L 3 U 29/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 U 62/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 29/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 21. Oktober 2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung weiterer, bei einem Arbeitsunfall erlittener Gesundheitserstschäden.

Der 1961 geborene Kläger zog sich am 24. August 2005 während seiner Beschäftigung als Pfleger bzw. medizinischer Betreuer im Haus B, einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe, starke Schmerzen über dem Dornfortsatz der Lendenwirbelsäule (LWS) im Segment L4/5 zu, als er beim Heruntergehen auf einer Treppe, einen Getränkekasten in der Hand, auf einer schmierigen Flüssigkeit ausrutschte und mit dem Rücken auf die Treppenkante aufschlug, vgl. Unfallanzeige vom 11. September 2005 und Durchgangsarztbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. W vom 24. August 2005.

Die durchgangsärztliche Untersuchung ergab Klopfschmerz an der unteren LWS, deutlichen Druckschmerz über dem Dornfortsatz L4/5, Inklination und Reklination wegen starker Schmerzen kaum durchführbar, keine Sensibilitätsstörungen, keine Prellmarke bei unauffälligen und seitengleichen Reflexen beider Beine. Das Röntgenergebnis erbrachte keinen Anhalt für frische knöcherne Verletzungen. Diagnostiziert wurde eine schwere Prellung der unteren LWS. Eine MRT-Untersuchung der LWS vom 05. September 2005 erbrachte eine Streckfehlhaltung ohne seitliche Fehlstatik und ohne Wirbelgleiten, keinen Hinweis auf eine Fraktur oder Bandläsion, keine Weichteilläsion, kein Hämatom, links einen mediolateralen bis intraforaminalen Bandscheibenvorfall im Segment L4/5 mit massiver Wurzelkompression L4 und L5 links, ein leichtes Wurzelödem, Bulging der Bandscheiben L3/4 und L4/5, beidseitige foraminale Enge L3 bis S1 bei Spondylarthrose mit Facettenhypertrophie, leichte Minderung der IPD bei L4/5 bei ansonsten normal weitem Spinalkanal, vgl. Bericht der Fachärztin für Radiologie S vom 05. September 2005. Dr. W erstattete unter dem 28. September 2005 einen Zwischenbericht.

Die Beklagte forderte die Krankenkasse des Klägers mit Schreiben vom 29. September 2005 auf, für Rechnung der Beklagten keine Leistungen zu erbringen. Die Erkrankung sei ab 25. September 2005 nicht Folge eines Arbeitsunfalls. Eine mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Durchschrift des Schreibens übersandte sie dem Kläger. Dieser erhob gegen das Schreiben vom 10. Oktober 2005 Widerspruch, welchen er mit Schreiben vom 01. November 2005 begründete. Der zwischenzeitlich festgestellte Bandscheibenvorfall sei infolge des Unfalls aufgetreten.

Die Beklagte beauftragte nach Beiziehung eines Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse vom 20. Dezember 2005, welches unter anderem Behandlungen des Klägers wegen Lumboischialgie im März 1998 (linksseitig), im September 1999 und von August bis Oktober 2001 ausweist, den Direktor der Klinik für Chirurgie – Unfall- und Wiederherstellungschirurgie – PD Dr. L mit der Erstellung eines unfallchirurgischen Gutachtens zur Zusammenhangsfrage. Dieser gelangte in seinem aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 12. Januar 2006 erstellten Gutachten vom 27. Januar 2006 zur Einschätzung, dass der Kläger sich beim Treppensturz eine schwere Prellung der LWS mit Blutergussbildung zugezogen habe. Die übrigen LWS-Erkrankungen seien durch den Unfall weder verursacht noch richtunggebend oder dauernd verschlimmert worden. Die MRT vom 05. September 2005 belege dies. Sie habe keinerlei frische traumatische Veränderungen beschrieben. Wegen der Unfallfolgen sei der Kläger drei Wochen behandlungsbedürftig und arbeitsunfähig gewesen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der Unfallfolgen bestehe (ab dem 16. September 2005) nicht.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2006 zurück. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. August 2005 stünden dem Kläger über dem 24. September 2005 hinaus keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Gutachten von Dr. L.

Zwischenzeitlich unterzog sich der Kläger am 19. Januar 2006 einer ersten Bandschreibenoperation und durchlief vom 24. Juli bis zum 18. August 2006 eine stationäre Anschlussrehabilitation bei den S Kliniken S – H-Kliniken -, vgl. Entlassungsbericht vom 18. August 2006.

Der Kläger hat sein Begehren mit der am 24. Juli 2006 zum Sozialgericht Neuruppin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Ihm stünden über den 24. September 2005 hinaus Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Er, der erheblich übergewichtig sei, sei ungebremst auf die Treppenkante gefallen. Die enorme, auf seine Wirbelsäule wirkende Kraft habe zwar nicht zu einer knöchernen Verletzung und auch nicht zu einer Bandläsion geführt. Es habe sich jedoch eine massive Wurzelkompression L4/5 links mit leichtem Wurzelödem gefunden, welche, wäre sie bereits vor dem Sturz vorhanden gewesen, bereits auch vor dem Sturz zu erheblichen Beschwerden hätte führen müssen. Er habe jedoch vor dem Sturz keinerlei Beschwerden in diesem Bereich gehabt. Soweit bei ihm bereits degenerative Veränderungen der Wirbelsäule vorlägen, seien diese jedoch nicht geeignet, das Unfallereignis als wesentliche Ursache des Bandscheibenvorfalls und der massiven Wurzelkompression auszuschließen.

Das SG hat das schriftliche Sachverständigengutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. B vom 06. August 2007 eingeholt. Er hat sich der Einschätzung von Dr. L angeschlossen und im Übrigen ausgeführt, beim Kläger liege seit 1998 ohne jeden Zweifel und mit Sicherheit ein ganz erheblicher Vorschaden vor. Krankschreibungen wegen Lumboischialgien zögen sich durch die gesamte Krankengeschichte des Klägers. Die am Unfalltag aufgetretene Symptomatik sei keinesfalls als neues, erstmalig aufgetretenes Krankheitsgeschehen zu werten, sondern vielmehr Ausdruck einer rezidivierenden Gesundheitsstörung, die schon lange vor dem Unfallgeschehen bestanden habe. Hinzu komme, dass der Unfallmechanismus ungeeignet sei, einen traumatischen Bandscheibenvorfall hervorzurufen. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall komme in der Regel nur mit Wirbelkörperverletzungen zustande. Insbesondere müsse das Unfallereignis schwer genug sein, um eine Rissbildung im Bereich einer gesunden Bandscheibe zu verursachen, was beim Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beim geschilderten Schadensablauf nicht der Fall gewesen sei.

Zwischenzeitlich unterzog sich der Kläger am 19. Juni 2008 einer zweiten Bandschreibenoperation, im Anschluss vom 07. Juli bis zum 10. August 2008 wiederum einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, vgl. Entlassungsbericht den S Kliniken vom 12. August 2008.

Das SG hat auf Antrag des Klägers das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie/ Unfallchirurgie Z vom 23. September 2009 eingeholt. Dieser hat folgende Diagnosen gestellt: - Arthromuskuläre Dysbalancen Lenden-Becken-Hüftregion beidseits - Zustand nach LWS-Prellung und Distorsion vom 24. August 2005 mit Bandscheibenvorfall LWK 4/5 links und massiver Wurzelkompression LWK 4 links - Zustand nach mikrochirurgischer Nukleotomie LWK4/5 vom 19. Januar 2006 - Zustand nach osteoligamentärer Dekompression und Nukleotomie LWK 4/5 rechts vom 19. Juni 2008 - Fußheberschwäche links - Taubheit beugeseitig Zehen I bis V links - Verdacht auf chronische Schmerzkrankheit - Psychologische Faktoren bei körperlicher Erkrankung - Adaptionssyndrom mit überwiegend depressiven Symptomen All diese Erkrankungen seien im Sinne der richtunggebenden Verschlimmerung mit Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis vom 24. August 2005 zurückzuführen. Sowohl die vorbestehenden degenerativen Wirbelsäulenschäden als auch das Unfallereignis seien annähernd gleichgewichtete wesentliche Teilursachen für den Körperschaden. Vorher habe kein Bandscheibenvorfall vorgelegen. Die Gewalteinwirkung durch den Aufprall auf eine scharfe Treppenstufe stelle eine punktuelle Belastung der Wirbelsäule dar, die durchaus geeignet erscheine, eine durch degenerative Veränderungen vorgeschädigte Wirbelsäule in ihrem Bewegungssegment L4/5 zu schädigen. Durch die Gewalteinwirkung komme es zu Relativbewegungen zwischen den einzelnen Wirbelkörpern, wodurch die bereits vorgeschädigten Bandscheiben Rissbildungen erlitten und dem gallertartigen Bandscheibenkern den abrupten Austritt in den das Nervenaustrittsloch bzw. in den Wirbelkanal ermöglichten. Aus dem MRT vom 05. September 2005 ergebe sich ein frischer Bandscheibenvorfall. Hätte ein derart massiver Bandscheibenvorfall schon vorher bestanden, hätte er mit Sicherheit therapiebedürftige Beschwerden ausgelöst. Bei alldem hätten unbestritten massive degenerative Veränderungen bestanden. Die im Vorerkrankungsverzeichnis ausgewiesenen Lumboischialgien seien indes kodierte Befunderhebungen, die nicht immer zweifelsfrei dem Zahlenwerk zugeordnet werden könnten. Selbst wenn die Kodierung der Diagnosen zuträfe, sei festzustellen, dass eine Lumboischialgie auch von degenerativen Veränderungen der Bewegungssegmente, speziell der Facettengelenke, ausgelöst werden könne.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. Oktober 2010 abgewiesen und sich in medizinischer Hinsicht der Beurteilung von Dr. B angeschlossen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 05. Januar 2011 zugestellte Urteil am 28. Januar 2011 Berufung eingelegt. Er hält die gutachterliche Einschätzung des Arztes Z für zutreffend. Dr. B berufe sich demgegenüber zu Unrecht auf das unfallmedizinische Standardwerk Schönberger/ Mehrten/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, soweit er hierauf bezogen meine, es sei neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Verletzungen einhergehe. Damit werde nicht zwischen den beiden Stufen der Kausalitätsprüfung differenziert und lediglich behauptet, ohne Begleitverletzung sei die Schadensanlage wesentlich. Hierbei werde übersehen, dass für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht der gesunde Versicherte, sondern der konkrete Versicherte zugrunde zu legen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 21. Oktober 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, als weiteren Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls vom 24. August 2005 einen Bandscheibenvorfall LWK 4/5 links mit massiver Wurzelkompression LWK 4 links festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W vom 04. August 2011 eingeholt. Er hat sich der Einschätzung von Dres. L und B angeschlossen. Er hat u. a. zur Begründung ausgeführt, isolierte Bandscheibenverletzungen in Verbindung mit direkten Traumata seien wegen der anatomischen Besonderheiten als äußerst unwahrscheinlich einzustufen. Der Gutachter Z habe eine wissenschaftliche Erörterung zur Biomechanik ausgelassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die gefertigten Auszüge aus den Renten- und Schwerbehindertenakten des Klägers verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zulässiger Gegenstand des vorliegenden Klage- und Berufungsverfahrens ist von Anfang an lediglich die Feststellung bestimmter weiterer Gesundheitserstschäden. Eine gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) anfechtbare Entscheidung über konkrete Entschädigungsleistungen traf die Beklagte im Schreiben vom 29. September 2005 dem Kläger gegenüber ohnehin nicht. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2006 lehnte sie lediglich pauschal Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Mit dieser Leerformel brachte sie im Kontext der Bescheidbegründung allenfalls eine anfechtbare – verwaltungsaktsmäßige – Regelung i.S.v. § 31 S. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) des Inhalts zum Ausdruck, dass keine weiteren Gesundheitserstschäden mehr vorlagen. Dementsprechend wäre die auf die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtete Klage bei wörtlichem Verständnis unzulässig gewesen, weil nicht in einem Verwaltungsverfahren über konkrete Entschädigungsleistungen vor Klageerhebung befunden worden ist (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, zitiert nach juris Rn. 10 f.). Da i.Ü. auch der Widerspruchsbescheid sich – wie gesagt – zu konkreten Entschädigungsleistungen nicht verhält, hätte es insofern auch an der Durchführung des nach § 78 SGG erforderlichen Vorverfahrens gefehlt. Die Klage ist dementsprechend auf eine bloße allgemeine Feststellungsklage umgestellt worden, ohne dass eben hierein eine gemäß § 99 SGG gegebenenfalls zustimmungspflichtige Klageänderung zu sehen wäre. Vielmehr ist dieser Feststellungsantrag gemäß § 123 SGG unter Würdigung des klägerischen Gesamtvorbringens ohnehin von Anfang an von seinem Begehren umfasst gewesen. Eine eben so verstandene Feststellungsklage ist gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 SGG vorliegend statthaft (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28. April 2004 – B 2 U 21/03 R -, zitiert nach juris Rn. 24); das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 2 SGG ist hierbei zu bejahen. Nach der Systematik des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind in den Vorschriften, welche die Voraussetzungen der verschiedenen sozialen Rechte auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regeln (z.B. §§ 27 ff. SGB VII (Heilbehandlung) und §§ 45 ff. SGB VII (Verletztengeld)), nur die spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen einzelnen Arten von Leistungsrechten ausgestaltet. Demgegenüber sind die allgemeinen Rechtsvoraussetzungen, die für alle Leistungsrechte des SGB VII gleichermaßen gelten, nämlich die Regelungen über den Versicherungsfall und die ihm zuzurechnenden Unfallfolgen (§§ 7 bis 13 i.V.m. §§ 2 bis 6 SGB VII), vorab und einheitlich ausgestaltet. Ermächtigung und Anspruch betreffen daher auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind. Zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen gehören neben dem Versicherungsfall die (sog. unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden. Der Feststellung, ob und welche Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind, kommt eine über den einzelnen Leistungsanspruch hinausgehende rechtliche Bedeutung für den Träger und den Versicherten zu. Denn trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen setzen, wie bereits ausgeführt, alle Leistungsansprüche nach den §§ 26 ff. SGB VII als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall (iSd §§ 7 bis 13 SGB VII) und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden - bis hin zum Tod des Verletzten - voraus und begründen dafür die Verbandszuständigkeit nur eines bestimmten Trägers der Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 05. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – zitiert nach juris, Rn. 12, 17, 19 ff.). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse bestünde demgegenüber nicht, soweit die Feststellung von Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit begehrt wird. Dies wäre eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 55 Rn. 9), welche gegenüber der im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machenden Erstattung konkreter Behandlungskosten oder Zahlung von Verletztengeld subsidiär wäre (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 19 f.).

Die so verstandene Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 29. September 2005 ist in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2006 rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, soweit weitere Gesundheitserstschäden verneint werden.

Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Der Gesetzgeber bringt mit der wiederkehrenden Formulierung "infolge" – vgl. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1, 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII - das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls bzw. seiner Folgen mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und länger andauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 1.4, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit und des Unfallereignisses müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.).

Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass der Bandscheibenvorfall LWK 4/5 links mit massiver Wurzelkompression LWK 4 links mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (BSG, a.a.O., Rn. 16).

Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, a.a.O., Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann entgegen der Auffassung der Beklagten nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG, a.a.O., Rn. 19). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O., Rn. 20).

Dies zugrunde gelegt kann im Unfallereignis vom 24. August 2005 nicht eine wesentliche Ursache für den Bandscheibenvorfall LWK 4/5 links mit massiver Wurzelkompression LWK 4 links angenommen werden. Hierfür kann sich ohne Einschränkungen den Ausführungen von Dr. Lin dessen für die Beklagte erstellten Gutachten sowie Dr. B und Dr. W in deren im gerichtlichen Verfahren erstellten schriftlichen Sachverständigengutachten angeschlossen werden, welcher ihrer Beurteilung die wissenschaftlich gesicherte Annahme zugrunde gelegt haben, dass isolierte Bandscheibenverletzungen in Verbindung mit einem direkten Trauma als äußerst unwahrscheinlich anzusehen sind. Eben dies entspricht neben Schönberger et al, a.a.O., Kap. 8.3.2.6.3, S. 436 etwa auch den Ausführungen bei Thormann/ Schröter/ Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 1. Aufl. 2009, Kap. 8.2.3, S. 79 und Becher/ Ludolph, Grundlagen der ärztlichen Begutachtung, 1. Aufl. 2012, Kap. 8.2, S. 124. Bereits hiervon ausgehend kann die medizinisch-wissenschaftliche Richtigkeit der von den Sachverständigen zugrunde gelegten Prämisse nicht ernsthaft in Frage gestellt werden (so jedoch Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Januar 2011 – L 10 U 4302/09 –, zitiert nach juris Rn. 34, aufgehoben und zurückverwiesen vom BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 23/11 R -, zitiert nach juris).

Hiervon ausgehend hat insbesondere Dr. W plausibel und ohne Einschränkungen in Übereinstimmung mit dem aktuellen arbeitsmedizinischen Schrifttum ausgeführt, dass ein für die Schädigung einer gesunden Bandscheibe geeigneter Unfallmechanismus vorliegend nicht erkennbar ist. Er begründet dies in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 04. August 2011 überzeugend wie folgt: Es bestehen anatomische Besonderheiten darin, dass der Aufbau der Wirbelsäule gewährleistet, dass Stauchungsbelastungen bis zu einem bestimmten Ausmaß elastisch abgefedert werden. Um die Wirbelsegmente, in denen die Bandscheiben liegen, befinden sich passive (Bänder) und aktive (muskuläre) Stabilisatoren. Die Bandscheiben selbst enthalten einen Gallertkern und sind von einem straffen Faserring umgeben, so dass, wenn es zu einer Verletzung des Faserrings kommt, der Kern aus seinem Verbund heraustreten und sich etwa in Richtung Spinalkanal verlagern kann. Unter den Verletzungsmechanismen unterscheidet man zwischen direkten und indirekten bzw. kombinierten Schädigungen, wobei als wichtiges Erfahrungsprinzip gilt, dass aus biomechanischen Überlegungen heraus bei einer direkten Traumatisierung durch Sturz zunächst die schwächsten und erst nachrangig widerstandsfähigere Gewebestrukturen geschädigt werden. Dies bedeutet für die Wirbelsäule, dass ausgehend von einem gesunden Bandscheibengewebe dieses als letzten traumatisiert würde, weil es sog. viscoelastische Eigenschaften besitzt, welche äußeren Krafteinwirkungen wesentlich variabler widerstehen kann, wohingegen vor allem die knöchernen Strukturen durch ihrer Rigidität anfällig sind. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall unter Zugrundelegung der Unfallschilderung des Klägers, nämlich direkt auf die LWS gefallen zu sein, dass primär die umliegenden Weichteile bzw. Muskulatur sowie die Dornfortsätze betroffen waren. Hierdurch konnte die Bandscheibe nicht isoliert getroffen werden, weil sie durch die anatomischen Strukturen (vor allem knöcherner Wirbelkanal/ Dornfortsätze, Unterhautfettgewebe/ Muskulatur) geschützt war, so dass sich eine substanzielle äußere Kraft durch Mitverletzung der vorgenannten Gewebe hätte abbilden müssen. Demgegenüber fand sich bei der Erstuntersuchung hier gerade keine regionale Prellmarke in der Höhe der unteren LWS. Da die Kernspintomographie selbst kleinste Begleitverletzungen aufzudecken geeignet ist, kommt hier der MRT-Untersuchung vom 05. September 2005 wesentliche Bedeutung für die Entscheidungsfindung zu, ohne dass sich allerdings hierbei Hinweise auf eine Fraktur oder Bandläsion fanden.

Demgegenüber vermag der Sachverständige Z mit seinen Erwägungen zur Zusammenhangsfrage nicht zu überzeugen. Er lässt – worauf Dr. W zutreffend hinweist – eine wissenschaftliche Erörterung zur Biomechanik vermissen. Er stellt sich neben die als maßgeblich zugrunde zu legende ärztlich-wissenschaftliche Lehrmeinung, wohingegen Dres. L, Bund W eben diese ihren Schlussfolgen zugrunde legen, wonach ohne knöcherne oder bänderne Begleitverletzungen die Schadensanlage wesentlich ist. Hier ist noch einmal zu betonen, dass die unfallnahen radiologischen Untersuchungen, insbesondere das MRT vom 05. September 2005 in der Tat so, wie Dr. W seiner Kausalitätsbetrachtung zugrunde legt, keine entsprechenden Befunde erbrachten. Es ließen ich keine frischen ossären oder Bänderverletzungen verobjektivieren. Bei der klinischen Erstuntersuchung durch den Durchgangsarzt fand sich nicht einmal eine Prellmarke. Das nach Angaben des Klägers zwischenzeitlich aufgetretene Hämatom wäre hiernach nur als Ausdruck einer äußeren Unterhautverletzung zu verstehen. Soweit es durch den Sturz zum eigentlichen Bandscheibenvorfall gekommen sein mag, wurde dieser mithin nicht im Wesentlichen durch den Sturz, sondern nur bei dessen Gelegenheit ausgelöst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Revisionszulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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