L 8 AY 5/13 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AY 26/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 AY 5/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Februar 2013 aufgehoben und der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 6. November 2012 gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012 abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am ... 1989 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und reiste im Juni 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 27. Juni 2011 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 20. Juli 2011 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit der rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 21. Mai 2012 abgewiesen. Seitdem verfügt der Antragsteller über eine Duldung. Am 28. Mai 2013 hat der Antragsteller einen Folgeantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt.

Bereits zum 31. August 2011 wurde er der Gemeinschaftseinrichtung B. im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners zugewiesen.

Die Ausländerbehörde händigte ihm am 31. Juli 2012 Passanträge aus mit der Auflage, diese bis zum 28. August 2012 ausgefüllt und unterschrieben zurückzugeben. Der Antragsteller weigerte sich unter Hinweis auf seine Religion und den Umstand, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne. Die Ausländerbehörde wies ihn mit Schreiben vom 28. August 2012 darauf hin, dass er verpflichtet sei, auszureisen und einen gültigen Pass oder Passersatzpapiere vorzulegen. Er wurde aufgefordert, die Pass- bzw. Passersatzbeschaffung durch schriftliche Bestätigung der Botschaft bis zum 25. September 2012 nachzuweisen. Am 25. September 2012 sprach der Antragsteller bei der Ausländerbehörde vor und beantragte die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis. Er gab nochmals an, nicht ausreisen zu wollen. Unter dem 1. Oktober 2012 wurde ihm vom afghanischen Konsulat in Berlin eine Geburtsurkunde ausgestellt. Einen Antrag auf Passersatzbeschaffung füllte er weiterhin nicht aus. Ein für den 5. Juni 2013 geplanter Vorführtermin bei der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Berlin zur Erlangung beantragter Rückreisedokumente konnte "auf Grund eines Büroversehens" nicht wahrgenommen werden.

Der Antragsgegner hatte dem Antragsteller zunächst mit Bescheid vom 6. September 2011 für die Dauer der Leistungsberechtigung Leistungen nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 193,30 EUR pro Monat bewilligt. Am 31. Juli 2012 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die Höhe der bewilligten Leistung ab dem 1. Januar 2011 ein. Diesen Widerspruch wies die Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2012 als unzulässig, da verfristet, bestandskräftig zurück.

Mit Bescheid vom 28. August 2012 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 6. September 2011 mit Wirkung für die Vergangenheit ab dem 1. August 2012 vorläufig auf der Grundlage von § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) auf und setzte den monatlichen Zahlbetrag ab dem Monat August 2012 mit 315,00 EUR fest. Dieser Anspruch setze sich aus dem Geldbetrag in Höhe von 134,00 EUR gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylbLG und Zusatzleistungen in Höhe von 181,00 EUR gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AsylbLG zusammen, wobei ein (nicht näher bezeichneter) Betrag für Verbrauchsgüter des Haushalt, wie Elektroenergie, Putz- und Reinigungsmittel und dergleichen von den Zusatzleistungen bereits in Abzug gebracht worden sei.

Am 18. Oktober 2012 wurde dem Antragsteller im Rahmen einer persönlichen Vorsprache dargelegt, dass beabsichtigt sei, ihm ab dem 1. November 2012 aufgrund der fehlenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung nur noch die Leistungen, die zum Leben unerlässlich seien, zu gewähren. Ausweislich des Gesprächsvermerks hat der Antragsteller geäußert, dass ihm das "scheißegal" sei. Daraufhin hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 den Bescheid vom 28. August 2012 mit Wirkung ab dem 1. November 2012 auf und setzte ab dem Monat November 2012 die Leistungen mit 143,17 EUR monatlich fest. Dieser Betrag werde für Zusatzleistungen gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 bis 3 AsylbLG abzüglich eines (nicht näher dargelegten) Betrages für Verbrauchsgüter des Haushalts gezahlt; der Geldbetrag nach § 3 Absatz 1 und Nr. 2 AsylbLG betrage 0 EUR. Die sofortige Vollziehung dieses Bescheides werde angeordnet. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Verwaltungsakt (vom 28. August 2012) mit Wirkung für die Zukunft gem. § 9 Abs. 3 AsylblG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) aufzuheben sei, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Inzwischen sei der Asylantrag abgelehnt und die hiergegen eingelegte Klage ohne Erfolg geblieben. Der Antragsteller sei seit dem 12. Juli 2012 vollziehbar ausreisepflichtig. Der Vollzug der Abschiebung könne wegen fehlender Identitätsnachweise nicht erfolgen und die Ausreisepflicht könne wegen Passlosigkeit nicht durchgesetzt werden. Trotz der Aufforderung, den Passantrag auszufüllen, habe er sich dahingehend geäußert, dass er nicht in sein Heimatland ausreisen werde. Er habe den Passantrag nicht ausgefüllt, sondern lediglich eine Geburtsurkunde vorgelegt. Eine Abschiebung sei wegen fehlender Identitätspapiere nicht möglich. Durch das Nichtausfüllen des Passantrages verlängere er seinen Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland. Insoweit habe er selbst zu vertreten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Der Leistungsanspruch sei ab dem 1. November 2012 vorläufig neu zu berechnen gewesen, da die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 Rechtsfragen offen gelassen habe, welche einer abschließende Klärung bedürften. Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entfalle die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs durch Anordnung der sofortigen Vollziehung. Hier bestehe ein öffentliches Interesse daran, dass der Antragsgegner nicht bis zum Abschluss eines Rechtsstreits ungerechtfertigte Sozialhilfeleistungen weiter zu erbringen hätte. Hiergegen legte der Antragsteller am 6. November 2012 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist.

Ebenfalls am 6. November 2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Oktober 2012 wiederherzustellen. Seiner Abschiebung stünden keine von ihm zu vertretenden Gründe entgegen. Zum Einen fänden seit mehreren Jahren keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr statt, wie sich aus der Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage vom 8. Dezember 2011 ergebe; danach seien nur in den Jahren 2006 und 2007 jeweils 2 bzw. 1 Person nach Afghanistan abgeschoben worden. Zudem führe eine verfassungskonforme Auslegung von § 1a AsylbLG zur Gewährung der Leistungen in dem im Bescheid vom 28. August 2012 gewährten Umfang, sodass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1a AsylbLG nicht ankomme.

Der Antragsgegner hat sein Vorbringen aus dem angefochtenen Bescheid wiederholt. Im Hinblick auf die Verfügung des Ministeriums für Inneres und Sport vom 3. September 2012 (Az.: 34.11-34.11-12235/8-1.8.1.2.3.) hat er sich bereit erklärt, dem Antragsteller vorläufige Leistungen zur Sicherung des physischen Existenzminimums in Höhe von monatlich 181,00 EUR monatlich zu gewähren. Dieser Betrag errechne sich nach der Regelbedarfsstufe 1 aus dem Regelsatzanteil von 212,00 EUR abzüglich der Leistungen nach Abteilung 4 von 31,33 EUR (Schriftsatz vom 16. Januar 2013). Dieses Teilanerkenntnis hat der Antragsteller angenommen (Schriftsatz vom 30. Januar 2013). Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2013 hat der Antragsgegner darüber hinaus angeboten, dem Antragsteller ab Januar 2013 vorläufige Leistungen in Höhe von 185,00 EUR monatlich zu gewähren (217,00 EUR abzüglich 32,06 EUR nach Abteilung 4 des Tabellenwerkes). Dem Antragsteller ist dieses Angebot im ersten Rechtszug nicht weitergeleitet worden.

Mit Beschluss vom 20. Februar 2013 hat das Sozialgericht Magdeburg die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 6. November 2012 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Oktober 2012 angeordnet. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er habe Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach § 1a AsylbLG in Höhe von monatlich 134,00 EUR, was dem vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10 und 2/11) festgesetzten Existenzminimum entspreche. Dieses Existenzminimum dürfe auch nicht durch Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG unterschritten werden. Es komme daher nicht darauf an, ob der Antragsteller die tatbestandlichen Voraussetzungen der vorgenannten Vorschrift erfülle. Die Höhe des in jedem Falle zur Verfügung stehenden Barbetrages richte sich nach § 3 Abs. 3 Satz 4 AsylbLG. Nach der vom BVerfG getroffenen Übergangsregelung seien die für das soziokulturelle Existenzminimum relevanten Verbrauchsausgaben der Abteilung 7 bis 12 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe heranzuziehen. Ab "Januar 2012" errechne sich hieraus ein Betrag in Höhe von 134,00 EUR. Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da das Vorenthalten der für ein menschenwürdiges Leben erforderlichen Mittel nachträglich nicht mehr wirksam ausgeglichen werden könne. Dem Anliegen des Antragstellers werde durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 6. November 2012 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Oktober 2012 Rechnung getragen, da insofern die ursprüngliche Leistungsbewilligung vom 28. August 2012 wieder auflebe.

Gegen den ihn am 4. März 2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 3. April 2013 beim Sozialgericht Magdeburg Beschwerde eingelegt, das diese an das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat, wo sie am 9. April 2013 eingegangen ist. Zur Begründung hat der Antragsgegner vorgetragen, das BVerfG habe sich ausdrücklich nur mit den nach § 3 AsylblG zu gewährenden Grundleistungen auseinander gesetzt und die Entscheidungsgründe bezögen sich ausschließlich auf diese Norm. Eine Entscheidung zur Anwendbarkeit des § 1a AsylbLG habe das BVerfG nicht getroffen. Vorübergehende verhaltensbedingte Kürzungen der Leistungen auch im Leistungsbereich des AsylbLG seien auch schon aus Gründen der Gleichbehandlung möglich, um unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zu § 1a AsylbLG eine Privilegierung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG im Vergleich zu deutschen Sozialhilfeempfängern und legal in Deutschland lebenden Ausländern zu verhindern.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Februar 2013 aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 8. November 2012 gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012 abzulehnen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zunächst sei die Zulässigkeit des Rechtsmittels zweifelhaft, da der Beschwerdewert nicht erreicht sei, sofern man auf den Zeitraum von der Stellung des Eilrechtschutzantrages bis zur erstinstanzlichen Entscheidung abstelle. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass er am 28. Mai 2013 einen Folgeantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt hat. Dies habe einen Abschiebeschutz nach § 71 Abs. 5 Satz 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) zur Folge, so dass seit der Folgeantragsstellung auch die Anwendbarkeit von § 1a Nr. 2 AsylbLG ausscheide; dies habe der Senat bereits in dem Urteil vom 24. August 2011 in dem Verfahren L 8 AY 2/10 entschieden. Schließlich hat er nach Übersendung des Teilanerkenntnisses vom 12. Februar 2013 dieses unter dem 22. August 2013 angenommen.

Hierzu hat der Antragsgegner vorgetragen, der Beschwerdewert errechne sich aus der Differenz zwischen den ursprünglich bewilligten monatlichen Leistungen in Höhe von 315,00 EUR und der mit dem angefochtenen Bescheid gekürzten monatlichen Leistung in Höhe von 143,17 EUR und damit monatlich 171,83 EUR. Der im Streit stehende Zeitraum beginne im November 2012 und erstrecke sich zumindest bis zur Einlegung des Rechtsmittels auf sechs Monate, so dass der Beschwerdewert von 750,00 EUR jedenfalls erreicht werde. Ferner hat er die Auffassung vertreten, für den Zeitraum der Folgeantragstellung bis zur Klärung, ob ein Asylfolgeverfahren durchgeführt werde, sei die Abschiebung kraft Gesetzes vorübergehend ausgesetzt, wenngleich die Ausreisepflicht weiter bestehe und diese auch vollziehbar bleibe. Die Anwendbarkeit des § 1a Nr. 2 AsylbLG bleibe davon unberührt, da die Ausreisepflicht des Antragstellers weiterhin bestehe und der Ausreise die Weigerung der Mitwirkung bei der Passbeschaffung entgegenstehe. Der Antragsteller habe daher auch in dieser Phase des Verfahrensstandes die überwindbare und von seiner Entscheidung abhängige Sanktionierung hinzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie die der Ausländerbehörde Bezug genommen, die sämtlich der Beratung des Senats zugrunde gelegen haben.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt, soweit die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die vom Antragsteller vor dem Sozialgericht begehrten Leistungen, die auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, überschreiten die maßgebende Grenze für eine zulassungsfreie Berufung in der Hauptsache. Der Antragsteller hat mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012 die Weitergeltung des Bescheides vom 28. August 2012, mit dem ihm "ab August 2012" monatlich Leistungen in Höhe von 315,00 EUR bewilligt worden waren, weiterverfolgt. Aufgrund der vom Antragsteller angenommenen Teilanerkenntnisse vom 16. Januar 2013 und vom 12. Februar 2013, in denen Leistungen zur Sicherung des physischen Existenzminimums in Höhe von monatlich 181,00 EUR bzw. 185,00 EUR zuerkannt worden sind, ist für die Zeit ab dem 1. November 2012 (nur noch) der Barbetrag in Höhe von 134,00 EUR bis zur Entscheidung des Senats im anhängigen Eilrechtsschutzverfahren streitig, so dass der Betrag von 750,00 EUR deutlich überschritten wird.

Die Beschwerde ist zudem form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist aufzuheben, soweit es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 6. November 2012 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Oktober 2012 angeordnet hat.

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Voraussetzungen für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung liegen nicht vor. Gem. § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage außer in den in § 86a Abs. 2 SGG genannten Fällen aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.

Hier hat der Antragsgegner mit dem mit dem Widerspruch vom 6. November 2012 angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 2012 den Bescheid vom 18. August 2012, in dem dem Antragsteller "ab dem 1. August 2012" und damit im Rahmen eines Dauerverwaltungsaktes Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt worden waren, mit Wirkung für die Zukunft nach § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. 48 SGB X aufgehoben und ihm geringere Leistungen nach § 1a AsylbLG bewilligt. Gleichzeitig hat er die sofortige Vollziehung gem. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet und diese Anordnung begründet. Dem Widerspruch des Antragstellers vom 6. November 2012 kommt somit keine aufschiebende Wirkung zu.

Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem, durch den Antragsgegner vertretenen, Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse überwiegt. Bei der Interessenabwägung ist u.a. die nach summarischer vorläufiger Prüfung der Rechtslage zu bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 12c, m.w.N.; Berlit, info also 2005, S. 3, 6; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, S. 92). Die offensichtliche Rechtmäßigkeit spricht im Regelfall gegen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, die offensichtliche Rechtswidrigkeit dafür. Liegt nach summarischer Prüfung ein offener Ausgang des Hauptsacheverfahrens vor, sind im Rahmen der Interessenabwägung das öffentliche Interesse an einer Vollziehung des Verwaltungsaktes sowie das private Interesse an der Wiederherstellung des Suspensiveffektes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles miteinander abzuwägen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rdnr. 12 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2010 - L 12 B 107/09 SO ER - juris).

Im vorliegenden Fall dürfte der Prüfungsmaßstab des Senats allerdings zu einer endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verdichtet sein. Eine über die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Regel gebotene summarische Prüfung hinausgehende Feststellung der Sach- und Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des BVerfG zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt, eine endgültige Verletzung der Rechte eines Berechtigten droht und insoweit Grundrechtspositionen von Gewicht in Rede stehen (vgl. z.B. BVerfG (Kammer), Beschluss vom 28. September 2009 - 1 BvR 1702/09 - juris m.w.N.). Die Sicherung der Existenz des Antragstellers dürfte hier die Kriterien einer Prüfung des Senats in Bezug auf eine Anspruchskürzung zu Lasten des Antragstellers im Umfang einer Hauptsacheentscheidung erfüllen, da eine Leistungskürzung im Streit steht, die im Ergebnis bewirkt, dass dem Antragsteller kein Barbetrag und damit nicht Leistungen in Höhe des sozio-kulturellen Existenzminimums zur Verfügung stehen. Soweit eine solche Prüfung möglich ist, ist dieser Weg gegenüber der Problemlösung im Rahmen der Folgenabwägung vorzuziehen (vgl. aber für die Kürzung nach § 1a AsylbLG: LSG München, Beschluss vom 24. Januar 2013 - L 8 AY 4/12 B ER - juris).

Der Bescheid vom 18. Oktober 2012 ist bei Erlass rechtmäßig gewesen.

Der Antragsgegner ist als der Landkreis, in dessen Zuständigkeitsbereich der Antragsteller einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen worden ist, zuständige Behörde für die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG (§§ 10, 10a Abs. 1 AsylbLG, § 1 Nr. 7 Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO-Kom) vom 7. Mai 1994 (GVBl. LSA S. 568)).

Der Antragsteller gehört nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG zu dem nach diesem Gesetz berechtigten Personenkreis. Er ist im Sinne dieser Vorschrift Ausländer, der sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhält und eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzt.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 2012 sowie den Teilanerkenntnissen vom 16. Januar 2013 und vom 12. Februar 2013 zu Recht Leistungen zur Sicherung des physischen Existenzminimums, jedoch kein soziokulturelles Existenzminimum gewährt. Denn der Antragsteller unterfällt als Leistungsberechtigter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG; die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung sind erfüllt. Insoweit ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit der Erteilung des Bescheides vom 28. August 2012, in dem dem Antragsteller zunächst unter Beachtung der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012 höhere Leistungen bewilligt worden waren, dadurch eingetreten, dass der Antragsteller den ihm auferlegten Mitwirkungspflichten bei der Ausstellung von Passersatzpapieren nicht nachgekommen ist (§ 9 Abs. AsylbLG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und der Antragsgegner nach entsprechender Anhörung gem. § 24 Abs. 1 SGB X die Leistungen nicht mehr nach § 3 AsylbLG, sondern nach § 1a AsylbLG bewilligt hat.

Der Senat hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Anwendung von § 1a AsylbLG. Nach dieser Vorschrift (nach dem veröffentlichten Gesetzestext zur "Anspruchseinschränkung") erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 und ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen (Nr. 1), oder bei denen aus von ihnen zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können (Nr. 2), Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen des Einzelfalles geboten ist.

Soweit das BVerfG entschieden hat, dass auch die Leistungen nach dem AsylbLG das soziokulturelle Existenzminimum ohne Berücksichtigung von migrationspolitischen Erwägungen und unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus zu gewährleisten haben (Urteil vom 18. Juli 2012, a.a.O., RdNr. 120f.), leiten verschiedene Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit daraus im Ergebnis ein Verbot der Anspruchseinschränkung auf der Grundlage nach § 1a AsylbLG ab.

Das BVerfG hat bisher nicht über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1a AsylbLG entschieden. Die im Bundesgesetzblatt vom 20. August 2012 (BGBl. 2012, S. 1715 bis 1716) veröffentlichte Entscheidung bezieht sich (Nr. 1 der Entscheidung) auf die Regelungen in § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 2 und 3 und Abs. 2 Satz 3 AsylbLG. Im Übrigen wird (Nr. 2 der Entscheidung) der Gesetzgeber verpflichtet, unverzüglich für den Anwendungsbereich des AsylbLG eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen. Nach Auffassung des Senats lässt sich weder aus der Unvereinbarkeit der genannten Normen des AsylbLG mit dem Grundgesetz (GG) noch aus der Verpflichtung des Gesetzgebers eine Unvereinbarkeitserklärung des § 1a AsylbLG mit dem GG durch das BVerfG ableiten. Die Gesetzeskraft der Entscheidungen des BVerfG im Rahmen der Normenkontrolle nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) beschränkt sich auf die in der Entscheidungsformel aufgeführte Feststellung der Unvereinbarkeit einer Norm mit dem GG in der Auslegung, die sich aus den Entscheidungsgründen des BVerfG ergibt (vgl. z.B. Bethge in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG Kommentar, § 31 RdNr. 162 m.w.N.). Auch Parallelnormen bleiben intakt (vgl. ebenda, RdNr. 165). Das BVerfG hat auch von der Befugnis, nach § 78 Satz 2 BVerfGG weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem GG oder sonstigem Bundesrecht gleichfalls für nichtig zu erklären, in Bezug auf § 1a AsylbLG keinen Gebrauch gemacht.

Die grundsätzliche Verpflichtung des Leistungsträgers, auch bei den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1a AsylbLG ungekürzte Leistungen zu erbringen, ist nicht allein im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung zu erreichen (a.A. z.B. SG Altenburg, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - S 21 AY 3362/12 ER -; SG Düsseldorf, Beschluss vom 19. November 2012 - S 17 AY 81/12 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Februar 2013 - L 15 AY 2/13 B ER - juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. März 2013 - L 3 AY 2/13 B ER - juris). Die verfassungskonforme Auslegung einer Vorschrift setzt voraus, dass von mehreren Auslegungen eine Auslegung, z.B. durch teleologische Reduktion, mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl. z.B. zu § 60 Abs. 1 Konkursordnung: BVerfG, Beschluss vom 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90 und 1 BvR 11/90 - BVerfGE 88, 145, 168). Die grundsätzliche Nichtanwendung einer gesetzlichen Norm aus verfassungsrechtlichen Gründen überschreitet nach Auffassung des Senats die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung und greift in das Verwerfungsmonopol des BVerfG nach Art. 100 GG ein (vgl. zur richterlichen Gesetzeskorrektur z.B. Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980 S. 584).

Der Senat ist im Übrigen nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen in § 1a AsylbLG überzeugt, sodass ein Ausnahmefall, der Senat berechtigen könnte, von der Anwendung der bisher nicht für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Regelung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes bis zu einer Entscheidung des BVerfG abzusehen, nicht vorliegt (vgl. zum Verhältnis von Art. 100 GG und § 123 Verwaltungsgerichtsordnung: BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1992 - 1 BvR 1028/91 - BVerfGE 86, 382, 389). Die Rechtsprechung hat den besonderen Charakter der Einzelfallregelung in § 1a AsylbLG durch hohe Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung abgesichert. Die Verfassungswidrigkeit des § 1a AsylbLG würde im Ergebnis bedeuten, dass sämtliche den Einzelfall betreffenden Sanktionsregelungen, die ein Zurückbleiben des Gesamtleistungsanspruches hinter dem allgemeinen soziokulturellen Existenzminimum zur Folge hätten, als verfassungswidrig einzustufen wären. Eine allgemeine Privilegierung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG insbesondere gegenüber dem Adressatenkreis der Sanktionen nach dem SGB II ist nicht zu begründen. Auch für die Sanktion nach § 31a SGB II wird die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung unter Berücksichtigung des Urteils zu den Regelbedarfssätzen vom 9. Februar 2010 (- 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175ff.) diskutiert. Die hierzu bereits vorhandene Rechtsprechung hat sich den Argumenten für eine Verfassungswidrigkeit insoweit indes nicht angeschlossen (vgl. z.B. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Dezember 2012 - L 12 AS 2232/12 B - juris).

Bei der Regelung in § 1a AsylbLG stehen gerade keine (allgemeinen) migrationspolitischen Erwägungen im Vordergrund, die alle Leistungsberechtigten gleichermaßen betreffen (wie hier z.B. Deibel, Sozialrechtaktuell 3/2013, 103 (110) und im Ergebnis Hohm, Kommentar zum AsylbLG, § 1a RdNr. 15). Vielmehr geht es bei der Regelung in § 1a AsylbLG um Sanktionen im Einzelfall (wie hier im Ergebnis auch LSG Thüringen, Beschluss vom 17. Januar 2013 - L 8 AY 1801/12 B ER - juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. März 2013 - L 8 AY 59/12 B ER - juris).

Die Regelung in § 1a AsylbLG ist mit Wirkung zum 1. September 1998 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des AsylbLG vom 25. August 1998 (BGBl. I 2505) eingeführt worden. Dabei standen in Bezug auf die Regelung in § 1a Nr. 1 AsylbLG eine Angleichung an die Regelungen im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und in Bezug auf die Regelungen in § 1a Nr. 2 und 3 AsylbLG die Unterstützung der Verwaltung in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen zur Verhinderung von Leistungsmissbrauch im Vordergrund; auch werden durch die Änderungen zu erwartende Einsparungen für die Kostenträger im Gesetzentwurf angesprochen (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrates, Bundestagsdrucksache 13/10155). Die Frage der Verfassungsmäßigkeit ist bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit unterschiedlichen Ergebnissen diskutiert worden (vgl. die Übersicht bei Hohm, NVwZ 1998, 1045 (1045ff.)). Bereits in diesem Rahmen wurde die Nähe von § 1a Nr. 1 AsylbLG zur damals geltenden Regelung in § 120 Abs. 3 Satz 1 BSHG hervorgehoben und auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Regelung als Auslegungshilfe verwiesen (vgl. Hohm, a.a.O., S. 1046 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 22.87 - BVerwGE 90, 212ff.). Für die Regelung in § 1a Nr. 2 AsylbLG wurde auf die Rechtsprechung zu § 2 AsylLG in der Fassung vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1074) und zu § 30 Abs. 3 Ausländergesetz Bezug genommen (vgl. Deibel, ZFSH/SGB 1998, S. 707 (713)). Eine Verfassungwidrigkeit des Umfangs der eingeschränkten Leistungen wurde im Ergebnis verneint (vgl. z.B. Deibel, ebenda, S. 714, allerdings unter Hinweis auf den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 27. Juni 1997 - 12 L 5709/96 - juris, der die allgemeine Absenkung von Leistungen nach dem AsylbLG betrifft).

Der Senat hat unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Antragstellers keine begründeten Zweifel, dass in Bezug auf den Antragsteller die Voraussetzungen - der unter den vorgenannten Gesichtspunkten nicht von Verfassungs wegen ausgeschlossenen - Bewilligung von eingeschränkten Leistungen nach § 1a AsylbLG vorliegen. Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Personenkreis nach § 1a Nr. 2 AsylbLG ist, dass aus von ihnen zu vertretenden Gründen für einen geduldeten oder vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer oder dessen Angehörige aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Möglichkeit, solche Maßnahmen zu vollziehen, muss daher zumindest vorübergehend vollständig ausgeschlossen sein und aufenthaltsbeendende Maßnahmen müssen aus Gründen unmöglich sein, die allein der Leistungsberechtigte zu vertreten hat. Demzufolge darf es keine anderen Gründe geben, die die Ausreise auch dann unmöglich machen, wenn der von dem Leistungsberechtigten zu vertretende Grund hinweggedacht würde.

Der Antragsteller ist aufgrund der ihm nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilten Duldung Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG und im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 18. Oktober 2012 konnten aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er zu vertreten hatte, nicht vollzogen werden. Unter aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sind alle tatsächlichen oder rechtlichen Handlungen zu verstehen, die notwendig sind, um eine Ausreise herbeizuführen. Nicht vollzogen werden können diese Maßnahmen, wenn die von der zuständigen Ausländerbehörde beabsichtigten oder schon eingeleiteten Maßnahmen nicht vollstreckt werden können (vgl. Fasselt in Fichtner/Wenzel, Kommentar zum SGB XII - Sozialhilfe - AsylbLG, § 1a Rz. 11). Hier konnte aufgrund der Weigerung, Passersatzdokumente zu beantragen, keine Rückführung nach Afghanistan erfolgen. Die Weigerung der Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren hat der Antragsteller zur Überzeugung des Senats auch zu vertreten. Denn einem ausreisepflichtigen Ausländer ist es zumutbar, die von seinem Heimatstaat für die Ausstellung von Reisepapieren geforderten Erklärungen abzugeben und durch die geforderten Anträge mitzuwirken (so auch; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11. Dezember 2002 - 4 LB 471/02 -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. November 2008 - L 7 AY 5149/08 - m.w.N., jeweils juris). Dies ergibt sich aus §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 2 AufenthG. Nach § 49 Abs. 1 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder vermutlich besitzt, geforderten und mit dem deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben. Nach § 50 Abs. 2 AufenthG hat ein Ausländer das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen. Die Ausreisefrist endet spätestens sechs Monate nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausreisepflicht. Ein ausreisepflichtiger Ausländer ist daher aufenthaltsrechtlich gehalten, das Land freiwillig zu verlassen. Die Rechtsordnung mutet dem Ausländer zu, seiner Ausreisepflicht von sich aus nachzukommen. Die gesetzliche Ausreisepflicht schließt die Obliegenheit für den Ausländer ein, sich auf seine Ausreise einzustellen, zur Ausreise bereit zu sein und einen dahingehenden Willen zu bilden. In diesem Rahmen ist es für einen ausreisepflichtigen Ausländer rechtlich grundsätzlich nicht unzumutbar, zur Ausreise nicht nur willens und bereit zu sein, sondern diese Bereitschaft auch zu bekunden und die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, geforderten mit dem deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben.

Der Senat hat nach dem bisherigen Vorbringen des Antragstellers und dem Akteninhalt keine begründeten Zweifel, dass der Antragsteller ursprünglich über Identitätsdokumente verfügte. Ferner war es ihm möglich, sich vom afghanischen Konsulat in Berlin eine Geburtsurkunde ausstellen zu lassen, die er für die von ihm beantragte Arbeitserlaubnis benötigte. Es wäre ihm daher auch möglich und - wie oben dargelegt - zumutbar gewesen, entsprechend der Aufforderung der Ausländerbehörde Passersatzanträge auszufüllen.

Dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen stand die fehlende Mitwirkung des Antragstellers bis zum 28. Mai 2013 auch als alleinige Ursache entgegen. Keine wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem vom Antragsteller angeführten Umstand der tatsächlich seit 2008 nicht mehr durchgeführten Abschiebungen nach Afghanistan zu. Denn ein allgemeines Abschiebeverbot nach Afghanistan existiert nicht, wie sich aus dem bestandskräftigen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juli 2011 ergibt. Auch eine freiwillige Ausreise nach Afghanistan ist tatsächlich möglich. Insoweit lassen die vom Antragsteller genannten Zahlen zu erfolgten Abschiebungen nicht ohne Weiteres den Schluss zu, dass ab 2008 keine ausreisepflichtigen afghanischen Staatsangehörige in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.

Unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Auslegung des § 1a AsylbLG nach Maßgabe insbesondere der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2, 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG verbleibt ein grundsätzlicher Spielraum für eine Abwägung der Interessen des Antragstellers, sein Leben im Rahmen auch der soziokulturellen Teilhabe zu gestalten und den ordnungsrechtlichen Interessen, die Voraussetzungen seiner Ausreise zu schaffen. Der Antragsteller hat sich pauschal auf eine Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 1a AsylbLG berufen, ohne konkrete Umstände vorzutragen, die einen mit den bewilligten Leistungen nicht abzudeckenden unabweisbaren Bedarf begründen können. Dem Akteninhalt sind auch im Übrigen keine Angaben zu entnehmen, die dem Senat die Möglichkeit eröffnen würden, eine besondere Härte unter Einzelfallgesichtspunkten festzustellen. Neben den vollständig von dem Antragsgegner getragenen Kosten für Unterkunft ist für den Antragsteller ein Bedarf für die Lebenshaltungskosten als "unabweisbar geboten" zu berücksichtigen. Ausgangspunkt müssen - darüber besteht auch zwischen den Beteiligten Übereinstimmung - auch insoweit die Regelbedarfe zur Existenzsicherung nach Maßgabe des Urteils des BVerfG vom 18. Juli 2012 (a.a.O.) sein. Unter Berücksichtigung der Gleichbehandlung sind die mit dieser Entscheidung konformen Anwendungshinweise des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt in der Fassung des Runderlasses vom 18. Januar 2013 (Az. 34.11-12235/8-1.8.1.2.3) als Berechnungsgrundlage heranzuziehen. In entsprechender Anwendung des Gesetzes zur Ermittlung des Regelbedarfs nach § 28 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (in der Fassung vom 24. März 2011, BGBl. I S. 453 (RBEG)) ist für den Antragsteller der Wert nach der Regelbedarfsstufe 1 ("Regelbedarfsstufe 1 für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt", § 8 RBEG) maßgebend, soweit er unabweisbar sind: Zwingend sind die Bedarfe der Abteilung 1 für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke (2012: 133,07 EUR), der Abteilung 3 für Bekleidung und Schuhe (2012: 31,49 EUR) und der Abteilung 6 für Gesundheitspflege (2012: 16,11 EUR) zu berücksichtigen. Die Summe dieser Bedarfe übersteigt die von dem Antragsgegner bewilligten Leistungen nicht.

Die Frage einer aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuleitenden notwendigen zeitlichen Einschränkung der Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG (offen gelassen: Deibel, Sozialrechtaktuell 3/2013, 103 (109) a.a.O., S. 109) führt in Bezug auf den hier in Streit stehenden Zeitraum nicht zu einem anderen Ergebnis.

Der Umstand, dass der Antragsteller am 28. Mai 2013 einen Asylfolgeantrag gestellt hat, ändert nichts an der Beurteilung, dass der Bescheid vom 18. Oktober 2012 im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war und ein Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit der Folge der Weitergeltung des Bescheides vom 28. August 2012 nicht bestand. Soweit davon auszugehen ist, dass der Antragsteller mit seinem Hinweis auf den gestellten Asylfolgeantrag im Hinblick auf die geänderte Sachlage einen Antrag auf Neubescheidung stellen wollte, ist die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erst nach der Bescheidung durch die Verwaltung zulässig.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.

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Rechtskraft
Aus
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