Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 LW 6/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 LW 13/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 12/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die im Einzelfall entstehende "Doppelversicherung" in der Alterssicherung der Landwirte und in einem berufsständischen Versorgungswerk begründet keinen analogen Befreiungsgrund im Sinne des § 3 ALG. Es liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Februar 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch die Klage gegen den Bescheid vom 1. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2009 abgewiesen wird.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin als Ehegattin eines landwirtschaftlichen Unternehmers versicherungspflichtig ist und gegebenenfalls befreit werden kann.
Die 1959 geborene Klägerin ist mit dem Beigeladenen seit dem 13.02.1989 verheiratet und lebt mit ihm zusammen. Das Ehepaar hat 5 eigene Kinder und weitere Pflegekinder, darunter u.a. ein Kind, das seit seiner Geburt am 31.07.2006 in Vollzeitpflege betreut wird.
Die Klägerin ist als Rechtsanwältin seit 02.02.1996 Mitglied in der Rechtsanwaltskammer für den Bezirk des OLG München und damit kraft Gesetzes Pflichtmitglied im Versorgungssystem der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Aufgrund der Kindererziehungszeit wurde sie dort von Ende Juli 2006 bis Ende Juli 2009 von der Beitragspflicht freigestellt. Seit dem 30.07.2009 entrichtet die Klägerin einen monatlichen Pflichtbeitrag (Grundbeitrag) in Höhe von 214,90 EUR zur Versorgungskammer.
Ihr Ehemann bewirtschaftet seit 01.01.2008 ein landwirtschaftliches Unternehmen (Pensionspferdehaltung). Die Kindererziehungszeiten sind dem Ehemann zugerechnet. Er wurde deshalb ab 01.01.2008 von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) befreit.
Mit Bescheid vom 29.05.2008 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin zur Landwirtschaftlichen Alterskasse ab 01.01.2008 fest. Sie gelte als Ehegatte eines landwirtschaftlichen Unternehmers, der ein über der örtlichen Mindestgröße liegendes landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschafte, nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) selbst als Landwirtin. Der Beitrag betrage im Jahr 2008 mtl. 212 EUR.
Die Klägerin legte fristgerecht Widerspruch mit der Begründung ein, sie könne bei einem Einkommen unter 400 EUR monatlich nicht in zwei Alterssicherungssystemen Pflichtmitglied sein und Beiträge entrichten. Die Befreiung von der Versicherungspflicht in einem der beiden Alterssicherungssysteme erscheine ihr sachgerecht.
Die Beklagte erklärte in einem Schreiben vom 01.07.2008 (fälschlich 2007 angegeben), dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag nach § 3 ALG möglich sei, solange regelmäßiges Einkommen (ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft) bezogen werde, das jährlich 4.800 EUR überschreite. Als Nachweis könne nur der Einkommenssteuerbescheid anerkannt werden. Da die Pensionspferdehaltung steuerrechtlich unter Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft laufe, sei der ergangene Bescheid vom 29.05.2008 nicht zu beanstanden.
Die Bayerische Versorgungskammer erläuterte in einem Schreiben vom 23.09.2008, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk habe. Allerdings werde zugesichert, einem eventuellen Antrag auf Stundung der Beiträge stattzugeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Das Bundessozialgericht (BSG) wie auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hätten die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 3 ALG mehrfach bestätigt. Danach habe der Gesetzgeber alle Landwirtsehegatten unabhängig von einer tatsächlichen Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen in die Pflichtversicherung einbeziehen dürfen. Im Fall der Klägerin lägen auch die Befreiungsvoraussetzungen nicht vor. Wenn dadurch eine Doppelversicherung entstehe, so sei dies wegen des Teilsicherungscharakters der Alterssicherung der Landwirte nicht zu beanstanden. Der Widerspruchsausschuss kam daher zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nach § 1 Abs. 3 ALG versicherungspflichtig sei und eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht ausgesprochen werden könne.
Mit Klage vom 03.04.2009 beim Sozialgericht Augsburg (SG) hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. In ihrem Fall sei der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, alle Landwirtsehegatten in Anerkennung ihrer bestehenden sozialen Schutzbedürftigkeit in die Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte einzubeziehen, nicht einschlägig. Sie sei unternehmerisch tätig und deshalb Pflichtmitglied in der Bayerischen Versorgungskammer. Neben der Kinderbetreuung könne sie kein Einkommen in nennenswerter Höhe erzielen; den befreiungsrelevanten Betrag werde sie auch in absehbarerer Zeit nicht erreichen. Die Doppelversicherung zwinge ihr zwei Pflichtversicherungen auf, berücksichtige jedoch nicht ihre Leistungsfähigkeit und nehme ihr die Möglichkeit einer privaten Altersvorsorge. Weder benötige sie den Sicherungsschutz der AdL, noch lege sie Wert auf die Alterssicherung durch die Beklagte. Im Übrigen knüpfe hier die Doppelversicherung allein an die landwirtschaftliche Tätigkeit ihres Ehegatten an. Für die Fiktion, dass sie als Ehegatte Unternehmerin sei, gebe es keinen Grund. Die Belastung durch die Beitragspflicht zur berufsständischen Versorgung - mtl. 214,90 EUR - werde außer Acht gelassen. Der Gleichheitssatz sei verletzt. Angehörige der freien Berufe würden gegenüber abhängig Beschäftigten benachteiligt. Letztere würden der Rentenversicherungspflicht erst bei einem Verdienst über 400 EUR/Monat unterliegen und könnten dann auch auf Antrag befreit werden. Die Befreiungsregelung müsse auch in ihrem Fall angewendet werden.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 09.12.2003 (1 BvR 558/99) ausgeführt, dass die Befreiungsmöglichkeiten grundsätzlich eine anderweitig bestehende Versicherungspflicht voraussetzen würden.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Pflichtmitgliedschaft in der AdL nicht gegenüber einer anderswo bestehenden Versicherungspflicht subsidiär sei. Einer geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Landwirtsehegatten werde durch die Möglichkeit von Beitragszuschüssen nach § 32 ALG Rechnung getragen. Dies sei im Falle der Klägerin erfolgt. Von Januar 2008 bis Januar 2010 habe die Klägerin für angefallene Pflichtbeiträge in Höhe von 5.360 EUR auf ihren Antrag vom 01.06.2008 laufend Zuschüsse in Höhe von bisher insgesamt 3.211 EUR erhalten. Damit habe sie tatsächlich Beiträge in Höhe von 2.149 EUR (40% der Pflichtbeiträge) selbst getragen. Es treffe damit nicht zu, dass die AdL die Leistungsfähigkeit der Klägerin unberücksichtigt lasse. Die Zuschüsse würden weiterhin in Höhe von 60 % von der Beklagten geleistet, solange sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht ändern sollten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.02.2011 abgewiesen.
Die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass der Klägerin im streitigen Zeitraum kein Befreiungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG zustehe. Die Versicherungspflicht als Ehegatte eines Landwirts sei verfassungsgemäß. Auch die "Doppelversicherung" sei nicht zu beanstanden. Dies ergebe sich aus dem Teilsicherungscharakter der landwirtschaftlichen Alterssicherung. Für den Fall der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltsversorgung sehe das Gesetz keine Befreiungsmöglichkeit vor. Es sei keine durch Auslegung zu füllende planwidrige Lücke gegeben. Wegen der Zuschussleistungen nach § 32 ALG seien der Klägerin keine wirtschaftlichen Nachteile entstanden.
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) liege nicht vor. Es sei aufgrund der gesetzgeberischen Intention, die Alterssicherung der in der Landwirtschaft tätigen Personen zu stärken, zulässig gewesen, pauschal alle landwirtschaftlichen Unternehmer und deren Ehegatten in die AdL einzubeziehen. Zum anderen ergebe sich ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung aufgrund der Zugangsvoraussetzungen zur gesetzlichen Alterssicherung sowie zur berufsständischen Altersversorgung.
Gegen das am 23.02.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.03.2011 Berufung eingelegt. Sie habe eine Unternehmerstellung als Rechtsanwältin, die sich in einer Pflichtmitgliedschaft niederschlage; für eine fiktive Betrachtungsweise, wonach sie landwirtschaftliche Unternehmerin sei, bleibe kein Raum.
Es sei eine Gesetzeslücke gegeben, die durch Auslegung so zu schließen sei, dass sie als Pflichtmitglied im Versorgungssystem der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung zu befreien sei. Andernfalls sehe sie eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht veranlasst. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Für die Angehörigen der freien Berufe sei die Anknüpfung an die Geringfügigkeitsgrenze ungeeignet. Ein abhängig beschäftigter Landwirt könne bei einem Verdienst von 401 EUR mtl. die Befreiungsmöglichkeit in Anspruch nehmen, obwohl er damit nicht die Höhe der Rentenanwartschaften erwerbe, die die Klägerin mit ihren Pflichtbeiträgen in der Versorgungskammer erwerbe. Die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungskammer biete eine eigene soziale Pflichtversicherung. Eine Schutzbedürftigkeit, auf die die Pflichtversicherung in der AdL abstelle, liege daher bei ihr nicht vor. Auch sei zu berücksichtigen, dass sie für ein Einkommen von über 400 EUR mtl. mehr als Doppelte einnehmen müsste. Die Intention des Gesetzgebers, die AdL durch Einbeziehung der Landwirtsgatten finanziell zu stabilisieren, dürfe nicht dazu führen, dass ihr eine Befreiung versagt bleibe. Diesem Gesichtspunkt sei keine Priorität eingeräumt worden
Zuletzt hat die Klägerin noch eine e-mail des Finanzamts L. vom 03.09.2012 vorgelegt. Eine elektronische Übermittlung der Anlage AV zur Steuererklärung sei nicht möglich, weil sie unter Angabe ihrer Mitgliedsnummer bei der landwirtschaftlichen Alterskasse Einkünfte eintragen müsse. Auch die private Altersvorsorge sei ihr für die Zeit ab 2008 zurückgebucht worden. Diese Probleme ergäben sich dadurch, dass sie in zwei Rentenversicherungen pflichtversichert sei und keine Einkünfte habe.
Mit Beschluss vom 03.02.2012 ist der Ehemann der Klägerin zum Verfahren notwendig beigeladen worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Februar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2008 sowie den Bescheid vom 1. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie ab 1. Januar 2008 von der Versicherungspflicht zu befreien.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte sieht keine Gesetzlücke in den Befreiungsregelungen, die durch Auslegung geschlossen werden könnte. Die einschlägigen Bestimmungen seien in ihrem Wortlaut eindeutig. Dies ergebe sich auch aus der Historie des Gesetzgebungsverfahrens. Nach dem bis zum 31.12.1994 geltenden § 14 Abs. 2 Buchst. c GAL seien landwirtschaftliche Unternehmer auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien gewesen, wenn sie die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI genannten Voraussetzungen erfüllten. Nach damaligem Recht sei die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer und einem berufsständischen Versorgungswerk ein Befreiungstatbestand gewesen. Durch § 3 Abs. 1 ALG seien die Regelungen über die Befreiung erheblich geändert worden. Maßgeblich sei nunmehr die Erzielung von außerlandwirtschaftlichem Einkommen in der vom Gesetz vorgegebenen Höhe. Davon sei der Gesetzgeber trotz mehrfacher Änderungen seitdem nicht abgewichen. Es liege eine bewusste Abkehr von der früheren Regelung des GAL vor.
Die Tatsache, dass der streitgegenständliche Sachverhalt in anderen Rechtsbereichen nicht die gewünschten Folgen habe, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidungen bzw. Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Rechtsvorschriften.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akten des gerichtlichen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung und die Klage gegen den Bescheid vom 01.07.2008 sind zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand ist nicht nur der Bescheid vom 29.05.2008 über den Beginn der Versicherungspflicht bzw. der Beitragspflicht, sondern auch der Bescheid vom 01.07.2008. Mit dem Widerspruch hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie unter 400 EUR mtl. verdient und zugleich eine Befreiung von der Versicherungspflicht in einem der Alterssicherungssysteme für sachgerecht gehalten. Darin liegt konkludent ein Antrag auf Befreiung.
Insoweit handelt es sich bei dem Schreiben vom 01.07.2008 um einen Bescheid über die Ablehnung eines Befreiungsantrags. Zwar fehlt dem betreffenden Schreiben - als typisches Merkmal eines Verwaltungsakts - eine Rechtsbehelfsbelehrung und die Bezeichnung als Bescheid. Nach dem objektiven Sinngehalt der darin enthaltenen Erklärung aus der Sicht eines verständigen Empfängers enthält das Schreiben jedoch eine Regelung (§ 31 Satz 1 SGB X), weil der Klägerin sinngemäß mitgeteilt wird, dass eine Befreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG nicht in Betracht kommt. Dies sei nur bei außerlandwirtschaftlichem Einkommen von jährlich über 4.800 EUR möglich; steuerrechtlich sei bei ihr nur Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft nachgewiesen.
Das Schreiben ist entsprechend § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden. Der Widerspruchsbescheid bezieht sich zwar formal nur auf den Bescheid vom 29.05.2008; er fasst aber unter dem Punkt "Rechtsfolgen" als Ergebnis zusammen, dass die Klägerin versicherungspflichtig sei und eine Befreiung nicht ausgesprochen werden könne. Sowohl in der Argumentation der Klägerin als auch in der Darstellung der Beklagten werden jeweils beide Aspekte (Versicherungspflicht und Befreiung) nach außen erkennbar behandelt. Eine weitere Entscheidung der Beklagten ist daher nicht notwendig.
Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Senat ist auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Normen überzeugt. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in Betracht.
Die Klägerin ist als - nicht getrennt lebende - Ehegattin eines Landwirts, dessen landwirtschaftlicher Betrieb die Mindestgröße überschreitet, nach § 1 Abs. 3 ALG versicherungspflichtig.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in der Entscheidung vom 09. Dezember 2003 (1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96, veröffentlicht auch in juris) die Einbeziehung von Ehegatten von Landwirten in die Alterssicherung für Landwirte durch § 1 Abs. 3 ALG für verfassungsgemäß gehalten. Dieser Ansicht folgt der Senat.
Der Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit wird durch den Zweck der eigenständigen Sicherung der Frau gerechtfertigt. Die Ehegattenversicherung beruht dabei auf einer gesetzlichen Fiktion. Auf eine tatsächliche Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen kommt es nach § 1 Abs. 3 ALG nicht an (vgl. BVerfG vom 09.12.2003 - 1 BvR 558/99 - juris Rn. 43f, 48; BSG - B 10 LW 40/00 , a.a.O., juris Rn. 19 mwN; BSGE 81, 294, 295f, BSGE 83, 145). Die Einbeziehung der Ehegatten von Landwirten in die Versicherungspflicht war geeignet, einen wirksamen Beitrag zur Alterssicherung dieses Personenkreises zu leisten. Der Gesetzgeber durfte annehmen, dass das bisherige Recht die Bäuerinnen nicht ausreichend absicherte. Außerdem war die Einbeziehung der Ehegatten auch unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung einer funktionsfähigen Alterssicherung in der Landwirtschaft geeignet und erforderlich. Dabei durfte sich der Gesetzgeber am Regelfall orientieren und unter Zugrundelegung eines Konzepts der Typisierung und Generalisierung alle Ehegatten für schutzbedürftig halten (s. dazu im Einzelnen BVerfG, aaO, juris Rn. 48ff).
Wegen dieser zulässigen Generalisierung kommt es gerade nicht darauf an, ob die Stellung der Klägerin im konkreten Fall von der als typisch angenommenen Gestaltung der mitarbeitenden Landwirtsgattin abweicht. Dass sich die Klägerin selbst nicht als Landwirtin sondern als "Unternehmerin" auf einem anderen Berufsfeld begreift, ist nicht erheblich. Die von der Klägerin zitierte Gesetzesbegründung BTDrucks 12/5700 S. 69 (" ...Die Bäuerin werde fiktiv wie ein Landwirt versichert, weil sie unter Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtung regelmäßig keine Unternehmerstellung habe") steht dem nicht entgegen.
Unerheblich ist ebenso, dass der Ehegatte als versicherungspflichtiger landwirtschaftlicher Unternehmer (§ 1 Abs. 1, 2 ALG) selbst befreit ist. Das vom Gesetzgeber angenommene Schutzbedürfnis für den Ehegatten entfällt dadurch nicht.
Die Beitragsbelastung der Klägerin ist nicht unzumutbar. Der Einkommenssituation der Ehegatten wird durch die steuerfinanzierten Beitragszuschüsse nach § 32 ALG Rechnung getragen.
Bei der Beitragsbelastung ist auch zu berücksichtigen, dass die Beiträge nicht verloren sind (vgl. BSG, Urteil v. 25.11.1998 - B 10 LW 10/97 R, BSGE 83, 145, juris Rn.28; Urteil v. 12.02.1998). Der Beitragslast entsprechen - unter möglichen Umständen - Gegenleistungen der Alterkassen, insbesondere die mit einer verhältnismäßig guten Rendite ausgestattete Altersrente (vgl. BVerfG, 1 BvR 558/99; s. auch BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 246/01, juris Rn.15). Der Rentenanspruch entsteht bereits nach 15 Jahren; eine vergleichbare private Versorgung kann in diesem Zeitraum nicht aufgebaut werden (vgl. BVerfGE 109, 96, 118; BVerfGK 3, 213).
Insoweit hilft auch das Argument der Klägerin, ihr bleibe wegen der Beitragslasten zu wenig Raum für private Vorsorge, nicht weiter. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine private Vorsorge gegenüber der Absicherung des Altersrisikos in der Sozialversicherung grundsätzlich eine geringere Versorgungssicherheit aufweist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01. März 2004, 1 BvR 2099/03, juris Rn. 17).
Auch das Bestehen einer Doppelversicherung ist als solches nicht systemwidrig oder gleichheitswidrig.
Ein Rechtgrundsatz des Inhalts, dass Konkurrenzen von Versicherungspflichttatbeständen durch eine Vorrangregelung im Sinne eines Ausschlusses von Doppelversicherungen zu lösen wäre, ist mit der Systematik des ALG unvereinbar; gäbe es einen solchen Grundsatz, dann bedürfte es nicht der Befreiungsregelungen in § 3 ALG (vgl. BSG, Urteil vom 25.07.2002 - B 10 LW 12/01 R, juris Rn. 16).
In vielen Fällen soll mit den Befreiungsmöglichkeiten zwar das Entstehen einer doppelten Beitragslast vermieden werden. Der Gesetzgeber hat es mit dem Antragserfordernis den Betroffenen aber anheimgestellt, den Befreiungstatbestand selbst geltend zu machen. Auch bei der Befreiung wegen Überschreitens des Grenzwerts (außerlandwirtschaftliche Einkünfte über 4.800 EUR jährlich) nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG handelt es sich nur um ein Angebot des Gesetzgebers, eine mögliche doppelte Beitragslast zur gesetzlichen Alterssicherung zu vermeiden (BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, juris Rn. 18). Die Doppelversicherung ist daher eine vom Gesetzgeber gewollte Gestaltungsmöglichkeit.
Dies entspricht auch dem Charakter der AdL als Teilabsicherung; daneben können und sollen auch anderweitig Anwartschaften oder Vermögen zum Zweck der Alterssicherung aufgebaut werden (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, vom 25.07.2002 - B 10 LW 12/01 R).
Die Klägerin kann nach Ansicht des Senats auch keinen Erfolg haben, soweit sie eine analoge Anwendung der Befreiungsregelungen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG) fordert.
Eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG auf den Fall einer bestehenden Pflichtversicherung bei Ausübung eines freien Berufs - unabhängig von der Höhe des erzielten Einkommens - kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts und mangels bestehender Regelungslücke nicht in Betracht. Eine Regelungslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (vgl. BSG SozR 3-2600 § 34 Nr. 3 S 23 mwN).
Hierzu hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Entstehungsgeschichte der Norm eine klare Abkehr von der Befreiungsmöglichkeit in Anknüpfung an § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk) zeigt. Der Gesetzgeber hat den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG seit 1995 mehrfach angepasst, ohne davon abzurücken, dass Einkommen in bestimmter Höhe erzielt werden muss. Der Grenzwert knüpft gerade nicht an eine bestehende anderweitige gleichwertige Sicherung oder Zugehörigkeit zu einem anderen Sicherungssystem an. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG normiert vier Befreiungstatbestände (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, juris Rn. 19f); nur der erste Befreiungstatbestand (Arbeitsentgelt) stimmte (bis 31.12.2012) mit der Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung überein (vgl. Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der Fassung bis zum 31.12.2012). Für die übrigen Befreiungstatbestände ist der Betrag von 4.800 EUR nur ein gegriffener, grundsätzlich dynamisierungsfähiger Nominalbetrag; das Arbeitseinkommen eines Selbständigen führt in der Regel nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Wie das BSG mehrfach entschieden hat (vgl. Urteil vom 25.07.2002 - B 10 LW 12/01 R, juris Rn. 14; Beschluss vom 20.01.2009 - B 10 LW 9/08 B juris Rn. 6), besteht nach dem ALG ein differenziertes System von Regel und Ausnahme, das grundsätzlich keiner gesetzesergänzenden, lückenschließenden Auslegung zugänglich ist. Dies gilt auch hier.
Der Senat sieht keinen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 1 GG darin, dass die anderweitige Versicherungspflicht der Klägerin - bei einem Einkommen von jährlich unter 4.800 EUR - keine Befreiung ermöglicht.
Bei dem Grenzwert von 4.800 EUR jährlich handelt es sich um eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gegriffene Größe (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, juris Rn. 16, 19), bei der der Gesetzgeber pauschal davon ausgehen durfte, dass unterhalb dieser Größe eine ausreichende anderweitige Absicherung (wegen fehlender Mittel) nicht erreicht werden kann und daher Schutzbedürftigkeit vorliegt. Es handelt sich um ein grundsätzlich sachgerechtes - typisierendes - Differenzierungskriterium, ohne dass das Vorhandensein einer anderweitigen Absicherung, deren Beitragshöhe, Rendite und Risiko aufwändig überprüft werden muss oder Vergleichsberechnungen durchzuführen sind. Angesichts der Vielgestaltigkeit von Altersabsicherungen und Versorgungsmöglichkeiten auf dem Markt durfte der Gesetzgeber bei einem zur Verfügung stehenden Einkommen von bis zu 4.800 EUR jährlich davon absehen, die Schutzwürdigkeit im Fall anderweitiger Absicherungen - wie die in einer berufsständischen Kammer oder Versorgungswerk - pauschal oder im Einzelfall zu bewerten.
Hier sieht die Satzung der Rechtsanwaltsversorgung einen relativ hohen Mindestbeitrag (vgl. § 19 der Satzung; Grundbeitrag: ein Fünftel des Höchstbeitrags, im Jahr 2009: 214,90 EUR) vor und daher mag sogar bei einem Einkommen unter dem Grenzbetrag eine höhere Rentenanwartschaft als in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden. Die genaue Höhe der Anwartschaften oder späteren Rente würde aber eine Ermittlung der individuellen Verhältnisse (Eintrittsalter in die Versicherung, Dauer der Befreiung, Kenntnis der Verrentungstabelle, tatsächliche Beitragszahlung etc.) voraussetzen. Der Gesetzgeber hat sich für ein anderes Konzept entschieden; dies liegt in seinem
Gestaltungsspielraum.
Eine Benachteiligung sämtlicher Angehöriger der freien Berufe durch die Befreiungsregelungen ist nicht ersichtlich. Für sie gelten vielmehr die Befreiungsregelungen genauso wie für Angehörige anderer Berufe. Wird durch die Ausübung des freien Berufs die Einkommensgrenze des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG überschritten, so können sie auf Antrag befreit werden. Wird wegen Kindererziehung kein Einkommen erzielt, so kommt ggf. auch eine Befreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ALG in Betracht.
Es ist sicherlich auch nicht der Regelfall, dass eine Berufszugehörigkeit (mit hohen Abgaben) aufrechterhalten wird, obwohl absehbar nur eine Tätigkeit in geringfügigem Rahmen möglich ist. Der Gesetzgeber musste nicht in dem Regelungssystem der AdL berücksichtigen, dass Versicherte wegen eingeschränkter zeitlicher Verfügbarkeit Schwierigkeiten haben, den Mindestbetrag einer anderweitigen berufsständischen Versicherung zu erwirtschaften. Dies ist im dortigen Versicherungssystem bzw. über Sonderregelungen (etwa wegen der Kindererziehung) zu lösen; insoweit steht auch ein Stundungsangebot im Raum.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin als Ehegattin eines landwirtschaftlichen Unternehmers versicherungspflichtig ist und gegebenenfalls befreit werden kann.
Die 1959 geborene Klägerin ist mit dem Beigeladenen seit dem 13.02.1989 verheiratet und lebt mit ihm zusammen. Das Ehepaar hat 5 eigene Kinder und weitere Pflegekinder, darunter u.a. ein Kind, das seit seiner Geburt am 31.07.2006 in Vollzeitpflege betreut wird.
Die Klägerin ist als Rechtsanwältin seit 02.02.1996 Mitglied in der Rechtsanwaltskammer für den Bezirk des OLG München und damit kraft Gesetzes Pflichtmitglied im Versorgungssystem der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Aufgrund der Kindererziehungszeit wurde sie dort von Ende Juli 2006 bis Ende Juli 2009 von der Beitragspflicht freigestellt. Seit dem 30.07.2009 entrichtet die Klägerin einen monatlichen Pflichtbeitrag (Grundbeitrag) in Höhe von 214,90 EUR zur Versorgungskammer.
Ihr Ehemann bewirtschaftet seit 01.01.2008 ein landwirtschaftliches Unternehmen (Pensionspferdehaltung). Die Kindererziehungszeiten sind dem Ehemann zugerechnet. Er wurde deshalb ab 01.01.2008 von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte (AdL) befreit.
Mit Bescheid vom 29.05.2008 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin zur Landwirtschaftlichen Alterskasse ab 01.01.2008 fest. Sie gelte als Ehegatte eines landwirtschaftlichen Unternehmers, der ein über der örtlichen Mindestgröße liegendes landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschafte, nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) selbst als Landwirtin. Der Beitrag betrage im Jahr 2008 mtl. 212 EUR.
Die Klägerin legte fristgerecht Widerspruch mit der Begründung ein, sie könne bei einem Einkommen unter 400 EUR monatlich nicht in zwei Alterssicherungssystemen Pflichtmitglied sein und Beiträge entrichten. Die Befreiung von der Versicherungspflicht in einem der beiden Alterssicherungssysteme erscheine ihr sachgerecht.
Die Beklagte erklärte in einem Schreiben vom 01.07.2008 (fälschlich 2007 angegeben), dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag nach § 3 ALG möglich sei, solange regelmäßiges Einkommen (ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft) bezogen werde, das jährlich 4.800 EUR überschreite. Als Nachweis könne nur der Einkommenssteuerbescheid anerkannt werden. Da die Pensionspferdehaltung steuerrechtlich unter Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft laufe, sei der ergangene Bescheid vom 29.05.2008 nicht zu beanstanden.
Die Bayerische Versorgungskammer erläuterte in einem Schreiben vom 23.09.2008, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk habe. Allerdings werde zugesichert, einem eventuellen Antrag auf Stundung der Beiträge stattzugeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Das Bundessozialgericht (BSG) wie auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hätten die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 3 ALG mehrfach bestätigt. Danach habe der Gesetzgeber alle Landwirtsehegatten unabhängig von einer tatsächlichen Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen in die Pflichtversicherung einbeziehen dürfen. Im Fall der Klägerin lägen auch die Befreiungsvoraussetzungen nicht vor. Wenn dadurch eine Doppelversicherung entstehe, so sei dies wegen des Teilsicherungscharakters der Alterssicherung der Landwirte nicht zu beanstanden. Der Widerspruchsausschuss kam daher zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nach § 1 Abs. 3 ALG versicherungspflichtig sei und eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht ausgesprochen werden könne.
Mit Klage vom 03.04.2009 beim Sozialgericht Augsburg (SG) hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. In ihrem Fall sei der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, alle Landwirtsehegatten in Anerkennung ihrer bestehenden sozialen Schutzbedürftigkeit in die Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte einzubeziehen, nicht einschlägig. Sie sei unternehmerisch tätig und deshalb Pflichtmitglied in der Bayerischen Versorgungskammer. Neben der Kinderbetreuung könne sie kein Einkommen in nennenswerter Höhe erzielen; den befreiungsrelevanten Betrag werde sie auch in absehbarerer Zeit nicht erreichen. Die Doppelversicherung zwinge ihr zwei Pflichtversicherungen auf, berücksichtige jedoch nicht ihre Leistungsfähigkeit und nehme ihr die Möglichkeit einer privaten Altersvorsorge. Weder benötige sie den Sicherungsschutz der AdL, noch lege sie Wert auf die Alterssicherung durch die Beklagte. Im Übrigen knüpfe hier die Doppelversicherung allein an die landwirtschaftliche Tätigkeit ihres Ehegatten an. Für die Fiktion, dass sie als Ehegatte Unternehmerin sei, gebe es keinen Grund. Die Belastung durch die Beitragspflicht zur berufsständischen Versorgung - mtl. 214,90 EUR - werde außer Acht gelassen. Der Gleichheitssatz sei verletzt. Angehörige der freien Berufe würden gegenüber abhängig Beschäftigten benachteiligt. Letztere würden der Rentenversicherungspflicht erst bei einem Verdienst über 400 EUR/Monat unterliegen und könnten dann auch auf Antrag befreit werden. Die Befreiungsregelung müsse auch in ihrem Fall angewendet werden.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 09.12.2003 (1 BvR 558/99) ausgeführt, dass die Befreiungsmöglichkeiten grundsätzlich eine anderweitig bestehende Versicherungspflicht voraussetzen würden.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Pflichtmitgliedschaft in der AdL nicht gegenüber einer anderswo bestehenden Versicherungspflicht subsidiär sei. Einer geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Landwirtsehegatten werde durch die Möglichkeit von Beitragszuschüssen nach § 32 ALG Rechnung getragen. Dies sei im Falle der Klägerin erfolgt. Von Januar 2008 bis Januar 2010 habe die Klägerin für angefallene Pflichtbeiträge in Höhe von 5.360 EUR auf ihren Antrag vom 01.06.2008 laufend Zuschüsse in Höhe von bisher insgesamt 3.211 EUR erhalten. Damit habe sie tatsächlich Beiträge in Höhe von 2.149 EUR (40% der Pflichtbeiträge) selbst getragen. Es treffe damit nicht zu, dass die AdL die Leistungsfähigkeit der Klägerin unberücksichtigt lasse. Die Zuschüsse würden weiterhin in Höhe von 60 % von der Beklagten geleistet, solange sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht ändern sollten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.02.2011 abgewiesen.
Die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass der Klägerin im streitigen Zeitraum kein Befreiungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG zustehe. Die Versicherungspflicht als Ehegatte eines Landwirts sei verfassungsgemäß. Auch die "Doppelversicherung" sei nicht zu beanstanden. Dies ergebe sich aus dem Teilsicherungscharakter der landwirtschaftlichen Alterssicherung. Für den Fall der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltsversorgung sehe das Gesetz keine Befreiungsmöglichkeit vor. Es sei keine durch Auslegung zu füllende planwidrige Lücke gegeben. Wegen der Zuschussleistungen nach § 32 ALG seien der Klägerin keine wirtschaftlichen Nachteile entstanden.
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) liege nicht vor. Es sei aufgrund der gesetzgeberischen Intention, die Alterssicherung der in der Landwirtschaft tätigen Personen zu stärken, zulässig gewesen, pauschal alle landwirtschaftlichen Unternehmer und deren Ehegatten in die AdL einzubeziehen. Zum anderen ergebe sich ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung aufgrund der Zugangsvoraussetzungen zur gesetzlichen Alterssicherung sowie zur berufsständischen Altersversorgung.
Gegen das am 23.02.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.03.2011 Berufung eingelegt. Sie habe eine Unternehmerstellung als Rechtsanwältin, die sich in einer Pflichtmitgliedschaft niederschlage; für eine fiktive Betrachtungsweise, wonach sie landwirtschaftliche Unternehmerin sei, bleibe kein Raum.
Es sei eine Gesetzeslücke gegeben, die durch Auslegung so zu schließen sei, dass sie als Pflichtmitglied im Versorgungssystem der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung zu befreien sei. Andernfalls sehe sie eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht veranlasst. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Für die Angehörigen der freien Berufe sei die Anknüpfung an die Geringfügigkeitsgrenze ungeeignet. Ein abhängig beschäftigter Landwirt könne bei einem Verdienst von 401 EUR mtl. die Befreiungsmöglichkeit in Anspruch nehmen, obwohl er damit nicht die Höhe der Rentenanwartschaften erwerbe, die die Klägerin mit ihren Pflichtbeiträgen in der Versorgungskammer erwerbe. Die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungskammer biete eine eigene soziale Pflichtversicherung. Eine Schutzbedürftigkeit, auf die die Pflichtversicherung in der AdL abstelle, liege daher bei ihr nicht vor. Auch sei zu berücksichtigen, dass sie für ein Einkommen von über 400 EUR mtl. mehr als Doppelte einnehmen müsste. Die Intention des Gesetzgebers, die AdL durch Einbeziehung der Landwirtsgatten finanziell zu stabilisieren, dürfe nicht dazu führen, dass ihr eine Befreiung versagt bleibe. Diesem Gesichtspunkt sei keine Priorität eingeräumt worden
Zuletzt hat die Klägerin noch eine e-mail des Finanzamts L. vom 03.09.2012 vorgelegt. Eine elektronische Übermittlung der Anlage AV zur Steuererklärung sei nicht möglich, weil sie unter Angabe ihrer Mitgliedsnummer bei der landwirtschaftlichen Alterskasse Einkünfte eintragen müsse. Auch die private Altersvorsorge sei ihr für die Zeit ab 2008 zurückgebucht worden. Diese Probleme ergäben sich dadurch, dass sie in zwei Rentenversicherungen pflichtversichert sei und keine Einkünfte habe.
Mit Beschluss vom 03.02.2012 ist der Ehemann der Klägerin zum Verfahren notwendig beigeladen worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Februar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2008 sowie den Bescheid vom 1. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie ab 1. Januar 2008 von der Versicherungspflicht zu befreien.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte sieht keine Gesetzlücke in den Befreiungsregelungen, die durch Auslegung geschlossen werden könnte. Die einschlägigen Bestimmungen seien in ihrem Wortlaut eindeutig. Dies ergebe sich auch aus der Historie des Gesetzgebungsverfahrens. Nach dem bis zum 31.12.1994 geltenden § 14 Abs. 2 Buchst. c GAL seien landwirtschaftliche Unternehmer auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien gewesen, wenn sie die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI genannten Voraussetzungen erfüllten. Nach damaligem Recht sei die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer und einem berufsständischen Versorgungswerk ein Befreiungstatbestand gewesen. Durch § 3 Abs. 1 ALG seien die Regelungen über die Befreiung erheblich geändert worden. Maßgeblich sei nunmehr die Erzielung von außerlandwirtschaftlichem Einkommen in der vom Gesetz vorgegebenen Höhe. Davon sei der Gesetzgeber trotz mehrfacher Änderungen seitdem nicht abgewichen. Es liege eine bewusste Abkehr von der früheren Regelung des GAL vor.
Die Tatsache, dass der streitgegenständliche Sachverhalt in anderen Rechtsbereichen nicht die gewünschten Folgen habe, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidungen bzw. Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Rechtsvorschriften.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akten des gerichtlichen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung und die Klage gegen den Bescheid vom 01.07.2008 sind zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand ist nicht nur der Bescheid vom 29.05.2008 über den Beginn der Versicherungspflicht bzw. der Beitragspflicht, sondern auch der Bescheid vom 01.07.2008. Mit dem Widerspruch hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie unter 400 EUR mtl. verdient und zugleich eine Befreiung von der Versicherungspflicht in einem der Alterssicherungssysteme für sachgerecht gehalten. Darin liegt konkludent ein Antrag auf Befreiung.
Insoweit handelt es sich bei dem Schreiben vom 01.07.2008 um einen Bescheid über die Ablehnung eines Befreiungsantrags. Zwar fehlt dem betreffenden Schreiben - als typisches Merkmal eines Verwaltungsakts - eine Rechtsbehelfsbelehrung und die Bezeichnung als Bescheid. Nach dem objektiven Sinngehalt der darin enthaltenen Erklärung aus der Sicht eines verständigen Empfängers enthält das Schreiben jedoch eine Regelung (§ 31 Satz 1 SGB X), weil der Klägerin sinngemäß mitgeteilt wird, dass eine Befreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG nicht in Betracht kommt. Dies sei nur bei außerlandwirtschaftlichem Einkommen von jährlich über 4.800 EUR möglich; steuerrechtlich sei bei ihr nur Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft nachgewiesen.
Das Schreiben ist entsprechend § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden. Der Widerspruchsbescheid bezieht sich zwar formal nur auf den Bescheid vom 29.05.2008; er fasst aber unter dem Punkt "Rechtsfolgen" als Ergebnis zusammen, dass die Klägerin versicherungspflichtig sei und eine Befreiung nicht ausgesprochen werden könne. Sowohl in der Argumentation der Klägerin als auch in der Darstellung der Beklagten werden jeweils beide Aspekte (Versicherungspflicht und Befreiung) nach außen erkennbar behandelt. Eine weitere Entscheidung der Beklagten ist daher nicht notwendig.
Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Senat ist auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Normen überzeugt. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in Betracht.
Die Klägerin ist als - nicht getrennt lebende - Ehegattin eines Landwirts, dessen landwirtschaftlicher Betrieb die Mindestgröße überschreitet, nach § 1 Abs. 3 ALG versicherungspflichtig.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in der Entscheidung vom 09. Dezember 2003 (1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96, veröffentlicht auch in juris) die Einbeziehung von Ehegatten von Landwirten in die Alterssicherung für Landwirte durch § 1 Abs. 3 ALG für verfassungsgemäß gehalten. Dieser Ansicht folgt der Senat.
Der Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit wird durch den Zweck der eigenständigen Sicherung der Frau gerechtfertigt. Die Ehegattenversicherung beruht dabei auf einer gesetzlichen Fiktion. Auf eine tatsächliche Mitarbeit im landwirtschaftlichen Unternehmen kommt es nach § 1 Abs. 3 ALG nicht an (vgl. BVerfG vom 09.12.2003 - 1 BvR 558/99 - juris Rn. 43f, 48; BSG - B 10 LW 40/00 , a.a.O., juris Rn. 19 mwN; BSGE 81, 294, 295f, BSGE 83, 145). Die Einbeziehung der Ehegatten von Landwirten in die Versicherungspflicht war geeignet, einen wirksamen Beitrag zur Alterssicherung dieses Personenkreises zu leisten. Der Gesetzgeber durfte annehmen, dass das bisherige Recht die Bäuerinnen nicht ausreichend absicherte. Außerdem war die Einbeziehung der Ehegatten auch unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung einer funktionsfähigen Alterssicherung in der Landwirtschaft geeignet und erforderlich. Dabei durfte sich der Gesetzgeber am Regelfall orientieren und unter Zugrundelegung eines Konzepts der Typisierung und Generalisierung alle Ehegatten für schutzbedürftig halten (s. dazu im Einzelnen BVerfG, aaO, juris Rn. 48ff).
Wegen dieser zulässigen Generalisierung kommt es gerade nicht darauf an, ob die Stellung der Klägerin im konkreten Fall von der als typisch angenommenen Gestaltung der mitarbeitenden Landwirtsgattin abweicht. Dass sich die Klägerin selbst nicht als Landwirtin sondern als "Unternehmerin" auf einem anderen Berufsfeld begreift, ist nicht erheblich. Die von der Klägerin zitierte Gesetzesbegründung BTDrucks 12/5700 S. 69 (" ...Die Bäuerin werde fiktiv wie ein Landwirt versichert, weil sie unter Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtung regelmäßig keine Unternehmerstellung habe") steht dem nicht entgegen.
Unerheblich ist ebenso, dass der Ehegatte als versicherungspflichtiger landwirtschaftlicher Unternehmer (§ 1 Abs. 1, 2 ALG) selbst befreit ist. Das vom Gesetzgeber angenommene Schutzbedürfnis für den Ehegatten entfällt dadurch nicht.
Die Beitragsbelastung der Klägerin ist nicht unzumutbar. Der Einkommenssituation der Ehegatten wird durch die steuerfinanzierten Beitragszuschüsse nach § 32 ALG Rechnung getragen.
Bei der Beitragsbelastung ist auch zu berücksichtigen, dass die Beiträge nicht verloren sind (vgl. BSG, Urteil v. 25.11.1998 - B 10 LW 10/97 R, BSGE 83, 145, juris Rn.28; Urteil v. 12.02.1998). Der Beitragslast entsprechen - unter möglichen Umständen - Gegenleistungen der Alterkassen, insbesondere die mit einer verhältnismäßig guten Rendite ausgestattete Altersrente (vgl. BVerfG, 1 BvR 558/99; s. auch BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 246/01, juris Rn.15). Der Rentenanspruch entsteht bereits nach 15 Jahren; eine vergleichbare private Versorgung kann in diesem Zeitraum nicht aufgebaut werden (vgl. BVerfGE 109, 96, 118; BVerfGK 3, 213).
Insoweit hilft auch das Argument der Klägerin, ihr bleibe wegen der Beitragslasten zu wenig Raum für private Vorsorge, nicht weiter. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine private Vorsorge gegenüber der Absicherung des Altersrisikos in der Sozialversicherung grundsätzlich eine geringere Versorgungssicherheit aufweist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01. März 2004, 1 BvR 2099/03, juris Rn. 17).
Auch das Bestehen einer Doppelversicherung ist als solches nicht systemwidrig oder gleichheitswidrig.
Ein Rechtgrundsatz des Inhalts, dass Konkurrenzen von Versicherungspflichttatbeständen durch eine Vorrangregelung im Sinne eines Ausschlusses von Doppelversicherungen zu lösen wäre, ist mit der Systematik des ALG unvereinbar; gäbe es einen solchen Grundsatz, dann bedürfte es nicht der Befreiungsregelungen in § 3 ALG (vgl. BSG, Urteil vom 25.07.2002 - B 10 LW 12/01 R, juris Rn. 16).
In vielen Fällen soll mit den Befreiungsmöglichkeiten zwar das Entstehen einer doppelten Beitragslast vermieden werden. Der Gesetzgeber hat es mit dem Antragserfordernis den Betroffenen aber anheimgestellt, den Befreiungstatbestand selbst geltend zu machen. Auch bei der Befreiung wegen Überschreitens des Grenzwerts (außerlandwirtschaftliche Einkünfte über 4.800 EUR jährlich) nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG handelt es sich nur um ein Angebot des Gesetzgebers, eine mögliche doppelte Beitragslast zur gesetzlichen Alterssicherung zu vermeiden (BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, juris Rn. 18). Die Doppelversicherung ist daher eine vom Gesetzgeber gewollte Gestaltungsmöglichkeit.
Dies entspricht auch dem Charakter der AdL als Teilabsicherung; daneben können und sollen auch anderweitig Anwartschaften oder Vermögen zum Zweck der Alterssicherung aufgebaut werden (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, vom 25.07.2002 - B 10 LW 12/01 R).
Die Klägerin kann nach Ansicht des Senats auch keinen Erfolg haben, soweit sie eine analoge Anwendung der Befreiungsregelungen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG) fordert.
Eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG auf den Fall einer bestehenden Pflichtversicherung bei Ausübung eines freien Berufs - unabhängig von der Höhe des erzielten Einkommens - kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts und mangels bestehender Regelungslücke nicht in Betracht. Eine Regelungslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (vgl. BSG SozR 3-2600 § 34 Nr. 3 S 23 mwN).
Hierzu hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Entstehungsgeschichte der Norm eine klare Abkehr von der Befreiungsmöglichkeit in Anknüpfung an § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk) zeigt. Der Gesetzgeber hat den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG seit 1995 mehrfach angepasst, ohne davon abzurücken, dass Einkommen in bestimmter Höhe erzielt werden muss. Der Grenzwert knüpft gerade nicht an eine bestehende anderweitige gleichwertige Sicherung oder Zugehörigkeit zu einem anderen Sicherungssystem an. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG normiert vier Befreiungstatbestände (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, juris Rn. 19f); nur der erste Befreiungstatbestand (Arbeitsentgelt) stimmte (bis 31.12.2012) mit der Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung überein (vgl. Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der Fassung bis zum 31.12.2012). Für die übrigen Befreiungstatbestände ist der Betrag von 4.800 EUR nur ein gegriffener, grundsätzlich dynamisierungsfähiger Nominalbetrag; das Arbeitseinkommen eines Selbständigen führt in der Regel nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Wie das BSG mehrfach entschieden hat (vgl. Urteil vom 25.07.2002 - B 10 LW 12/01 R, juris Rn. 14; Beschluss vom 20.01.2009 - B 10 LW 9/08 B juris Rn. 6), besteht nach dem ALG ein differenziertes System von Regel und Ausnahme, das grundsätzlich keiner gesetzesergänzenden, lückenschließenden Auslegung zugänglich ist. Dies gilt auch hier.
Der Senat sieht keinen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 1 GG darin, dass die anderweitige Versicherungspflicht der Klägerin - bei einem Einkommen von jährlich unter 4.800 EUR - keine Befreiung ermöglicht.
Bei dem Grenzwert von 4.800 EUR jährlich handelt es sich um eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gegriffene Größe (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 10 LW 17/98 R, juris Rn. 16, 19), bei der der Gesetzgeber pauschal davon ausgehen durfte, dass unterhalb dieser Größe eine ausreichende anderweitige Absicherung (wegen fehlender Mittel) nicht erreicht werden kann und daher Schutzbedürftigkeit vorliegt. Es handelt sich um ein grundsätzlich sachgerechtes - typisierendes - Differenzierungskriterium, ohne dass das Vorhandensein einer anderweitigen Absicherung, deren Beitragshöhe, Rendite und Risiko aufwändig überprüft werden muss oder Vergleichsberechnungen durchzuführen sind. Angesichts der Vielgestaltigkeit von Altersabsicherungen und Versorgungsmöglichkeiten auf dem Markt durfte der Gesetzgeber bei einem zur Verfügung stehenden Einkommen von bis zu 4.800 EUR jährlich davon absehen, die Schutzwürdigkeit im Fall anderweitiger Absicherungen - wie die in einer berufsständischen Kammer oder Versorgungswerk - pauschal oder im Einzelfall zu bewerten.
Hier sieht die Satzung der Rechtsanwaltsversorgung einen relativ hohen Mindestbeitrag (vgl. § 19 der Satzung; Grundbeitrag: ein Fünftel des Höchstbeitrags, im Jahr 2009: 214,90 EUR) vor und daher mag sogar bei einem Einkommen unter dem Grenzbetrag eine höhere Rentenanwartschaft als in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden. Die genaue Höhe der Anwartschaften oder späteren Rente würde aber eine Ermittlung der individuellen Verhältnisse (Eintrittsalter in die Versicherung, Dauer der Befreiung, Kenntnis der Verrentungstabelle, tatsächliche Beitragszahlung etc.) voraussetzen. Der Gesetzgeber hat sich für ein anderes Konzept entschieden; dies liegt in seinem
Gestaltungsspielraum.
Eine Benachteiligung sämtlicher Angehöriger der freien Berufe durch die Befreiungsregelungen ist nicht ersichtlich. Für sie gelten vielmehr die Befreiungsregelungen genauso wie für Angehörige anderer Berufe. Wird durch die Ausübung des freien Berufs die Einkommensgrenze des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG überschritten, so können sie auf Antrag befreit werden. Wird wegen Kindererziehung kein Einkommen erzielt, so kommt ggf. auch eine Befreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ALG in Betracht.
Es ist sicherlich auch nicht der Regelfall, dass eine Berufszugehörigkeit (mit hohen Abgaben) aufrechterhalten wird, obwohl absehbar nur eine Tätigkeit in geringfügigem Rahmen möglich ist. Der Gesetzgeber musste nicht in dem Regelungssystem der AdL berücksichtigen, dass Versicherte wegen eingeschränkter zeitlicher Verfügbarkeit Schwierigkeiten haben, den Mindestbetrag einer anderweitigen berufsständischen Versicherung zu erwirtschaften. Dies ist im dortigen Versicherungssystem bzw. über Sonderregelungen (etwa wegen der Kindererziehung) zu lösen; insoweit steht auch ein Stundungsangebot im Raum.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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