danach zum Bauwagen gefahren wären.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Gründen wurde darauf abgestellt, dass nach der Zeugenvernehmung vor dem Sozialgericht die Traktorschaufel nicht als Mitfahrmöglichkeit genutzt worden wäre, wenn die Feier nicht stattgefunden hätte und das Stromaggregat nicht transportiert worden wäre, sondern dass der Kläger dann den Weg aufgrund der kurzen Entfernung zu Fuß, mit dem Mofa oder mit dem Fahrrad zurückgelegt hätte. Durch das Mitfahren in der Traktorschaufel habe sich der Kläger in einem derart hohen Maß einer besonderen Gefährdung ausgesetzt, dass die dem Grunde nach versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Eintritt des Unfalls angesehen werden könne. Deshalb sei von einer selbstgeschaffenen Gefahr auszugehen.

Gegen den am 12.05.2009 versandten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 15.06.2009, einem Montag, beim SG Klage erhoben. Zur Begründung hat der Kläger unter anderem vorgebracht, dass die selbst geschaffene Gefährdung nicht allein auf den Umstand zurückzuführen sei, dass im Anschluss an die versicherte Tätigkeit eine private Feier stattfinden solle, weil die Zeugen in der Befragung vor dem SG bestätigt hätten, dass sie bereits in der Schaufel des Frontladers mitgefahren seien, wofür die Einvernahme der Zeugen J. und P. H. und S. H. als Beweis angeboten wurde.

Die Beklagte hat dagegen darauf verwiesen, dass der Zeuge P. H. angegeben habe, dass die Traktorschaufel ohne die gleichzeitig anstehende Feier wohl nicht als Mitfahrgelegenheit genutzt worden wäre. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Betriebsunternehmer J. H. in der Vergangenheit gelegentlich jemand in der Frontladerschaufel zur Feldarbeit mitgenommen habe, ändere dies nichts am Vorliegen eines grob vernunftwidrigen Verhaltens und mithin einer selbstgeschaffenen Gefahr.

Der Kläger hat darauf erwidert, wenn der Landwirt keine Hilfe benötigt hätte, wären die Betriebshelfer nicht auf dem Schlepper bzw. in der Frontschaufel mitgefahren, sondern sie wären zu einem späteren Zeitpunkt zum Feiern aufgebrochen. Das Stromaggregat hätte ohne Betriebshelfer auch in der Frontladerschaufel transportiert werden und vom Betriebsunternehmer an der Hütte bzw. dem Bauwagen abgeladen werden können, wofür er die Einvernahme der bereits benannten Zeugen als Beweis anbiete.

Die Beklagte hat dazu entgegnet, der Kläger habe nicht zwangsläufig in der Frontladerschaufel Platz nehmen müssen, da bei einer Entfernung von nur 2,5 km zwischen Hofstelle und Weide eine annähernd gleichzeitige Arbeitsaufnahme auch dann möglich gewesen wäre, wenn der Kläger oder ein anderer Helfer den Weg mit einem Fahrrad oder Mofa zurückgelegt hätte.

Der Kläger hat in erster Instanz nach Auslegung des SG, der sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 ausdrücklich angeschlossen haben, beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2009 zu verurteilen, den Unfall vom 31.05.2008 als entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger Leistungen im gesetzlichen Umfang zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das SG hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft B-Stadt im Ermittlungsverfahren gegen den Landwirt J. H. Az. 134 Js 13848/08 mit Protokollen über die Zeugenvernehmung des Klägers, des H. sowie zweier unbeteiligter Tatzeugen beigezogen. Auf diese Akten wird Bezug genommen (Bl. 40 ff. Sozialgerichtsakte). Aus dem Vernehmungsprotokoll des Klägers vom 23.07.2008 ergibt sich die Aussage, dass zunächst gegen 15.00 Uhr P. H. seine Freunde, den Kläger und H. mit dem Traktor abgeholt und auf den Hof seiner Familie in E. gebracht habe. Bereits auf dieser Fahrt habe man das Notstromaggregat in der Schaufel transportiert. H. und der Kläger seien normal - rechts und links - auf dem Traktor gesessen. Dies bestätigte am 01.06.2008 der Zeuge H., der auch aussagte, dass beide bei der Unfall-Fahrt in der Schaufel gesessen seien, um das Notstromaggregat zu halten.

Das SG hat im Erörterungstermin vom 22.08.2011 den Kläger vernommen, der erklärt hat, er und sein Freund hätten sich bereits in der Vergangenheit zur Beförderung in die Traktorschaufel gesetzt und seien nicht zu Fuß gegangen. Infolgedessen seien sie nicht auf die Idee gekommen, zu Fuß zu gehen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.08.2011 (Az. S 5 U 5021/09 L) hat das SG unter Aufhebung des Bescheides vom 21.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2009 festgestellt, dass das Unfallereignis vom 31.05.2008 ein Arbeitsunfall ist. Dabei hat es den Klageantrag sinngemäß so ausgelegt, dass er sich auf genau diese Rechtsfolgen beschränkt. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, dass der Unfall infolge einer sog. "Wie-Beschäftigung" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII eingetreten sei. Die Fahrt habe sowohl betrieblichen als auch eigenwirtschaftlichen Zwecken des Klägers gedient. Bei einer solchen sog. gemischten Tätigkeit sehe es die Rechtsprechung für den Versicherungsschutz als entscheidend an, ob sich der zurückgelegte Weg eindeutig in zwei Teile zerlegen lasse, von denen der eine der versicherten und der andere der nichtversicherten Tätigkeit gedient habe. Sei - wie im vorliegenden Fall - eine solche Trennung nicht möglich, werde der Versicherungsschutz bejaht, wenn die gemischte Tätigkeit dem versicherten Zweck wesentlich diene; ein Überwiegen des versicherten Zwecks werde nicht gefordert; nur wenn das Handeln im Interesse des versicherten Zweckes lediglich Nebenzweck der Tätigkeit sei, werde der Versicherungsschutz verneint. Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine gemischte Tätigkeit wesentlich betrieblichen Interessen gedient habe, sei, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre.

Nach diesen Vorgaben hat das SG die Frage, ob die Fahrt auch den betrieblichen Interessen des Landwirts wesentlich gedient habe, bejaht. Maßgebend sei hierfür allein, dass bereits vor Beginn der Fahrt festgestanden habe, dass die Kläger nicht nur zu privaten, sondern auch zu betrieblichen Zwecken die Fahrt aufgenommen. Dass der Kläger das Anwesen des Landwirts ursprünglich nur deshalb aufgesucht habe, um mit seinen Freunden ein Fest zu feiern, spiele keine Rolle. Da der Kläger vor dem Unfall regelmäßig im Betrieb des Landwirts, dem Vater seines Freundes, mitgeholfen habe, wenn solche Arbeiten anfielen, sei davon auszugehen, dass er am Unfalltag auch dann mitgeholfen hätte, wenn die Feier nicht stattgefunden hätte. Ohne Bedeutung sei, dass die Mithilfe unentgeltlich erfolgte, da die vorgesehenen Verrichtungen auf der Weide von wirtschaftlicher Bedeutung gewesen seien. Die Unvernunft des Handelns führe nicht zum Entfallen des Versicherungsschutzes. Die Rechtsfigur der selbstgeschaffenen Gefahr habe keine eigenständige Bedeutung.

Die Beklagte hat gegen den Gerichtsbescheid, der ihm am 25.08.2011 zugestellt worden ist, am 21.09.2011 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.

Die Beklagte hat ihre Berufung damit begründet, dass die vom Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung - das Halten des Notstromaggregats während des Transports in der Frontladerschaufel - nicht im erforderlichen inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit gestanden habe. Maßgebend sei hierfür die objektivierte Handlungstendenz. Das Halten des Notstromaggregats während des Transports sei eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw. mit gemischter Motivationslage gewesen. Eine solche Verrichtung stehe dann im inneren Zusammenhang mit der verrichteten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre. Insoweit sei nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung abzustellen, sondern auf die konkrete Verrichtung selbst. Dieser innere Zusammenhang liege für die konkrete Verrichtung "Halten des Notstromaggregats" nicht vor, denn die Mitführung dieses Aggregats sei nur für die Durchführung der Feier, nicht aber für die Arbeiten auf der Weide erforderlich gewesen. Hierzu hat sich die Beklagte insbesondere auf das Urteil des BSG vom 09.10.2010 (Az. B 2 U 14/10 R) berufen. Im Sinne dieses Urteils liege im Gegensatz zur Auffassung des SG keine gemischte Tätigkeit, sondern eine Verrichtung mit gemischter Motivationslage vor.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28.12.2011 erneut vorgetragen, dass der Transport des Klägers in der Laderschaufel auch ohne Mitnahme des Notstromaggregats erfolgt wäre.

Die Beklagte hat darauf mit Schriftsatz vom 02.02.2012 erwidert, bei der gebotenen konkreten Betrachtung sei nicht darauf abzustellen, dass der Kläger in der Frontladerschaufel transportiert wurde, sondern darauf, dass der Kläger - in der Frontladerschaufel sitzend - das Notstromaggregat hielt.

In der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 hat der Senat den Kläger persönlich angehört. Dabei hat der Kläger erklärt, dass der Traktor nur über zwei Sitzplätze verfügt habe. Er und der Zeuge H. hätten sich wie schon öfters in der Vergangenheit in die Laderschaufel gesetzt, um nicht zu Fuß laufen zu müssen, was wegen des steilen Anstiegs sehr mühsam gewesen wäre. Sie hätten sich nicht wegen des Stromaggregats in die Schaufel gesetzt. Wenn sie in der Vergangenheit in der Laderschaufel gefahren seien, dann niemals wegen des Stromaggregats, das sie auch noch nie zuvor mitgenommen hätten, sondern immer, weil aus anderen Gründen die Sitzplätze auf dem Traktor besetzt gewesen wären. Die Laderschaufel sei an den Laderarmen fest montiert gewesen ohne eigene Hydraulik. Bei Flachstellung der Laderarme sei die Schaufel nach vorne offen gewesen, bei Steilstellung der Laderarme habe die in die Höhe gerichtete Laderschaufel eine Mulde gebildet, in der Gegenstände sicher transportiert werden könnten. In Steilstellung der Laderarme hätte das Stromaggregat aus der Schaufel nicht herausfallen können, in Flachstellung dagegen schon. Nur weil sich Personen in der Laderschaufel befunden hätten, seien die Laderarme in Flachstellung gehalten worden, und deshalb habe das Stromaggregat festgehalten werden müssen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 23.01.2013 wird verwiesen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 23.08.2011 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2009 abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass das Ereignis vom 31.05.2008 einen Arbeitsunfall darstellte.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher oder innerer Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis - das Unfallereignis - verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen ist keine Voraussetzung für die Anerkennung als Arbeitsunfall, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 31.01.2012 Az. B 2 U 2/11 R; Urteil vom 27.04.2010 Az. B 2 U 11/09 R).

Der Unfall vom 31.05.2008 hat zu einem Gesundheitsschaden geführt, nämlich gemäß dem Entlassungsbericht des Klinikums B-Stadt zu einer Schürfwunde lumbosakral dorsal und einer Beckenfraktur Typ Tile C mit Frakturen des Os sacrum links, des Sitzbeins, des Acetabulum rechts und des Querfortsatzes L5 links. Die geplante Tätigkeit des Klägers auf der Weide wäre als Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII anzusehen gewesen; insoweit wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls war auch der versicherten Tätigkeit zuzurechnen, sie stand mit ihr in einem sachlichen oder inneren Zusammenhang.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 09.11.2010 (Az. B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 3 8 Nr. 39 Rdrn. 22 f.) unterschieden zwischen
- einer gemischten Tätigkeit, die zumindest zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraussetzt, von denen (wenigstens) eine im sachliche Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht; eine Verrichtung ist nur ein konkretes, als auch räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist; und
- einer Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw. mit gemischter Motivationslage, wenn jemand mit ein und derselben Verrichtung sowohl betriebliche als auch eigenwirtschaftliche oder private Zwecke verfolgt.
Konkret hat das BSG in dem von ihm entschiedenen Fall eine Motorradfahrt, die sowohl betrieblichen als auch privaten Zwecken diente, als Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz und nicht als gemischte Tätigkeit beurteilt, weil das Motorradfahren aus Sicht eines einheitlichen Beobachters eine einzige einheitliche Verrichtung sei, selbst wenn sie unterschiedlichen Zwecken diene. Es könne nicht zwischen den Verrichtungen "Fahrt" und "Motorrad" unterschieden werden, weil eine "Fahrt" ohne Verkehrsmittel nicht möglich sei.

Nach diesen Grundsätzen liegt zum einen eine gemischte Tätigkeit vor, weil eine Unterscheidung zwischen den Verrichtungen "Fahrt in der Frontladerschaufel" und "Festhalten des Stromaggregats" möglich ist. Aus Sicht eines objektiven Beobachters handelt es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Verrichtungen, da eine Fahrt in der Laderschaufel ohne Festhalten des Stromaggregats möglich gewesen wäre und umgekehrt. Somit lagen zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen vor.

Zum anderen war - während die Verrichtung "Festhalten des Stromaggregats" rein privaten Zwecken diente - die Verrichtung "Fahrt in der Frontladerschaufel" für sich genommen als Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz zu beurteilen, weil der Kläger mit dieser Verrichtung sowohl betriebliche als auch private Zwecke verfolgte.

Dies spricht dafür, das Geschehen einer zweifachen Prüfung zu unterwerfen, nämlich erstens nach den Kriterien für die Einordnung einer gemischten Tätigkeit auf der Ebene des Gesamtgeschehens "Fahrt in der Laderschaufel unter Festhalten des Stromaggregats" als auch nach den Kriterien für Verrichtungen mit gespaltener Handlungstendenz für die isolierte Verrichtung "Fahrt in der Laderschaufel". Nicht zu folgen ist der Berufungsbegründung der Beklagten, die isoliert nur die Kausalität der Verrichtung "Festhalten des Stromaggregats" prüfen will, diese - zu Recht - verneint, und damit schon die Prüfung beendet - auf diese Weise bleibt die eigentlich kausale Verrichtung "Fahrt in der Laderschaufel" völlig unberücksichtigt.

In einem ersten Schritt ist also das Gesamtgeschehen "Fahrt in der Laderschaufel unter Festhalten des Stromaggregats" nach den für gemischte Tätigkeiten geltenden Grundsätzen zu prüfen. Bezüglich der Kriterien für die Einordnung einer gemischten Tätigkeit enthält das Urteil des BSG vom 09.11.2010 (Az. B 2 14/10 R) keine Vorgaben. In seinem Urteil vom 12.04.2005 (Az. B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262) hat das BSG festgestellt, dass der Rechtsfigur der "selbstgeschaffenen Gefahr" keine eigenständige Bedeutung zukommt (aaO. Rdnr. 23), und für die Fallgruppen der selbstgeschaffenen Gefahr, der erheblichen oder unerheblichen Unterbrechung einer Tätigkeit und der gemischten Tätigkeit herausgearbeitet, dass es jeweils um die Beurteilung der Wesentlichkeit der betrieblichen Ursache geht: Es kommt darauf an, ob die durch die nicht versicherte Verrichtung ausgelöste Ursachenkette von so überragender Bedeutung war und die betriebliche Ursache so weit zurückdrängte, dass diese nicht mehr als wesentliche Ursache anzusehen ist. Im vorliegenden Fall besteht an der Wesentlichkeit der Ursächlichkeit der Verrichtung "Fahren in der Laderschaufel" kein Zweifel. Denn die Verrichtung "Festhalten des Stromaggregats" war sowohl für die Auslösung des Unfalls als auch für die Schwere der erlittenen Verletzungen ohne Bedeutung. Es wurde weder festgestellt, dass das Herunterklappen der Schaufel durch das Gewicht des mitgeführten Stromaggregats ausgelöst wurde, noch liegt diese Annahme nahe, da dieses Mehrgewicht im Vergleich zu den sonstigen Lasten, insbesondere zum Gewicht der beiden Jungen, eine unbedeutende Rolle gespielt haben dürfte. Das Stromaggregat spielte auch bei den Verletzungen des Klägers keine Rolle, ist insbesondere nicht auf ihn gefallen. Da also die Verrichtung "Halten des Stromaggregats" für den Unfall in keiner Weise kausal geworden ist, ist die Verrichtung "Fahrt mit der Laderschaufel" als wesentlich kausal für den Unfall anzusehen.

In einem zweiten Schritt ist dann die Beurteilung der Verrichtung "Fahren mit der Laderschaufel" - unabhängig von der gleichzeitig ausgeübten, rein privat motivierten Verrichtung "Halten des Stromaggregats" nach den Kriterien für eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz zu beurteilen. Hierfür hat das BSG den Grundsatz aufgestellt, dass eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet (BSG, Urteil vom 09.11.2010 aaO., Rdnr 24). Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG, aaO.).

Fraglich ist nun, wie stark die Verrichtung, um deren Beurteilung es geht, zu konkretisieren ist. Wenn man auf die Verrichtung "Fahrt in der Baggerschaufel unter Festhalten des Stromaggregats" abstellen würde, wäre der sachliche Zusammenhang sofort zu bejahen, weil eine so beschriebene Tätigkeit ohne Berücksichtigung der privaten Motivation niemals vorgenommen worden wäre. Eine so starke Konkretisierung der unter Wegfall der privaten Motivation zu beurteilenden Verrichtung verbietet sich aber deshalb, weil das "Festhalten des Stromaggregats" als eigenständige Verrichtung zu beurteilen ist, deren Ursachenbeitrag sich nach den Grundsätzen der gemischten Tätigkeit richtet. Dass das BSG in dem zitierten Fall den inneren Zusammenhang schon allein deshalb verneint hat, weil der Kläger dort ohne die private Motivation zwar vielleicht dieselbe Strecke zum selben Zeitpunkt, aber nicht mit dem Motorrad, sondern mit dem Auto gefahren wäre, steht zu der Lösung des vorliegenden Falles nicht in Widerspruch, weil das BSG die Verrichtung "Motorradfahrt" als nicht mehr in weitere Verrichtungen (etwa "Fahrt" und "Motorrad") aufteilbar ansah.

Damit ist für die Bejahung des inneren Zusammenhangs entscheidend, ob die Verrichtung "Fahrt in der Laderschaufel" hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre. Dies ist nach der vom Senat insbesondere aufgrund der persönlichen Vernehmung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 gewonnenen Überzeugung zu bejahen. Es war nämlich keineswegs erforderlich, dass jemand zum Transport des Stromaggregats in der Laderschaufel mitfuhr. Denn wenn sich keine Person in der Laderschaufel befunden hätte, wären die Arme in Steilstellung gebracht worden mit der Folge, dass keine Gegenstände aus der Laderschaufel, deren Winkel zu den Laderarmen mangels Hydraulik nicht reguliert werden konnte, herausfallen konnten. Diese Möglichkeit wurde bei der vorausgehenden Fahrt vom Wohnort der Klägers nach E. ausgenutzt, als die drei Jugendlichen zusammengedrängt auf dem Doppelsitz des Traktors saßen und das Stromaggregat ohne Begleitung in der Laderschaufel transportierten, allerdings in Steilstellung der Laderarme. Bei der Unfallfahrt von E. zum E. Weiher allerdings waren die Laderarme in Flachstellung, weil Personen darin saßen. In der Flachstellung war die Laderschaufel nach vorne geöffnet, und es bestand die Gefahr des Herausfallens nach vorne, weshalb das Stromaggregat festgehalten werden musste. Damit ergab sich die Notwendigkeit, das Stromaggregat festzuhalten, erst aus der vorgelagerten Entscheidung, dass Personen in der Laderschaufel mitfahren sollten. Die Entscheidung, in der Laderschaufel mitzufahren, erfolgte jedoch unabhängig davon, ob das Stromaggregat mitgeführt wurde oder nicht.

Alle Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass bereits in der Vergangenheit immer wieder der Kläger oder seine Freunde in der Laderschaufel gefahren seien, und zwar völlig unabhängig von der Mitführung des Stromaggregats, das - wie der Kläger in seiner Vernehmung am 23.01.2013 präzisiert hat - am Unfalltag zum ersten Mal mitgeführt wurde. Nicht glaubhaft ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Zeugen P. H. in seiner Vernehmung durch das SG am 31.03.2009, er gehe davon aus, dass keine Personen in der Schaufel mitgefahren wären, wenn keine Feier geplant gewesen wäre, und dass der Weg zur Weide auch mit dem Fahrrad, dem Mofa oder zu Fuß zu bewältigen gewesen wäre. Keine der übrigen beteiligten Personen hat eine diesbezügliche Äußerung gemacht. Der Kläger hat auf Befragung im 23.01.2013 hierzu mitgeteilt, dass er gar nicht gewusst hätte, ob es auf dem Hof der H. ein Fahrrad oder Mofa für ihn gegeben hätte. Auch ist zu berücksichtigen, dass der 2,5 km lange Weg zur Weide sehr steil ist, so dass auch nicht ohne Weiteres zu unterstellen ist, dass insoweit ein Fahrrad benutzt worden wäre. Letztlich kommt es aber auch nicht darauf an, ob es überhaupt möglich gewesen wäre, ein anderes Verkehrsmittel zu benutzen, entscheidend ist allein, dass der Kläger in Übereinstimmung mit dem Willen des Betriebsunternehmers die Entscheidung getroffen hat, den Weg in der Laderschaufel zurückzulegen, und dies erfolgte nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit den bereits in der Vergangenheit praktizierten Gepflogenheiten und unabhängig davon, dass für die Feier ein Stromaggregat transportiert werden musste.

Dass sich der Kläger möglicherweise in besonderem Maße sorglos und unvernünftig verhielt, schließt den Versicherungsschutz in der Unfallversicherung jedenfalls deshalb nicht aus, weil der Kläger damit ausschließlich betriebliche Zwecke verfolgte (BSGE 94, 262 Rdnr. 22). Die selbstgeschaffene Gefahr bekommt nur dann Bedeutung, wenn ihr betriebsfremde Motive zugrunde liegen (BSGE 97, 54 Rdnr. 21).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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