Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3752/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2056/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung zweier Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 als Arbeitsunfall.
Der im Jahr 1951 geborene Kläger ist als Führer von Schienenfahrzeugen bei der DB Fernverkehr AG beschäftigt.
Unter dem 21.04.2006 erstattete der Regionalbereich M. der DB Fernverkehr AG eine Unfallanzeige. Am selben Tag um 15.00 Uhr überquerten zwei Personen unmittelbar vor dem vom Kläger geführten Zug die Bahngleise von Bahnsteig zu Bahnsteig im Bahnhof F ... Der Kläger leitete eine Notbremsung ein, Verletzte waren nicht zu verzeichnen. Der Kläger stellte die Arbeit zunächst ein, nahm sie laut der Unfallanzeige aber am 22.04.2006 wieder auf.
Mit Bescheid vom 10.07.2006 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Allein die Vorstellung eines Unfalls erfülle die Kriterien des Unfallbegriffs der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Dagegen erhob der Kläger am 24.07.2006 Widerspruch.
Unter dem 29.05.2006 und 20.06.2006 erstattete der Arbeitgeber erneut eine Unfallanzeige. Am 05.05.2006 habe am Bahndamm, Bahnübergang O. unmittelbar vor dem vom Kläger geführten Zug eine Frau mit Kinderwagen den Bahndamm überquert. Der Kläger habe eine Schnellbremsung eingeleitet. Verletzte habe es nicht gegeben. Der Kläger habe einen psychischen Schock erlitten. Auf Nachfrage teilte der Arbeitgeber mit, dass der Kläger vom 05. bis 12.05.2006 und ab 29.05.2006 arbeitsunfähig gewesen sei. Dazwischen habe er Urlaub gehabt. Die Ärztin für Psychiatrie Dr. En. bescheinigte in der Folge Arbeitsunfähigkeit bis 13.08.2006 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger am 10.07.2006 telefonisch mit, dass er am 05.05.2006 keine Schnellbremsung eingeleitet habe. Er sei wegen einer Augenerkrankung nach dem 21.04.2006 arbeitsunfähig gewesen. Nach nur zwei weiteren Schichten nach dem ersten Ereignis sei es am 05.05.2006 zu dem zweiten Ereignis gekommen. Er mache sich Gedanken, dass er trotz der die Schienen überquerenden Frau keine Reaktion gezeigt, nicht in der Lage gewesen sei, etwas zu tun, und insbesondere keine Schnellbremsung eingeleitet habe. Er habe bereits vor drei Jahren durch eine Schnellbremsung einen Selbstmord verhindert und etwa im Jahr 1973 als Lokführer einen Motorradfahrer mit Beifahrer überfahren.
Mit Bescheid vom 10.07.2006 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen wegen des Ereignisses vom 05.05.2006 ab. Das Auftreten von Schuldgefühlen wegen eines Fehlverhaltens erfülle nicht die Kriterien des unfallversicherungsrechtlichen Unfallbegriffs. Es fehle an einem äußeren Ereignis. Vielmehr sei eine berufstypische Belastung anzunehmen.
Auch dagegen erhob der Kläger am 24.07.2006 Widerspruch, zu dessen Begründung er erheb-liche psychische Probleme seit den beiden Ereignissen geltend machte. Er sei in psychologischer Betreuung beim DB-Gesundheits-Service S. und in psychiatrischer Behandlung bei Dr. En. in S ... Seit dem 29.05.2006, nach seinem Urlaub, sei er arbeitsunfähig. Die Ereignisse seien durchaus geeignet das Merkmal "äußere Einwirkungen" nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) zu erfüllen. Eine körperliche Verletzung müsse nicht eintreten. Die posttraumatische Belastungsstörung stelle eine psychische Krankheit dar. Es gehöre auch sicher nicht zum Berufsbild des Lokführers, dass er Unfälle und Beinaheunfälle klaglos ertragen müsse. Insofern seien die Ereignisse nicht berufstypisch.
Die Dipl.-Psych. H.-K. , DB Gesundheitsservice, übersandte auf Nachfrage der Beklagten einen Zwischen- und Abschlussbericht über die psychologische Betreuung vom 27.07.2006. Der Kläger sei zweimal zwei Stunden psychotraumatologisch betreut worden. Es sei eine akute Belastungsreaktion auf zwei Traumata erfolgt. Es bestehe der dringende Verdacht auf die zeitnahe Ausprägung einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Therapiebedarf. Der Kläger berichte über Unruhe/Nervosität, Verlust der Selbstwirksamkeitsüberzeugung, deutliche Unsicherheit hinsichtlich künftiger Handlungsfähigkeit in der Fahrtätigkeit und Schlafstörungen.
Dr. En. teilte unter dem 07.08.2006 mit, der Kläger sei während der Fahrt, nachdem eine Frau mit einem Kinderwagen die Schienen überquert habe, wie erstarrt gewesen und habe diesbezüglich überhaupt nicht reagieren können. Insofern meine er nicht bremsen zu können. Es sei zur Entwicklung massiver Ängste, verbunden mit der Unfähigkeit, eine Eisenbahn oder Auto zu fahren, gekommen.
Der Kläger führte auf Nachfrage der Beklagten zum Unfall von 1973 aus (Schreiben vom 11.01.2007), dass er damals noch in Ausbildung zum Lokführer gewesen sei. Er habe dabei auf der Strecke von Stralsund nach Rostock einen Selbstmörder überfahren. Im März 1974 habe er mit einem Interzoneneilgüterzug aufgrund einer vorzeitigen Schrankenöffnung ein Motorrad mit zwei Personen überfahren. Bei keinem der beiden Unfälle habe er die Möglichkeit gehabt, den Unfall durch eine Bremsung zu verhindern.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 27.04.2007 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.
Gegen beide Bescheide und Widerspruchsbescheide erhob der Kläger am 10.05.2007 eine gemeinsame Klage zum Sozialgericht Stuttgart, zu deren Begründung er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug nahm. Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG zog die Unterlagen des Arbeitgebers des Klägers betreffend Ereignisse vom 30.08.2003, 21.04.2006 und 05.05.2006 bei. Der Gruppenleiter des Klägers H. teilte dazu unter dem 22.02.2008 mit, der Kläger habe nach dem "Unfall" vom 30.08.2003 über psychische Probleme geklagt. Er habe damals den Kontakt zum DB Gesundheitsservice hergestellt, der ihn an eine Psychiaterin überwiesen habe. Nach Durchführung einer Therapie sei der Kläger wieder voll einsatzfähig gewesen. Am 21.04.2006 habe der Kläger den IC 2012, am 05.05.2006 den IC 2063 geführt. Das damalige Zugpersonal habe er nicht ermitteln können.
Herr H. legte u.a. eine Unfallanzeige vom 22.02.2008 über ein Ereignis am 30.08.2003 vor. Der Kläger habe als Führer eines Triebfahrzeugs kurz vor dem Bahnhof A. eine männliche Person neben den Gleisen kauern sehen, die den Hals auf die Schiene aufgelegt habe. Durch eine sofortige Schnellbremsung sei der Zug noch vor dem Mann zum Halten gekommen. Die Person sei daraufhin geflüchtet. Der Kläger habe einen Schock erlitten. Aus einem Eisenbahn-Untersuchungsbericht vom 24.04.2006 ergab sich, dass die am 21.04.2006 die Gleise überquerenden Personen sich unerkannt entfernt hatten.
Das SG befragte die Bundespolizeiinspektion S. nach Ermittlungen zum Ereignis am 05.05.2006. Sie teilte mit (Schreiben vom 26.02.2008), dass dort keine Unterlagen über Ermittlungen am 05.05.2006 vorhanden seien. Nach dortigen Erkenntnissen liege O. im Landkreis Schwäbisch Hall. Dort gebe es keinen Bahnübergang. Wegen des Vorfalls vom 30.08.2003 habe man Ermittlungen gegen unbekannt wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr eingeleitet. Der Kläger teilte dazu mit, dass die Ortschaft O. in Bayern liege und deshalb die Bundespolizei Oberbayern zuständig sei.
Das SG befragte Dr. En. schriftlich als sachverständige Zeugin. Sie gab unter dem 10.03.2008 an, den Kläger in der Zeit vom 23.08.2006 bis 29.11.2006 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung behandelt zu haben. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen dieser Gesundheitsstörung und den Ereignissen vom 21.04.2006 und 05.05.2006. Ihr sei nicht bekannt, dass vor dem Unfallzeitpunkt eine prätraumatische Persönlichkeitsstruktur vorgelegen habe. Sie könne das aber auch nicht ausschließen, weil sie den Kläger vorher nicht gekannt habe. Sie schätze die MdE mit 30 ein. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Kr. teilte auf Nachfrage des SG am 28.02.2008 mit, den Kläger nur einmal im September 2003 behandelt zu haben.
Das SG beauftragte den Psychiater Prof. Dr. Eb. mit der Begutachtung des Klägers (Gutachten vom 07.07.2008). Dort gab der Kläger an, vor den Ereignissen vom 21.04.2006 und 05.05.2006 keine psychischen Probleme gehabt zu haben. Er führe die Tätigkeit als Lokführer schon seit 1975 aus. Er sei am 21.04.2006 bei der Fahrt nach Köln mit 160 km/h durch einen Bahnhof gefahren. Eine Person sei plötzlich über das Bahngleis gelaufen, eine andere Person habe sie zurückhalten wollen. Er habe eine Schnellbremsung gemacht und sei am Bahnsteigende zum Stehen gekommen. Er habe zuerst einen Schreck bekommen. Als er weitergefahren sei, sei er zittrig geworden, habe Schweißausbrüche gehabt und ihm sei übel geworden. In Mainz habe er sich dann ablösen lassen, weil er nicht habe weiterfahren können. Am Wochenende habe er dann Zeit gehabt. Der Gruppenleiter habe ihn zum Arzt geschickt wegen eines Gerstenkorns. Er sei dann eine Woche zu Hause gewesen. Die nächste Schicht sei dann völlig normal verlaufen. Am nächsten Tag habe sich dann der nächste Unfall ereignet. Eine Frau sei mit einem Kinderwagen durch die geschlossenen Schranken gelaufen. Er habe sie gesehen, sei aber unfähig gewesen zu reagieren. Er habe nichts getan, nicht gebremst. Er sei so gerade an der Frau vorbeigekommen. Es sei wieder zu Zittern, Schweißausbrüchen, Übelkeit gekommen. In Nürnberg habe er sich dann krank gemeldet und sei vier Monate krank gewesen. Er habe dann Träume gehabt, dass er die Frau überfahren habe und im Gefängnis gesessen habe, weil er nicht reagiert habe. Er habe sich auch wegen fahrlässiger Tötung vor dem Richter gesehen. Er habe auch Bilder von der Person gesehen, die am 21.04.2006 über die Gleise gegangen sei. Diese Bilder seien fünf bis sechsmal am Tag aufgetreten, z.B. beim Spazierengehen, wenn er Ruhe gehabt habe. Zusätzlich seien Bilder vom früheren Unfall aufgetreten, bei dem es zu zwei Toten gekommen sei. Ca. eine Woche vor der Gesundschreibung sei es dann besser geworden. Er sei inzwischen auch wieder Zug gefahren. Er habe noch einen unruhigen Schlaf, ab und zu tauchten noch Träume auf. Bei der Arbeit sei er in einer richtiggehenden Erwartungshaltung, dass wieder etwas passiere. Prof. Eb. kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein ängstliches Syndrom bestehe, das derzeit sehr leicht ausgeprägt sei. Daraus leite er die Diagnose einer Anpassungsstörung an die Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 ab. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht erfüllt. Eine Trennung zwischen den Ereignissen sei aufgrund der Symptome nicht herzustellen, weil beide Ereignisse Symptome hervorgerufen hätten. Die Unfallereignisse seien ihrer Eigenart und Stärke nach nicht mit anderen alltäglichen vorkommenden Ereignissen austauschbar. Es fänden sich keine Hinweise auf eine Schadensanlage oder Vorerkrankung. Seit Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit bestehe keine Behandlungsbedürftigkeit mehr. Die MdE betrage seitdem 0 bis 10.
Am 26.09.2008 gab Prof. Dr. Eb. eine ergänzende Stellungnahme ab, nachdem die Beklagte Einwände gegen das Gutachten geltend gemacht hatte. Die Symptome seien keineswegs besonders stark ausgeprägt. Wenn der Unfall tatsächlich nicht stattgefunden habe, könne sich die rechtliche Bewertung ändern. Der Kläger könne auch eine unberechtigte Schreckreaktion gehabt haben und diesbezüglich falsche Vorstellungen und danach die Symptome entwickelt haben. Ob die Ereignisse so stattgefunden hätten, liege in der Entscheidungskompetenz des Gerichts.
Mit Urteil vom 22.12.2009 hob das SG die Bescheide vom 10.07.2006 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.04.2007 auf und stellte fest, dass die Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 Arbeitsunfälle sind und eine Anpassungsstörung Folge jedes dieser Arbeitsunfälle ist. Zur Begründung führte es aus, dass die Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 zu seiner Überzeugung so stattgefunden hätten wie der Kläger sie geschildert habe. Die Ereignisse seien auch nicht eine berufstypische Belastung. Maßstab müsse insofern ein Lokführer sein, der schon mehrfach gleichgelagerte Belastungssituationen erlebt habe. Die Kammer habe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Ereignisse in den Jahren 1973, 1974 und 2003 nicht so wie vom Kläger geschildert stattgefunden hätten. Daraus folge aber nicht, dass der Kläger wegen dieser Ereignisse abgehärtet, sondern vielmehr dass er dadurch zermürbt sei. Es sei zwar zutreffend, dass ein Lokführer im Laufe seines Berufslebens mit Selbstmördern und unvorsichtigen Personen rechnen müsse. Das bedeute aber nicht, dass es sich um eine alltägliche Belastung handele. Gerade wegen der Kumulierung der Ereignisse stelle sich eine außergewöhnliche Belastung dar. Es sei insofern keine Quasi-Berufskrankheit zu prüfen, denn es seien nicht multiple Traumata, sondern eine noch überschaubare Zahl von Ereignissen Streitgegenstand. Der Kläger habe bei diesen Unfällen eine Anpassungsstörung erlitten, die als Unfallfolge anzuerkennen sei.
Gegen das ihr am 25.01.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.02.2010 eingelegte Berufung der Beklagten. Mit Beschluss vom 13.05.2011 hat der Berichterstatter den Rechtsstreit auf Antrag beider Beteiligten zum Ruhen gebracht. Am 16.05.2012 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen.
Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte zunächst ausgeführt, die Schienentechnik sei signaltechnisch geregelt, während im Straßenverkehr weit überwiegend "auf Sicht" gefahren werde. Die signaltechnische Regelung sei notwendig wegen der mit dem Gewicht der Züge verbundenen langen Bremswege. Da das Schienennetz nicht durchgehend vor Fremdeinflüssen geschützt sei, obliege es dem Lokführer, durch aufmerksame Beobachtung des Fahrwegs und seiner nächsten Umgebung die ungestörte signaltechnische Beförderung von Personen und Gütern sicherzustellen. Bei Versagen der Technik bzw. bei Fremdeinflüssen habe er die Aufgabe, durch geeignete Reaktionen möglichst Kollisionen zu verhindern. Bremsvorgänge gleich welchen Anlasses seien insofern originäre berufliche Aufgabe des Lokführers. Gerade die Bewältigung von Gefahrensituationen, die durch die Signaltechnik nicht auszuschließen seien, präge das Berufsbild des Lokführers. Die Einleitung von Bremsvorgängen sei dem Kläger in 38 Berufsjahren in Fleisch und Blut übergegangen. Es fehle insofern an einem traumatisierenden Ereignis. Es fehle sowohl am Opfer- als auch am Beobachterstatus. Die Kriterien eines Arbeitsunfalls seien insofern nicht erfüllt. Außerdem sei die Diagnose einer Anpassungsstörung schlecht von normalen psychologischen Reaktionen abzugrenzen. Anderenfalls müssten Millionen anderer Führer von Straßenfahrzeugen ebenfalls an psychoreaktiven Störungen leiden.
In der Folge hat sie Zweifel an der Schilderung des Klägers betreffend das Ereignis vom 05.05.2006 geltend gemacht. Der Nachweis darüber, dass sich an den betreffenden Tagen tatsächlich Personen im Gleisbereich befunden hätten, sei nicht geführt.
Ziel ihrer Darlegungen sei es, in Zweifel zu ziehen, ob die Tätigkeit als Lokführer intensivere oder psychisch nachhaltigere Reaktionen hervorzurufen im Stande sei als im Privatbereich beim Führen eines Kraftfahrzeugs oder ob infolge eines Missverhältnisses von psychischer Reaktion und Ereignis eine Unfallkausalität auszuschließen sei.
Nach dem Ereignis vom 21.04.2006 habe eine zeitnahe ärztliche Behandlung nicht stattgefunden. Eine initiale durch dieses Ereignis verursachte psychische Reaktion sei nicht dokumentiert. Auch nach dem Ereignis vom 05.05.2006 sei eine intiale psychische Reaktion nicht dokumentiert. Insofern müsse im Vollbeweis ein Erstschaden nachgewiesen sein. Bei Prof. Dr. Eb. habe der Kläger aber angegeben, am Wochenende nach dem 21.04.2006 keine Symptome gehabt zu haben.
Schließlich sei der Ursachenzusammenhang zwischen der Anpassungsstörung und den Ereignissen vom 21.04.2006 nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Ereignisse seien zwar geeignet, eine Schreckreaktion hervorzurufen, nicht aber eine anhaltende psychische Beeinträchtigung zu verursachen, welche monatelange Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe und Behandlungsbedürftigkeit nach sich ziehe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an und weist darauf hin, dass er in dem Zustand versichert sei, in dem er sich vor den Ereignissen am 21.04.2006 und 05.05.2006 befunden habe. Er behaupte auch nicht, dass jede Beinaheüberfahrung einen Arbeitsunfall darstelle. Insofern komme es auf den Einzelfall an. Eine solche Beinaheüberfahrung könne aber zu einer Anpassungsstörung führen. Das gelte insbesondere aufgrund der Vielzahl der von ihm erlebten Ereignisse.
Der Kläger hat Fotos vom Bahnübergang O. vorgelegt.
Nach der Rechtsprechung des BSG vom 29.11.2011 (B 2 U 23/10 R) liege auch ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vor, weil er zweimal gesehen habe, wie Personen vor seinem Zug die Gleise überquert hätten. Dem Unfallbegriff sei nicht konstitutiv, dass ein ungewöhnliches Ereignis vorliege. Eine Differenzierung zwischen üblicher oder unüblicher Tätigkeit lasse sich § 8 SGB VII nicht entnehmen.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 19.12.2012 mit den Beteiligten erörtert. Dabei hat die Beklagte zugestanden, dass die Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 wie vom Kläger geschildert der Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Der Kläger hat angegeben, am 21.04.2006 wegen Beschwerden am Auge von seinem Gruppenleiter zum Arzt geschickt worden zu sein. Er sei dann eine Woche krank gewesen. Bei der ersten Schicht danach sei sein Gruppenleiter mitgefahren. Die zweite Schicht sei dann am 05.05.2006 gewesen. Ab 01.02.2011 habe er eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten. Die Berichterstatterin hat darauf hingewiesen, dass das Ereignis vom 21.04.2006 wohl die Kriterien eines Arbeitsunfalls erfülle. Betreffend das Ereignis vom 05.05.2006 bestünden insofern rechtliche Zweifel, weil eine Gefahrenbremsung gerade nicht durchgeführt worden sei. Die psychische Erkrankung in Form einer Anpassungsstörung liege nach den medizinischen Unterlagen wohl vor. Problematisch könne insofern nur der Ursachenzusammenhang sein, der von Prof. Dr. Eb. bejaht worden sei. Die Beteiligten haben einen Vergleich geschlossen, in dem die Beklagte das Ereignis vom 21.04.2006 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Anpassungsstörung anerkennen sollte und die Beteiligten den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärten. Diesen Vergleich hat der Kläger am 09.01.2013 widerrufen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf zwei Bände Verwaltungsakten der Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Stuttgart und die beim Senat angefallenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, § 124 Abs. 2 SGG, ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Sowohl das Ereignis vom 21.04.2006 als auch dasjenige vom 05.05.2006 sind Arbeitsunfälle, deren Folge jeweils eine Anpassungsstörung ist.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 23/10 R, Juris, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
Für den Unfallbegriff ist nicht konstitutiv, dass ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen vorliegt (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2-700 § 8 Nr. 31, v. 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R, Juris Rn. 15). Das von außen auf den Körper einwirkende Ereignis liegt nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur bei einem besonders ungewöhnlichen Geschehen, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang vor, sofern ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R Juris Rn. 15; vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R, BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22, RdNr 16; vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R, BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15; Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 7/99 R - RdNr 25 mwN). Von daher kann hier auch dahinstehen, dass die vom Kläger am 21.04.2006 vorgenommene Gefahrenbremsung schon keinen alltäglichen, üblichen Vorgang darstellen dürfte, vielmehr gerade aus dem Bereich der Routinehandlungen herausfällt.
Das Unfallmerkmal der zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper ist in der Rechtsprechung zu Gunsten der Versicherten auch noch für solche Einwirkungen angenommen worden, die sich über eine Arbeitsschicht erstreckt haben. In Abgrenzung dazu kommt als Versicherungsfall nur eine Berufskrankheit in Betracht, wenn eine Einwirkung auf den Versicherten über eine Vielzahl von Schichten berufstypisch zu einer besonderen Gefährdung führt. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat der Kläger in seiner mehr als 35 Jahre dauernden Tätigkeit als Zugführer insgesamt mindestens fünf Ereignisse erlebt, bei denen es zu vollständigen oder Beinahe-Unfälle mit Personen kam. Allein die Tatsache, dass es im Rahmen eines langen Berufslebens mehrmals zu einer ähnlichen Einwirkung kam, führt aber für sich noch nicht zur Annahme einer Berufskrankheit, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Vorliegend wäre die Feststellung erforderlich, dass allein die zusammenwirkende Summierung der psychisch wirkenden Einwirkung der Vorkommnisse aus mehreren Arbeitsschichten die erst nach der letzten Einwirkung aufgetretene und diagnostizierte psychische Erkrankung verursachte. Ein solchen Kausalverlauf ist den vorliegenden Gutachten nicht zu entnehmen. Es kann daher dahinstehen, dass die Erkrankung des Klägers wohl keiner der in der abschließenden Berufskrankheitenliste erfassten Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist. Auch eine Quasi-Berufskrankheit würde im Hinblick auf die bereits nicht hinreichend nachgewiesenen, eine Arbeitsschicht überschreitenden kausalen Einwirkungen ausscheiden. Der Senat schließt sich insofern zur Vermeidung von Wiederholungen den zutreffenden Ausführungen des SG an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung, § 153 Abs. 2 SGG.
Es überzeugt nicht die Einschränkung der Beklagten, dass Verrichtungen, die im Rahmen einer versicherten Tätigkeit "üblich und selbstverständlich" sind, nicht unter dem Schutz der gesetz-lichen Unfallversicherung als Arbeitsunfall stünden. Hierdurch wird der Versicherungsschutz in einer den Systemzweck der Unfallversicherung verkürzenden Weise verengt. Geschützt sind nach dem Zweck des SGB VII alle Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Eine Differenzierung in nicht versicherte "übliche" und versicherte "unübliche" Tätigkeiten ist dem Wortlaut und Regelungszweck des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht zu entnehmen (BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R, Juris Rn. 16). Darüber hinaus überzeugt die Beschreibung der Tätigkeit eines Lokführers durch die Beklagte den Senat nicht. Nach der Beschreibung der Beklagten beschränkt sich die Tätigkeit eines Lokführers im Wesentlichen auf die Gefahrenabwehr bei unvorhergesehenen Ereignissen. Sie reduziert die Tätigkeit eines Lokführers damit auf diejenige eines Lokbremsers. Das entspricht aber nicht der tatsächlichen Tätigkeit eines Lokführers, die schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung neben der einer Fahrertätigkeit jeglichen Fahrzeugs immanenten Notwendigkeit der besonderen Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Einleitung von Gegenmaßnahmen bei auftretenden Gefahren, weitere konstitutive Elemente wie das Richten nach Fahrplan, Signalen und Einhaltung von Fahrstrecken beinhaltet. Sie ist nicht wesentlich allein durch die Einleitung von Gefahrenbremsungen bei Gefahren durch die Gleise überquerende Fußgänger bestimmt.
Nicht erheblich ist schließlich auch, wenn der Versicherte selbst durch gewillkürtes Handeln (das Ziehen des Bremshebels) reagiert hat. Zwar ist die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht (BSGE 61, 113, 115 = SozR 2200 § 1252 Nr 6 S 20). Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns auf Grund einer ungewollten Einwirkung. Bei dieser liegt eine äußere Einwirkung vor. Dies ist für äußerlich sichtbare Einwirkungen unbestritten, zB für den Sägewerker, der nicht nur ein Stück Holz absägt, sondern auch unbeabsichtigt seinen Daumen. Gleiches gilt für äußere Einwirkungen, deren Folgen äußerlich nicht sichtbar sind (vgl BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, RdNr 7).
Die vom Kläger sowohl am 21.04.2006 als auch am 05.05.2006 verrichtete Tätigkeit war der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Sowohl am 21.04.2006 als auch am 05.05.2006 führte der Kläger ein Schienenfahrzeug als Personen über die Gleise liefen.
Das Ereignis vom 21.04.2006 war auch ein Unfall im beschriebenen Sinne. Er besteht darin, dass der Kläger nach seinem – vom Beklagten im Erörterungstermin vom 19.12.2012 unstreitig gestellten - Vortrag, an deren inhaltlichen Richtigkeit der Senat auch keinen Zweifel hat, wegen der beiden Personen, die unmittelbar vor seinem Zug die Gleise überquerten eine Gefahrenbremsung durchführte und den Zug am Bahnsteigende zum Stehen brachte. Der eigentliche, gewillkürte Bremsakt ist mithin durch diese äußere Einwirkung (die Personen auf den Gleisen) ausgelöst worden. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn festzustellen wäre, dass Personen objektiv nicht auf den Schienen gewesen sind und sich der Kläger die gesamte Gefahrensituation nur vorgestellt hätte. Dann wäre der Unfall möglicherweise auf eine innere Ursache - die Überängstlichkeit des Klägers - zurückzuführen. Von einem solchen Sachverhalt kann hier jedoch nicht ausgegangen werden, wie das SG zutreffend festgestellt hat und im Erörterungstermin auch von der Beklagten unstreitig gestellt worden ist.
Folge des Unfalls vom 21.04.2006 ist eine Anpassungsstörung. Beim Kläger liegt nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Eb. in seinem Gutachten vom 07.07.2008 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26.09.2008 auf psychiatrischem Fachgebiet eine Anpassungsstörung vor.
Die Anpassungsstörung ist auch ursächlich auf das Ereignis vom 21.04.2006 zurückzuführen. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v. § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die von Prof. Dr. Eb. festgestellte Anpassungsstörung vor. Prof. Dr. Eb. hat insofern auf S. 6 seines Gutachtens überzeugend ausgeführt, dass bereits nach dem Ereignis vom 21.04.2006 erste Symptome in Form von Überraschung, Schreck und körperlichen Symptomen wie Schweißausbrüchen, Zittern bestanden. Prof. Eb. hat insofern für den Senat überzeugend dargelegt, dass zwar die Mehrzahl der Symptome, die sich in Schlafstörungen, Ängsten beim Fahren und übertriebenen Schreckreaktionen ausdrückten, nach dem Ereignis vom 05.05.2006 aufgetreten sind, diese aber nicht nur auf dieses sondern auch auf das Ereignis vom 21.04.2006 zurückzuführen sind, das mit einem Zeitraum von knapp zwei Wochen in engem zeitlichem Zusammenhang zum zweiten Ereignis aufgetreten ist. Die vorliegenden Symptome rechtfertigen nach den ausführlichen Darlegungen von Prof. Eb. nicht nur die Annahme eines ängstlichen Syndroms sondern auch die Diagnose einer Anpassungsstörung schon in Folge des Ereignisses vom 21.04.2006. Die beim Kläger vorliegenden Ängste gehen über das übliche Maß einer Schreckreaktion auf einen Beinahe-Unfall hinaus und erreichen deshalb Krankheitswert wie Prof. Eb. ausgeführt hat. Beim Kläger lag nämlich nicht nur ein ängstliches Syndrom vor, sondern die Ängste hatten Krankheitswert im Sinne einer Anpassungsstörung. Die Beklagte trägt insofern zwar zutreffend vor, dass bis zum zweiten Ereignis am 05.05.2006 keine Behandlung notwendig gewesen sei. Allerdings hat Prof. Dr. Eb. insofern überzeugend ausgeführt, dass erste Symptome mit Krankheitswert schon nach dem 21.04.2006 vorhanden waren, die durch das Ereignis vom 05.05.2006 eine Verschlimmerung erfahren haben, die schließlich der Behandlung durch Dr. En. bedurften. Ein den Arbeitsunfall begründender Gesundheitserstschaden lag demnach bereits am 21.04.2006 vor, denn ein die Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit auslösendes Ausmaß der Gesundheitsstörung ist hierfür nicht erforderlich.
Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren ergänzend Zweifel daran anmeldet, dass das Ereignis vom 21.04.2006 seiner Art nach geeignet gewesen sei, Arbeitsunfähigkeit über fast vier Monate auszulösen, spricht dieser Vortrag nicht gegen einen kausalen Zusammenhang zwischen der Anpassungsstörung und dem Ereignis vom 21.04.2006, denn für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalls ist nicht Voraussetzung, dass diese psychische Erkrankung längerfristig Arbeitsunfähigkeit ausgelöst hat.
Für den kausalen Zusammenhang spricht weiter, wie Prof. Dr. Eb. nachvollziehbar ausgeführt hat, dass keine Vorerkrankungen des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet bestanden. Der Kläger war nach den vorliegenden Unterlagen einmalig infolge des Ereignisses vom 30.08.2003 zur psychiatrischen Behandlung bei Dr. Kr. , bei der er den damals eingetretenen Beinaheunfall mit einer Person, die den Kopf auf die Schienen gelegt hatte, verarbeitete. Eine weitere psychologische oder psychiatrische Behandlung war nicht erforderlich und fand auch nicht statt.
Das Ereignis vom 21.04.2006 war auch geeignet, eine Anpassungsstörung auszulösen. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Eb. war das Überqueren der Gleise durch zwei Personen unmittelbar vor dem Zug geeignet, einen Schreck auszulösen, der eine erlebnisreaktive Entwicklung mit Vorsichtigkeit und Ängstlichkeit in ähnlichen Situationen in Gang setzte. Der Kläger reagierte mit Überraschung und Schreck auf die Gefahr.
Beim Kläger lagen auch nach dem 21.04.2006 bereits erste Symptome vor. Der Kläger hat - entgegen der Ansicht der Beklagten - am 21.04.2006 nicht unmittelbar weitergearbeitet. Er hat zwar den Zug weiter bis nach Mainz geführt, sich aber wegen seiner Reaktion auf die Notwendigkeit der Gefahrenbremsung infolge der das Gleis vor seinem Zug überquerenden Personen dort ablösen lassen. Er hat dann in der Folgezeit auch nicht unproblematisch weiter Züge geführt, wie die Beklagte als Zeichen einer fehlenden psychischen Beeinträchtigung nach dem Ereignis vom 21.04.2006 zunächst annahm. Vielmehr wurde er zunächst vom Gruppenleiter nach Hause geschickt, um sich zu erholen. Dann war er - von der Beklagten insoweit unbestritten - eine Woche wegen der Behandlung einer Augenerkrankung nicht arbeitstätig und hat schließlich zunächst eine Schicht lang zusammen mit seinem Gruppenleiter einen Zug geführt. Bei der dann folgenden Schicht kam es zu dem Ereignis vom 05.05.2006, bei dem der Kläger sich unfähig fühlte, eine Gefahrenbremsung durchzuführen. Wie Prof. Dr. Eb. nachvollziehbar ausgeführt hat, bezog sich die Unfähigkeit am 05.05.2006 eine Gefahrenbremsung durchzuführen auch auf das Ereignis vom 21.04.2006, war also z.T. durch die Reaktion auf dieses Ereignis zu erklären.
Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Eb. bestanden insofern hinreichend Brückensymptome zwischen der Gefahrenbremsung am 21.04.2006 und der Notwendigkeit einer psychologischen Betreuung durch den DB Gesundheitsservice ab 09.05.2006 und anschließend der psychiatrischen Behandlung durch Dr. En. ab 29.05.2006. Entsprechend erinnert sich der Kläger im Rahmen seiner psychischen Verarbeitung sowohl an das Ereignis vom 21.04.2006 als auch an dasjenige vom 05.05.2006, so dass die von Prof. Dr. Eb. diagnostizierte Anpassungsstörung wesentlich durch das Ereignis vom 21.04.2006 ausgelöst wurde.
Sofern die Beklagte unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 50/02 R, Juris) weiter vorträgt, dass jedenfalls die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ab 29.05.2006 nicht ursächlich auf das Ereignis vom 21.04.2006 zurückzuführen ist, ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des Rechtsstreits nur die Anerkennung der Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 als Arbeitsunfälle und einer Anpassungsstörung als deren Folge ist. Demgegenüber hat der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß wegen der Folgen des Unfalls Leistungen zu gewähren sind, so dass es auf die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die die Beklagte damit anspricht, vorliegend nicht ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196, Juris Rn.10).
Auch das Ereignis vom 05.05.2006 ist als Arbeitsunfall anzuerkennen, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Das Ereignis vom 05.05.2006 erfüllt die Voraussetzungen des Unfallbegriffs ebenfalls. Der Kläger führte ein Schienenfahrzeug als eine Frau mit Kinderwagen – nach dem von der Beklagten im Erörterungstermin am 19.12.2006 unstreitig gestellten und auch nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die zwischenzeitlich vorgelegten Fotos unzweifelhaft inhaltlich zutreffenden Vortrag des Klägers – beim Bahnübergang O. in Bayern die Gleise kurz vor dem fahrenden Zug überquerte.
Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu Selbstschädigungen (vgl. BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, RdNr 7). Nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl BSG vom 29.2.1984 - 2 RU 24/83 - Juris RdNr 15; vom 18.3.1997 - 2 RU 8/96 - Juris Rn. 22, jeweils mwN). Ein Unfall ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird (BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 10/11 R, Juris Rn. 16).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Durch das Überqueren der Gleise vor dem vom Kläger geführten Zug trat ein äußeres, durch die Augen wahrnehmbares Ereignis ein. Der normale Geschehensablauf des Zugführens wurde zwar durch dieses Überqueren der Gleise nicht unterbrochen, denn der Kläger führte am 05.05.2006 gerade keine Gefahrenbremsung durch oder unterbrach sonst die Fahrt des Zuges. Er reagierte aber auf das von außen auf ihn einwirkende Ereignis durch eine Schockreaktion, die ihn unfähig machte, die aus seiner Sicht eigentlich notwendige Gefahrenbremsung durchzuführen. Er setzte die Fahrt nur bis Nürnberg fort und ließ sich– wegen seiner körperlichen Reaktion auf die fehlende psychische Möglichkeit der Gefahrenbremsung nach Wahrnehmung der Frau mit Kinderwagen - dort ablösen.
Dieser Unfall hatte ebenfalls die von Prof. Dr. Eb. geschilderte Symptomatik der Ängstlichkeit mit Schlafstörungen zur Folge, die die Diagnose einer Anpassungsstörung rechtfertigte und nunmehr auch zur Behandlungsbedürftigkeit führte. Die Schockreaktion mit anschließender ausgeprägter Ängstlichkeit verschlimmerte die schon in Folge des Unfalls vom 21.04.2006 eingetretene gesteigerte Ängstlichkeit und führte nunmehr auch zur Behandlungsbedürftigkeit durch Dr. En ...
Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger durch die schon Krankheitswert erreichende psychische Reaktion auf den Unfall vom 21.04.2006 "vorgeschädigt" war, denn wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, hindert eine Vorschädigung nicht notwendig die Ursächlichkeit zumindest einer Verschlimmerung durch Arbeitsunfall. Vielmehr ist der Versicherte in der gesetzlichen Unfallversicherung in seinem tatsächlichen Gesundheitszustand geschützt. Wie Prof. Eb. überzeugend ausgeführt hat, sind sowohl das Ereignis vom 21.04.2006 als auch dasjenige vom 05.05.2006 medizinische Bedingung für das danach eingetretene behandlungsbedürftige Ausmaß der Anpassungsstörung.
Eine andere die Wesentlichkeit der Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 für die eingetretene Anpassungsstörung ausschließende Ursache besteht nicht. Zwar hat der Kläger in der Vergangenheit, d.h. im Jahr 2003, bereits einmal einen Beinaheunfall erlitten als sich eine Person mit dem Kopf auf den Gleisen befand. In Folge dieses Ereignisses ist es aber nicht zu einer krankhaften Reaktion gekommen, wie Dr. Kr. überzeugend dargestellt hat.
Auch die Ereignisse aus dem Jahr 1973 und 1971 stellen keine wesentliche konkurrierende Ursache das wie Prof. Dr. Eb. auf S. 8 seines Gutachtens überzeugend ausgeführt hat. Es kam nicht zu einer psychischen Erkrankung in Folge dieser Unfälle mit Todesfolge. Es bestand auch keine Schadensanlage, die so leicht ansprechbar war, dass der Kläger auf jedes andere Ereignis auch mit einer Anpassungsstörung reagiert hätte.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Die Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung zweier Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 als Arbeitsunfall.
Der im Jahr 1951 geborene Kläger ist als Führer von Schienenfahrzeugen bei der DB Fernverkehr AG beschäftigt.
Unter dem 21.04.2006 erstattete der Regionalbereich M. der DB Fernverkehr AG eine Unfallanzeige. Am selben Tag um 15.00 Uhr überquerten zwei Personen unmittelbar vor dem vom Kläger geführten Zug die Bahngleise von Bahnsteig zu Bahnsteig im Bahnhof F ... Der Kläger leitete eine Notbremsung ein, Verletzte waren nicht zu verzeichnen. Der Kläger stellte die Arbeit zunächst ein, nahm sie laut der Unfallanzeige aber am 22.04.2006 wieder auf.
Mit Bescheid vom 10.07.2006 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Allein die Vorstellung eines Unfalls erfülle die Kriterien des Unfallbegriffs der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Dagegen erhob der Kläger am 24.07.2006 Widerspruch.
Unter dem 29.05.2006 und 20.06.2006 erstattete der Arbeitgeber erneut eine Unfallanzeige. Am 05.05.2006 habe am Bahndamm, Bahnübergang O. unmittelbar vor dem vom Kläger geführten Zug eine Frau mit Kinderwagen den Bahndamm überquert. Der Kläger habe eine Schnellbremsung eingeleitet. Verletzte habe es nicht gegeben. Der Kläger habe einen psychischen Schock erlitten. Auf Nachfrage teilte der Arbeitgeber mit, dass der Kläger vom 05. bis 12.05.2006 und ab 29.05.2006 arbeitsunfähig gewesen sei. Dazwischen habe er Urlaub gehabt. Die Ärztin für Psychiatrie Dr. En. bescheinigte in der Folge Arbeitsunfähigkeit bis 13.08.2006 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger am 10.07.2006 telefonisch mit, dass er am 05.05.2006 keine Schnellbremsung eingeleitet habe. Er sei wegen einer Augenerkrankung nach dem 21.04.2006 arbeitsunfähig gewesen. Nach nur zwei weiteren Schichten nach dem ersten Ereignis sei es am 05.05.2006 zu dem zweiten Ereignis gekommen. Er mache sich Gedanken, dass er trotz der die Schienen überquerenden Frau keine Reaktion gezeigt, nicht in der Lage gewesen sei, etwas zu tun, und insbesondere keine Schnellbremsung eingeleitet habe. Er habe bereits vor drei Jahren durch eine Schnellbremsung einen Selbstmord verhindert und etwa im Jahr 1973 als Lokführer einen Motorradfahrer mit Beifahrer überfahren.
Mit Bescheid vom 10.07.2006 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen wegen des Ereignisses vom 05.05.2006 ab. Das Auftreten von Schuldgefühlen wegen eines Fehlverhaltens erfülle nicht die Kriterien des unfallversicherungsrechtlichen Unfallbegriffs. Es fehle an einem äußeren Ereignis. Vielmehr sei eine berufstypische Belastung anzunehmen.
Auch dagegen erhob der Kläger am 24.07.2006 Widerspruch, zu dessen Begründung er erheb-liche psychische Probleme seit den beiden Ereignissen geltend machte. Er sei in psychologischer Betreuung beim DB-Gesundheits-Service S. und in psychiatrischer Behandlung bei Dr. En. in S ... Seit dem 29.05.2006, nach seinem Urlaub, sei er arbeitsunfähig. Die Ereignisse seien durchaus geeignet das Merkmal "äußere Einwirkungen" nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) zu erfüllen. Eine körperliche Verletzung müsse nicht eintreten. Die posttraumatische Belastungsstörung stelle eine psychische Krankheit dar. Es gehöre auch sicher nicht zum Berufsbild des Lokführers, dass er Unfälle und Beinaheunfälle klaglos ertragen müsse. Insofern seien die Ereignisse nicht berufstypisch.
Die Dipl.-Psych. H.-K. , DB Gesundheitsservice, übersandte auf Nachfrage der Beklagten einen Zwischen- und Abschlussbericht über die psychologische Betreuung vom 27.07.2006. Der Kläger sei zweimal zwei Stunden psychotraumatologisch betreut worden. Es sei eine akute Belastungsreaktion auf zwei Traumata erfolgt. Es bestehe der dringende Verdacht auf die zeitnahe Ausprägung einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Therapiebedarf. Der Kläger berichte über Unruhe/Nervosität, Verlust der Selbstwirksamkeitsüberzeugung, deutliche Unsicherheit hinsichtlich künftiger Handlungsfähigkeit in der Fahrtätigkeit und Schlafstörungen.
Dr. En. teilte unter dem 07.08.2006 mit, der Kläger sei während der Fahrt, nachdem eine Frau mit einem Kinderwagen die Schienen überquert habe, wie erstarrt gewesen und habe diesbezüglich überhaupt nicht reagieren können. Insofern meine er nicht bremsen zu können. Es sei zur Entwicklung massiver Ängste, verbunden mit der Unfähigkeit, eine Eisenbahn oder Auto zu fahren, gekommen.
Der Kläger führte auf Nachfrage der Beklagten zum Unfall von 1973 aus (Schreiben vom 11.01.2007), dass er damals noch in Ausbildung zum Lokführer gewesen sei. Er habe dabei auf der Strecke von Stralsund nach Rostock einen Selbstmörder überfahren. Im März 1974 habe er mit einem Interzoneneilgüterzug aufgrund einer vorzeitigen Schrankenöffnung ein Motorrad mit zwei Personen überfahren. Bei keinem der beiden Unfälle habe er die Möglichkeit gehabt, den Unfall durch eine Bremsung zu verhindern.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 27.04.2007 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.
Gegen beide Bescheide und Widerspruchsbescheide erhob der Kläger am 10.05.2007 eine gemeinsame Klage zum Sozialgericht Stuttgart, zu deren Begründung er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug nahm. Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG zog die Unterlagen des Arbeitgebers des Klägers betreffend Ereignisse vom 30.08.2003, 21.04.2006 und 05.05.2006 bei. Der Gruppenleiter des Klägers H. teilte dazu unter dem 22.02.2008 mit, der Kläger habe nach dem "Unfall" vom 30.08.2003 über psychische Probleme geklagt. Er habe damals den Kontakt zum DB Gesundheitsservice hergestellt, der ihn an eine Psychiaterin überwiesen habe. Nach Durchführung einer Therapie sei der Kläger wieder voll einsatzfähig gewesen. Am 21.04.2006 habe der Kläger den IC 2012, am 05.05.2006 den IC 2063 geführt. Das damalige Zugpersonal habe er nicht ermitteln können.
Herr H. legte u.a. eine Unfallanzeige vom 22.02.2008 über ein Ereignis am 30.08.2003 vor. Der Kläger habe als Führer eines Triebfahrzeugs kurz vor dem Bahnhof A. eine männliche Person neben den Gleisen kauern sehen, die den Hals auf die Schiene aufgelegt habe. Durch eine sofortige Schnellbremsung sei der Zug noch vor dem Mann zum Halten gekommen. Die Person sei daraufhin geflüchtet. Der Kläger habe einen Schock erlitten. Aus einem Eisenbahn-Untersuchungsbericht vom 24.04.2006 ergab sich, dass die am 21.04.2006 die Gleise überquerenden Personen sich unerkannt entfernt hatten.
Das SG befragte die Bundespolizeiinspektion S. nach Ermittlungen zum Ereignis am 05.05.2006. Sie teilte mit (Schreiben vom 26.02.2008), dass dort keine Unterlagen über Ermittlungen am 05.05.2006 vorhanden seien. Nach dortigen Erkenntnissen liege O. im Landkreis Schwäbisch Hall. Dort gebe es keinen Bahnübergang. Wegen des Vorfalls vom 30.08.2003 habe man Ermittlungen gegen unbekannt wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr eingeleitet. Der Kläger teilte dazu mit, dass die Ortschaft O. in Bayern liege und deshalb die Bundespolizei Oberbayern zuständig sei.
Das SG befragte Dr. En. schriftlich als sachverständige Zeugin. Sie gab unter dem 10.03.2008 an, den Kläger in der Zeit vom 23.08.2006 bis 29.11.2006 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung behandelt zu haben. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen dieser Gesundheitsstörung und den Ereignissen vom 21.04.2006 und 05.05.2006. Ihr sei nicht bekannt, dass vor dem Unfallzeitpunkt eine prätraumatische Persönlichkeitsstruktur vorgelegen habe. Sie könne das aber auch nicht ausschließen, weil sie den Kläger vorher nicht gekannt habe. Sie schätze die MdE mit 30 ein. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Kr. teilte auf Nachfrage des SG am 28.02.2008 mit, den Kläger nur einmal im September 2003 behandelt zu haben.
Das SG beauftragte den Psychiater Prof. Dr. Eb. mit der Begutachtung des Klägers (Gutachten vom 07.07.2008). Dort gab der Kläger an, vor den Ereignissen vom 21.04.2006 und 05.05.2006 keine psychischen Probleme gehabt zu haben. Er führe die Tätigkeit als Lokführer schon seit 1975 aus. Er sei am 21.04.2006 bei der Fahrt nach Köln mit 160 km/h durch einen Bahnhof gefahren. Eine Person sei plötzlich über das Bahngleis gelaufen, eine andere Person habe sie zurückhalten wollen. Er habe eine Schnellbremsung gemacht und sei am Bahnsteigende zum Stehen gekommen. Er habe zuerst einen Schreck bekommen. Als er weitergefahren sei, sei er zittrig geworden, habe Schweißausbrüche gehabt und ihm sei übel geworden. In Mainz habe er sich dann ablösen lassen, weil er nicht habe weiterfahren können. Am Wochenende habe er dann Zeit gehabt. Der Gruppenleiter habe ihn zum Arzt geschickt wegen eines Gerstenkorns. Er sei dann eine Woche zu Hause gewesen. Die nächste Schicht sei dann völlig normal verlaufen. Am nächsten Tag habe sich dann der nächste Unfall ereignet. Eine Frau sei mit einem Kinderwagen durch die geschlossenen Schranken gelaufen. Er habe sie gesehen, sei aber unfähig gewesen zu reagieren. Er habe nichts getan, nicht gebremst. Er sei so gerade an der Frau vorbeigekommen. Es sei wieder zu Zittern, Schweißausbrüchen, Übelkeit gekommen. In Nürnberg habe er sich dann krank gemeldet und sei vier Monate krank gewesen. Er habe dann Träume gehabt, dass er die Frau überfahren habe und im Gefängnis gesessen habe, weil er nicht reagiert habe. Er habe sich auch wegen fahrlässiger Tötung vor dem Richter gesehen. Er habe auch Bilder von der Person gesehen, die am 21.04.2006 über die Gleise gegangen sei. Diese Bilder seien fünf bis sechsmal am Tag aufgetreten, z.B. beim Spazierengehen, wenn er Ruhe gehabt habe. Zusätzlich seien Bilder vom früheren Unfall aufgetreten, bei dem es zu zwei Toten gekommen sei. Ca. eine Woche vor der Gesundschreibung sei es dann besser geworden. Er sei inzwischen auch wieder Zug gefahren. Er habe noch einen unruhigen Schlaf, ab und zu tauchten noch Träume auf. Bei der Arbeit sei er in einer richtiggehenden Erwartungshaltung, dass wieder etwas passiere. Prof. Eb. kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein ängstliches Syndrom bestehe, das derzeit sehr leicht ausgeprägt sei. Daraus leite er die Diagnose einer Anpassungsstörung an die Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 ab. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien nicht erfüllt. Eine Trennung zwischen den Ereignissen sei aufgrund der Symptome nicht herzustellen, weil beide Ereignisse Symptome hervorgerufen hätten. Die Unfallereignisse seien ihrer Eigenart und Stärke nach nicht mit anderen alltäglichen vorkommenden Ereignissen austauschbar. Es fänden sich keine Hinweise auf eine Schadensanlage oder Vorerkrankung. Seit Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit bestehe keine Behandlungsbedürftigkeit mehr. Die MdE betrage seitdem 0 bis 10.
Am 26.09.2008 gab Prof. Dr. Eb. eine ergänzende Stellungnahme ab, nachdem die Beklagte Einwände gegen das Gutachten geltend gemacht hatte. Die Symptome seien keineswegs besonders stark ausgeprägt. Wenn der Unfall tatsächlich nicht stattgefunden habe, könne sich die rechtliche Bewertung ändern. Der Kläger könne auch eine unberechtigte Schreckreaktion gehabt haben und diesbezüglich falsche Vorstellungen und danach die Symptome entwickelt haben. Ob die Ereignisse so stattgefunden hätten, liege in der Entscheidungskompetenz des Gerichts.
Mit Urteil vom 22.12.2009 hob das SG die Bescheide vom 10.07.2006 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.04.2007 auf und stellte fest, dass die Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 Arbeitsunfälle sind und eine Anpassungsstörung Folge jedes dieser Arbeitsunfälle ist. Zur Begründung führte es aus, dass die Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 zu seiner Überzeugung so stattgefunden hätten wie der Kläger sie geschildert habe. Die Ereignisse seien auch nicht eine berufstypische Belastung. Maßstab müsse insofern ein Lokführer sein, der schon mehrfach gleichgelagerte Belastungssituationen erlebt habe. Die Kammer habe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Ereignisse in den Jahren 1973, 1974 und 2003 nicht so wie vom Kläger geschildert stattgefunden hätten. Daraus folge aber nicht, dass der Kläger wegen dieser Ereignisse abgehärtet, sondern vielmehr dass er dadurch zermürbt sei. Es sei zwar zutreffend, dass ein Lokführer im Laufe seines Berufslebens mit Selbstmördern und unvorsichtigen Personen rechnen müsse. Das bedeute aber nicht, dass es sich um eine alltägliche Belastung handele. Gerade wegen der Kumulierung der Ereignisse stelle sich eine außergewöhnliche Belastung dar. Es sei insofern keine Quasi-Berufskrankheit zu prüfen, denn es seien nicht multiple Traumata, sondern eine noch überschaubare Zahl von Ereignissen Streitgegenstand. Der Kläger habe bei diesen Unfällen eine Anpassungsstörung erlitten, die als Unfallfolge anzuerkennen sei.
Gegen das ihr am 25.01.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.02.2010 eingelegte Berufung der Beklagten. Mit Beschluss vom 13.05.2011 hat der Berichterstatter den Rechtsstreit auf Antrag beider Beteiligten zum Ruhen gebracht. Am 16.05.2012 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen.
Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte zunächst ausgeführt, die Schienentechnik sei signaltechnisch geregelt, während im Straßenverkehr weit überwiegend "auf Sicht" gefahren werde. Die signaltechnische Regelung sei notwendig wegen der mit dem Gewicht der Züge verbundenen langen Bremswege. Da das Schienennetz nicht durchgehend vor Fremdeinflüssen geschützt sei, obliege es dem Lokführer, durch aufmerksame Beobachtung des Fahrwegs und seiner nächsten Umgebung die ungestörte signaltechnische Beförderung von Personen und Gütern sicherzustellen. Bei Versagen der Technik bzw. bei Fremdeinflüssen habe er die Aufgabe, durch geeignete Reaktionen möglichst Kollisionen zu verhindern. Bremsvorgänge gleich welchen Anlasses seien insofern originäre berufliche Aufgabe des Lokführers. Gerade die Bewältigung von Gefahrensituationen, die durch die Signaltechnik nicht auszuschließen seien, präge das Berufsbild des Lokführers. Die Einleitung von Bremsvorgängen sei dem Kläger in 38 Berufsjahren in Fleisch und Blut übergegangen. Es fehle insofern an einem traumatisierenden Ereignis. Es fehle sowohl am Opfer- als auch am Beobachterstatus. Die Kriterien eines Arbeitsunfalls seien insofern nicht erfüllt. Außerdem sei die Diagnose einer Anpassungsstörung schlecht von normalen psychologischen Reaktionen abzugrenzen. Anderenfalls müssten Millionen anderer Führer von Straßenfahrzeugen ebenfalls an psychoreaktiven Störungen leiden.
In der Folge hat sie Zweifel an der Schilderung des Klägers betreffend das Ereignis vom 05.05.2006 geltend gemacht. Der Nachweis darüber, dass sich an den betreffenden Tagen tatsächlich Personen im Gleisbereich befunden hätten, sei nicht geführt.
Ziel ihrer Darlegungen sei es, in Zweifel zu ziehen, ob die Tätigkeit als Lokführer intensivere oder psychisch nachhaltigere Reaktionen hervorzurufen im Stande sei als im Privatbereich beim Führen eines Kraftfahrzeugs oder ob infolge eines Missverhältnisses von psychischer Reaktion und Ereignis eine Unfallkausalität auszuschließen sei.
Nach dem Ereignis vom 21.04.2006 habe eine zeitnahe ärztliche Behandlung nicht stattgefunden. Eine initiale durch dieses Ereignis verursachte psychische Reaktion sei nicht dokumentiert. Auch nach dem Ereignis vom 05.05.2006 sei eine intiale psychische Reaktion nicht dokumentiert. Insofern müsse im Vollbeweis ein Erstschaden nachgewiesen sein. Bei Prof. Dr. Eb. habe der Kläger aber angegeben, am Wochenende nach dem 21.04.2006 keine Symptome gehabt zu haben.
Schließlich sei der Ursachenzusammenhang zwischen der Anpassungsstörung und den Ereignissen vom 21.04.2006 nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Ereignisse seien zwar geeignet, eine Schreckreaktion hervorzurufen, nicht aber eine anhaltende psychische Beeinträchtigung zu verursachen, welche monatelange Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe und Behandlungsbedürftigkeit nach sich ziehe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an und weist darauf hin, dass er in dem Zustand versichert sei, in dem er sich vor den Ereignissen am 21.04.2006 und 05.05.2006 befunden habe. Er behaupte auch nicht, dass jede Beinaheüberfahrung einen Arbeitsunfall darstelle. Insofern komme es auf den Einzelfall an. Eine solche Beinaheüberfahrung könne aber zu einer Anpassungsstörung führen. Das gelte insbesondere aufgrund der Vielzahl der von ihm erlebten Ereignisse.
Der Kläger hat Fotos vom Bahnübergang O. vorgelegt.
Nach der Rechtsprechung des BSG vom 29.11.2011 (B 2 U 23/10 R) liege auch ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vor, weil er zweimal gesehen habe, wie Personen vor seinem Zug die Gleise überquert hätten. Dem Unfallbegriff sei nicht konstitutiv, dass ein ungewöhnliches Ereignis vorliege. Eine Differenzierung zwischen üblicher oder unüblicher Tätigkeit lasse sich § 8 SGB VII nicht entnehmen.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 19.12.2012 mit den Beteiligten erörtert. Dabei hat die Beklagte zugestanden, dass die Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 wie vom Kläger geschildert der Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Der Kläger hat angegeben, am 21.04.2006 wegen Beschwerden am Auge von seinem Gruppenleiter zum Arzt geschickt worden zu sein. Er sei dann eine Woche krank gewesen. Bei der ersten Schicht danach sei sein Gruppenleiter mitgefahren. Die zweite Schicht sei dann am 05.05.2006 gewesen. Ab 01.02.2011 habe er eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten. Die Berichterstatterin hat darauf hingewiesen, dass das Ereignis vom 21.04.2006 wohl die Kriterien eines Arbeitsunfalls erfülle. Betreffend das Ereignis vom 05.05.2006 bestünden insofern rechtliche Zweifel, weil eine Gefahrenbremsung gerade nicht durchgeführt worden sei. Die psychische Erkrankung in Form einer Anpassungsstörung liege nach den medizinischen Unterlagen wohl vor. Problematisch könne insofern nur der Ursachenzusammenhang sein, der von Prof. Dr. Eb. bejaht worden sei. Die Beteiligten haben einen Vergleich geschlossen, in dem die Beklagte das Ereignis vom 21.04.2006 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Anpassungsstörung anerkennen sollte und die Beteiligten den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärten. Diesen Vergleich hat der Kläger am 09.01.2013 widerrufen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf zwei Bände Verwaltungsakten der Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Stuttgart und die beim Senat angefallenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, § 124 Abs. 2 SGG, ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Sowohl das Ereignis vom 21.04.2006 als auch dasjenige vom 05.05.2006 sind Arbeitsunfälle, deren Folge jeweils eine Anpassungsstörung ist.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 23/10 R, Juris, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).
Für den Unfallbegriff ist nicht konstitutiv, dass ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen vorliegt (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2-700 § 8 Nr. 31, v. 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R, Juris Rn. 15). Das von außen auf den Körper einwirkende Ereignis liegt nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur bei einem besonders ungewöhnlichen Geschehen, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang vor, sofern ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R Juris Rn. 15; vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R, BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22, RdNr 16; vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R, BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15; Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 7/99 R - RdNr 25 mwN). Von daher kann hier auch dahinstehen, dass die vom Kläger am 21.04.2006 vorgenommene Gefahrenbremsung schon keinen alltäglichen, üblichen Vorgang darstellen dürfte, vielmehr gerade aus dem Bereich der Routinehandlungen herausfällt.
Das Unfallmerkmal der zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper ist in der Rechtsprechung zu Gunsten der Versicherten auch noch für solche Einwirkungen angenommen worden, die sich über eine Arbeitsschicht erstreckt haben. In Abgrenzung dazu kommt als Versicherungsfall nur eine Berufskrankheit in Betracht, wenn eine Einwirkung auf den Versicherten über eine Vielzahl von Schichten berufstypisch zu einer besonderen Gefährdung führt. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat der Kläger in seiner mehr als 35 Jahre dauernden Tätigkeit als Zugführer insgesamt mindestens fünf Ereignisse erlebt, bei denen es zu vollständigen oder Beinahe-Unfälle mit Personen kam. Allein die Tatsache, dass es im Rahmen eines langen Berufslebens mehrmals zu einer ähnlichen Einwirkung kam, führt aber für sich noch nicht zur Annahme einer Berufskrankheit, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Vorliegend wäre die Feststellung erforderlich, dass allein die zusammenwirkende Summierung der psychisch wirkenden Einwirkung der Vorkommnisse aus mehreren Arbeitsschichten die erst nach der letzten Einwirkung aufgetretene und diagnostizierte psychische Erkrankung verursachte. Ein solchen Kausalverlauf ist den vorliegenden Gutachten nicht zu entnehmen. Es kann daher dahinstehen, dass die Erkrankung des Klägers wohl keiner der in der abschließenden Berufskrankheitenliste erfassten Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist. Auch eine Quasi-Berufskrankheit würde im Hinblick auf die bereits nicht hinreichend nachgewiesenen, eine Arbeitsschicht überschreitenden kausalen Einwirkungen ausscheiden. Der Senat schließt sich insofern zur Vermeidung von Wiederholungen den zutreffenden Ausführungen des SG an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung, § 153 Abs. 2 SGG.
Es überzeugt nicht die Einschränkung der Beklagten, dass Verrichtungen, die im Rahmen einer versicherten Tätigkeit "üblich und selbstverständlich" sind, nicht unter dem Schutz der gesetz-lichen Unfallversicherung als Arbeitsunfall stünden. Hierdurch wird der Versicherungsschutz in einer den Systemzweck der Unfallversicherung verkürzenden Weise verengt. Geschützt sind nach dem Zweck des SGB VII alle Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Eine Differenzierung in nicht versicherte "übliche" und versicherte "unübliche" Tätigkeiten ist dem Wortlaut und Regelungszweck des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht zu entnehmen (BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R, Juris Rn. 16). Darüber hinaus überzeugt die Beschreibung der Tätigkeit eines Lokführers durch die Beklagte den Senat nicht. Nach der Beschreibung der Beklagten beschränkt sich die Tätigkeit eines Lokführers im Wesentlichen auf die Gefahrenabwehr bei unvorhergesehenen Ereignissen. Sie reduziert die Tätigkeit eines Lokführers damit auf diejenige eines Lokbremsers. Das entspricht aber nicht der tatsächlichen Tätigkeit eines Lokführers, die schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung neben der einer Fahrertätigkeit jeglichen Fahrzeugs immanenten Notwendigkeit der besonderen Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Einleitung von Gegenmaßnahmen bei auftretenden Gefahren, weitere konstitutive Elemente wie das Richten nach Fahrplan, Signalen und Einhaltung von Fahrstrecken beinhaltet. Sie ist nicht wesentlich allein durch die Einleitung von Gefahrenbremsungen bei Gefahren durch die Gleise überquerende Fußgänger bestimmt.
Nicht erheblich ist schließlich auch, wenn der Versicherte selbst durch gewillkürtes Handeln (das Ziehen des Bremshebels) reagiert hat. Zwar ist die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht (BSGE 61, 113, 115 = SozR 2200 § 1252 Nr 6 S 20). Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns auf Grund einer ungewollten Einwirkung. Bei dieser liegt eine äußere Einwirkung vor. Dies ist für äußerlich sichtbare Einwirkungen unbestritten, zB für den Sägewerker, der nicht nur ein Stück Holz absägt, sondern auch unbeabsichtigt seinen Daumen. Gleiches gilt für äußere Einwirkungen, deren Folgen äußerlich nicht sichtbar sind (vgl BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, RdNr 7).
Die vom Kläger sowohl am 21.04.2006 als auch am 05.05.2006 verrichtete Tätigkeit war der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Sowohl am 21.04.2006 als auch am 05.05.2006 führte der Kläger ein Schienenfahrzeug als Personen über die Gleise liefen.
Das Ereignis vom 21.04.2006 war auch ein Unfall im beschriebenen Sinne. Er besteht darin, dass der Kläger nach seinem – vom Beklagten im Erörterungstermin vom 19.12.2012 unstreitig gestellten - Vortrag, an deren inhaltlichen Richtigkeit der Senat auch keinen Zweifel hat, wegen der beiden Personen, die unmittelbar vor seinem Zug die Gleise überquerten eine Gefahrenbremsung durchführte und den Zug am Bahnsteigende zum Stehen brachte. Der eigentliche, gewillkürte Bremsakt ist mithin durch diese äußere Einwirkung (die Personen auf den Gleisen) ausgelöst worden. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn festzustellen wäre, dass Personen objektiv nicht auf den Schienen gewesen sind und sich der Kläger die gesamte Gefahrensituation nur vorgestellt hätte. Dann wäre der Unfall möglicherweise auf eine innere Ursache - die Überängstlichkeit des Klägers - zurückzuführen. Von einem solchen Sachverhalt kann hier jedoch nicht ausgegangen werden, wie das SG zutreffend festgestellt hat und im Erörterungstermin auch von der Beklagten unstreitig gestellt worden ist.
Folge des Unfalls vom 21.04.2006 ist eine Anpassungsstörung. Beim Kläger liegt nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Eb. in seinem Gutachten vom 07.07.2008 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26.09.2008 auf psychiatrischem Fachgebiet eine Anpassungsstörung vor.
Die Anpassungsstörung ist auch ursächlich auf das Ereignis vom 21.04.2006 zurückzuführen. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v. § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die von Prof. Dr. Eb. festgestellte Anpassungsstörung vor. Prof. Dr. Eb. hat insofern auf S. 6 seines Gutachtens überzeugend ausgeführt, dass bereits nach dem Ereignis vom 21.04.2006 erste Symptome in Form von Überraschung, Schreck und körperlichen Symptomen wie Schweißausbrüchen, Zittern bestanden. Prof. Eb. hat insofern für den Senat überzeugend dargelegt, dass zwar die Mehrzahl der Symptome, die sich in Schlafstörungen, Ängsten beim Fahren und übertriebenen Schreckreaktionen ausdrückten, nach dem Ereignis vom 05.05.2006 aufgetreten sind, diese aber nicht nur auf dieses sondern auch auf das Ereignis vom 21.04.2006 zurückzuführen sind, das mit einem Zeitraum von knapp zwei Wochen in engem zeitlichem Zusammenhang zum zweiten Ereignis aufgetreten ist. Die vorliegenden Symptome rechtfertigen nach den ausführlichen Darlegungen von Prof. Eb. nicht nur die Annahme eines ängstlichen Syndroms sondern auch die Diagnose einer Anpassungsstörung schon in Folge des Ereignisses vom 21.04.2006. Die beim Kläger vorliegenden Ängste gehen über das übliche Maß einer Schreckreaktion auf einen Beinahe-Unfall hinaus und erreichen deshalb Krankheitswert wie Prof. Eb. ausgeführt hat. Beim Kläger lag nämlich nicht nur ein ängstliches Syndrom vor, sondern die Ängste hatten Krankheitswert im Sinne einer Anpassungsstörung. Die Beklagte trägt insofern zwar zutreffend vor, dass bis zum zweiten Ereignis am 05.05.2006 keine Behandlung notwendig gewesen sei. Allerdings hat Prof. Dr. Eb. insofern überzeugend ausgeführt, dass erste Symptome mit Krankheitswert schon nach dem 21.04.2006 vorhanden waren, die durch das Ereignis vom 05.05.2006 eine Verschlimmerung erfahren haben, die schließlich der Behandlung durch Dr. En. bedurften. Ein den Arbeitsunfall begründender Gesundheitserstschaden lag demnach bereits am 21.04.2006 vor, denn ein die Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit auslösendes Ausmaß der Gesundheitsstörung ist hierfür nicht erforderlich.
Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren ergänzend Zweifel daran anmeldet, dass das Ereignis vom 21.04.2006 seiner Art nach geeignet gewesen sei, Arbeitsunfähigkeit über fast vier Monate auszulösen, spricht dieser Vortrag nicht gegen einen kausalen Zusammenhang zwischen der Anpassungsstörung und dem Ereignis vom 21.04.2006, denn für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalls ist nicht Voraussetzung, dass diese psychische Erkrankung längerfristig Arbeitsunfähigkeit ausgelöst hat.
Für den kausalen Zusammenhang spricht weiter, wie Prof. Dr. Eb. nachvollziehbar ausgeführt hat, dass keine Vorerkrankungen des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet bestanden. Der Kläger war nach den vorliegenden Unterlagen einmalig infolge des Ereignisses vom 30.08.2003 zur psychiatrischen Behandlung bei Dr. Kr. , bei der er den damals eingetretenen Beinaheunfall mit einer Person, die den Kopf auf die Schienen gelegt hatte, verarbeitete. Eine weitere psychologische oder psychiatrische Behandlung war nicht erforderlich und fand auch nicht statt.
Das Ereignis vom 21.04.2006 war auch geeignet, eine Anpassungsstörung auszulösen. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Eb. war das Überqueren der Gleise durch zwei Personen unmittelbar vor dem Zug geeignet, einen Schreck auszulösen, der eine erlebnisreaktive Entwicklung mit Vorsichtigkeit und Ängstlichkeit in ähnlichen Situationen in Gang setzte. Der Kläger reagierte mit Überraschung und Schreck auf die Gefahr.
Beim Kläger lagen auch nach dem 21.04.2006 bereits erste Symptome vor. Der Kläger hat - entgegen der Ansicht der Beklagten - am 21.04.2006 nicht unmittelbar weitergearbeitet. Er hat zwar den Zug weiter bis nach Mainz geführt, sich aber wegen seiner Reaktion auf die Notwendigkeit der Gefahrenbremsung infolge der das Gleis vor seinem Zug überquerenden Personen dort ablösen lassen. Er hat dann in der Folgezeit auch nicht unproblematisch weiter Züge geführt, wie die Beklagte als Zeichen einer fehlenden psychischen Beeinträchtigung nach dem Ereignis vom 21.04.2006 zunächst annahm. Vielmehr wurde er zunächst vom Gruppenleiter nach Hause geschickt, um sich zu erholen. Dann war er - von der Beklagten insoweit unbestritten - eine Woche wegen der Behandlung einer Augenerkrankung nicht arbeitstätig und hat schließlich zunächst eine Schicht lang zusammen mit seinem Gruppenleiter einen Zug geführt. Bei der dann folgenden Schicht kam es zu dem Ereignis vom 05.05.2006, bei dem der Kläger sich unfähig fühlte, eine Gefahrenbremsung durchzuführen. Wie Prof. Dr. Eb. nachvollziehbar ausgeführt hat, bezog sich die Unfähigkeit am 05.05.2006 eine Gefahrenbremsung durchzuführen auch auf das Ereignis vom 21.04.2006, war also z.T. durch die Reaktion auf dieses Ereignis zu erklären.
Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Eb. bestanden insofern hinreichend Brückensymptome zwischen der Gefahrenbremsung am 21.04.2006 und der Notwendigkeit einer psychologischen Betreuung durch den DB Gesundheitsservice ab 09.05.2006 und anschließend der psychiatrischen Behandlung durch Dr. En. ab 29.05.2006. Entsprechend erinnert sich der Kläger im Rahmen seiner psychischen Verarbeitung sowohl an das Ereignis vom 21.04.2006 als auch an dasjenige vom 05.05.2006, so dass die von Prof. Dr. Eb. diagnostizierte Anpassungsstörung wesentlich durch das Ereignis vom 21.04.2006 ausgelöst wurde.
Sofern die Beklagte unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 50/02 R, Juris) weiter vorträgt, dass jedenfalls die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ab 29.05.2006 nicht ursächlich auf das Ereignis vom 21.04.2006 zurückzuführen ist, ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des Rechtsstreits nur die Anerkennung der Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 als Arbeitsunfälle und einer Anpassungsstörung als deren Folge ist. Demgegenüber hat der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß wegen der Folgen des Unfalls Leistungen zu gewähren sind, so dass es auf die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die die Beklagte damit anspricht, vorliegend nicht ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196, Juris Rn.10).
Auch das Ereignis vom 05.05.2006 ist als Arbeitsunfall anzuerkennen, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Das Ereignis vom 05.05.2006 erfüllt die Voraussetzungen des Unfallbegriffs ebenfalls. Der Kläger führte ein Schienenfahrzeug als eine Frau mit Kinderwagen – nach dem von der Beklagten im Erörterungstermin am 19.12.2006 unstreitig gestellten und auch nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die zwischenzeitlich vorgelegten Fotos unzweifelhaft inhaltlich zutreffenden Vortrag des Klägers – beim Bahnübergang O. in Bayern die Gleise kurz vor dem fahrenden Zug überquerte.
Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient der Abgrenzung von unfallbedingten Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aus inneren Ursachen sowie zu Selbstschädigungen (vgl. BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, RdNr 7). Nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl BSG vom 29.2.1984 - 2 RU 24/83 - Juris RdNr 15; vom 18.3.1997 - 2 RU 8/96 - Juris Rn. 22, jeweils mwN). Ein Unfall ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird (BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 10/11 R, Juris Rn. 16).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Durch das Überqueren der Gleise vor dem vom Kläger geführten Zug trat ein äußeres, durch die Augen wahrnehmbares Ereignis ein. Der normale Geschehensablauf des Zugführens wurde zwar durch dieses Überqueren der Gleise nicht unterbrochen, denn der Kläger führte am 05.05.2006 gerade keine Gefahrenbremsung durch oder unterbrach sonst die Fahrt des Zuges. Er reagierte aber auf das von außen auf ihn einwirkende Ereignis durch eine Schockreaktion, die ihn unfähig machte, die aus seiner Sicht eigentlich notwendige Gefahrenbremsung durchzuführen. Er setzte die Fahrt nur bis Nürnberg fort und ließ sich– wegen seiner körperlichen Reaktion auf die fehlende psychische Möglichkeit der Gefahrenbremsung nach Wahrnehmung der Frau mit Kinderwagen - dort ablösen.
Dieser Unfall hatte ebenfalls die von Prof. Dr. Eb. geschilderte Symptomatik der Ängstlichkeit mit Schlafstörungen zur Folge, die die Diagnose einer Anpassungsstörung rechtfertigte und nunmehr auch zur Behandlungsbedürftigkeit führte. Die Schockreaktion mit anschließender ausgeprägter Ängstlichkeit verschlimmerte die schon in Folge des Unfalls vom 21.04.2006 eingetretene gesteigerte Ängstlichkeit und führte nunmehr auch zur Behandlungsbedürftigkeit durch Dr. En ...
Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger durch die schon Krankheitswert erreichende psychische Reaktion auf den Unfall vom 21.04.2006 "vorgeschädigt" war, denn wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, hindert eine Vorschädigung nicht notwendig die Ursächlichkeit zumindest einer Verschlimmerung durch Arbeitsunfall. Vielmehr ist der Versicherte in der gesetzlichen Unfallversicherung in seinem tatsächlichen Gesundheitszustand geschützt. Wie Prof. Eb. überzeugend ausgeführt hat, sind sowohl das Ereignis vom 21.04.2006 als auch dasjenige vom 05.05.2006 medizinische Bedingung für das danach eingetretene behandlungsbedürftige Ausmaß der Anpassungsstörung.
Eine andere die Wesentlichkeit der Ereignisse vom 21.04.2006 und 05.05.2006 für die eingetretene Anpassungsstörung ausschließende Ursache besteht nicht. Zwar hat der Kläger in der Vergangenheit, d.h. im Jahr 2003, bereits einmal einen Beinaheunfall erlitten als sich eine Person mit dem Kopf auf den Gleisen befand. In Folge dieses Ereignisses ist es aber nicht zu einer krankhaften Reaktion gekommen, wie Dr. Kr. überzeugend dargestellt hat.
Auch die Ereignisse aus dem Jahr 1973 und 1971 stellen keine wesentliche konkurrierende Ursache das wie Prof. Dr. Eb. auf S. 8 seines Gutachtens überzeugend ausgeführt hat. Es kam nicht zu einer psychischen Erkrankung in Folge dieser Unfälle mit Todesfolge. Es bestand auch keine Schadensanlage, die so leicht ansprechbar war, dass der Kläger auf jedes andere Ereignis auch mit einer Anpassungsstörung reagiert hätte.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved