L 7 B 100/08 AL

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 AL 2641/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 100/08 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Festsetzung eines Ordnungsgelds wegen unentschuldigten Ausbleibens eines Zeugen hat durch Beschluss nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 380 ZPO in der anberaumten mündlichen Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu erfolgen (§ 12 Abs. 1 SGG).
2. Hat das Ausgangsgericht in falscher Besetzung erschienen, kann die Beschwerdeinstanz eine eigene Sachentscheidung treffen.
3. Die Festsetzung der Höhe des Ordnungsgeldes erfordert eine pflichtgemäße Ermessensbeätigung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen und des Grundes seines Ausbleibens. Hat das Ausgangsgericht eine Ermessensbetätigung versäumt, hat das Beschwerdegericht diese bei seiner Sachentscheidung nachzuholen.
4. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren hat entsprechend oder gemäß § 197a SGG zu erfolgen.
5. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die Gebühr für das Beschwerdeverfahren pauschal 50 € beträgt (§ 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Kostenverzeichnis-Nr.: 7504).
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die am 31. Oktober 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) eingelegte und am 21. April 2008 dem Hessischen Landessozialgericht vorgelegte Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Ordnungsgeldbeschluss des SG vom 4. September 2007, ihm zugestellt am 26. Oktober 2007, ist zulässig ohne in der Sache Erfolg zu haben.

Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 380 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Gemäß Art. 6 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) beträgt das Ordnungsgeld zwischen 5,00 EUR und 1.000,00 EUR.

Bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes geht das Gesetz davon aus, dass sie sofort zu erfolgen hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies ergibt sich aus der in § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO für das Gericht begründeten Pflicht, unter Umständen die getroffenen Anordnungen nachträglich wieder aufzuheben. Danach hätte der Beschluss bereits während der mündlichen Verhandlung – nach Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung des Zeugen – unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ergehen müssen (so auch: Bayerisches LSG, 3.7.1967 - L 7/S 10/67; LSG Baden-Württemberg, 29.6.1984 L 5 B 60/84; LSG NRW, 27.4.1997 - L 11 S 2/97; Thüringer LSG, 21.4.1994 - L 3 B 1/94 -, 20.4.2005 - L 6 B 3/04 RJ und 23.8.2004 - L 3 B 39/04 AL). Die ehrenamtlichen Richter wirken zwar u. a. bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts folgt hier aber daraus, dass die Kammer nicht nur in dem Verfahren zur Beschlussfassung des Urteils in voller Besetzung entscheidet, sondern auch bei allen in der Sitzung erforderlich werdenden Beschlüssen, soweit sie nicht dem Vorsitzenden zugewiesen sind oder abweichende Vorschriften gelten (vgl. Keller in Mayer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 12 Rn. 2a; Bayerisches LSG, a.a.O.). Der Ordnungsgeldbeschluss nach § 380 Abs. 1 ZPO ist nach den obigen Ausführungen als ein in der Sitzung erforderlich werdender Beschluss anzusehen und hat daher sofort zu erfolgen. Er durfte nicht durch die Kammervorsitzende alleine, das heißt ohne die ehrenamtlichen Richter, erlassen werden. Auch konnte die Kammer nicht mit Einverständnis der ehrenamtlichen Richter abweichend von der gesetzlich bestimmten Besetzung die Entscheidung der Kammervorsitzenden überlassen.

Nur vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass ebenso eine Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses aufgrund einer nachträglichen Entschuldigung gemäß § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung einer Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter bedürfte.

Ist danach der Beschluss in falscher Besetzung ergangen, ist gleichwohl der Beschluss nicht aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das SG zurückzuverweisen (Thüringer LSG, 20.4.2005, a.a.O.; a.A. wohl Thüringer LSG, 23.8.2004, a.a.O.). Steht es im freien Ermessen des Senats, eine eigene Sachentscheidung zu treffen (vgl. Thüringer LSG, 20.4.2005, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Thüringer LSG, Beschluss vom 21. April 1994, a.a.O., Leitherer in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 176 Rn. 4 sowie Behn in Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl., § 172 Rn. 37 - X/1996 - und § 176 Rn. 6 IX/2002), ist das hier angezeigt, weil in der Sache der Beschluss des SG nicht zu beanstanden ist.

Der Zeuge ist zum Verhandlungstermin des SG mit Beweisaufnahme vom 6. August 2007 am 14. Mai 2007 durch Einwurf in seinen Briefkasten nach vergeblichem Übergabeversuch am 29. August 2006 geladen worden. Damit sind die Zustellungsvoraussetzungen gemäß § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 176, 180 ZPO erfüllt.

Das ergibt sich aus der Postzustellungsurkunde vom selben Tage, die gemäß § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 182, 418 Abs. 1 ZPO als öffentliche Urkunde über die Zustellung den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsache begründet.

Der Gegenbeweis nach § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 182, 418 Abs. 2 ZPO ist nicht geführt, weil der Beschwerdeführer den Erklärungsinhalt nicht substantiiert bestritten hat und auch für den Senat sich keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde ergeben. Er behauptet nur, bei ihm und in der Nachbarschaft sei Briefpost schon mehrfach nicht angekommen, ohne sich auch auf mit Postzustellungsurkunde zugestellte Briefsendungen beziehen zu können. Auch der Hinweis, das SG habe den Ordnungsgeldbeschluss zunächst fehlerhaft zugestellt, vermag den Beweiswert der Postzustellungsurkunde nicht zu erschüttern. Der Fehler hat allein darin gelegen, den Beschluss zunächst irrtümlich dem Kläger des zugrundeliegenden Rechtsstreits zugestellt zu haben. Genau das ist aber in der hierfür erstellten Postzustellungsurkunde wahrheitsgemäß bestätigt.

Hinreichende Entschuldigungsgründe hat der Beschwerdeführer schon deshalb nicht aufgezeigt, weil er entgegen seiner falschen Behauptung die Ladung bereits am 14. Mai 2007, nicht erst kurz vor dem Termin, erhalten hat.

Es sind auch keine Gründe dafür ersichtlich den Beschluss entsprechend §§ 153 Abs. 1 StPO, 47 Abs. 2 OWiG aufzuheben, soweit ein Ordnungsgeld festgesetzt ist, weil der Rechtsstreit auch ohne eine Beweisaufnahme durch Vergleich erledigt werden konnte. Das ist schon deshalb abzulehnen, weil mit Beweisaufnahme eine Erledigung auf gesicherter Tatsachengrundlage hätte möglicherweise ergehen können. Jedenfalls das hat der Beschwerdeführer durch sein nicht hinreichend entschuldigtes Ausbleiben vereitelt.

Die Höhe des vom Sozialgericht festgesetzten Ordnungsgelds ist ebenso wenig im Ergebnis zu beanstanden. Das Gericht hat nach Maßgabe des Rahmens des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EGStGB die Höhe des Ordnungsgelds und Dauer der Ordnungshaft nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Hierbei sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen und alle Umstände, die diesen veranlassten, den Anordnungen des Gerichts nicht zu folgen, (vgl. Kummer in Peters/Sautter/Wolff, 4. Aufl., § 118, zu §§ 380 f. ZPO, II/1985), sowie die Bedeutung der Aussage für die Entscheidung (BFH, 1.6.1998 X B 41/88) zu berücksichtigen. Die fehlende Ermessensbetätigung des Ausgangsgerichts kann dabei durch die Beschwerdeinstanz nachgeholt werden (vgl. Behn in Peters/Sautter/Wolff, a.a.0., § 172 Rdnr. 8 und 81, X/1996). Hier hat das Sozialgericht in seinem Ordnungsgeldbeschluss keine Ermessenserwägungen angestellt. Die bloße Behauptung einer solchen genügt nicht, auch wenn die leitenden Erwägungen in der Regel nur kurz darzustellen sind. Bei ihrer Nachholung durch den Senat bestehen gegen die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes (200,00 EUR) und der ersatzweise angeordneten Ordnungshaft von zwei Tagen keine Bedenken. Sie liegt bei einem gesetzlich festgelegten Rahmen von 5 Euro bis 1.000 Euro (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EGStGB) im unteren Bereich. Besondere wirtschaftliche Verhältnisse, die selbst ein Ordnungsgeld in der niedrigen Höhe unangemessen erscheinen lassen, hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr hat er die Höhe des Ordnungsgeldes an sich im Beschwerdeverfahren unbeanstandet gelassen (so auch: Thüringer LSG, 20.4.2005 – L 6 B 3/04 RJ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Diese Vorschriften sind hier deshalb einschlägig, weil der Beschwerdeführer nicht zum Personenkreis des § 183 Abs. 1 S. 1 SGG gehört. Danach sind die Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind.

Zwar setzt der Wortlaut des § 197a SGG voraus, dass jemand als Kläger oder Beklagte nicht zum nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehört. Es handelt sich bei zweckentsprechender Auslegung jedoch um einen zweckwidrig verkürzten Tatbestand, da § 197a SGG eigentlich sicherstellen will, eine Kostenlast vorzusehen, soweit § 183 Abs. 1 S. 1 SGG nicht greift. Das Beschwerdeverfahren ist nicht als Annex zu dem (kostenprivilegierten) Klageverfahren anzusehen, in dem der Beschwerdeführer als Zeuge geladen gewesen ist. Es gibt keinen sachlichen Grund, nur Rechtsmittel von Zeugen gegen einen Ordnungsgeldbeschluss in einem kostenpflichtigen Klageverfahren mit Gerichtsgebühren zu belasten (so auch: LSG Niedersachsen-Bremen, 2.4.2008 L 7 B 6/08 AL; Thüringisches LSG, 16.11.2005 - L 6 B 61/05 R).

Eine Sondervorschrift für die Kostenfreiheit dieses Rechtsmittels, wie sie z. B. für das Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung der Vergütung von Zeugen in § 4 Abs. 8 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz - JVEG - vorgesehen ist, existiert für die Überprüfung eines Ordnungsgeldbeschlusses gegen einen Zeugen nicht.

Eine Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich. Die Gerichtsgebühr richtet sich nach § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Kostenverzeichnis-Nr.: 7504 und beträgt pauschal 50,00 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits entsprechend § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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