S 11 AS 740/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 740/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Weiterbildungskosten streitig.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur (FH). Seit 2001 arbeitete der Kläger als Konstrukteur sowie Ingenieur bei verschiedenen Arbeitgebern, teilweise für einen längeren, teilweise nur für einen recht kurzen Zeitraum. Zwischen den Arbeitsverhältnissen lagen Zeiten längerer Arbeitslosigkeit die durch verschiedenste Weiterbildungsmaßnahmen unterbrochen wurden. In der Zeit ab September 2005 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft, in der Zeit vom 31.03.2008 bis 09.09.2010 in Strafhaft.

Vom 11.07.2011 bis zum 21.07.2011 arbeitete der Kläger als Konstrukteur bei der P.& F. Seit dem 22.07.2011 war er sodann erneut arbeitslos.

Der Kläger bezieht derzeit Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).

Unter dem 18.10.2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Förderung durch eine CAD-Schuldung (Computer-aided-Design) mit AutoCAD®, die bei verschiedenen Seminaranbietern (GFU Cyrus AG/Köln, PC-College/Köln, eduCADion IT Training/Köln, CAD-Center DERI/Köln) möglich sei. Unter dem 19.10.2011 beantragte der Kläger darüber hinaus eine Inventor-Schulung (bei GFU Cyrus AG/Köln, PC-College/Köln, eduCADion IT Training/Köln oder dk Computerschule/Köln/Gießen). Ebenfalls am 19.10.2011 beantragte er die Förderung einer SolidWorks-Schulung sowie einer Solid Edge-Schulung. Hierbei benannte er wiederum verschiedene Seminaranbieter, die entsprechende Schulungen anböten. AutoDesk® Inventor, SolidWorks und Solid Edge stellen jeweils unterschiedliche CAD-Programme dar.

Mit Bescheid vom 03.11.2011 lehnte der Beklagte die Anträge ab. Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen für die Bewilligung einer entsprechenden Maßnahme seien nicht gegeben. Die Maßnahmen entsprächen nicht den Zielen der Weiterbildungsförderung, wie sie um Bildungszielplan 2011/2012 festgelegt seien. Die Frage der Bewilligung sei eine Ermessensentscheidung. Beim Kläger komme die Bewilligung aber nicht in Betracht.

Gegen den Bescheid vom 03.11.2011 legte der Kläger am 22.11.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die angestrebten CAD Schulungen würden seine Chancen zur beruflichen Eingliederung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhöhen.

Mit Schreiben vom 09.12.2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass bislang nicht dargelegt sei, aus welchem Grund konkret die berufliche Eingliederung von der Absolvierung einer CAD-Schulung abhängig sein sollte. Der Kläger verwies darauf, dass der Beklagte ihm zahlreiche Vermittlungsangebote unterbreitet habe, die erweiterte Kenntnisse im Bereich CAD erforderten. Solche erweiterten Kenntnisse habe er bislang nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Eine Bewilligung komme nicht in Betracht, da die Maßnahme nicht im Bildungszielplan 2011/2012 enthalten sei.

Am 24.02.2012 hat der Kläger Klage erhoben.

Er beantragt,

den Bescheid vom 03.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm die berufliche Weiterbildung CAD-Schulung durch Übernahme der Weiterbildungskosten zu fördern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

Im Rahmen des Erörterungstermins vom 16.10.2012 hat der Kläger mitgeteilt, dass er von Anfang bis Mitte August 2012 bei der Firma Z in H. eine – wenngleich befristete – Arbeitsstelle als Urlaubsvertretung hatte. Diese sei nunmehr jedoch beendet. Derzeit arbeite er als Produktionshelfer.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand des Erörterungstermins vom 16.10.2012 sowie des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 08.01.2013 gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II kann der Beklagte Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches – Arbeitsförderung – (SGB III) erbringen. Dementsprechend können nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II in Verbindung mit § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III n.F. (bzw. § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung – a.F.) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn (1.) die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, (2.) die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und (3.) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

Im vorliegenden Fall ist schon das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Förderung nicht gegeben. Wie oben dargelegt muss die Weiterbildung "notwendig" sein, um den Kläger beruflich einzugliedern. Die Frage der Notwendigkeit hat sich im Rahmen des SGB II an den Zielvorgaben der §§ 1, 3 SGB II zu orientieren. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sind. Die Erforderlichkeit in diesem Sinn kann jedoch nur vorliegen, wenn ein Eingliederungserfolg mit hinreichender Sicherheit vorhergesagt werden kann bzw. davon auszugehen ist (vgl. dazu auch Bundessozialgericht - BSG - Urteil v. 23.11.2006 – B 11b AS 3/05 R = juris Rn 27; so auch Kohte, in: Gagel, SGB II / SGB III, 47. Erg.-Lfg. 2012, § 16 Rn. 86; Thie, in: Münder SGB II, 4. Aufl. 2011, § 16 Rn. 30). Dies ist nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass dem Kläger vom Beklagten verschiedene Arbeitsangebote vorgelegt worden waren, in denen u.a. Kenntnisse im Bereich Auto-CAD® erforderlich gewesen wären. Dass der Kläger aber nur dann Aussicht auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt hätte, wenn er die begehrte Weiterbildung erhält, hiervon ist die Kammer nicht überzeugt. Dies umso mehr als der Kläger seinen Weiterbildungswunsch auch nicht genauer spezifiziert hätte. Der Kläger begehrte vielmehr eine Weiterbildung in verschiedenen CAD-Versionen, ohne das erkennbar wäre, für welchen Bereich speziell diese erforderlich gewesen sein sollten. Die Tatsache, dass der Kläger nach eigenen Angaben – auch ohne die begehrte Fortbildung – bei der Firma ZSI in Gummersbach eine – wenngleich befristete – Arbeitsstelle als Urlaubsvertretung gefunden hat zeigt ebenfalls, dass die vom Kläger begehrte Fortbildungen jedenfalls nicht zwingende Voraussetzung für eine – auch dem Ausbildungsstand entsprechende – berufliche Tätigkeit ist.

Auf die Frage der rechtmäßigen Ausübung von Ermessen gemäß § 39 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I) kommt es somit bereits nicht an.

Rein vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass die vom Kläger begehrte Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung der Fortbildung – unabhängig vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 SGB III n.F. bzw. § 77 SGB III a.F.- schon allein deshalb nicht in Betracht käme, weil die Bewilligung der Leistungen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten stehen.

Die vom Kläger begehrte Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung der begehrten Weiterbildungsmaßnahmen würde vor diesem Hintergrund voraussetzen, dass das Ermessen des Beklagten "auf Null" reduziert wäre, sich also jede andere Verwaltungsentscheidung als die Bewilligung als ermessensfehlerhaft darstellte (vgl. hierzu Dörr/Francke, Sozialverwaltungsrecht, 2. Aufl. 2006, Kap. 3 Rn. 79a; Gutzler, in: BeckOK, Stand: 01.12.2012, § 39 SGB I Rn. 7; Wagner in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 39 SGB I Rn. 30 ff.; LSG Hamburg Urteil vom 15.03.2012 - L 4 AS 199/11 = juris Rn. 19)

Gründe, die für eine Ermessensreduzierung auf Null sprechen würden, sind aber weder dargetan noch ersichtlich (zur Ermessensreduzierung auf Null bei Weiterbildungsmaßnahme, vgl. Sächsisches LSG Beschluss vom 26.10.2012 - L 3 AS 678/12 B ER = juris Rn. 24 ff.) Gegen eine Bewilligung sprächen im Übrigen insbesondere die Maßgaben der Bildungszielplanung 2011/2012. Der Beklagte kann - angesichts der zur Verfügung stehenden eingeschränkten Mittel – die Leistungsgewährung auch durch ermessenslenkende Maßnahmen regeln (Bayerisches Landessozialgericht – LSG – Urteil vom 29.07.2009 - L 10 AL 138/08 = juris Rn. 35; vgl. zur Bildungszielplanung auch Gagel, SGB II / SGB III ,47. Erg.-Lfg. 2012, § 77 Rn75 ff. unter Hinweis auf BT-Drs 16/505, S 91). Hierbei ist freilich zu berücksichtigen, dass auch insoweit Raum für die Ausübung des Ermessens im Einzelfall, also für die Prüfung individueller Besonderheiten des jeweiligen Antragstellers verbleiben muss (vgl. Gagel, SGB II / SGB III ,47. Erg.-Lfg. 2012, § 77 Rn75 ff.; unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.11.1993 - 7 RAr 52/93 = juris; BSG Urteil vom 27.06.1996 - 11 RAr 107/95 = juris). Gründe, die eine Bewilligung im Falle des Klägers als zwingend erscheinen ließen, sind jedoch – wie oben dargelegt – nicht zu erkennen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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