L 12 AS 367/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AS 434/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 367/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 37/13 R
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.01.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im zugrunde liegenden Verfahren streiten die Beteiligten um die Zustimmung zum Umzug in die Wohnung G-straße 00 in B sowie die Übernahme der mit diesem Umzug verbundenen Kosten.

Die Klägerin, die seit Mai 2009 im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II steht, erhielt vom Beklagten auch die tatsächlichen monatlichen Kosten der Unterkunft (KdU) E-straße 00 in X (Änderungsbescheid vom 06.06.2009). Im Dezember 2009 mietete die Klägerin zum 01.04.2010 für die Dauer von 5 Jahren ein freistehendes Wohnhaus in B mit einer Wohnfläche von 100 qm. Der monatliche Mietzins hierfür beträgt bis 30.09.2012 380,00 EUR zuzüglich einer monatlichen Vorauszahlung auf die Betriebskosten in Höhe von 123,00 EUR.

Den Antrag auf Zustimmung zum Umzug sowie Übernahme der dadurch entstehenden Wohnungsbeschaffungs-, Umzugs-, Renovierungs- und Wiederbeschaffungskosten lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 01.02.2010 ab (Widerspruchsbescheid vom 16.03.2010). Die Kosten für die angemietete Wohnung seien nicht angemessen, im Übrigen scheitere die Übernahme bereits daran, dass eine vorherige Zusicherung nicht erfolgt sei. Einen entsprechenden Eilantrag der Klägerin lehnte das Sozialgericht Aachen mit Beschluss vom 08.03.2010 (S 21 AS 122/10 ER) ab.

Am 18.03.2010 beantragte die Klägerin erneut die Kostenübernahme für den Umzug nach B. Im Beschluss vom 08.03.2010 habe das Sozialgericht Aachen als angemessene Unterkunftskosten für eine Person einen Betrag von 252,50 EUR anerkannt (50 qm x 5,05 EUR). Sie habe auf ihrem Grundstück einen Stellplatz für einen Karavan untervermietet für monatlich 130,00 EUR, so dass sie damit ihre Kaltmiete von 380,00 EUR auf 250,00 EUR gesenkt habe. Die Kosten seien daher nunmehr angemessen.

Auch diesen Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010). Die Vermietung eines Karavan-Stellplatzes stelle keine Senkung der Unterkunftskosten dar, vielmehr seien die Einnahmen als Einkommen zu werten.

Hiergegen richtete sich die am 19.04.2010 beim Sozialgericht Aachen erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags weiter verfolgte.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2010 sowie des Bescheides vom 22.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 zu verurteilen, die Zustimmung zum Umzug in die Wohnung im Haus G-straße 00 in B zu erteilen und die mit dem Umzug verbundenen notwendigen Kosten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu übernehmen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hielt die getroffene Entscheidung für zutreffend.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 03.08.2010 die gegen die jeweiligen Bescheide getrennt erhobenen Verfahren (S 21 AS 434/10 und S 21 AS 553/10) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 21 AS 434/10 verbunden.

Mit Urteil vom 14.01.2011 hat es die Klage abgewiesen. Nach § 22 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches (SGB) II könnten Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Bei der auf diese Vorschrift gestützten vorherigen Zustimmung handele es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (LSG NRW, Beschluss vom 03.07.2009 - L 19 B 138/09 AS ER -; BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7 b AS 10/06 R -). Das dem Leistungsträger eingeräumte Ermessen sei in den Fällen eingeschränkt, in denen er den Umzug veranlasst habe. Vorliegend sei die Klägerin zur Senkung der KdU aufgefordert worden, so dass die Notwendigkeit für einen Umzug grundsätzlich vorliege. Die Notwendigkeit sei jedoch nicht schon dann gegeben, wenn der Auszug aus der bisherigen Unterkunft zur Senkung der Kosten erfolge, sondern setze zusätzlich den Einzug in eine kostenangemessene Unterkunft voraus (Berlit in LPK SGB II, 3. Auflage 2009, § 22 Rdz 107). Die Aufwendungen für die von der Klägerin angemietete Unterkunft G-straße 00 in B seien für eine Person nicht angemessen. Welche Aufwendungen angemessen seien, errechne sich aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (Produkttheorie des BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7 b AS 18/06 R -, vom 27.02.2008 - B 14/7 b AS 70/06 R - und vom 18.06.2008 - B 14/7 b AS 44/06 R -). Nach der Rechtsprechung des BSG sei in drei Schritten zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln, sodann die Angemessenheit des Mietpreises unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten und schließlich die Prüfung vorzunehmen, ob eine bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich gewesen sei (BSG, Urteil vom 18.06.2008, a.a.O.). Die Größe der von der Klägerin ausgewählten Wohnung sei unangemessen. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche könne auf die landesrechtlichen Vorschriften über die soziale Wohnraumförderung zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 07.11.2006, a.a.O., und Urteile vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - und vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R -). Die Heranziehung dieser Vorschriften für existenzsichernde Leistungen entspreche der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit in NRW (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2006 - L 20 B 184/06 AR - und Urteil vom 09.01.2008 - L 12 AS 77/06-). Insoweit seien für NRW die am 28.01.2010 erlassenen Wohnraumförderbestimmungen (WFB) (Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW vom 28.01.2010) maßgebend. Nach den dort enthaltenen Regelungen zur Wohnungsgröße sei für einen 1-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 47 qm angemessen. Das von der Klägerin angemietete Haus verfüge über ca. 100 qm und überschreite die angemessene Wohnfläche deutlich. Diese Überschreitung wäre jedoch nur dann grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus Wohnfläche und Mietzins gleichwohl angemessen wäre (BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.). Zur Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises biete ein Mietspiegel im Sinne des § 558 c BGB die Grundlage für das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte "schlüssige Konzept". Hierbei sei zu berücksichtigen, dass Hilfebedürftige nach dem SGB II auf Wohnungen im unteren, nicht im untersten Bereich verwiesen werden könnten (BSG, Urteil vom 07.11.2006, a.a.O., 18.06.2008, a.a.O. und vom 18.06.2008 - B 14/11 b AS 61/06 R -). Der notwendigen Beschränkung auf das untere Marktsegment könne unter Auffassung der Kammer dadurch Rechnung getragen werden, dass vom einschlägigen Mietspiegel des Wohnortes ein Querschnitt aus dem gesamten Spektrum gezogen werde. Dabei würden allerdings Wohnungen, die in einer sogenannten "guten Wohnlage" sowie solche Wohnungen, die unter die Kategorie "besondere Ausstattung" gefasst würden, nicht berücksichtigt. Man erhalte so nicht die durchschnittliche Miete in dem betreffenden Gebiet, sondern einen nach unten korrigierten Durchschnittswert. Dieser werde nach Auffassung der Kammer am besten der Notwendigkeit einer Orientierung am unteren Marktsegment gerecht. Da der Mietspiegel für B ein entsprechendes Spektrum von 2,10 EUR bis 8,00 EUR vorsehe, sei nach Auffassung der Kammer ein Mietzins in Höhe von 5,05 EUR als angemessen anzusehen. Daraus ergebe sich unter Berücksichtigung der abstrakt angemessenen Wohnfläche von 47 qm eine angemessene Netto-Kaltmiete von 237,35 EUR, so dass mit 380,00 EUR dieser Betrag deutlich überschritten werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Miet- und Dienstleistungsvereinbarung mit Herrn Gehring bezüglich der Unterstellmöglichkeiten für den Karavan. Dieser typengemischte Vertrag führe nicht zu einer dauerhaften Senkung der unangemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Das Haus werde von der Klägerin weiterhin alleine bewohnt. Durch die Vereinbarung erziele sie aus der Nutzung des Grundstücks einen Gewinn, so dass das vereinbarte Entgelt als Einkommen anzurechnen wäre.

Das Urteil wurde dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 24.01.2011 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 20.02.2011, mit der sie ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens weiter verfolgt. Insbesondere vertritt die Klägerin die Auffassung, als angemessene Wohnfläche für einen 1-Personen-Haushalt sei seit 01.01.2010 eine Wohnfläche von 50 qm vorgesehen. Im Übrigen stelle der Mietspiegel für die Stadt B kein schlüssiges Konzept dar. Aus diesem Grunde müsse der Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf andere Quellen, wie z.B. den Wohnungsmarktbericht 2011 zurückgreifen. Dies sei auch vor dem Rückgriff auf § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) vorrangig zu prüfen. Aus dem Wohnungsmarktbericht 2011, der auf Daten aus dem Jahre 2010 basiere, ginge hervor, dass bereits zu dieser Zeit ein Kaltmietzins von 7,00 EUR pro Quadratmeter ausgewiesen werde, so dass sich bei einer 50 qm großen Wohnung ein angemessener Mietzins von 350,00 EUR ergebe.

Die Klägerin beantragt nach dem Inhalt ihrer Schriftsätze,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.01.2011 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheides vom 01.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2010 sowie des Bescheides vom 22.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 zu verurteilen, die Zustimmung zum Umzug in die Wohnung in dem Haus G-straße 00 in B zu erteilen und die mit dem Umzug verbundenen notwendigen Kosten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt nach dem Inhalt seiner Schriftsätze,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist der Auffassung, aus dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ergebe sich keine andere Beurteilung.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die der Senat beigezogen hat, und deren Inhalt er seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat sowie auf den Vortrag der Beteiligten im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheiden, da die Beteiligten mit Schreiben vom 31.05.2012 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht es abgelehnt, den Beklagten zu verurteilen, die Zustimmung zum Umzug in die Wohnung G-straße 00 und die damit verbundenen notwendigen Kosten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu übernehmen, denn die angefochtenen Bescheide vom 01.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2010 und vom 22.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 sind nicht rechtswidrig und verletzten die Klägerin daher auch nicht in ihren Rechten nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 22 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II in der im Jahre 2009 gültigen Fassung. Danach können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung ist eine Anspruchsvoraussetzung. Bei der Prüfung, ob eine Zusicherung erteilt werden kann, muss auch hier als ungeschriebene Gesetzesvoraussetzung die Angemessenheit der anfallenden Kosten vorliegen (vgl. hierzu Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rdz 82). Mit dem Sozialgericht geht der erkennende Senat davon aus, dass es sich bei den Kosten der von der Klägerin angemieteten Wohnung bzw. des freistehenden Einfamilienhauses nicht um angemessene Kosten handelt. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, welche Kosten im Einzelfall tatsächlich angemessen sind, da auf jeden Fall feststeht, dass die vorliegend entstehenden monatlichen Kosten in Höhe von 380,00 EUR Kaltmiete unangemessen sind. Auch wenn der B Mietspiegel kein schlüssiges Konzept i. S. d. Rechtsprechung des BSG darstellt, bildet er dennoch die Größenordnung der Mietpreise auf dem B Wohnungsmarkt ab.

Nach den bis 31.12.2009 geltenden Wohnraumförderbestimmungen in NRW war bei einem 1-Personen-Haushalt von einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm auszugehen. Das von der Klägerin angemietete Einfamilienhaus verursacht monatliche Kosten in Höhe von 380,00 EUR Kaltmiete, so dass sich daraus ein Quadratmeterpreis von 8,44 EUR unter Zugrundelegung von 45 qm ergibt. Legt man die vom Sozialgericht angenommenen Werte des B Mietspiegels von 2,10 EUR bis 8,00 EUR zugrunde, liegt dieser Betrag deutlich über dem Höchstwert des Mietspiegels. Da die Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur Anspruch auf Wohnraum im unteren Bereich des Wohnungsmarktes hat, bedarf es keiner weiteren Vertiefung, dass dieser Quadratmeterpreis als nicht angemessen zu bezeichnen ist. Selbst wenn man mit dem Vortrag der Klägerin den von ihr selbst genannten Betrag von 7,00 EUR zugrunde legt, den sie dem Wohnungsmarktbericht aus dem Jahre 2010, basierend auf Daten aus dem Jahre 2009, entnommen hat, liegt dieser Betrag eindeutig oberhalb der genannten Grenze.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht, wenn man bereits für den hier streitigen Zeitraum im Jahre 2009 von einer Wohnungsgröße von 50 qm ausgeht. In diesem Fall wären die für das Haus der Klägerin tatsächlich anfallenden Kosten von 380,00 EUR monatlich nur angemessen, wenn ein Quadratmeterpreis von 7,60 EUR (380,00 EUR: 50qm) eine angemessene Miete darstellen würde. Auch bei diesem Betrag handelt es sich aber um einen solchen, der knapp unterhalb der Höchstgrenze des Mietspiegels liegt und auch den von der Klägerin selbst genannten Betrag von 7,00 EUR eindeutig übersteigt.

Soweit die Klägerin weiterhin der Auffassung ist, sie habe die Kosten der Unterkunft durch die "Untervermietung" reduziert, verkennt die Klägerin hier die tatsächlichen Gegebenheiten. Eine Reduzierung der Unterkunftskosten würde nur dann entstehen, wenn sie den Wohnraum von 100 qm teilweise untervermietet und die Kosten von 380,00 EUR monatlich reduziert. Der Umstand, dass sie auf ihrem Grundstück einen Karavan-Stellplatz vermietet hat, führt nicht zu einer Reduzierung dieser Unterkunftskosten, sondern verschafft ihr zusätzliche Einnahmen, die ihre Bedürftigkeit vermindern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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