L 3 AL 228/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 24 AL 646/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 228/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die durch § 73 Abs 1a SGB III eröffnete Möglichkeit der Verfahrensvereinfachung und Pauschalierung darf grundsätzlich nicht dazu führen, Bedarfe, auf deren Berücksichtigung der Auszubildende nach dem Gesetz Anspruch hat und deren Zuerkennung im üblichen Verfahren von vornherein möglich ist, auszuschließen.

2. Einen bekannten Bedarf für Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform darf die Beklagte jedenfalls dann nicht unberücksichtigt lassen, wenn sie ohnehin im Rahmen der Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe Berechnungen durchführt oder sich in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X befindet.

3. Der Förderungsausschluss in § 64 Abs. 1 Satz 3 SGB III betrifft lediglich den Fall, dass ein Förderungsanspruch nur „für“ die Dauer des Berufsschulunterrichtes in Blockform bestünde, das heißt zeitlich beschränkt, nicht aber den eines Anspruches „wegen“ des Berufsschulunterrichtes für die gesamte Ausbildungszeit.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe unter Berücksichtigung von Fahrkosten zum Blockschulunterricht.

Die 1982 geborene Klägerin, zum damaligen Zeitpunkt wohnhaft in der F -V -S in C , beantragte am 14. März 2006 die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für die vom 1. März 2006 bis 31. August 2008 währende Ausbildung als IT-Systemkauffrau. Die praktische Ausbildung fand in C , der Blockschulunterricht in R statt. Nach Angaben des Ausbildungsbetriebes, der R GmbH & Co. KG in C , bezog sie in dieser Zeit eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 410,00 EUR monatlich. Nach den beigefügten Einkommenserklärungen ihrer Eltern erzielte die Mutter der Klägerin im Jahr 2004 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 28.736,00 EUR brutto und der Vater in Höhe von 32.772,00 EUR brutto. Als Fahrkosten gab die Klägerin Pendelfahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte von 12 km für eine Hin- und Rückfahrt sowie von 160 km für die Fahrt nach R und zurück an.

Ausweislich einer internen Bedarfsberechnung der Beklagten stellte diese als Bedarf der Klägerin bei Unterbringung bei den Eltern einen Betrag in Höhe von monatlich 353,00 EUR zuzüglich Fahrkosten von 52,00 EUR und Arbeitskleidung von 11,00 EUR, insgesamt somit 416,00 EUR, fest. Dem stand ein Nettoeinkommen der Klägerin in Höhe von 321,85 EUR monatlich sowie ein anzurechnendes Nettoeinkommen der Eltern in Höhe von 171,16 EUR bzw. 125,32 EUR, insgesamt somit monatlich 618,33 EUR, gegenüber.

Mit Bescheid vom 20. April 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe ab. Der Klägerin stünden die für ihren Lebensunterhalt und die für ihre Berufsaubildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung. Es werde insoweit auf die beigefügte Berechnung verwiesen.

Mit der Veränderungsmitteilung vom 25. April 2006 teilte die Klägerin mit, dass sie ab dem 1. Mai 2006 nicht mehr in der elterlichen Wohnung, sondern in der R -W -S in C zur Miete wohnen werde. Die Bruttomiete betrage 316,00 EUR.

Daraufhin berücksichtigte die Beklagte nunmehr einen Gesamtbedarf in Höhe von 518,00 EUR.

Mit Bescheid vom 27. April 2006 lehnte die Beklagte erneut die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe ab dem 1. Mai 2006 ab. Der Klägerin würden die für ihren Lebensunterhalt und für ihre Berufsausbildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stehen.

Dagegen legte die Klägerin am 22. Mai 2006 Widerspruch ein und beantragte, auch die Fahrkosten zur Berufsschule in R zu übernehmen. Mit der Ausbildungsvergütung und dem Kindergeld könne sie die Miete für ihre Wohnung und die Fahrkosten zur Berufsschule nicht aufbringen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das zu berücksichtigende Gesamteinkommen der Auszubildenden und der Eltern übersteige mit 618,33 EUR den Bedarf von 518,00 EUR.

Am 3. April 2007 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Entscheidung gemäß § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Der zusätzliche Bedarf für Pendelfahrten zwischen Wohnung und der Berufsschule in R betrage monatlich etwa 179,53 EUR.

Mit Bescheid vom 11. Juni 2007 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag der Klägerin ab.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2007 zurück. Eine Förderung für die Zeiten des Berufsschulunterrichts in Blockform sei nicht möglich, wenn der Auszubildende während der betrieblichen oder außerbetrieblichen Ausbildung keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. August 2007, einem Montag, Klage erhoben, welcher mit Urteil vom 29. Juli 2010 stattgegeben worden ist. Unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2007 ist die Beklagte verpflichtet worden, der Klägerin Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 28. Februar 2007 unter Berücksichtigung der Fahrkosten zum Berufsschulunterricht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Klägerin habe für den streitigen Zeitraum Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe.

Gegen das ihr am 14. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat die die Beklagte am 10. November 2010 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung oder Änderung des bestandskräftigen Bescheides vom 27. April 2006 im Überprüfungsverfahren. Die von der Klägerin zum 1. Mai 2006 angezeigte Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen habe ausschließlich den Bezug ihrer eigenen Wohnung betroffen. Daraus resultiere kein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. Mai 2009 (Az.: B 11 AL 37/07 R) seien Fahrkosten zum Blockunterricht nur dann zu berücksichtigen, wenn diese von vornherein, also bei einer Erstantragstellung, berücksichtigt werden könnten. Ein Auszubildender habe ungeachtet des § 73 Abs. 1a des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) nur Anspruch auf Berücksichtigung der Fahrkosten zum Blockunterricht, sofern die Zuerkennung im Ausgangsverfahren erfolgt sei. So verhalte es sich im Falle der Klägerin gerade nicht. Die konkreten Zeiten des Blockschulunterrichts und die dafür maßgeblichen Kosten seien erst im Rahmen der Begründung des Überprüfungsantrages am 5. Juni 2007 bekannt geworden. Eine Neufestsetzung habe nicht zu erfolgen. Darüber hinaus sei gemäß § 64 Abs.1 Satz 3 SGB III eine Förderung allein für die Dauer des Berufsschulunterrichts in Blockform ausgeschlossen.

Die Beklagte beantragt:

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. Juli 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt:

die Berufung zurückzuweisen.

Sie habe am 14. März 2006 Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 1. März 2006 bis 31. August 2008 beantragt. Der mit Schriftsatz vom 30. März 2010 gestellte Überprüfungsantrag bewege sich in dem von der Beklagten geprüften Bewilligungsabschnitt. Die Zuerkennung des vermehrten Bedarfs an Fahrkosten zum Blockschulunterricht müsse daher möglich sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 144 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid vom 11. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2007 aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 28. Februar 2007 verurteilt.

Fehlerhaft hat die Beklagte die Überprüfung des bestandskräftigen Ausgangsbescheides vom 27. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2006 abgelehnt, da sie das Recht im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X unrichtig angewandt hat.

1. Gemäß § 59 SGB III haben Auszubildende Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, wenn die berufliche Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderungsfähig ist (Nummer 1), sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehören und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind (Nummer 2) und ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen (Nummer 3).

Das Sozialgericht hat zutreffend dargestellt, dass die ersten beiden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig. Aber auch die Anspruchsvoraussetzung aus § 59 Nr. 3 SGB III ist gegeben.

Bei Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils, ausgenommen bei Unterbringung mit voller Verpflegung in einem Wohnheim, einem Internat oder beim Ausbildenden, wird gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB III bei einer beruflichen Ausbildung der jeweils geltende Bedarf für Studierende nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) als Bedarf für den Lebensunterhalt zu Grunde gelegt. Im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2007 waren dies 310,00 EUR (vgl. Artikel 2 Nr. 2 Buchst. a, Artikel 14 Abs. 5 des Gesetzes vom 19. März 2001 [BGBl. I S. 390]); danach erhöhte sich der Bedarf auf 341,00 EUR (vgl. Artikel 15 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes vom 23. Dezember 2007 [BGBl. I S. 3254]). Der Bedarf erhöht sich gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III in der bis zum 31. Juli 2010 geltenden Fassung für die Unterkunft um den jeweiligen Betrag nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG. Dies war monatlich zunächst ein Betrag in Höhe von 133,00 EUR und ab 1. August 2008 in Höhe von 146,00 EUR. Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB III in der bis zum 31. Juli 2010 geltenden Fassung galt § 13 Abs. 3 BAföG entsprechend. Danach erhöhte sich der Betrag nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG um bis zu monatlich 64,00 EUR und ab 1. August 2008 um 72,00 EUR, soweit Mietkosten für Unterkunft und Nebenkosten nachweislich diesen Betrag überstiegen. Den Bedarf für den Lebensunterhalt hat die Beklagte daher zu Recht ab dem 1. Mai 2006 auf 507,00 EUR festgesetzt.

Als Bedarf für die Fahrkosten werden die Kosten des Auszubildenden für Fahrten zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule (Pendelfahrten), sowie bei einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung für die An- und Abreise und für eine monatliche Familienheimfahrt oder anstelle der Familienheimfahrt für eine monatliche Fahrt eines Angehörigen zum Aufenthaltsort des Auszubildenden zu Grunde gelegt (vgl. § 67 Abs. 1 SGB III). Derartige Fahrkosten hat die Beklagte, obwohl von der Klägerin bei der Erstantragstellung und im Widerspruch vom 22. Mai 2006 angegeben, nicht berücksichtigt.

Schließlich wird bei einer beruflichen Ausbildung und einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme als Bedarf für sonstige Aufwendungen eine Pauschale für Kosten der Arbeitskleidung in Höhe von 11,00 EUR monatlich zu Grunde gelegt (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB III).

Hiervon ausgehend errechnete die Beklagte für die Praxisausbildung einen Gesamtbedarf in Höhe von 518,00 EUR monatlich, bestehend aus dem Bedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von 507,00 EUR (= 310,00 EUR + 133,00 EUR + 64,00 EUR) und dem Bedarf für sonstige Aufwendungen in Höhe von 11,00 EUR.

2. Auf den Gesamtbedarf sind gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen.

Gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III gelten – vorbehaltlich der Modifikationen in § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III – für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen § 11 Abs. 4 BAföG sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend.

Vorliegend ergibt sich ein anzurechnendes Einkommen der Klägerin in Höhe von insgesamt 618,33 EUR, wie dies die Beklagte beanstandungsfrei im Verwaltungsverfahren errechnet hat. Dieses Einkommen übersteigt den von der Beklagten ermittelten Gesamtbedarf.

3. Der Gesamtbedarf ist jedoch, wie mit Überprüfungsantrag vom 30. April 2007 begehrt, um die Fahrkosten zum Blockschulunterricht nach R zu erhöhen. Gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III werden als Bedarf für die Fahrkosten die Kosten des Auszubildenden für Fahrten zwischen Unterkunft, Ausbildungsstätte und Berufsschule (Pendelfahrten) zu Grunde gelegt. Dazu gehören vorliegend die Kosten für die Pendelfahrten, welche die Klägerin im Rahmen ihres Überprüfungsantrages mit Schriftsatz vom 5. Juni 2007 erstmals detailliert aufgelistet hat. Bekannt war der Beklagten jedoch spätestens ab dem klägerischen Schriftsatz vom 22. Mai 2006, dass die Klägerin Fahrkosten in die Berufsschule R aufbringen musste. Weitere Ermittlungen von Amts wegen (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X) hat sie dazu jedoch nicht angestellt.

Die von der Beklagten zitierten § 64 Abs. 1 Satz 2 SGB III und § 73 Abs. 1a SGB III führen zu keinem anderen Ergebnis, da die Klägerin von Anfang an Ansprüche auf Berufsausbildungsbeihilfe hatte. Denn gemäß § 59 Nr. 3 SGB III gehören zum Gesamtbedarf auch die Fahrkosten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat diese die Fahrkosten zum Blockschulunterricht zu berücksichtigen, obwohl sie nicht bei der erneuten Antragstellung der Klägerin am 25. April 2006 angegeben worden sind. Sowohl das Widerspruchsverfahren zum Bescheid vom 27. April 2007 als auch das von der Klägerin angestrebte Überprüfungsverfahren hat dazu nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 37/07 RSozR 4-4300 § 73 Nr. 1 = JURIS-Dokument) als auch nach der rechtlichen Regelung ausreichend Raum geboten.

§ 73 Abs. 1a SGB III, der durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) mit Wirkung vom 1. Januar 2004 eingefügt worden ist, bestimmt, dass für die Zeit des Berufsschulunterrichts in Blockform Berufsausbildungsbeihilfe unverändert weiter erbracht wird. Ein genereller Ausschluss der Berücksichtigung des Bedarfs für Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform ergibt sich daraus jedoch nicht. Die bisherige "Neuberechnung" für Phasen des Blockunterrichts soll "lediglich" aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung entfallen. Nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift soll es der Arbeitsverwaltung nach einmal verfügter Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe aus diesen Gründen erspart bleiben, eine Neuberechnung eigens für Phasen des Blockunterrichts vorzunehmen; vielmehr soll die bewilligte Berufsausbildungsbeihilfe unverändert weiter erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 37/07 RSozR 4-4300 § 73 Nr. 1 Rdnr. 18 = JURIS-Dokument Rdnr. 18). Eine ausdrückliche Aussage zur generellen Beschränkung des Anspruchs auf Erstattung von Fahrkosten zur Berufsschule (vgl. § 67 Abs 1 Nr. 1 SGB III) enthält § 73 Abs 1a SGB III aber nicht (so BSG, a. a. O.).

Danach spricht die Zielsetzung der Verwaltungsvereinfachung zwar für das Entfallen einer Neuberechnung des Bedarfs nach §§ 65 ff SGB III (vgl. BSG, Urteil vom 3. Mai 2005 – B 7a/7 AL 52/04 R – SozR 4-4300 § 64 Nr. 2 Rdnr. 15 = JURIS-Dokument Rdnr. 15). § 73 Abs 1a SGB III trifft somit eine pauschalierende Regelung für die gesamte Dauer der Ausbildung, die sich je nach Umständen zu Gunsten oder zu Ungunsten des Auszubildenden auswirken kann. Die Regelung will aber nicht grundsätzlich den Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe ausschließen oder beschränken (vgl. BSG, Urteil vom 3. Mai 2005, a. a. O.). Ihr ist in Übereinstimmung mit der Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes nicht zu entnehmen, dass die Beklagte auch dann zur Verweigerung der Berücksichtigung von Fahrkosten zum Blockunterricht berechtigt sein soll, wenn sie diese Fahrkosten von vornherein, das heißt schon bei der Erstfestsetzung, oder jedenfalls bei späteren Bewilligungsänderungen berücksichtigen kann (so BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 37/07 RSozR 4-4300 § 73 Nr. 1 Rdnr. 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19). Dies betrifft auch Fälle, wie den vorliegenden, wenn zum Beispiel durch Umzug in eine eigene Wohnung eine Änderung in den persönlichen Verhältnissen und damit in den Anspruchsvoraussetzungen an sich eingetreten ist und die Beklagte von sich aus in die erneute Prüfung des Verfahrens, hier durch Neuverbescheidung vom 27. April 2006 oder im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X eintritt.

Der Beklagten war bereits bei der erneuten Beantragung von Berufsausbildungsbeihilfe für den in Betracht kommenden Bewilligungsabschnitt ab 1. Mai 2006 die Durchführung des für die Ausbildung notwendigen Berufsschulunterrichts in Blockform bekannt. Spätestens im Widerspruch der Klägerin vom 22. Mai 2006 wurde sie darauf hingewiesen. Insoweit bestand für die Beklagte die Verpflichtung, bereits im Widerspruchsverfahren den bekannten Bedarf für die Fahrten vom (geänderten) Wohnort der Klägerin zum Blockunterricht in R von Amts wegen zu berücksichtigen. Dass sie dies fehlerhaft nicht getan hat, ist nunmehr im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zu berücksichtigen. Die Beklagte hat insoweit das Recht unrichtig angewandt.

Dieses Ergebnis ist auch folgerichtig. Denn die durch § 73 Abs 1a SGB III eröffnete Möglichkeit der Verfahrensvereinfachung und Pauschalierung darf grundsätzlich nicht dazu führen, Bedarfe, auf deren Berücksichtigung der Auszubildende nach dem Gesetz (vgl. § 67 Abs 1 Nr. 1 SGB III zur Fahrkostenerstattung) Anspruch hat und deren Zuerkennung im üblichen Verfahren von vornherein möglich ist, auszuschließen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009, a. a. O., Rdnr. 9). Einen bekannten Bedarf für Fahrkosten zum Berufsschulunterricht in Blockform darf die Beklagte aber jedenfalls dann nicht unberücksichtigt lassen, wenn sie ohnehin im Rahmen der Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe Berechnungen durchführt oder, wie hier, sich in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X befindet. Unter derartigen Umständen kann sich die Beklagte nicht auf eine "unveränderte" Leistungserbringung im Sinne des § 73 Abs 1a SGB III berufen, insbesondere dann, wenn die Fahrkosten nach R bereits bei der Erstantragstellung beantragt wurden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dem Anspruch der Klägerin auch nicht § 64 Abs. 1 Satz 3 SGB III, der durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3676) mit Wirkung ab 31. Dezember 2005 eingeführt wurde, entgegen. Danach ist eine Förderung allein für die Dauer des Berufsschulunterrichts in Blockform ausgeschlossen. Diese Regelung will in Reaktion auf gegenteilige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 3. Mai 2005 – B 7a/7 AL 52/04 R – SozR 4-4300 § 64 Nr. 2) eine Förderung nur dann ausschließen, wenn – was im Fall der Klägerin nicht zutrifft – allein für die Zeit des Blockunterrichts die Voraussetzungen für eine Förderung vorliegen (vgl. BT-Drucks 16/109 S. 7). Seit ihrem Umzug in eine eigene Wohnung lagen die Voraussetzungen für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe dem Grunde nach vor, unabhängig davon, ob sich die Klägerin im Blocksschulunterricht befand oder nicht. Lediglich durch die erhöhten Fahrkosten zum Blockschulunterricht bestand ein erhöhter Bedarf der Klägerin, was, wie oben ausgeführt, zu einem Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe führt. Der Anspruch besteht somit nicht "für" die Dauer des Berufsschulunterrichtes in Blockform (vgl. § 64 Abs. 1 Satz 3 SGB III), das heißt zeitlich beschränkt, sondern "wegen" des Berufsschulunterrichtes für die gesamte Ausbildungszeit.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

III. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Dr. Scheer Dr. Wietek Atanassov
Rechtskraft
Aus
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