Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SF 192/11 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 80/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Die Verfahrensgebühr steht nicht autark im Verhältnis zu anderen in Betracht kommenden Gebühren wie Terminsgebühr oder Einigungsgebühr.
2. Zwar muss verhindert werden, dass bestimmte anwaltliche Aktivitäten eine unangemessene Doppelvergütung erfahren, gleichwohl können im konkreten Fall bestimmte Aspekte der Einigung auch auf die Kriterien zur Bemessung der Verfahrensgebühr "abfärben".
2. Zwar muss verhindert werden, dass bestimmte anwaltliche Aktivitäten eine unangemessene Doppelvergütung erfahren, gleichwohl können im konkreten Fall bestimmte Aspekte der Einigung auch auf die Kriterien zur Bemessung der Verfahrensgebühr "abfärben".
Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. Februar 2012 sowie die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Bayreuth vom 17. Oktober 2011 dahin geändert, dass als Verfahrensgebühr 150 EUR anstatt 60 EUR festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.
Der Beschwerdeführer vertrat die damaligen Antragsteller - es handelte sich um eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft - in einem grundsicherungsrechtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (Aktenzeichen S 15 AS 1082/11 ER). Gegenstand des Eilrechtsschutzes war das Begehren der Antragsteller, die Zustimmung der Grundsicherungsbehörde zu einem Umzug der Bedarfsgemeinschaft von A-Stadt nach B-Stadt zu erhalten. Die Antragsteller stellten am 30.08.2011 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zunächst ohne Beteiligung des Beschwerdeführers; auch begründeten sie den Antrag ausführlich selbst. Von Anfang an beantragten sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung des Beschwerdeführers. Unter dem Datum 09.09.2011 sandte der Kammervorsitzende den Antragstellern, der Grundsicherungsbehörde, aber auch dem Beschwerdeführer einen von ihm erstellten Vergleichsvorschlag zu; er wies ausdrücklich darauf hin, der Vorschlag ergehe "nach telefonischer Rücksprache". Unter dem gleichen Datum bewilligte er nur einem der beiden Antragsteller PKH und ordnete den Beschwerdeführer insoweit bei; der andere Antragsteller wurde offenbar ausgeklammert, weil für ihn keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden war. Mit Schriftsatz vom 13.09.2011 erklärte der Beschwerdeführer die Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag, kurz darauf auch die Grundsicherungsbehörde.
Sodann veranschlagte der Beschwerdeführer in seinem auf den 27.09.2011 datierten Kostenerstattungsantrag eine Verfahrensgebühr in Höhe von 325 EUR (Nr. 3102 VV RVG, einschließlich Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG), was der Mittelgebühr entsprach. Zudem setzte er eine Einigungsgebühr ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr (190 EUR) an. Unter dem Datum 17.10.2011 setzte der Urkundsbeamte beim Sozialgericht Bayreuth die Einigungsgebühr antragsgemäß, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG jedoch nur in Höhe von 60 EUR fest. Zur Begründung der Höhe der Verfahrensgebühr führte er aus, die Tätigkeit des Beschwerdeführers habe sich in der Entgegennahme des PKH-Beschlusses sowie der Zustimmung zum Vergleichsangebot erschöpft. Eine Erhöhungsgebühr scheide aus, weil nur für einen, nicht aber für beide Antragsteller PKH bewilligt worden sei.
Dagegen hat sich der Beschwerdeführer mit der Erinnerung (Eingang 31.01.2012) gewandt, mit der er die seiner Ansicht nach zu geringe Höhe der Verfahrensgebühr moniert hat. Er hat dies damit begründet, er habe aufgrund zahlreicher Telefonate im Vorfeld des Vergleichsschlusses maßgeblich zum Zustandekommen des Vergleichs beigetragen. Die Erhöhungsgebühr sei aufgrund der Vermutungswirkung des § 38 SGB II angefallen.
Die Erinnerung des Beschwerdeführers hat die Kostenrichterin beim Sozialgericht zurückgewiesen. Sie hat ebenso wie der Urkundsbeamte die Ansicht vertreten, die vergütungsrechtliche Wertigkeit des Falls liege weit unter dem Durchschnitt, und im Zusammenhang damit auf die nur wenigen Aktivitäten des Beschwerdeführers sowie die Kürze des Eilverfahrens verwiesen. Die Versagung der Erhöhungsgebühr hat die Kostenrichterin zum einen damit begründet, es sei schon nicht erwiesen, dass der Beschwerdeführer überhaupt auch den zweiten Antragsteller vertreten habe, zum anderen mit dem Hinweis darauf, diesem sei PKH nicht bewilligt worden.
Am 02.03.2012 hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss der Kostenrichterin Beschwerde eingelegt. Zu deren Begründung hat er lediglich vorgetragen, es habe sich nicht um nur einfachste Tätigkeit gehandelt.
Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts S 15 AS 1082/11 ER beigezogen.
II.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheiten gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper; die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aus der hier notwendig werdenden gegenständlichen Abgrenzung der Verfahrens- zur Einigungsgebühr. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
Der Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren umfasst die Höhe der im Verfahren S 15 AS 1082/11 ER entstandenen Verfahrensgebühr (einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer).
Der Urkundsbeamte und die Kostenrichterin haben die Verfahrensgebühr insgesamt zu niedrig festgesetzt, dabei aber im Wesentlichen zutreffende Erwägungen angestellt.
a) Bei der Ermittlung der zutreffenden Gebührenhöhe ist zu beachten, dass es für Verfahren nach dem SGB II keine besonderen Bemessungskriterien gibt (vgl. Senatsbeschluss vom 10.12.2012 - L 15 SF 18/12 B). Beispielsweise darf kein abweichender Maßstab für den die Mittelgebühr rechtfertigenden Durchschnittsfall angelegt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 28.12.2011 - L 15 SF 60/11 B E; Senatsbeschluss vom 02.12.2011 - L 15 SF 28/11 B E). Vergleichsobjekt ist insoweit stets das gesamte Spektrum sozialrechtlicher Streitigkeiten (vgl. Senatsbeschluss vom 28.12.2011 - L 15 SF 60/11 B E). Bei diesem Maßstab tut man sich nicht leicht, den "normalen" SGB II-Fall automatisch mit der Mittelgebühr zu taxieren. Denn es lässt sich schlichtweg nicht leugnen, dass der durchschnittliche SGB II-Fall vor allem hinsichtlich des Zeit- und Arbeitsaufwands für den mandatierten Anwalt häufig hinter anderen sozialrechtlichen Fachgebieten - mitunter weit - zurückbleibt. Denn in der Regel bleibt dem Prozessvertreter die Auseinandersetzung mit für ihn fachfremden medizinischen Sachverhalten erspart. Wird gar um kausale Zusammenhänge gestritten, wie z.B. im Recht der sozialen Entschädigung, erfordert der durchschnittliche Fall ein Mehrfaches an Zeit und Arbeit in Relation zum durchschnittlichen SGB II-Fall. Damit soll keineswegs insinuiert werden, das Recht der Grundsicherung weise keine oder nur wenig Probleme auf. Aber wenn, dann handelt es sich zumeist um rechtliche Probleme, mit denen der Anwalt als Jurist wesentlich leichter umzugehen vermag.
In diesem Zusammenhang muss weiter berücksichtigt werden, dass der hier einschlägige Gebührentatbestand Nr. 3102 VV RVG nicht spezifisch auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugeschnitten ist. Das bedeutet, dass die Einstufung, ob Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich, unterdurchschnittlich oder überdurchschnittlich gewesen sind, nicht anhand eines Vergleichs nur mit Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern auch unter Einbeziehung von Hauptsacheverfahren zu erfolgen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 08.04.2013 - L 15 SF 338/11 B).
Vor diesem Hintergrund stimmt der Senat dem Sozialgericht darin zu, dass die vergütungsrechtliche Wertigkeit des Falls deutlich unterhalb der "Mitte" liegt. Der Fall war weder tatsächlich noch rechtlich unübersichtlich, komplex oder sonst schwierig. Der Zeit- und Arbeitsaufwand des Beschwerdeführers hat sich sicherlich in engen Grenzen gehalten.
Gleichwohl hält der Senat eine höhere Verfahrensgebühr für angemessen, wenn auch nicht in der Höhe, dass die vom Beschwerdeführer angesetzte Gebühr noch billigem Ermessen entsprechen würde und damit für die Staatskasse verbindlich wäre (vgl. dazu, insbesondere zur 20-prozentigen Toleranzgrenze, Senatsbeschluss vom 21.03.2011 - L 15 SF 204/09 B E m.w.N.). Vor allem kann die sehr niedrige Festsetzung des Sozialgerichts nicht damit gerechtfertigt werden, alle Tätigkeiten, die der Beschwerdeführer entfaltet habe, würden bereits bei der Einigungsgebühr berücksichtigt und seien für die Verfahrensgebühr irrelevant. Eine Abgrenzung der Einigungs- von der Verfahrensgebühr trägt diese Einschätzung nicht:
Im Beschluss vom 21.02.2011 - L 15 SF 168/10 B E hat der Senat die Einigungsgebühr wie folgt beschrieben:
"Die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006, 1000 VV RVG entsteht für die Mitwirkung des Rechtsanwalts am Abschluss eines Vergleichs, den auch das Gericht oder die gegnerische Partei vorgeschlagen haben kann. Mit dieser Erfolgsgebühr wird honoriert, dass sich der Prozess mit der Einigung erübrigt; sie kommt zu den Tätigkeitsgebühren hinzu (vgl. Hartmann, a.a.O. Nr. 1000 VV RVG Rn. 2; Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, VV 1000 Rn. 2 f.)."
Während die Einigungsgebühr eine Erfolgsgebühr ist, handelt es sich bei der Verfahrensgebühr um eine Tätigkeitsgebühr. Dieser wesensmäßige Unterschied bewirkt aber keineswegs, dass bei der Bemessung der Einigungsgebühr tätigkeitsbezogene Parameter nicht Berücksichtigung finden dürfen. Vielmehr richtet sich die Höhe der Einigungsgebühr ebenso wie die der reinen Tätigkeitsgebühren nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG; dazu zählt auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Bestimmte konkrete Aktivitäten des Anwalts können im Hinblick auf ihre vergütungsdeterminierende Wirkung spezifisch - und auch ausschließlich - der Einigungsgebühr zugeordnet sein. Dazu zählt der Senat die vom Beschwerdeführer glaubhaft behaupteten Telefonate, die letztlich unmittelbar in eine Einigung zwischen den Beteiligten mündeten.
Obwohl im vorliegenden Fall nahezu alle Verrichtungen des Beschwerdeführers zeitlich-prozessual dem Stadium der Einigungsfindung zugeordnet werden müssen, bleibt davon die Verfahrensgebühr nicht gänzlich unbeeinflusst. Der Senat sieht die Verfahrensgebühr nicht autark im Verhältnis zu anderen in Betracht kommenden Gebühren wie Terminsgebühr oder Einigungsgebühr, sondern quasi als Verklammerung. Zwar muss verhindert werden, dass bestimmte anwaltliche Aktivitäten eine unangemessene Doppelvergütung erfahren, gleichwohl können im konkreten Fall bestimmte Aspekte der Einigung auch auf die Kriterien zur Bemessung der Verfahrensgebühr "abfärben". Das wird schon allein dadurch unterstrichen, dass es nach einhelliger Meinung keine "isolierte" Einigungsgebühr ohne Verfahrensgebühr gibt. Wie diese Beeinflussung der Verfahrensgebühr durch Aspekte der Einigung konkret aussieht, muss von Fall zu Fall entschieden werden.
Im hier vorliegenden Fall sieht der Senat keine Veranlassung, die für die Telefonate aufgewandte Zeit unmittelbar auch im Rahmen der Verfahrensgebühr vergütungserhöhend zu berücksichtigen. Über die rein zeitliche Inanspruchnahme hinaus stellt sich der Fall dadurch aber insgesamt etwas komplexer dar. Des Weiteren muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer sich in den Fall voll eingearbeitet hat und mit ihm vertraut war; man kann ihm nicht unterstellen, er habe den Vergleich ohne das erforderliche Wissensfundament geschlossen. Eine Reduktion der anwaltlichen Tätigkeit auf die bloße Zustimmung zum Vergleichsvorschlag erscheint nicht realitätsgerecht. Auch das schlägt sich in der Bemessung der Verfahrensgebühr nieder.
Schließlich darf zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht übersehen werden, dass das Verfahren für die Antragsteller allem Anschein nach von erheblicher Bedeutung war. Ein Wegzug von A-Stadt nach B-Stadt war seinerzeit für einen der Antragsteller für dessen Gesundheitszustand sehr wichtig und förderlich. Jedoch stellte sich die Wohnungssuche für die Antragsteller als langwierig, schwierig und mühevoll heraus. Als endlich eine passende Wohnung gefunden war, musste schnell gehandelt werden, um die Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen. Da die Grundsicherungsbehörde die für einen Umzug notwendige Zustimmung zunächst verweigerte, war umgehende gerichtliche Hilfe besonders wichtig. Dieser Umstand belegt nicht nur die vergleichsweise hohe Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller; er lässt vielmehr auch erahnen, dass der Beschwerdeführer unter besonderem Zeitdruck stand.
b) Hinsichtlich einer Erhöhung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG braucht sich der Senat nicht mit dem von der Kostenrichterin aufgeworfenen Problem zu befassen, ob der zweite Antragsteller überhaupt Auftraggeber in derselben Angelegenheit im Sinn des Gebührentatbestands war. Jedenfalls scheitert das Begehren des Beschwerdeführers daran, dass dem zweiten Antragsteller nicht PKH bewilligt und der Beschwerdeführer diesem nicht beigeordnet worden war. Daran vermag die Vertretungsvermutung gemäß § 38 SGB II nichts zu ändern. Die Begründungen, die der Urkundsbeamte und die Kostenrichterin diesbezüglich gegeben haben, treffen voll zu.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.
Der Beschwerdeführer vertrat die damaligen Antragsteller - es handelte sich um eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft - in einem grundsicherungsrechtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (Aktenzeichen S 15 AS 1082/11 ER). Gegenstand des Eilrechtsschutzes war das Begehren der Antragsteller, die Zustimmung der Grundsicherungsbehörde zu einem Umzug der Bedarfsgemeinschaft von A-Stadt nach B-Stadt zu erhalten. Die Antragsteller stellten am 30.08.2011 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zunächst ohne Beteiligung des Beschwerdeführers; auch begründeten sie den Antrag ausführlich selbst. Von Anfang an beantragten sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung des Beschwerdeführers. Unter dem Datum 09.09.2011 sandte der Kammervorsitzende den Antragstellern, der Grundsicherungsbehörde, aber auch dem Beschwerdeführer einen von ihm erstellten Vergleichsvorschlag zu; er wies ausdrücklich darauf hin, der Vorschlag ergehe "nach telefonischer Rücksprache". Unter dem gleichen Datum bewilligte er nur einem der beiden Antragsteller PKH und ordnete den Beschwerdeführer insoweit bei; der andere Antragsteller wurde offenbar ausgeklammert, weil für ihn keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden war. Mit Schriftsatz vom 13.09.2011 erklärte der Beschwerdeführer die Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag, kurz darauf auch die Grundsicherungsbehörde.
Sodann veranschlagte der Beschwerdeführer in seinem auf den 27.09.2011 datierten Kostenerstattungsantrag eine Verfahrensgebühr in Höhe von 325 EUR (Nr. 3102 VV RVG, einschließlich Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG), was der Mittelgebühr entsprach. Zudem setzte er eine Einigungsgebühr ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr (190 EUR) an. Unter dem Datum 17.10.2011 setzte der Urkundsbeamte beim Sozialgericht Bayreuth die Einigungsgebühr antragsgemäß, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG jedoch nur in Höhe von 60 EUR fest. Zur Begründung der Höhe der Verfahrensgebühr führte er aus, die Tätigkeit des Beschwerdeführers habe sich in der Entgegennahme des PKH-Beschlusses sowie der Zustimmung zum Vergleichsangebot erschöpft. Eine Erhöhungsgebühr scheide aus, weil nur für einen, nicht aber für beide Antragsteller PKH bewilligt worden sei.
Dagegen hat sich der Beschwerdeführer mit der Erinnerung (Eingang 31.01.2012) gewandt, mit der er die seiner Ansicht nach zu geringe Höhe der Verfahrensgebühr moniert hat. Er hat dies damit begründet, er habe aufgrund zahlreicher Telefonate im Vorfeld des Vergleichsschlusses maßgeblich zum Zustandekommen des Vergleichs beigetragen. Die Erhöhungsgebühr sei aufgrund der Vermutungswirkung des § 38 SGB II angefallen.
Die Erinnerung des Beschwerdeführers hat die Kostenrichterin beim Sozialgericht zurückgewiesen. Sie hat ebenso wie der Urkundsbeamte die Ansicht vertreten, die vergütungsrechtliche Wertigkeit des Falls liege weit unter dem Durchschnitt, und im Zusammenhang damit auf die nur wenigen Aktivitäten des Beschwerdeführers sowie die Kürze des Eilverfahrens verwiesen. Die Versagung der Erhöhungsgebühr hat die Kostenrichterin zum einen damit begründet, es sei schon nicht erwiesen, dass der Beschwerdeführer überhaupt auch den zweiten Antragsteller vertreten habe, zum anderen mit dem Hinweis darauf, diesem sei PKH nicht bewilligt worden.
Am 02.03.2012 hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss der Kostenrichterin Beschwerde eingelegt. Zu deren Begründung hat er lediglich vorgetragen, es habe sich nicht um nur einfachste Tätigkeit gehandelt.
Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts S 15 AS 1082/11 ER beigezogen.
II.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheiten gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper; die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aus der hier notwendig werdenden gegenständlichen Abgrenzung der Verfahrens- zur Einigungsgebühr. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
Der Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren umfasst die Höhe der im Verfahren S 15 AS 1082/11 ER entstandenen Verfahrensgebühr (einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer).
Der Urkundsbeamte und die Kostenrichterin haben die Verfahrensgebühr insgesamt zu niedrig festgesetzt, dabei aber im Wesentlichen zutreffende Erwägungen angestellt.
a) Bei der Ermittlung der zutreffenden Gebührenhöhe ist zu beachten, dass es für Verfahren nach dem SGB II keine besonderen Bemessungskriterien gibt (vgl. Senatsbeschluss vom 10.12.2012 - L 15 SF 18/12 B). Beispielsweise darf kein abweichender Maßstab für den die Mittelgebühr rechtfertigenden Durchschnittsfall angelegt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 28.12.2011 - L 15 SF 60/11 B E; Senatsbeschluss vom 02.12.2011 - L 15 SF 28/11 B E). Vergleichsobjekt ist insoweit stets das gesamte Spektrum sozialrechtlicher Streitigkeiten (vgl. Senatsbeschluss vom 28.12.2011 - L 15 SF 60/11 B E). Bei diesem Maßstab tut man sich nicht leicht, den "normalen" SGB II-Fall automatisch mit der Mittelgebühr zu taxieren. Denn es lässt sich schlichtweg nicht leugnen, dass der durchschnittliche SGB II-Fall vor allem hinsichtlich des Zeit- und Arbeitsaufwands für den mandatierten Anwalt häufig hinter anderen sozialrechtlichen Fachgebieten - mitunter weit - zurückbleibt. Denn in der Regel bleibt dem Prozessvertreter die Auseinandersetzung mit für ihn fachfremden medizinischen Sachverhalten erspart. Wird gar um kausale Zusammenhänge gestritten, wie z.B. im Recht der sozialen Entschädigung, erfordert der durchschnittliche Fall ein Mehrfaches an Zeit und Arbeit in Relation zum durchschnittlichen SGB II-Fall. Damit soll keineswegs insinuiert werden, das Recht der Grundsicherung weise keine oder nur wenig Probleme auf. Aber wenn, dann handelt es sich zumeist um rechtliche Probleme, mit denen der Anwalt als Jurist wesentlich leichter umzugehen vermag.
In diesem Zusammenhang muss weiter berücksichtigt werden, dass der hier einschlägige Gebührentatbestand Nr. 3102 VV RVG nicht spezifisch auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugeschnitten ist. Das bedeutet, dass die Einstufung, ob Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich, unterdurchschnittlich oder überdurchschnittlich gewesen sind, nicht anhand eines Vergleichs nur mit Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern auch unter Einbeziehung von Hauptsacheverfahren zu erfolgen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 08.04.2013 - L 15 SF 338/11 B).
Vor diesem Hintergrund stimmt der Senat dem Sozialgericht darin zu, dass die vergütungsrechtliche Wertigkeit des Falls deutlich unterhalb der "Mitte" liegt. Der Fall war weder tatsächlich noch rechtlich unübersichtlich, komplex oder sonst schwierig. Der Zeit- und Arbeitsaufwand des Beschwerdeführers hat sich sicherlich in engen Grenzen gehalten.
Gleichwohl hält der Senat eine höhere Verfahrensgebühr für angemessen, wenn auch nicht in der Höhe, dass die vom Beschwerdeführer angesetzte Gebühr noch billigem Ermessen entsprechen würde und damit für die Staatskasse verbindlich wäre (vgl. dazu, insbesondere zur 20-prozentigen Toleranzgrenze, Senatsbeschluss vom 21.03.2011 - L 15 SF 204/09 B E m.w.N.). Vor allem kann die sehr niedrige Festsetzung des Sozialgerichts nicht damit gerechtfertigt werden, alle Tätigkeiten, die der Beschwerdeführer entfaltet habe, würden bereits bei der Einigungsgebühr berücksichtigt und seien für die Verfahrensgebühr irrelevant. Eine Abgrenzung der Einigungs- von der Verfahrensgebühr trägt diese Einschätzung nicht:
Im Beschluss vom 21.02.2011 - L 15 SF 168/10 B E hat der Senat die Einigungsgebühr wie folgt beschrieben:
"Die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006, 1000 VV RVG entsteht für die Mitwirkung des Rechtsanwalts am Abschluss eines Vergleichs, den auch das Gericht oder die gegnerische Partei vorgeschlagen haben kann. Mit dieser Erfolgsgebühr wird honoriert, dass sich der Prozess mit der Einigung erübrigt; sie kommt zu den Tätigkeitsgebühren hinzu (vgl. Hartmann, a.a.O. Nr. 1000 VV RVG Rn. 2; Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, VV 1000 Rn. 2 f.)."
Während die Einigungsgebühr eine Erfolgsgebühr ist, handelt es sich bei der Verfahrensgebühr um eine Tätigkeitsgebühr. Dieser wesensmäßige Unterschied bewirkt aber keineswegs, dass bei der Bemessung der Einigungsgebühr tätigkeitsbezogene Parameter nicht Berücksichtigung finden dürfen. Vielmehr richtet sich die Höhe der Einigungsgebühr ebenso wie die der reinen Tätigkeitsgebühren nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG; dazu zählt auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Bestimmte konkrete Aktivitäten des Anwalts können im Hinblick auf ihre vergütungsdeterminierende Wirkung spezifisch - und auch ausschließlich - der Einigungsgebühr zugeordnet sein. Dazu zählt der Senat die vom Beschwerdeführer glaubhaft behaupteten Telefonate, die letztlich unmittelbar in eine Einigung zwischen den Beteiligten mündeten.
Obwohl im vorliegenden Fall nahezu alle Verrichtungen des Beschwerdeführers zeitlich-prozessual dem Stadium der Einigungsfindung zugeordnet werden müssen, bleibt davon die Verfahrensgebühr nicht gänzlich unbeeinflusst. Der Senat sieht die Verfahrensgebühr nicht autark im Verhältnis zu anderen in Betracht kommenden Gebühren wie Terminsgebühr oder Einigungsgebühr, sondern quasi als Verklammerung. Zwar muss verhindert werden, dass bestimmte anwaltliche Aktivitäten eine unangemessene Doppelvergütung erfahren, gleichwohl können im konkreten Fall bestimmte Aspekte der Einigung auch auf die Kriterien zur Bemessung der Verfahrensgebühr "abfärben". Das wird schon allein dadurch unterstrichen, dass es nach einhelliger Meinung keine "isolierte" Einigungsgebühr ohne Verfahrensgebühr gibt. Wie diese Beeinflussung der Verfahrensgebühr durch Aspekte der Einigung konkret aussieht, muss von Fall zu Fall entschieden werden.
Im hier vorliegenden Fall sieht der Senat keine Veranlassung, die für die Telefonate aufgewandte Zeit unmittelbar auch im Rahmen der Verfahrensgebühr vergütungserhöhend zu berücksichtigen. Über die rein zeitliche Inanspruchnahme hinaus stellt sich der Fall dadurch aber insgesamt etwas komplexer dar. Des Weiteren muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer sich in den Fall voll eingearbeitet hat und mit ihm vertraut war; man kann ihm nicht unterstellen, er habe den Vergleich ohne das erforderliche Wissensfundament geschlossen. Eine Reduktion der anwaltlichen Tätigkeit auf die bloße Zustimmung zum Vergleichsvorschlag erscheint nicht realitätsgerecht. Auch das schlägt sich in der Bemessung der Verfahrensgebühr nieder.
Schließlich darf zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht übersehen werden, dass das Verfahren für die Antragsteller allem Anschein nach von erheblicher Bedeutung war. Ein Wegzug von A-Stadt nach B-Stadt war seinerzeit für einen der Antragsteller für dessen Gesundheitszustand sehr wichtig und förderlich. Jedoch stellte sich die Wohnungssuche für die Antragsteller als langwierig, schwierig und mühevoll heraus. Als endlich eine passende Wohnung gefunden war, musste schnell gehandelt werden, um die Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen. Da die Grundsicherungsbehörde die für einen Umzug notwendige Zustimmung zunächst verweigerte, war umgehende gerichtliche Hilfe besonders wichtig. Dieser Umstand belegt nicht nur die vergleichsweise hohe Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller; er lässt vielmehr auch erahnen, dass der Beschwerdeführer unter besonderem Zeitdruck stand.
b) Hinsichtlich einer Erhöhung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG braucht sich der Senat nicht mit dem von der Kostenrichterin aufgeworfenen Problem zu befassen, ob der zweite Antragsteller überhaupt Auftraggeber in derselben Angelegenheit im Sinn des Gebührentatbestands war. Jedenfalls scheitert das Begehren des Beschwerdeführers daran, dass dem zweiten Antragsteller nicht PKH bewilligt und der Beschwerdeführer diesem nicht beigeordnet worden war. Daran vermag die Vertretungsvermutung gemäß § 38 SGB II nichts zu ändern. Die Begründungen, die der Urkundsbeamte und die Kostenrichterin diesbezüglich gegeben haben, treffen voll zu.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
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