L 11 KR 2386/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 96/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2386/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.05.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 07.11.2011 bis 27.12.2012 Anspruch auf Krankengeld (Krg) hat.

Der 1957 geborene Kläger war zuletzt seit 01.05.2007 als Strahlenschutzfachkraft versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Vom 01. bis 05.03. 2010 war er wegen Lumboischialgie (M 54.4) arbeitsunfähig krank, vom 08. bis 26.03.2010 wegen Lumboischialgie (M 54.5) und ab 30.03.2010 erneut wegen Lumboischialgie. Die Beklagte gewährte dem Kläger Krg vom 17.04.2010 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 05.09.2011. Ab 06.09.2011 bezog der Kläger Arbeitslosengeld (bewilligt für 450 Tage) bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis. Der Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit war in einem Gutachten nach Aktenlage vom 12.09.2011 zu der Einschätzung gelangt, es bestehe weiterhin ein Bandscheibenleiden mit chronischen Schmerzen und Beinschwäche links; der Kläger könne zwar seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr, jedoch eine leichte Erwerbstätigkeit vollständig verrichten. Seit 28.12.2012 übt der Kläger wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei seinem bisherigen Arbeitgeber aus.

Vom 07. bis 15.11.2011 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus B. zur Durchführung einer Wirbelsäulenoperation im Bereich der Lendenwirbelsäule. Mit Auszahlschein vom 16.11.2011 bescheinigte der Orthopäde Dr C. Arbeitsunfähigkeit (AU) bis 21.11.2011 mit den Diagnosen periphere Gefäßkrankheit (I 73.9) und größerer operativer Eingriff (Z 92.4). Vom 22.11. bis 17.12.2011 befand sich der Kläger zur Anschlussrehabilitation in Bad S., wo er arbeitsunfähig entlassen wurde mit der Einschätzung, dass er in voraussichtlich drei bis vier Monaten in seinem Beruf wieder mehr als sechs Stunden täglich arbeiten könne. Ab dem 19.12.2011 bis 07.02.2012 wurde der Kläger wieder von Dr C. mit den Diagnosen sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung (M 51.2), periphere Gefäßkrankheit (I 73.9) und größerer operativer Eingriff (Z 92.4) arbeitsunfähig geschrieben (Auszahlschein vom 10.01.2012), sowie weiter bis 22.02.2012 (AU-Bescheinigung vom 07.02.2012) und 21.03.2012 (AU-Bescheinigung vom 22.02.2012).

Am 19.11.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Krg ab 07.11.2011. Mit Bescheid vom 29.11.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, Versicherte erhielten Krg für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, wenn die AU auf derselben Krankheit beruhe oder während der AU eine weitere Krankheit hinzutrete. Innerhalb der hier maßgeblichen Blockfrist vom 01.03.2010 bis 28.02.2013 sei der Kläger mehrfach wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig gewesen, er habe die Höchstanspruchsdauer erreicht. Die AU ab 07.11.2011 beruhe auf derselben Krankheit, die bereits zuvor AU verursacht habe. Die Zahlung von Krg ab 07.11.2011 scheide daher aus.

Mit seinem Widerspruch vom 03.12.2011 machte der Kläger geltend, die AU ab 07.11.2011 beruhe auf einer neuen, anderen Krankheit und sei auch nicht zur bisherigen AU hinzugetreten, da er ab 06.09.2011 arbeitsfähig gewesen sei, sonst hätte er kein Arbeitslosengeld bekommen.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Bayern (MDK) ein. In dem Gutachten vom 27.04.2012 führte Dr B. aus, dass es sich bei der zur AU ab 07.11.2011 führenden Erkrankung um dieselbe Krankheit handele, die bereits die AU bis 05.09.2011 begründet habe. Ursächlich seien ein Bandscheibenvorfall L 2/L3 links und eine arteriovenöse Malformation in Höhe L2/L3 rechts jeweils mit spinaler bzw intraforaminaler Stenosierung gewesen. Die Erstoperation der Bandscheibe sei am 11.05.2011 erfolgt, die angeborene bzw anlagebedingte Gefäßmissbildung sei am 08.11.2011 operiert worden. Als Grundleiden sei eine chronische Lumbago anzusehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 wies die Beklagte den Widerspruch unter Berufung auf das MDK-Gutachten zurück. Gleichartige Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten stellten ein einheitliches Grundleiden dar und seien daher als dieselbe Erkrankung im Rechtssinne anzusehen.

Hiergegen richtet sich die am 01.01.2013 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Der Kläger macht weiterhin geltend, die AU ab 30.03.2010 sei Folge eines Bandscheibenvorfalls der Lendenwirbelsäule gewesen, während die AU ab 07.11.2011 auf einer arteriovenösen Malformation, also einer angeborenen Fehlbildung der Blutgefäße beruht habe.

Das SG hat die Akte des Parallelverfahren S 12 SB 4496/11 beigezogen und mit Urteil vom 21.05.2013 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erhielten Versicherte Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der AU wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der AU an. Um dieselbe Krankheit handele es sich, wenn der AU ein einheitliches Krankheitsgeschehen zugrunde liege. Dies sei der Fall, wenn die Grunderkrankung weiter bestehe und - ggf nach einem beschwerdefreien oder -armen Intervall - erneut gleichartige Symptome hervorrufe. Zu vermeiden sei eine stark verfeinernde, eng fachmedizinische Sichtweise. Beschwerden in unterschiedlichen Abschnitten der Wirbelsäule stellten ein einheitliches Grundleiden und damit dieselbe Krankheit dar. Der Kläger sei ab März 2010 wegen Lumboischialgie, recht unspezifisch wegen Kreuzschmerzen und wieder wegen Lumboischialgie arbeitsunfähig gewesen, letzteres sei die führende Diagnose. Eine Lumboischialgie sei gekennzeichnet durch Beschwerden im Lumbalbereich und im Versorgungsgebiet der lumbalen Nervenwurzeln. Ursache sei meist Kompression der Nervenwurzel, etwa durch Heraustreten von Bandscheibengewebe; ähnliche Symptome könnten auch knöcherne Ausziehungen an Wirbelkörpern oder ein raumgreifender Tumor hervorrufen. Nach der Zeugenaussage von Dr C. im Verfahren S 12 SB 4496/11 habe der Kläger am 27.09.2011 (und danach) wieder an den "gleichen Schmerzen" gelitten wie in der Zeit bis zur Operation der Bandscheibe am 11.05.2011. Dass die Beschwerden nun rechtsseitig und nicht wie zuvor linksseitig aufgetreten seien, spiele keine Rolle. Die Einordnung des Krankheitsbildes als Lumboischialgie hänge nicht entscheidend davon ab, was zu einer Irritation der Nervenwurzel führe. Die Krankheit ändere sich daher nicht, wenn sie einmal auf einem Bandscheibenvorfall, ein anderes Mal auf einer Fehlbildung der Blutgefäße beruhe. Da die AU ab 07.11.2011 auf derselben Krankheit wie in der Zeit vom 01.03.2010 bis 05.09.2011 beruhe, habe der Kläger seinen Anspruch auf Krg innerhalb der Blockfrist vom 01.03.2010 bis 28.02.2013 bereits ausgeschöpft.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 07.06.2013 eingelegten Berufung. Er führt aus, die Lumboischialgie beschreibe nur einen Schmerzzustand. Die Ursache Bandscheibenvorfall sei erst im Laufe der weiteren Diagnostik geklärt worden, Grunderkrankung sei also ein Bandscheibenvorfall. Im November 2011 sei eine arteriovenöse Malformation entdeckt worden, die in keinem Zusammenhang mit dem Bandscheibenvorfall stehe, so dass es sich um zwei Erkrankungen handele. Ein GdB von 50 sei (wegen Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen) am 26.08.2011 anerkannt worden. Als Behinderter dürfe der Kläger nicht dadurch benachteiligt werden, dass die Behinderung als bleibender Zustand den Krankengeldbezug für alle weiteren Krankheiten ausschließe. Eine Erkrankung aus Behinderung könne daher keine gleiche oder hinzugetretene Erkrankung sein, ansonsten könne er den Titel "dieselbe Krankheit" nie mehr im Leben loswerden. Die Beendigung einer Sozialleistung wegen Schwerbehinderung wäre eindeutig eine Benachteiligung. Aus diesem Grund müsse Krg unbegrenzt bezahlt werden und Schwerbehinderte dürften wegen ihrer Behinderung nicht vom Krg ausgeschlossen werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.05.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2012 zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld vom 07.11.2011 bis 27.12.2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise mit Schreiben vom 15.08.2013 gehört worden.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krg für die Zeit vom 07.11.2011 bis 27.12.2012.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2012, mit dem sie die Gewährung von Krg ab 07.11.2011 abgelehnt hat.

Rechtsgrundlage des Krg-Anspruchs sind die §§ 44 ff SGB V (idF vom 17.07.2009, BGBl I 1990). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (Bundessozialgericht (BSG) 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Der Kläger gehörte in seiner Eigenschaft als Bezieher von Arbeitslosengeld gemäß § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V zum Kreis der Versicherungspflichtigen mit Anspruch auf Krg (vgl § 44 Abs 2 SGB V).

Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU und das Vorliegen von AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden wären (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 7). Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also AU und deren ärztliche Feststellung, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1). Diese Voraussetzungen für einen Krg-Anspruch des Klägers sind nicht durchgehend bis 27.12.2012 erfüllt. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da der Kläger bereits die Anspruchshöchstdauer für Krg überschritten hat und daher ein weiterer Anspruch auf Krg ab 07.11.2011 nicht in Betracht kommt.

Nach § 48 Abs 1 SGB V erhalten Versicherte Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der AU wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der AU an. Nach der in § 48 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V geregelten ersten Ausnahme führt es zur Rechtsfolge der Begrenzung der Leistungsdauer auf 78 Wochen, wenn "dieselbe Krankheit" die AU bedingt. Jede neue Krankheit löst hier eine Kette von Dreijahreszeiträumen mit entsprechenden Höchstbezugszeiten von 78 Wochen aus (Methode der starren Rahmenfrist; ständige Rechtsprechung seit BSG 17.04.1970, 3 RK 41/69, BSGE 31, 125, 130 = SozR Nr 49 zu § 183 RVO). Die zweite Ausnahme ist in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt als weiterer Fall der Leistungsbegrenzung, wenn während der AU aufgrund einer ersten Erkrankung eine weitere Krankheit hinzutritt. Vorliegend besteht schon dieselbe Krankheit iSv § 48 Abs 1 Satz 1 SGB V.

Der Kläger hatte aufgrund der AU wegen Lumboischialgie in der Blockfrist vom 01.03.2010 bis 28.02.2013 bereits 78 Wochen Krg bezogen. Nach § 48 Abs 3 SGB V werden bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krg Zeiten, in denen der Anspruch auf Krg ruht oder für die das Krg versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krg berücksichtigt. In den og Leistungszeitraum sind auch die Zeiten einbezogen, in denen das Krg wegen der Leistung von Entgeltfortzahlung ruhte (§ 49 Abs 1 Nr 1 SGB V). Die AU-Zeiten ab 07.11.2011 beruhen auf "derselben Krankheit" wie die AU-Zeiten vom 01.03.2010 bis 05.09.2011, so dass mit der Gewährung von Krg vom 17.04.2010 bis 05.09.2011 die 78-Wochenfrist für den Krg-Anspruch ausgeschöpft war.

Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich um "dieselbe Krankheit" im Rechtssinne, wenn bei nacheinander auftretenden Erkrankungen der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen ist (BSG 29.09.1998, B 1 KR 2/97 R, BSGE 83, 7, 9 = SozR 3-2500 § 48 Nr 8), wobei eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise zu vermeiden ist (BSG 08.11.2005, B 1 KR 27/04 R, SozR 4-2500 § 48 Nr. 3; BSG 07.12.2004, B 1 KR 10/03 R, juris). Insoweit ist in der Rechtsprechung geklärt, dass etwa Beschwerden in mehreren Wirbelsäulenabschnitten als einheitliches Grundleiden und daher als dieselbe Erkrankung iSv § 48 Abs 1 Satz 1 SGB V angesehen werden und keine Aufteilung etwa in Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule erfolgt, selbst wenn die Beschwerden zeitlich versetzt auftreten und die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte unterschiedlich stark betroffen sind (BSG 12.10.1988, 3/8 RK 28/87, juris; Senatsurteil vom 09.05.2006, L 11 KR 3269/05, juris; Thüringer LSG 28.02.2012, L 6 KR 285/08).

Vorliegend litt der Kläger im gesamten Zeitraum ab 01.03.2010 an lumbalen Rückenbeschwerden, die zunächst auf einem Bandscheibenvorfall L 2/3 links beruhten, der am 11.05.2011 operiert wurde. Auch nach der Operation war der Kläger nicht völlig schmerzfrei, es bestanden weiter Lumbalgien in der Etage L 2/3. In der Folge entwickelten sich ab Juni 2011 Lumbalgien und Ischialgien rechtsseitig, bei einem MRT im August 2011 wurde der Verdacht auf einen rechtsseitigen Bandscheibenvorfall in Höhe L 2/3 bzw L 3/4 rechts geäußert. Erst bei der Operation am 08.11.2011 wurde festgestellt, dass Ursache für die Beschwerden eine arteriovenöse Malformation im Segment L 2/3 kaudal bzw L 3/4 kranial war. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Entlassungsbericht vom 27.12.2011 des vom 22.11. bis 17.12.2011 in Bad S. durchgeführten Reha-Verfahrens, dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses B. vom 28.12.2011 über den stationären Aufenthalt vom 07. bis 15.11.2011 und der Aussage des behandelnden Orthopäden Dr C. vom 21.02.2012 im Verfahren S 12 SB 4496/11. Dr C. hat in der genannten Aussage auch ausgeführt, der Kläger habe rechts die gleichen Schmerzen wie zuvor links gehabt. Damit steht fest, dass der Kläger unter Beschwerden durch Druck auf lumbale Nervenwurzeln litt, die in wechselnder Ausprägung auftraten. Dies stellt eine einheitliche Krankheitsursache dar, denn eine darüber hinaus gehende, verfeinernd fachmedizinisch-anatomische Betrachtung danach, was Ursache für den Nervenwurzelreiz war, ist nicht angebracht. Sinn und Zweck der Regelung des § 48 SGB V ist es, eine Risikoverteilung zwischen Kranken- und Rentenversicherung vorzunehmen. Das Krankengeld soll den Lohn nur bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit ersetzen. Bei dauernder Unfähigkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit soll dagegen die Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers begründet sein. Die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen für auf derselben Krankheit beruhende AU dient daher der finanziellen Entlastung der Krankenkassen bei Dauerleiden, welche dem Bereich der Rentenversicherung zuzuordnen sind. Würde man nunmehr im Rahmen der Bestimmung derselben Krankheit iSv § 48 Abs 1 Satz 1 SGB V eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise bevorzugen, würde dies die Gefahr begründen, dass dem Merkmal "dieselbe Krankheit" im Kontext der Norm letztlich keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, obwohl das Gesetz gerade eine Einengung des zeitlichen Umfangs der Krankengeldgewährung bezweckt (vgl BSG 21.06.2011, B 1 KR 15/10 R, SozR 4-2500 § 48 Nr 4; BSG 07.12.2004, B 1 KR 10/03 R, juris).

Davon abgesehen wäre selbst bei Annahme von zwei unterschiedlichen Krankheiten die Gewährung von Krg ab 07.11.2011 ausgeschlossen, da es sich dann um eine hinzutretende Krankheit iSv § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V handeln würde. § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V stellt die hinzutretende Krankheit bezüglich der Rechtsfolge der Leistungsbegrenzung dem Fall "derselben Krankheit" rechtlich gleich (BSG 08.11.2005, B 1 KR 27/04 R, BSGE 71, 290, 292 = SozR 3-2500 § 48 Nr 3). Das Hinzutreten einer weiteren Krankheit zu einer fortbestehenden und fortlaufend AU verursachenden Erkrankung führt weder zur Entstehung eines gänzlich neuen Krg-Anspruchs, noch bewirkt es die Verlängerung der schon in Ansehung der ersten Krankheit maßgeblichen (begrenzten) Leistungsdauer (BSG 29.09.1998, B 1 KR 2/97 R, BSGE 83, 7, 9 = SozR 3-2500 § 48 Nr 8). Die Regelungen des § 48 Abs 1 SGB V wollen auf diese Weise sicherstellen, dass die gesetzliche Höchstbezugsdauer bei AU sowohl bei identischen Krankheiten als auch bei bestimmten unterschiedlichen und wechselnden Krankheitsbildern nicht überschritten wird (BSG 08.11.2005, aaO). Ein "Hinzutreten während der AU" im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V liegt nach der Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn zeitgleich mit dem Vorliegen oder Wiedervorliegen einer zur AU führenden ersten Erkrankung unabhängig von dieser Krankheit zugleich eine weitere Krankheit die AU des Versicherten bedingt. Es reicht insoweit aus, dass die Krankheiten zumindest an einem Tag zeitgleich nebeneinander bestanden haben. § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V setzt deshalb nicht voraus, dass zwei Krankheiten bei dem Versicherten im Falle bestehender AU in der Weise aufeinandertreffen, dass eine zweite Krankheit einer schon zuvor eingetretenen und fortbestehenden ersten Krankheit zeitlich nachfolgt (BSG 21.06.2011, B 1 KR 15/10 R, SozR 4-2500 § 48 Nr 4). § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V fordert für eine "hinzugetretene" Krankheit, dass sie bereits "während" des Bestehens der AU infolge der ersten Krankheit aufgetreten ist. Diese vom Wortlaut der Norm gezogene Grenze darf nicht unter Berufung auf den dargelegten Regelungszweck unberücksichtigt bleiben. Deshalb tritt eine Krankheit nicht mehr hinzu, sondern ist in ihren Rechtsfolgen eigenständig zu beurteilen, wenn sie erst am Tag nach Beendigung der bisherigen AU oder noch später auftritt (BSG 08.11.2005, aaO; BSG 29.09.1998, aaO).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestand AU in der Zeit bis 05.09.2011 zumindest ab Ende Juni 2011 auch wegen der durch die arteriovenöse Malformation bedingten Beschwerden und damit zeitgleich noch mit der AU wegen der Restbeschwerden nach der Bandscheibenoperation. Dies ergibt sich aus der Aussage von Dr C. im Verfahren S 12 SB 4496/11, der über eine Verbesserung der Symptomatik zunächst nach der Operation im Mai 2011 berichtet, dann ab Ende Juni aber über eine Verschlechterung insbesondere mit Auftreten der Symptomatik nunmehr rechtsseitig. Die rechtsseitigen Beschwerden wurden indes, wie sich nachträglich herausgestellt hat, durch die angeborene Gefäßmissbildung verursacht. Die anlagebedingte Malformation - verstünde man sie als eigenständige Erkrankung - wäre damit zu der bandscheibenbedingten Wirbelsäulenerkrankung hinzugetreten iSv § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V.

Schließlich verstößt die so verstandene Auslegung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB V auch nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) vor. Art 3 Abs 1 GG verbietet sowohl die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem als auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Normgeber nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 15.07.1998, 1 BvR 1554/89, 1 BvR 963/94, 1 BvR 964/94, BVerfGE 98, 365). Ein derartiger verfassungswidriger Zustand ist hier nicht zu erkennen.

Zunächst ist festzustellen, dass die gesetzlichen Regelungen zum Krg nicht unterscheiden zwischen Versicherten mit und ohne Schwerbehinderung, so dass eine Gleichbehandlung vorliegt. Insoweit hat auch keineswegs die Schwerbehinderung zum Ende des Krg-Bezugs geführt, sondern allein die Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens von hier 78 Wochen. Ebenso kann keine Rede davon sein, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung vom Krg ausgeschlossen wäre. Der Kläger setzt hier AU und Schwerbehinderung gleich, obwohl beides von den Voraussetzungen her völlig unabhängig voneinander ist. Dass die Prämisse des Klägers, er könne wegen seiner dauerhaften Schwerbehinderung nie mehr der gesetzlich vorgesehenen Leistungsbegrenzung bei derselben oder einer hinzutretenden Erkrankung entkommen, nicht zutrifft, zeigt schon der weitere Verlauf im Fall des Klägers selbst. So hat dieser seit 28.12.2012 wieder versicherungspflichtig gearbeitet und war, wie er im Erörterungstermin am 01.08.2013 bestätigt hat, seither nicht mehr arbeitsunfähig krank. Damit kann der Kläger trotz der fortdauernden Schwerbehinderung bei Eintritt einer neuen AU auch wegen derselben Krankheit wieder Krg beziehen (§ 48 Abs 2 SGB V). Die vom Kläger letztlich gewollte Gewährung von Krg ohne zeitliche Begrenzung bei Vorliegen einer Schwerbehinderung würde eine Bevorzugung von Versicherten mit Schwerbehinderung darstellen, für die es keine Rechtfertigung gäbe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved