Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 11 R 1762/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 250/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 10. Januar 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 als Beitragszeit bzw. Anrechnungszeit festzustellen hat und ob sie den Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000 zur freiwilligen Beitragszahlung zuzulassen hat.
Der 1960 geborene Kläger begann ab 1. September 1985 ein Studium an der Ingenieurschule für Bauwesen E ... Das Abschlusszeugnis wurde ihm am 22. Juli 1988 ausgehändigt. In seinem Sozialversicherungsausweis ist vermerkt, dass das Studium am 31. August 1988 endete. Zum 1. September 1988 nahm er eine Tätigkeit als Bauleiter auf. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Landesversicherungsanstalt Thüringen (LVA), erkannte mit Bescheid vom 29. Mai 2000 die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 weder als Beitragszeit noch als Anrechnungszeit an, der eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2001). Eine Klage auf Feststellung wies das Sozialgericht Gotha (Az. S 6 RJ 1144/01) rechtskräftig ab.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2000 ließ die LVA den Kläger ab 1. Mai 1999 zur freiwilligen Versicherung zu, welche auf dessen Wunsch zunächst ab 1. August 2000 wieder beendet wurde. Beiträge hatte der Kläger bis dahin nicht gezahlt. Mit Schreiben vom 29. Januar 2001 forderte ihn die LVA zur Zahlung auf. Mit Bescheid vom 29. Juni 2001 forderte die LVA den Kläger erneut zur Zahlung der noch ausstehenden Beiträge auf. Er wurde darauf hingewiesen, dass die Zahlung bis zum 1. November 2001 erfolgen müsse, Zahlungen die nach diesem Datum eingingen, seien nicht mehr wirksam. Der Kläger leistete für die Zeit vom 1. Mai 1999 bis 30. September 1999 die ausstehenden Beiträge und zahlte darüber hinaus 122,85 DM als Rate. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 beendete die LVA die freiwillige Versicherung zum 1. Oktober 1999, der zuviel gezahlte Ratenbetrag von 122,85 DM wurde dem Kläger erstattet. Der eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. September 2002), die anschließende Klage wies das Sozialgericht Gotha (Az.: S 6 RJ 2271/02) rechtskräftig ab.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Januar 2008 fest, dass die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 sowie die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000 nicht als Beitrags- bzw. Anrechnungszeit vorgemerkt werden könnten. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Gotha waren erfolglos. In der mündlichen Verhandlung vor dem Thüringer Landessozialgericht (Az. L 6 R 492/09) stellte der Kläger im Hinblick auf die streitigen Zeiten einen Überprüfungsantrag und nahm im Übrigen seine Berufung zurück.
Mit Überprüfungsbescheid vom 18. Januar 2010 stellte die Beklagte nochmals fest, dass die streitigen Zeiten nicht als Beitragszeit festgestellt werden könnten. Sie wies den erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger neben der Anerkennung der streitigen Zeiten als Beitragszeiten die Feststellung begehrt, dass seine Entgeltpunkte nicht aufgrund eines Versorgungsausgleichs zu mindern seien. Das Sozialgericht Gotha hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2011 abgewiesen.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat der Kläger auf Hinweis des Senats die Klage im Hinblick auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Minderung seiner Entgeltpunkte durch den Versorgungsausgleich zurückgenommen. Er begehrt jedoch weiter die Anerkennung der Zeiten vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 bzw. 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000 als Beitrags- bzw. Anrechnungszeit. Bezüglich des ersten Zeitraums verweist der Kläger auf die Eintragung in seinem Sozialversicherungsausweis, wobei die Tätigkeit "Student" bis zum 31. August 1988 festgestellt sei. Er habe als Student auch nach Zeugnisausstellung vom 22. Juli 1988 bis zum 31. August 1988 ein Stipendium erhalten und sei von der Fachhochschule für Bauwesen als Praktikant eingesetzt worden. Bezüglich des zweiten Zeitraums macht er geltend, dass er begonnen hatte, die offenen Forderungen in monatlichen Raten zu begleichen. Aufgrund der gesetzten Frist sei es ihm aber nur möglich gewesen, die Beiträge bis September 1999 zu zahlen. Eine Entgegennahme weiterer Beitragsanweisungen sei ihm verwehrt worden. Aufgrund einmalig hohen Aufkommens der insgesamt geforderten Rentenversicherungsbeitragssumme habe er in seinem speziellen Einzelfall auf eine einvernehmliche Lösung gehofft. Die entsprechende gesetzliche Regelung halte er für verfassungswidrig, sie müsse für solche Einzelfälle überarbeitet und neu geregelt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 10. Januar 2011 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 29. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2001 abzuändern und die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 als Beitragszeit, hilfsweise als Anrechnungszeit festzustellen, sowie den Bescheid vom 19. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2002 aufzuheben und ihn für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000 zur freiwilligen Beitragszahlung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass die begehrte Feststellung bzw. die Zulassung zur freiwilligen Beitragszahlung nicht erfolgen könne.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 10. Dezember 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Beklagte nicht nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet ist, den Bescheid vom 29. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2001 abzuändern oder den Bescheid vom 19. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2002 aufzuheben. Sie ist weder von einem unrichtigem Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Der Kläger hat vielmehr keinen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 als Beitragszeit bzw. Anrechnungszeit oder auf Zulassung zur freiwilligen Beitragszahlung für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000
Die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 ist nicht als Beitragszeit zu berücksichtigen. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Nach § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI sind Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nicht Zeiten der Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung.
Die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 kann auch nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren.
Die Vorschrift setzt nach Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck voraus, dass der Versicherte eine Ausbildung wahrgenommen hat, mithin sind nur solche Zeiten berücksichtigungsfähig, die der Ausbildung dienen; das Ende der (Hochschul-)Ausbildung ist demnach grundsätzlich die Abschlussprüfung (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. September 1963 - Az.: 1 RA 166/60, nach juris). Ist - wie hier - bereits das Abschlusszeugnis übergeben worden, kann nicht mehr von der Wahrnehmung einer Ausbildung gesprochen werden.
Die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unvermeidbaren Zwischenzeit als Anrechnungszeit anzuerkennen. Unvermeidbare Zwischenzeiten sind Zeiten, wenn sie zwischen zwei rentenrechtlich erheblichen Ausbildungsabschnitten liegen, generell unvermeidbar und organisationsbedingt typisch sind und dementsprechend häufig vorkommen und ferner nicht länger als vier Monate andauern (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - Az.: 4 RA 67/97, nach juris). Die o.g. Zeit fällt jedoch nicht hierunter, denn nach Abschluss folgte kein weiterer Ausbildungsabschnitt, sondern der Kläger ging unmittelbar ins Berufsleben über.
Auch eine erweiternde Auslegung oder eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI im Hinblick auf "DDR-spezifische Besonderheiten", nämlich wegen der durch die Planwirtschaft abgestimmten Vorgaben des "Staates" zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach erfolgreichem Abschluss des Studiums kommt nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - Az.: 4 RA 67/97, nach juris) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist insoweit auch nicht erkennbar, denn es ist nicht ersichtlich, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 87, 1, 36 f. mwN). Mit der Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die nicht zu einer Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen führt. Denn selbst wenn man als Vergleichspaar "ostdeutsche" und "westdeutsche" Rentner ansehen würde, so würde die - rentenrechtliche - Nichtberücksichtigung der Zeit zwischen Ausbildungsende und Eintritt in das Erwerbsleben in gleicher Weise ost- wie westdeutsche Rentner treffen, unabhängig davon, ob die staatliche Planwirtschaft oder die Arbeitsmarktlage oder aber bestimmte Einstellungstermine des Staates (auch der alten Bundesländer) faktisch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Anschluss an das bestandene Examen hindern (BSG, a.a.O.).
Die LVA hat auch zu Recht die freiwillige Versicherung des Klägers zum 1. Oktober 1999 beendet, weil über diesen Zeitpunkt hinaus bis 1. August 2000 freiwillige Beiträge nicht mehr wirksam geleistet werden können.
Nach § 197 Abs. 2 SGB VI sind freiwillige Beiträge nur wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden. Die Regelung ist notwendig, weil freiwillige Beiträge nicht fällig werden, ihre Zahlung vielmehr im Belieben des Versicherten steht und aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Versicherungspflichtigen eine zu späte Zahlung verhindert werden muss (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 197 SGB VI Rn. 2). Die durch den Kläger geleistete und anerkannte Zahlung geschah schon außerhalb des in § 197 Abs. 2 SGB VI genannten Zeitraums unter Berücksichtigung der Härtefallregelung des § 197 Abs. 3 SGB VI. Eine erneute Fristverlängerung war nicht vorzunehmen, weil keine besondere Härte vorlag. Es muss sich insgesamt um Fälle handeln, in denen es besonders hart ist, es beim Ablaufen der Fristen zu belassen. § 197 Abs. 3 SGB VI ist kein Mittel, jeden geringen Nachteil auszugleichen, den die Versäumung der Frist mit sich bringt (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 197 SGB VI Rn. 17). Der Umstand, dass der Kläger den ausstehenden Betrag aufgrund der Gesamthöhe, nicht bezahlen konnte, wurde bereits bei der Verlängerung der Zahlungsfrist bis zum 1. November 2001 berücksichtigt. Eine nochmalige Verlängerung musste ausscheiden, da sich ansonsten der Zahlungs- vom Geltungszeitraum in einer vom gesetzlichen Regelfall nicht mehr hinzunehmenden Weise entfernt hätte und eine Gleichbehandlung mit den Versicherungspflichtigen nicht mehr gegeben gewesen wäre. Gleiches würde im Übrigen gelten, wenn die Beklagte die vom Kläger vorgeschlagene ratenweise Zahlung zugelassen hätte.
Die durch den Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken, teilt der Senat nicht. Gerade im Fall der Zahlung freiwilliger Beiträge ist eine spezifische Härtefallregelung vorgesehen, die auf den Kläger auch angewandt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 als Beitragszeit bzw. Anrechnungszeit festzustellen hat und ob sie den Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000 zur freiwilligen Beitragszahlung zuzulassen hat.
Der 1960 geborene Kläger begann ab 1. September 1985 ein Studium an der Ingenieurschule für Bauwesen E ... Das Abschlusszeugnis wurde ihm am 22. Juli 1988 ausgehändigt. In seinem Sozialversicherungsausweis ist vermerkt, dass das Studium am 31. August 1988 endete. Zum 1. September 1988 nahm er eine Tätigkeit als Bauleiter auf. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Landesversicherungsanstalt Thüringen (LVA), erkannte mit Bescheid vom 29. Mai 2000 die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 weder als Beitragszeit noch als Anrechnungszeit an, der eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2001). Eine Klage auf Feststellung wies das Sozialgericht Gotha (Az. S 6 RJ 1144/01) rechtskräftig ab.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2000 ließ die LVA den Kläger ab 1. Mai 1999 zur freiwilligen Versicherung zu, welche auf dessen Wunsch zunächst ab 1. August 2000 wieder beendet wurde. Beiträge hatte der Kläger bis dahin nicht gezahlt. Mit Schreiben vom 29. Januar 2001 forderte ihn die LVA zur Zahlung auf. Mit Bescheid vom 29. Juni 2001 forderte die LVA den Kläger erneut zur Zahlung der noch ausstehenden Beiträge auf. Er wurde darauf hingewiesen, dass die Zahlung bis zum 1. November 2001 erfolgen müsse, Zahlungen die nach diesem Datum eingingen, seien nicht mehr wirksam. Der Kläger leistete für die Zeit vom 1. Mai 1999 bis 30. September 1999 die ausstehenden Beiträge und zahlte darüber hinaus 122,85 DM als Rate. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 beendete die LVA die freiwillige Versicherung zum 1. Oktober 1999, der zuviel gezahlte Ratenbetrag von 122,85 DM wurde dem Kläger erstattet. Der eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. September 2002), die anschließende Klage wies das Sozialgericht Gotha (Az.: S 6 RJ 2271/02) rechtskräftig ab.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Januar 2008 fest, dass die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 sowie die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000 nicht als Beitrags- bzw. Anrechnungszeit vorgemerkt werden könnten. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Gotha waren erfolglos. In der mündlichen Verhandlung vor dem Thüringer Landessozialgericht (Az. L 6 R 492/09) stellte der Kläger im Hinblick auf die streitigen Zeiten einen Überprüfungsantrag und nahm im Übrigen seine Berufung zurück.
Mit Überprüfungsbescheid vom 18. Januar 2010 stellte die Beklagte nochmals fest, dass die streitigen Zeiten nicht als Beitragszeit festgestellt werden könnten. Sie wies den erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger neben der Anerkennung der streitigen Zeiten als Beitragszeiten die Feststellung begehrt, dass seine Entgeltpunkte nicht aufgrund eines Versorgungsausgleichs zu mindern seien. Das Sozialgericht Gotha hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2011 abgewiesen.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat der Kläger auf Hinweis des Senats die Klage im Hinblick auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Minderung seiner Entgeltpunkte durch den Versorgungsausgleich zurückgenommen. Er begehrt jedoch weiter die Anerkennung der Zeiten vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 bzw. 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000 als Beitrags- bzw. Anrechnungszeit. Bezüglich des ersten Zeitraums verweist der Kläger auf die Eintragung in seinem Sozialversicherungsausweis, wobei die Tätigkeit "Student" bis zum 31. August 1988 festgestellt sei. Er habe als Student auch nach Zeugnisausstellung vom 22. Juli 1988 bis zum 31. August 1988 ein Stipendium erhalten und sei von der Fachhochschule für Bauwesen als Praktikant eingesetzt worden. Bezüglich des zweiten Zeitraums macht er geltend, dass er begonnen hatte, die offenen Forderungen in monatlichen Raten zu begleichen. Aufgrund der gesetzten Frist sei es ihm aber nur möglich gewesen, die Beiträge bis September 1999 zu zahlen. Eine Entgegennahme weiterer Beitragsanweisungen sei ihm verwehrt worden. Aufgrund einmalig hohen Aufkommens der insgesamt geforderten Rentenversicherungsbeitragssumme habe er in seinem speziellen Einzelfall auf eine einvernehmliche Lösung gehofft. Die entsprechende gesetzliche Regelung halte er für verfassungswidrig, sie müsse für solche Einzelfälle überarbeitet und neu geregelt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 10. Januar 2011 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 29. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2001 abzuändern und die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 als Beitragszeit, hilfsweise als Anrechnungszeit festzustellen, sowie den Bescheid vom 19. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2002 aufzuheben und ihn für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000 zur freiwilligen Beitragszahlung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass die begehrte Feststellung bzw. die Zulassung zur freiwilligen Beitragszahlung nicht erfolgen könne.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 10. Dezember 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Beklagte nicht nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet ist, den Bescheid vom 29. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2001 abzuändern oder den Bescheid vom 19. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2002 aufzuheben. Sie ist weder von einem unrichtigem Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Der Kläger hat vielmehr keinen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 als Beitragszeit bzw. Anrechnungszeit oder auf Zulassung zur freiwilligen Beitragszahlung für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 1. August 2000
Die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 ist nicht als Beitragszeit zu berücksichtigen. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Nach § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI sind Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nicht Zeiten der Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung.
Die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 kann auch nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren.
Die Vorschrift setzt nach Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck voraus, dass der Versicherte eine Ausbildung wahrgenommen hat, mithin sind nur solche Zeiten berücksichtigungsfähig, die der Ausbildung dienen; das Ende der (Hochschul-)Ausbildung ist demnach grundsätzlich die Abschlussprüfung (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. September 1963 - Az.: 1 RA 166/60, nach juris). Ist - wie hier - bereits das Abschlusszeugnis übergeben worden, kann nicht mehr von der Wahrnehmung einer Ausbildung gesprochen werden.
Die Zeit vom 23. Juli 1988 bis 31. August 1988 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unvermeidbaren Zwischenzeit als Anrechnungszeit anzuerkennen. Unvermeidbare Zwischenzeiten sind Zeiten, wenn sie zwischen zwei rentenrechtlich erheblichen Ausbildungsabschnitten liegen, generell unvermeidbar und organisationsbedingt typisch sind und dementsprechend häufig vorkommen und ferner nicht länger als vier Monate andauern (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - Az.: 4 RA 67/97, nach juris). Die o.g. Zeit fällt jedoch nicht hierunter, denn nach Abschluss folgte kein weiterer Ausbildungsabschnitt, sondern der Kläger ging unmittelbar ins Berufsleben über.
Auch eine erweiternde Auslegung oder eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI im Hinblick auf "DDR-spezifische Besonderheiten", nämlich wegen der durch die Planwirtschaft abgestimmten Vorgaben des "Staates" zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach erfolgreichem Abschluss des Studiums kommt nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - Az.: 4 RA 67/97, nach juris) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist insoweit auch nicht erkennbar, denn es ist nicht ersichtlich, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 87, 1, 36 f. mwN). Mit der Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die nicht zu einer Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen führt. Denn selbst wenn man als Vergleichspaar "ostdeutsche" und "westdeutsche" Rentner ansehen würde, so würde die - rentenrechtliche - Nichtberücksichtigung der Zeit zwischen Ausbildungsende und Eintritt in das Erwerbsleben in gleicher Weise ost- wie westdeutsche Rentner treffen, unabhängig davon, ob die staatliche Planwirtschaft oder die Arbeitsmarktlage oder aber bestimmte Einstellungstermine des Staates (auch der alten Bundesländer) faktisch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Anschluss an das bestandene Examen hindern (BSG, a.a.O.).
Die LVA hat auch zu Recht die freiwillige Versicherung des Klägers zum 1. Oktober 1999 beendet, weil über diesen Zeitpunkt hinaus bis 1. August 2000 freiwillige Beiträge nicht mehr wirksam geleistet werden können.
Nach § 197 Abs. 2 SGB VI sind freiwillige Beiträge nur wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden. Die Regelung ist notwendig, weil freiwillige Beiträge nicht fällig werden, ihre Zahlung vielmehr im Belieben des Versicherten steht und aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Versicherungspflichtigen eine zu späte Zahlung verhindert werden muss (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 197 SGB VI Rn. 2). Die durch den Kläger geleistete und anerkannte Zahlung geschah schon außerhalb des in § 197 Abs. 2 SGB VI genannten Zeitraums unter Berücksichtigung der Härtefallregelung des § 197 Abs. 3 SGB VI. Eine erneute Fristverlängerung war nicht vorzunehmen, weil keine besondere Härte vorlag. Es muss sich insgesamt um Fälle handeln, in denen es besonders hart ist, es beim Ablaufen der Fristen zu belassen. § 197 Abs. 3 SGB VI ist kein Mittel, jeden geringen Nachteil auszugleichen, den die Versäumung der Frist mit sich bringt (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 197 SGB VI Rn. 17). Der Umstand, dass der Kläger den ausstehenden Betrag aufgrund der Gesamthöhe, nicht bezahlen konnte, wurde bereits bei der Verlängerung der Zahlungsfrist bis zum 1. November 2001 berücksichtigt. Eine nochmalige Verlängerung musste ausscheiden, da sich ansonsten der Zahlungs- vom Geltungszeitraum in einer vom gesetzlichen Regelfall nicht mehr hinzunehmenden Weise entfernt hätte und eine Gleichbehandlung mit den Versicherungspflichtigen nicht mehr gegeben gewesen wäre. Gleiches würde im Übrigen gelten, wenn die Beklagte die vom Kläger vorgeschlagene ratenweise Zahlung zugelassen hätte.
Die durch den Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken, teilt der Senat nicht. Gerade im Fall der Zahlung freiwilliger Beiträge ist eine spezifische Härtefallregelung vorgesehen, die auf den Kläger auch angewandt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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