L 7 AS 765/13 B ER und L 7 AS 1117/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 60 AS 1285/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 765/13 B ER und L 7 AS 1117/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts vom 23.04.2013 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller hinsichtlich der Forderung der Beigeladenen aus Gas- und Energieschulden in Höhe von 2237,31 Euro vorläufig ein Darlehen zu gewähren. Die Zahlung von 2237,31 Euro ist unmittelbar an die Beigeladene zu leisten. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt F aus B bewilligt. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die darlehensweise Übernahme von Gas- und Stromschulden des Antragstellers bei der Beigeladenen in Höhe von 2237,31 Euro durch die Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist am 00.00.1989 geboren und bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Antragsgegnerin.

Bezüglich der von ihm bewohnten Wohnung bestehen bei der Beigeladenen Gas- und Energieschulden, die die Beigeladene mit Schreiben vom 12.06.2013 auf insgesamt 2237,31 Euro beziffert hat.

Das Amtsgericht N hat mit Urteil vom 12.12.2012 (Az. XXX) den Antrag des Antragstellers gegen die Beigeladene auf Fortführung der Belieferung mit Strom und Gas zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 16.01.2013 hat der Antragsteller sich bei der Beigeladenen um den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung bemüht und dort monatliche Raten von je 25,- Euro zum Ausgleich der offenen Forderung angeboten. Dies hat die Beigeladene mit Schreiben vom 17.01.2013 abgelehnt.

Mit Schreiben vom 30.01.2013 und 04.02.2013 hat der Gas- und Stromanbieter "E wie einfach" die Anfrage des Antragstellers auf Abschluss eines Versorgungsvertrages abgelehnt.

Am 19.02.2013 sprach der Antragsteller bei der Antragsgegnerin vor und legte die Jahresabrechnungen der Beigeladenen vor. Am 01.03.2013 lehnte die Antragsgegnerin telefonisch gegenüber der Beigeladenen die Übernahme der Rückstände ab und informierte den Antragsteller hierüber.

Am 21.03.2013 hat die Beigeladene die Belieferung des Antragstellers mit Strom und Gas wegen der bestehenden Zahlungsrückstände eingestellt.

Mit Schreiben vom 21.03.2013 beantragte der Antragsteller die Übernahme der Energierückstände in Höhe von (damals) 1355,05 Euro und der Gaskosten in Höhe von (damals) 671,37 Euro bei der Antragsgegnerin und leitete am selben Tag das Verfahren im einstweiligen Rechtschutz bei dem Sozialgericht Dortmund ein, mit dem er die darlehensweise Übernahme der Schulden durch die Antragsgegnerin sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt.

Er hat vorgetragen, er sei nicht in der Lage die Rückstände zu begleichen. Im Zeitraum von 01.10.2012 bis 20.03.2013 seien dem Antragsteller zu geringe Leistungen ausgezahlt worden, so dass er deutlich unterhalb des Existenzminimums gelebt habe und nicht zuletzt aufgrund einer rechtswidrigen Sanktion der Leistungen im Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.05.2013 nicht in der Lage gewesen sei, die Abschläge für Gas und Strom, die bis dahin von der Antragsgegnerin unmittelbar an die Beigeladene überwiesen worden waren, zu zahlen. Ab dem 23.08.2012 habe die Antragsgegnerin das dem Antragsteller zur Verfügung stehende Einkommen bei der Leistungsgewährung berücksichtigt, jedoch hierbei eine unzutreffende Einkommensbereinigung vorgenommen. Diesbezüglich führe er ein Verfahren nach § 44 SGB X bei der Antragsgegnerin. Er erziele lediglich ein Einkommen in Höhe von 153,- Euro monatlich. Die Antragsgegnerin gehe jedoch von einem Einkommen in Höhe von 400,- Euro monatlich aus. Seine Unterkunftskosten seien angemessen im Sinne des § 22 Abs.1 SGB II, so dass eine darlehensweise Übernahme der Schulden in Betracht komme. Aufgrund der abgestellten Energie- und Gaszufuhr drohe dem Antragsteller praktisch die Obdachlosigkeit.

Die Antragsgegnerin hat eingewandt, die Leistungen nach dem SGB II seien in zutreffender Höhe bewilligt worden und der Antragsteller sei in der Lage gewesen, die Energiekosten aus seinem laufenden Einkommen einschließlich Kindergeld zu bestreiten. Die bei der Beigeladenen aufgelaufenen Rückstände beruhten daher auf einem Verschulden des Antragstellers. Auch habe der Antragteller nicht ausreichend glaubhaft gemacht, alle Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft zu haben.

Das Sozialgericht Dortmund hat den Antrag mit Beschluss vom 23.04.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragssteller habe einen Anordnungsanspruch für die Übernahme der Gas- und Energieschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Die Übernahme der Schulden stehe hiernach im Ermessen des Leistungsträgers. Das Ermessen der Antragsgegnerin sei nicht in dem Sinne reduziert, dass alleine eine Schuldenübernahme ermessensfehlerfrei wäre. Im Rahmen der Ermessensentscheidung seien die Gründe zu berücksichtigen, die zu den aufgelaufenen Rückständen geführt hätten. Auch sei der von einer Sperrrung der Energiezufuhr betroffene Personenkreis, das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten und ein erkennbarer Selbsthilfewille in die Entscheidung einzubeziehen. Die aufgelaufenen Rückstände könnten allenfalls zu einem geringen Teil aus den eventuell zu geringen Leistungsauszahlungen der Antragsgegnerin stammen. Der Antragsteller habe die Rückstände sehenden Auges angehäuft. Da der Antragsteller alleinstehend sei, seien auch keine weiteren Personen in seinem Haushalt von der Sperrung betroffen. Auch habe der Antragsteller seine Selbsthilfemöglichkeiten nicht ausgeschöpft, denn es sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Beigeladene auf eine Ratenzahlung von 25,-. Euro monatlich angesichts der Forderungshöhe eingeht.

Der Antragsteller hat am 29.04.2013 gegen den ihm am 25.04.2013 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt und schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2013 zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein Darlehen in Höhe von 2237,31 Euro gemäß § 22 Abs. 8 SGB II zur Begleichung der Gas- und Stromschulden bei der Beigeladenen zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, die Antragsgegnerin habe die laufenden Leistungen in zutreffender Höhe bewilligt. Die aktuelle Leistungsgewährung sei zudem für die Höhe der aufgelaufenen Gas- und Energieschulden unerheblich.

Das Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 29.05.2013 die S zum Verfahren beigeladen (§ 75 Abs.1 SGG). Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat mit Schreiben vom 12.06.2013 mitgeteilt, dass eine Ratenzahlung solange nicht möglich sei, bis die offene Forderung beglichen sei und erklärt, die Versorgung könne nach Begleichung der Schulden i.H.v. 2237,31 Euro wieder aufgenommen werden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen, insbesondere des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichts- und der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2013, mit dem dieses die Übernahme von Gas- und Energieschulden des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen als Darlehen durch die Antragsgegnerin zurückgewiesen hat, ist zulässig und begründet.

Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Az.: 2 B vR 174/88). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, § 86 b SGG in Verbindung mit den §§ 920 Absatz 2, 294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B). Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches und des Grundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtssuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Verlagerung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen darf. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen bzw. wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischen Prüfung bekannten Sachlage entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, 830 ff. mit weiteren Nachweisen, Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage 2012 zu § 86 b Rdnr. 29 a).

Im Sinne einer solchen Folgenabwägung ist der Antrag auf darlehensweise Übernahme der Gas- und Energieschulden begründet.

Am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses des Antragstellers zur Durchführung eines Eilverfahrens bestehen keine Zweifel. Zwar ist in der Regel eine entsprechende Verwaltungsentscheidung abzuwarten, bevor gerichtlich Ansprüche gegen einen Leistungsträger geltend gemacht werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 86b Rn 7 f m. w. N.). Eine Entscheidung nach § 22 Abs. 8 SGB II hat die Antragsgegnerin zwar soweit ersichtlich bislang noch nicht getroffen, jedoch telefonisch am 01.03.2013 gegenüber dem Antragteller die Übernahme der Rückstände abgelehnt.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Wohnung des Antragstellers ist seit dem 21.03.2013 nicht mehr mit Gas und Strom versorgt. Damit fehlt dem Antragsteller seit nunmehr knapp 3 Monaten die Möglichkeit die Wohnung zu heizen, dort zu kochen oder Lichtquellen zu nutzen.

Ob ein endgültiger Anspruch des Antragstellers auf Gewährung eines Darlehens bezüglich der bei der Beigeladenen aufgelaufenen Energieschulden gem. § 22 Abs. 8 SGB II besteht, braucht der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu entscheiden.

Nach § 22 Abs. 8 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II). Wegen der vergleichbaren Notlage bei Energierückständen für sonstigen Haushaltsstrom, der als Teil des Regelbedarfs eigentlich nicht den Unterkunftskosten zuzuordnen ist, können auch Energieschulden im Rahmen des § 22 Abs. 8 SGB II übernommen werden ( LSG NRW Beschluss vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER; Beschluss vom 15.06.2012 - L 19 AS 728/12 B ER; Beschluss vom 13.05.2013 L 2 AS 313/13 B ER; Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011 § 22 Rn 193 m. w. N.; Boerner in Löns/Herold-Tews, 3. Aufl. 2011 § 22 Rn 125 m. w. N.). Die Sperrung der Energieversorgung ist eine Notlage, die die Bewohnbarkeit der Wohnung beeinträchtigt und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II indiziert. Ist die Sperrung nicht nur angekündigt, sondern bereits durchgeführt, entspricht dies drohender Wohnungslosigkeit i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II (LSG NRW Beschluss vom 13.05.2013 L 2 AS 313/13 B ER).

Die Antragsgegnerin erbringt für den Antragsteller laufende Leistungen nach § 22 Abs.1 SGB II. Die Angemessenheit der Kosten der von dem Antragsteller bewohnten Unterkunft ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Dem Grunde nach kommt daher eine darlehensweise Übernahme der Schulden in Betracht.

Die Übernahme der aufgelaufenen Schulden bei dem Energieversorger des Antragstellers ist im Sinn von § 22 Abs. 8 SGB II objektiv geeignet, seine Energieversorgung wiederherzustellen und prognostisch gesehen dauerhaft zu sichern. Die Beigeladene hat zugesagt, die Versorgung der Wohnung des Antragstellers mit Gas und Strom nach Begleichung der Schulden wieder aufzunehmen, so dass die bestehende Notsituation durch die darlehensweise Übernahme der Leistungen behoben werden könnte, und die Wohnung wieder bewohnbar wäre.

Schonvermögen, das der Antragsteller gem. § 22 Abs. 8 S. 3 SGB II vorrangig zur Behebung der Notlage einzusetzen hätte, besteht nach dem derzeitigen Sachstand nicht. Insbesondere kann der Antragsteller die Energierückstände nicht aus dem laufenden Erwerbseinkommen bestreiten, da dieses Einkommen zur Deckung seines Lebensbedarfs ersichtlich - denn sonst bestünde kein weiterer Leistungsbezug nachdem SGB II - nicht ausreicht.

Nicht abschließend klären lässt sich im Rahmen des Eilverfahrens, ob die darlehensweise Übernahme der Schulden im Sinn von § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II endgültig gerechtfertigt ist. In Betracht kommt die Schuldenübernahme nur, wenn diese objektiv geeignet ist, die Energieversorgung (dauerhaft) zu sichern und wenn der Leistungsberechtigte die zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hat. Daneben sind sonstige Umstände, wie die Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, die Zusammensetzung des von der Stromsperre betroffenen Personenkreises, oder das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten zu berücksichtigen (LSG NRW Beschluss vom 13.05.2013 a.a.O.)

Ob der Antragsteller die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Selbsthilfe (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 20.08.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER; Beschluss vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER; Beschluss vom 16.04.2012 - L 19 AS 556/12 B ER; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 13.03.2012 - L 2 AS 477/11 B ER; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 13.01.2012 - L 3 AS 233/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.09.2011 - L 14 AS 1533/11 B ER; Beschluss vom 05.08.2011 - L 5 AS 1097/11 B ER m.w.N.; Berlit a.a.O. § 22 Rn 194) ausreichend ausgeschöpft hat, kann bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings ist derzeit nicht ersichtlich, welche weiteren Selbsthilfemöglichkeiten dem Antragsteller zur Verfügung gestanden hätten. Er hat zivilrechtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch genommen, er hat sich bei - zumindest einem - anderen Anbieter um die Aufnahme der Versorgung bemüht und versucht, eine Ratenzahlungsvereinbarung, die seinen wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht, mit der Beigeladenen zu schließen. Dass der Antragsteller hierbei eine Ratenzahlung von "nur" 25,- Euro monatlich angeboten hat, ist ihm angesichts des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II nicht vorwerfbar. Im Übrigen hat die Beigeladene mit Schreiben vom 12.06.2013 bekundet, dass eine Ratenzahlungsvereinbarung (gleich welcher Höhe) ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre.

Andere Einzelfallumstände, die eine Schuldenübernahme klar als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen würden, sind nicht erkennbar. Insbesondere vermag allein die Tatsache, dass der Antragsteller die Entstehung der Rückstände möglicherweise zu einem nicht unerheblichen Teil selbst dadurch verursacht hat, einer Schuldenübernahme nicht entgegenzustehen. Die Übernahme von Schulden ist nicht allein bei wirtschaftlich unvernünftigem (vorwerfbarem) Verhalten des Leistungsberechtigten abzulehnen. Die Regelung des § 22 Abs. 8 SGB II liefe sonst leer, weil Schulden im dort genannten Sinn in aller Regel auf ein Fehlverhalten des Leistungsberechtigten zurückzuführen sind (BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R - Rn 31). Für einen absichtlichen Leistungsmissbrauch durch den Antragsteller, der die Übernahme der Schulden möglicherweise als missbräuchlich erscheinen lassen würde, bestehen vorliegend jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Letztendlich hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den erkennenden Senat keine andere Möglichkeit der zukünftigen Sicherstellung der Versorgung des Antragstellers mit Strom und Gas außer durch Inanspruchnahme eines Darlehns nach § 22 Abs. 8 SGB II besteht. Die Beigeladene ist nur nach vollständiger Erfüllung aller Forderungen bereit, die Energielieferung wieder aufzunehmen.

Ohne die beantragten Leistungen drohen dem Antragsteller durch die fortbestehende Energiesperre existentielle Nachteile, die er aus eigener Kraft nicht abwenden kann. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin "nur" finanzielle Nachteile zu gewärtigen, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren nicht durchdringen sollte.

Da der Antrag in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg hat, war dem Antragsteller auch für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu (§§ 73a SGG, 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Im Prozesskostenhilfe - Beschwerdeverfahren werden Kosten nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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