L 4 P 4628/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 P 2486/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4628/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt anstelle des ihr unter Vorbehalt gezahlten Pflegegelds der Pflegestufe I Pflegegeld zumindest nach der Pflegestufe II ab 1. Juni 2008.

Die am 1936 geborene Klägerin ist Mitglied der beklagten Pflegekasse. Sie leidet an einer Depression, unter einer dementiellen Entwicklung, Polyarthrose insbesondere im Bereich der Kniegelenke, beider oberer Sprunggelenke, beider Schultergelenke und des linken Handgelenkes, einer Sehbehinderung aufgrund eines Katarakts und Glaukoms beidseits und einer Harninkontinenz. Außerdem besteht der Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis.

Die Klägerin beantragte am 1. Juni 2008 Pflegegeld. Sie benötige wegen Demenz, einer erheblichen Einschränkung der Beweglichkeit (orthopädische Leiden) und der Vergesslichkeit von tagtäglichen Abläufen wie z.B. des Anziehens, Zähneputzens usw. der Hilfe. Die Ganzkörperwäsche müsse teilweise, die übrige Körperpflege vollständig übernommen werden. Das Essen müsse mundfertig gemacht werden, teilweise müsse sie gefüttert werden, beim Trinken habe sie einen vollständigen Hilfebedarf. Auch im Bereich der Mobilität bedürfe sie der vollständigen Hilfe. Als Pflegepersonen gab sie ohne namentliche Benennung Söhne, Schwiegersöhne und Schwiegertöchter sowie Enkel usw. an. Mit der Einholung ärztlicher Auskünfte und Unterlagen erklärte sie sich ausweislich des von ihr unterschriebenen Antrags nicht einverstanden. Nachdem zwei von der Klägerin im August 2008 gewünschte Hausbesuchstermine von ihr abgesagt worden waren, fand am 6. Oktober 2008 eine Untersuchung durch Pflegefachkraft S., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), statt. Die Gutachterin, der nach ihrem Gutachten vom 8. Oktober 2008 ein Bericht der A. Klinik vom 22. September 2008, der Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit April 2007 und der Bericht des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie D. vom 2. Oktober 2008 vorgelegt wurde, fand die Klägerin im Pflegebett liegend mit Nachthemd bekleidet vor. Die Gutachterin führte in ihrem Gutachten aus, die Klägerin habe bei uneingeschränkt vorhandenem Wortverständnis zunächst kaum auf Ansprache reagiert und Aufforderungen nicht umgesetzt. Eine Funktionsprüfung sei daher nicht möglich gewesen. Inkontinenzartikel seien bei angegebener Inkontinenz nicht getragen worden. Pflegebegründende Diagnose sei eine Depression. Das bei der Untersuchung anwesende Patenkind Herr E. habe angegeben, die Klägerin habe im Rahmen ihrer Möglichkeiten bis Mai 2008 ihren alkoholkranken Schwager, mit dem sie in gleicher Wohnung gelebt habe, bis zu dessen Tod gepflegt. Er habe über die pflegerische Situation keine genauen Angaben machen wollen. Er habe berichtet, dass die Pflege durch sehr viele Pflegepersonen sichergestellt werde. Weitere Namen habe er nicht genannt, so dass als Pflegeperson der im Haus lebende Sohn H. M. angegeben worden sei, der - so Herr E. - zum Untersuchungszeitpunkt einen Arzttermin wahrgenommen habe. Aufgrund fehlender Mitarbeit sei eine korrekte Beurteilung der gesamten pflegerischen Situation nicht möglich. Im Bereich der pflegerelevanten Maßnahmen sei kein Hilfebedarf, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ein erhöhter Hilfebedarf festgestellt worden. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Bewilligung von Pflegegeld ab (Bescheid vom 13. Oktober 2008).

Die Klägerin erhob am 22. Oktober 2008 Widerspruch. Ihren organischen Behinderungen/Erblindung und orthopädischen Erkrankungen sei nicht Rechnung getragen worden. Aus ihnen folge ein Hilfebedarf entsprechend der Pflegestufe II. Pflegefachkraft Fr., MDK, der nach ihrem Gutachten vom 12. Januar 2009 nur der Schwerbehindertenausweis zur Einsicht vorgelegt wurde, nannte aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 10. Dezember 2008 als pflegebegründende Diagnose ebenfalls Depressionen. Sie gab an, die Klägerin habe bei ihrem Eintreffen in ihrem Bett gelegen. Eine Kontaktaufnahme sei erschwert gewesen. Auf Bitten aufzustehen und sich mit ihr, der Gutachterin, an einen Tisch zu setzen, sei sie etwas ungehalten geworden. Die anwesende Pflegeperson, wiederum Herr E., habe ihr dann beim Aufstehen geholfen. Ihre Aufforderung das Pflegebett, das für die Klägerin zum Aufstehen zu hoch eingestellt gewesen sei, etwas nach unten zu lassen, sei nicht durchgeführt worden. Da keine Schuhe im Zimmer gewesen seien, sei die Klägerin entgegen ihrer Bitte auch nur mit Socken aufgestanden. Sie habe sich auf Herrn E. gestützt. Sie sei dann ausgerutscht und auf dem Boden gelegen. Mit Hilfe des Herrn E. habe sie wieder aufstehen und in dessen Begleitung in die Küche gehen können. Die Funktionsgriffe seien nicht prüfbar gewesen, da sich die Klägerin nicht kooperativ gezeigt habe. Aufgrund fehlender Mitarbeit, insbesondere auch der Pflegeperson H. M., konnte auch Pflegefachkraft Fr. keinen Hilfebedarf ermitteln.

Die Klägerin trug dagegen vor, dass die von der Gutachterin gewählte Pflegeperson H. M. unter paranoider Schizophrenie und schwersten Depressionen leide und deshalb gar keine Pflege übernehmen könne. Aktuelle Arztberichte, Befunde und das Pflegeprotokoll seien an Pflegefachkraft Fr. übergeben worden. Die Beklagte wandte sich hierauf erneut an Pflegefachkraft Fr., die unter dem 20. Februar 2009 um konkrete Angaben der Klägerin zur Pflegeperson und zum Hausarzt bat und das Einverständnis der Klägerin zur Einholung von Arztauskünften für erforderlich hielt. Hierauf teilte die Klägerin auf unter dem 5. März 2009 erfolgte Nachfrage der Beklagten mit, dass ihre Hilfe innerhalb der Familie und des Freundeskreises organisiert werde (Schreiben vom 10. März 2009). Auf nochmalige Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 13. März 2009 reagierte die Klägerin dahingehend, dass alle Fragen der Gutachterin beantwortet worden seien (Schreiben vom 3. April 2009). Ergänzend legte sie ihren Schwerbehindertenausweis vom 5. Mai 2009 vor, wonach ihr GdB seit 19. Juni 2008 70 beträgt und ihr das Merkzeichen G zuerkannt wurde. Nachdem der MDK dabei verblieb, dass die Einholung weiterer medizinischer Informationen und die Benennung der hauptverantwortlichen Pflegeperson erforderlich sei, bat die Beklagte die Klägerin nochmals um Vorlage der Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht, Mitteilung der sie behandelnden Ärzte sowie Angabe der hauptverantwortlichen Pflegeperson (Schreiben vom 9. Juli 2009), worauf die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juli 2009 diese Anfrage weiterhin nicht beantwortete und darauf beharrte, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht stets nachgekommen sei. Auf erneute Anfrage der Beklagten vom 29. Juli 2009 antwortete für die Klägerin ihr Enkel R. M., dass die Klägerin am 2. August 2009 notfallmäßig ins Klinikum L. habe eingeliefert werden müssen sowie er künftig die Pflege der Klägerin pflegeplanend und überwachend übernehmen werde. Seine zahlreichen Freunde und Bekannten würden ihm dabei zur Seite stehen. Auf weitere Anforderung der Beklagten vom 7. August 2009 erklärte sich R. M. damit einverstanden, dass die Unterlagen des Kreiskrankenhauses O.-klinikum L. eingeholt werden dürften und legte den Entlassbrief des Chefarztes Dr. L., Klinik für Visceral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie des O.-klinikums L.-E. vom 7. August 2009, über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 2. bis 7. August 2009, bei dem wegen einer akuten Cholecystitis eine laparoskopische Cholecystektomie durchgeführt wurde, vor. Im Anschluss daran wurde die Klägerin am 17. November 2009 durch Arzt für Allgemeinmedizin Dr. He. und Nervenärztin Dr. N., MDK, begutachtet. Als Pflegeperson anwesend war hierbei R. M ... Er gab an, Freunde/Bekannte, Familienmitglieder würden helfen. Auch auf Nachfrage präzisierte er diese nicht näher. Er gewährte den Gutachtern Einsicht in Arztunterlagen aus der Zeit vom 19. Juli 2007 bis 7. August 2009. Praxisbesuche fänden zweimal wöchentlich, "damit sie mal rauskomme" vor allem in H., statt. Die Klägerin wurde von den Gutachtern erneut im Bett liegend angetroffen, sie habe sediert gewirkt. Die Handgelenke seien geschwollen und überwärmt, die Fingergelenke leicht überwärmt und etwas geschwollen, die Kniegelenke deutlich und die Fußgelenke mäßiggradig geschwollen und überwärmt gewesen. Im Bereich der Finger habe eine Ulnardeviation links stärker als rechts bestanden. Anamnestisch sei eine Harn- und Stuhlinkontinenz angegeben worden. Die Klägerin verkenne den pflegenden Enkel. Als pflegebegründende Diagnosen nannten die Gutachter Depression, Verdacht auf dementielle Entwicklung, Polyarthrose, Lendenwirbelsäulensyndrom, Verdacht auf rheumatoide Arthritis, Katarakt sowie Glaukom beidseits. Eine Ableitung des Hilfebedarfs aus Anamnese und Befund war auch diesen Gutachtern nicht zuverlässig möglich. Unklar bleibe auch, inwieweit Pflege erfolge (Gutachten vom 25. November 2009).

Am 27. November 2009 wurde die Klägerin wegen der Einrichtung einer Betreuung untersucht und begutachtet. Nach dem neuropsychiatrischen Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. vom 30. November 2009 wurde die Klägerin vom Gutachter im Bett liegend angetroffen. Sie sei ansprechbar gewesen und habe vor sich hingestöhnt, ohne dass ein Gespräch zustande gekommen sei. Mangels tragfähigen Kontakts und Verständigung mit der Klägerin, habe nicht geprüft werden können, ob Lähmungserscheinungen vorlägen. Nach der Anamnese, die über die Angehörigen erhoben worden sei, sei die Klägerin jedoch in Maßen bewegungsfähig. Sie sei inkontinent. Zur Orientierung, Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassung seien keine Aussagen möglich, da es an der entsprechenden Kontaktaufnahme mit der Klägerin gefehlt habe. Es bestehe eine hochgradige Sehbehinderung, die einer Erblindung gleichkomme. Die laufende Medikation unterbinde gemessen am Verhalten der Klägerin offensichtlich stärkere Schmerzschübe. Als hilflose Person sei die Klägerin zu 100% von Fremdhilfe abhängig und nicht imstande, ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen. Sie bedürfe der hundertprozentigen 24-stündigen Rundumversorgung durch Dritte und sei auch nicht in der Lage, basale Lebensbelange zur Existenzsicherung sich zu besorgen. Soweit es überhaupt gehe, müsse ihr auf äußerst mühevolle Weise Nahrung in flüssiger und fester Form zugeführt werden. Die Angehörigen müssten auch für die entsprechende Körperhygiene, Lagerung im Bett, Toiletten- und Hygienemaßnahmen einschließlich der Gesundheitsfürsorge sorgen. Als Diagnosen nannte Dr. A. eine nicht näher bezeichnete (Demenz) oder Altersdemenz sowie eine mittelgradige bis schwere depressive Episode. Er empfahl für einen Zeitraum von vier Jahren die Betreuung einzurichten. Hierauf wurde ein weiterer Sohn der Klägerin, E. M., mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 16. Dezember 2009 zum Betreuer der Klägerin bestellt, unter anderem mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge einschließlich aller vertraglichen, versicherungsrechtlichen und Rentenangelegenheiten sowie der Sorge für die Gesundheit der Klägerin. Dieser übersandte der Beklagten den Betreuungsbeschluss und das Gutachten des Dr. A ... Die Beklagte forderte den Betreuer mit Schreiben vom 4. Januar 2010 noch einmal dazu auf, die Entbindung von der Schweigepflicht vorzulegen. Dem kam der Betreuer nicht nach.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin, da aufgrund der fehlenden Mitwirkung eine sichere Pflegeeinstufung nicht vorgenommen werden könne, unter Widerrufsvorbehalt Pflegegeld der Pflegestufe I ab 1. Juni 2008. Nach den Gutachten des MDK und des Dr. A. seien bei der Klägerin erhebliche Einschränkungen vorhanden. Es sei deshalb anzunehmen, dass bei ihr die Voraussetzungen für zumindest Pflegestufe I vorlägen.

Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht. Die Beklagte hörte hierzu erneut Dr. He. vom MDK, der in der sozialmedizinischen Fallberatung vom 10. Februar 2010 weiterhin die Auffassung vertrat, dass keine ausreichenden Informationen für eine fundierte Beurteilung der Pflegebedürftigkeit vorlägen. Es fehlten konkrete Hinweise auf eine regelmäßige (wohnortnahe) Behandlung, die Befreiung der Behandler von der Schweigepflicht sowie die Nennung der Pflegepersonen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Aus dem vorgelegten Gutachten von Dr. A. ergäben sich keine ausreichenden Informationen für eine fundierte Beurteilung einer höheren Pflegestufe. Eine weitergehende Prüfung sei nicht möglich, da insbesondere in die Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen nicht eingewilligt worden sei.

Die Klägerin erhob am 11. Mai 2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Sie bezog sich insbesondere auf das von Dr. A. erstattete Gutachten. Dr. A. habe bei ihr auf seinem Fachgebiet ein schweres Krankheitsbild festgestellt. Das Gutachten des Dr. A. beruhe auf einer umfassenden Untersuchung am 27. November 2009. Mit Blick auf die jetzige Verschlechterung sei es aber auch nicht mehr verwertbar. Sie vegetiere dahin und bedürfe der ständigen Hilfe, Aufsicht und Pflege. Der Hilfebedarf bestehe nahezu in allen Bereichen der Körperpflege, der Mobilität und Ernährung. Besonders in der Nacht bestehe starke Unruhe. Sie erkenne ihre eigenen Kinder nicht mehr. Dieser Akutzustand sei auch der beigezogenen Pflegedienstleiterin des Pflegedienstes bei der Durchführung des Beratungseinsatzes aufgefallen, sie habe die Beantragung von Pflegestufe III empfohlen. Vor der Gallenoperation im August 2009 habe ihr Betreuer sie zwei- bis dreimal im Quartal zu den Ärzten in H. gebracht. Dies sei für ihn die beste Lösung gewesen, auch wenn der Transport nicht einfach gewesen sei. Im MDK-Gutachten vom 17. November 2009 hätten die Gutachter das von Dr. A. erhobene schwere Krankheitsbild nicht feststellen und ausreichend würdigen können. Sie seien keine Fachärzte für Neurologie/Psychologie und deshalb für Krankheitsbilder dieses Fachgebiets nicht ausgebildet. Die Gutachter hätten für ihr Krankheitsbild auch kein Verständnis gehabt. Ihre Pflegepersonen seien immer anwesend gewesen und auch benannt worden. Bei den Pflegebegutachtungen seien zeitnahe Facharztberichte vorgelegt und ein Pflegetagebuch überreicht worden, das von den Gutachtern nicht angenommen worden sei. Einen Hausarzt könne sie nicht benennen, weil herbeigerufene niedergelassene Allgemeinärzte bei Akuterkrankungen schon am Telefon ins Klinikum Lahr verweisen würden. Mit Rezepten bzw. Medikamenten sei sie von ihren behandelnden Fachärzten bestens versorgt. Einer weiteren Begutachtung werde sie nicht zustimmen. Anlässlich des vom SG durchgeführten Erörterungstermins am 17. August 2011 trug der Betreuer der Klägerin vor, mit der Verweigerung eines Gutachtens habe er lediglich seinen Protest zu der Art und Weise der bisher durchgeführten Begutachtungen zum Ausdruck bringen wollen. Er sei grundsätzlich dafür, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Der beim Erörterungstermins neben dem Betreuer mit anwesende R. M. gab an, dass er keine genauen Angaben dazu machen könne, wie viel Zeit er für die Pflege der Klägerin am Tag aufwende. Auf Nachfrage trug er vor, dass er das Übliche mache, Duschen, Waschen, Gebiss reinigen, Haarpflege und so etwas.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der MDK habe sich in drei Gutachten mit der Pflegesituation bzw. dem Hilfebedarf der Klägerin beschäftigt. Die Begutachtung sei erheblich erschwert worden. Dem MDK sei nicht gestattet worden, ergänzende ärztliche Unterlagen einzuholen und die Klägerin bzw. die Angehörigen hätten keine Angaben zur Pflegeperson gemacht. Dass Altersdemenz, Depressionen sowie Hilflosigkeit und die Anerkennung als Schwerbehinderte vorlägen, sei nicht aussagefähig bezüglich einer Pflegestufe.

Nach mehrmaliger Erinnerung und Hinweis auf die Mitwirkungspflicht durch das SG legte der Betreuer der Klägerin am 30. November 2010 eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht mit Blick auf vier in H. praktizierende Ärzte vor und erteilte seine Einwilligung zur Anforderung des Entlassungsberichts der Klinik L.-E ... Am 26. August 2011 erteilte er formularmäßig die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht. Mit Schreiben vom 7. September 2011 äußerte er erneut Zweifel an einer weiteren Begutachtung.

Das SG hörte Prof. Dr. Ma., Arzt D., Prof. Dr. Mo., Urologe Dr. Po. und Orthopäde Dr. Her. als sachverständige Zeugen. Prof. Dr. Ma., Leitender Arzt der Kardiologie im O.-klinikum L.-E. teilte unter Beifügung seines Entlassungsberichts vom 27. April 2009 (Diagnose u.a.: Synkope unklarer Genese; Klägerin sei bei Aufnahme leicht verlangsamt gewesen; Befund: wacher, orientierter und reduzierter Allgemeinzustand, orientierende neurologische Untersuchung unauffällig; psychomatisches Konsil wegen deutlich depressiver Grundstimmung: Erhöhung der Mirtazapin-Dosis empfohlen und gegebenenfalls kurzfristig Benzodiazepine; Entlassung: wach, orientiert und bei reduziertem Sehvermögen eingeschränkt mobil) und des Entlassungsberichts des Prof. Dr. Mo., Chefarzt der gastoenterologischen Abteilung, vom 1. Juni 2011 (Diagnose u.a.: anamnestisch/fremdanamnestisch obere gastrointestinale Blutung mit Hämatemesis; Befund: altersentsprechender Allgemeinzustand, wach und ängstlich; Entlassung bei subjektivem Wohlbefinden in gutem Allgemeinzustand) mit, dass er die Klägerin zuletzt im Jahr 2009 stationär behandelt habe. Die stationäre Behandlung im Mai 2011 sei in der gastroenterologischen Abteilung erfolgt. Arzt D., H., teilte unter dem 16. September 2011 mit, dass sich die Klägerin seit 8. November 2007 in seiner psychiatrischen Behandlung befinde. Die letzte Behandlung sei am 25. März 2010 erfolgt. Rezepte für bisher verordnete Medikamente seien danach noch ausgestellt worden. Diagnostisch handele es sich um eine mittelgradige depressive Störung sowie eine beginnende Demenz. Die Klägerin habe ihn nur in Begleitung ihres Sohnes aufsuchen können, seit 2011 sei sie dazu nach Aussage des Sohnes aber nicht mehr in der Lage. Durch den Progress der Erkrankung sei sie im Bereich der Grundpflege auf Hilfen angewiesen. Für diese Unterstützungen dürfte eine Hilfe von zwei Stunden pro Tag zu veranschlagen sein. Prof. Dr. Mo. führte unter dem 13. September 2011 aus, dass er die Klägerin einmalig vom 14. bis 18. Mai 2011 stationär behandelt habe. Im Vordergrund der dauerhaften Gesundheitsstörungen stehe insbesondere die Polyarthritis/Differenzialdiagnose rheumatoide Arthritis, Polyarthritis anderer Genese sowie eine depressive Angststörung. Darüber hinaus bestehe ein Glaukom. Eine genaue Angabe bezüglich der Funktionseinschränkungen der Klägerin sei retrospektiv aus den Unterlagen nicht erschöpfend zu beantworten. Dr. Po., H., gab unter dem 28. September 2011 an, die Klägerin habe sich erstmalig im Juni 2007 und zuletzt am 25. Juni 2009 vorgestellt. Er habe eine Stressinkontinenz, rezidivierende Harnwegsinfekte und zwischenzeitlich eine Nephrolithiasis links diagnostiziert. Bei der letzten Kontrolle sei bei einem unveränderten Beschwerdebild eine zunehmende Orientierungslosigkeit der Klägerin aufgefallen. Orthopäde Her., H., führte unter dem 7. März 2012 aus, dass er zur Pflegebedürftigkeit nur schwer Aussagen treffen könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2012 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Nach dem medizinischen Beweisergebnis stehe nicht fest, dass ihr Hilfebedarf bei der Verrichtung der gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens aufgrund von Krankheiten und Behinderungen die für die Zuordnung zur Pflegestufe II erforderlichen drei Stunden täglich erreiche. Insbesondere sei nicht nachgewiesen, dass das Maß der Hilfebedürftigkeit im Bereich der Grundpflege nicht zwei Stunden pro Tag betrage. Das Gericht stütze sich dabei auf die eingeholten Zeugenaussagen, das Gutachten des Dr. A., die Ausführungen des Betreuers und des Enkels der Klägerin im Erörterungstermin am 17. August 2011 sowie die im Verwaltungsverfahren durch die Beklagte eingeholten Gutachten. Weder die behandelnden Ärzte der Klägerin noch Dr. A. würden Verrichtungen der Grundpflege benennen, bei denen die Klägerin der Hilfe bedürfe. Da dem Gutachten des Dr. A. eine gänzlich andere Fragestellung zugrunde gelegen habe und die die Klägerin behandelnden Ärzte diese entweder nur kurzfristig oder unregelmäßig über eine weite Distanz behandelt hätten, sei dies auch nachvollziehbar. Auch die Klägerin und ihre Angehörigen hätten im gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht dargelegt, bei welchen Verrichtungen der Grundpflege sie, die Klägerin, in welchem Umfang der Hilfe bedürfe. Es sei nicht einmal nachvollziehbar offengelegt worden, welche Pflegepersonen die Klägerin bei Verrichtungen der Grundpflege unterstützten. Für es, das Gericht, hätten auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Einholung eines Gutachtens über den Pflegebedarf der Klägerin bestanden. Im Übrigen wäre die Einholung eines Gutachtens, nachdem der Betreuer der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. September 2011 erneut mitgeteilt habe, dass an einer Begutachtung unter Umständen gar nicht oder nur eingeschränkt mitgewirkt werde, auch nicht möglich gewesen. Schließlich wäre die erforderliche Grundpflege bei Gewährung von Pflegegeld auch nicht sichergestellt. Für es, das Gericht, sei nicht ersichtlich, welche Pflegepersonen der Klägerin bei welchen Verrichtungen der Grundpflege helfen würden. Dementsprechend könne auch nicht beurteilt werden, ob die Unterstützung bei eventuell erforderlichen Verrichtungen der Grundpflege hinreichend sei.

Dagegen hat die Klägerin am 6. November 2012 Berufung eingelegt. Unter Vorlage des Bescheids des Landratsamts Ortenaukreis vom 10. Februar 2010, wonach ihr Grad der Behinderung seit 28. Dezember 2009 100 betrage und bei ihr außerdem noch das Merkzeichen B festgestellt worden sei, ist sie Bezug nehmend auf diesen Bescheid und das Gutachten des Dr. A. weiterhin der Meinung, dass bei ihr zumindest die Voraussetzungen für die Pflegestufe II vorlägen. Dies ergebe sich auch aus den eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung sei zwingend notwendig und zu jeder Zeit gesichert, wie sich im Zusammenhang mit Akutsituationen und Erkrankungen zeige. Pflegepersonen hätten und könnten auch jetzt jederzeit benannt werden können. Ihr Gesamtzustand, insbesondere die Demenz, habe sich seit 2008 sehr verschlechtert. Am 15. Dezember 2012 habe sie auch noch einen Schlaganfall erlitten. Eine umfassende fachliche Begutachtung sei immer das Ziel gewesen. Sie hat vorgelegt den Befundbericht des Orthopäden Her. vom 12. März 2009 (Diagnosen: Chronisch-rezidivierende Lumboischialgie, Gonarthrose beidseits, Arthrose des oberen Sprunggelenks beidseits, des linken Handgelenks ausgeprägter als rechts sowie des Acromioclaviculargelenks beidseits; Therapie: u.a., wiederholt Verordnung von Krankengymnastik), den Nachweis über einen Beratungseinsatz nach § 37 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) vom 3. Juli 2012 (Allgemeinzustand unverändert schlecht, sehe kaum noch, habe starke Schmerzen und liege dadurch fast nur im Bett; Pflege gesichert) und den vorläufigen Entlassbrief des Prof. Dr. Schuchardt, Neurologische Klinik des O.-klinikums L.-E., vom 21. Dezember 2012 (Diagnose: passagere cerebrale Ischämie mit motorischer Aphasie; Vorgeschichte: habe am Aufnahmetag gegen 19.00 Uhr plötzlich nicht mehr sprechen können und sei im Stand verharrt; bei Eintreffen des Notarztes habe sie Fragen mit ja und nein beantworten und alle Extremitäten bewegen können; neurologischer Befund: alle Extremitäten werden spontan bewegt, Armhalte- und Beinhalteversuch sicher, kein sensibles Defizit, wach und zur Person, jedoch nicht zu Ort und Zeit orientiert; Medikamentenliste: ASS 100mg, Simvastatin, Tramadol, Amoclav).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Oktober 2012 aufzuheben und den Bescheid vom 13. Oktober 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 27. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Juni 2008 Pflegegeld mindestens nach der Pflegestufe II zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG und hält es für notwendig, dass ein Gutachten über den Pflegebedarf eingeholt bzw. erstellt wird.

Die Berichterstatterin hat darauf hingewiesen, dass sie eine weitere Abklärung des Sachverhalts für dringend erforderlich halte und hat mit gerichtlicher Verfügung vom 19. Dezember 2012 um Mitteilung, ob mit einer Begutachtung der Klägerin Einverständnis bestehe und um Angabe der Pflegepersonen, gebeten. Hierauf hat der Betreuer der Klägerin mitgeteilt, dass die Pflege innerhalb ihrer Familie geregelt werde, und mehrere Personen mit dem Nachnamen der Klägerin, von den Vornamen jedoch nur den Anfangsbuchstaben genannt. Der Vorgehensweise des Gerichts werde zugestimmt. Die Berichterstatterin hat hierauf unter dem 8. Januar 2013 Pflegeberaterin Kö. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat die Akten unter dem 10. Juni 2013 zurückgegeben. Es sei ihr nicht möglich, das Gutachten zu erstatten, da ein Kontakt bzw. die Terminvereinbarung nicht zustande gekommen sei. Der Betreuer der Klägerin reagiere auf keine schriftlichen Terminvereinbarungen und wolle keine telefonische Kontaktaufnahme. Er sei nicht kooperativ und stelle ihre fachliche Kompetenz in Frage. Die Berichterstatterin hat hierauf den an die Pflegeberaterin Kö. erteilten Gutachtensauftrag aufgehoben und mit gerichtlicher Verfügung vom 25. Juni 2013 den Betreuer der Klägerin darauf hingewiesen, dass die Durchführung weiterer Ermittlungen nicht beabsichtigt sei und die Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen zu Lasten der Klägerin gehe. Der Betreuer der Klägerin hat in der Folge darauf hingewiesen, dass er sich im Vorfeld der Begutachtung korrekt verhalten habe. Die Sachverständige hat auf Anfrage des Senats von ihr vorgeschlagene Termine für eine Untersuchung genannt. Die Klägerin hat hierzu eingewandt, diese Angaben seien nicht korrekt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG, die Vorprozessakte L 13 R 4727/09 und den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Die Klägerin begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 13. Oktober 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 27. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf höheres Pflegegeld mindestens nach der Pflegestufe II hat. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass für die Verrichtungen im Bereich der Grundpflege, bei denen die Klägerin der Unterstützung bedarf, ein Zeitaufwand von über zwei Stunden täglich erforderlich ist.

Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R -, in juris). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinien zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - in juris). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen, die auch bei Demenzkranken Anwendung finden, beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, in juris).

Bei der Klägerin besteht eine Depression, eine dementielle Entwicklung, eine Polyarthrose, eine Lendenwirbelsäulenerkrankung, eine Inkontinenz sowie eine Sehbehinderung. Dies ergibt sich aus den Gutachten der Pflegefachkräfte S. und Fr. sowie der Ärzte Dr. He. und Dr. N., teilweise auch des Dr. A. und aus den sachverständigen Zeugenauskünften der die Klägerin in der Vergangenheit behandelnden Ärzte. Entsprechendes geht auch aus den Entlassungsberichten des O.-klinikums L.-E. über die stationären Aufenthalte der Klägerin in den Jahren 2009, 2011 und zuletzt 2012 hervor, wobei mit Blick auf die Depression unter Zugrundelegung des Entlassungsberichts des Klinikums L.-E. vom 21. Dezember 2012 festzustellen ist, dass die Klägerin nach dem dort aufgeführten Medikamentenplan zumindest damals keine Medikamente wegen einer Depression oder Angststörung einnahm.

Welche Funktionseinschränkungen mit diesen Erkrankungen verbunden ist, kann den sachverständigen Zeugenauskünften nicht entnommen werden. Die die Klägerin in der Vergangenheit in H. behandelnden Ärzte haben keine Funktionseinschränkungen der Klägerin beschrieben. Den Auskünften entnimmt der Senat jedoch, dass die Klägerin zumindest bis 25. März 2010 in der Lage war, in Begleitung ihres Sohnes von ihrem Wohnort in S., Landkreis O., aus nach H. zu reisen und dort Arzttermine wahrzunehmen, das heißt, sie konnte zumindest zu diesen Terminen das Bett verlassen und eine Reise mit einer einfachen Entfernung von etwa 600 km antreten. Auch der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegte Befundbericht des Orthopäden Her. vom 12. März 2009 zeige, dass die Klägerin jedenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig immobil war. Die Klägerin klagte unter anderem über bewegungsunabhängige Schmerzen in den Schulter- und Handgelenken. Die Untersuchung der Wirbelsäule konnte im Stand erfolgen. Die mitgeteilten Bewegungsausmaße deuten nicht auf erhebliche Funktionseinschränkungen der Extremitäten hin. Schließlich verordnete Orthopäde Her. wiederholt Krankengymnastik wegen der orthopädischen Beschwerden. Mit Ausnahme des von Pflegefachkraft Fr. erstatteten Gutachtens werden auch in den Gutachten keine konkreten Funktionseinschränkungen der Klägerin beschrieben. Da die Klägerin bei den Untersuchungen im Rahmen der Begutachtungen durch Pflegefachkraft S. am 6. Oktober 2008, Dr. He. und Dr. N. am 17. November 2008 aber auch durch Dr. A. am 27. November 2009 nicht mitgearbeitet hatte, vermochten die Gutachter keine Funktionseinschränkungen festzustellen. Nur bei der Untersuchung durch Pflegefachkraft Fr. war die Klägerin bereit, aufzustehen. Dabei bedurfte sie der Hilfe, außerdem benötigte sie der Unterstützung beim Gehen. Nach dem Entlassbrief des Prof. Dr. Ma. vom 27. April 2009 über die stationäre Behandlung im April 2009 befand sich die Klägerin bei der Aufnahme in einem zwar reduzierten, aber wachem und orientierten Allgemeinzustand. Periphere Ödeme lagen nicht vor, die orientierende neurologische Untersuchung war unauffällig. Festgestellt wurden im Bereich der Hände ausgeprägte Deformitäten, unter schmerztherapeutischer Therapie trat diesbezüglich eine leichte Besserung ein. Wegen einer deutlich depressiven Grundstimmung wurde ein psychosomatisches Konsil mit Empfehlung zur medikamentösen Behandlung durchgeführt. Bei der Entlassung war die Klägerin wach, orientiert und bei reduziertem Sehvermögen eingeschränkt mobil. Bei der Aufnahme im Mai 2011 befand sich die Klägerin in altersentsprechendem Allgemeinzustand, sie war wach und ängstlich. Entlassen wurde die Klägerin bei subjektivem Wohlbefinden in gutem Allgemeinzustand (Entlassbrief des Prof. Dr. Mo. vom 1. Juni 2011). Im Jahr 2012 bestanden bei der Klägerin keine sicheren Paresen, alle Extremitäten wurden spontan bewegt, Armhalte- und Beinhalteversuch waren jeweils sicher. Ein sensibles Defizit konnte nicht festgestellt werden. Nach der Anamnese habe die Klägerin plötzlich nicht mehr sprechen können und sei im Stand verharrt (Entlassbrief des Prof. Dr. Schuchardt vom 21. Dezember 2012). Insbesondere auf diese Entlassungsberichte, das Gutachten von Pflegefachkraft Fr. und die Wahrnehmung von Arztterminen in H. stützt der Senat seine Auffassung, dass die Klägerin seit der Antragstellung im Juni 2008 bis heute in der Lage ist, zumindest mit Hilfe aus dem Bett und von einem Stuhl aufzustehen, sich zumindest mit Unterstützung bewegen und ohne Hilfe nach mundgerechter Zubereitung der Nahrung auch selbstständig essen und trinken kann. Damit ist auch belegt, dass die Klägerin im Stande ist, sich - wenn auch nach Aufforderung - zumindest teilweise selbstständig zu waschen und auch beim Anziehen nur insoweit der Hilfe bedarf, als hierfür ein eigenständiges Stehen und das Schließen von Knöpfen und Reißverschlüssen erforderlich ist.

Eine Bestätigung dieser der Klägerin noch möglichen Fertigkeiten entnimmt der Senat auch dem Schwerbehindertenausweis der Klägerin. Zwar wurde der GdB der Klägerin mittlerweile von 50 auf 100 angehoben, nach wie vor wurde aber neben dem Merkzeichen B nur das Merkzeichen G und nicht aG und auch nicht Bl zuerkannt.

Dass die Klägerin wegen der dementiellen Entwicklung der Aufsicht und der Betreuung bedarf, führt nicht dazu, dass ohne weiteres der für die Pflegestufe II erforderliche tägliche Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 120 Minuten täglich überschritten wird. Ein allgemeiner Aufsichtsbedarf zur Motivation und Kontrolle eines Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen kann bei der Bemessung des Pflegebedarfs im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI nicht berücksichtigt werden. Für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen kommt es allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen an. Die Beaufsichtigung zur Vermeidung einer Selbst- oder Fremdgefährdung kann ebenso wenig in Ansatz gebracht werden (BSG, Urteil vom 26. November 1998 - B 3 P 13/97 R -, in juris) wie eine allgemeine Ruf- oder Einsatzbereitschaft einer Pflegeperson (BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 - B 3 P 7/97 R -, in juris) sowie der Aufsichtsbedarf, wie er bei bestimmten Erkrankungen anfällt, nach dem Gesetz bei der Bemessung des Grundpflegebedarfs nicht berücksichtigt werden darf (zum Ganzen auch: BSG, Beschluss vom 24. Oktober 2008 - B 3 P 23/08 B -, m.w.N., in juris).

Weitere Ermittlungen von Amts wegen sind nicht geboten. Das SG hat die die Klägerin in der Vergangenheit behandelnden Ärzte gehört. Aktuell befindet sich die Klägerin nicht in ärztlicher Behandlung. Auch eine Begutachtung hat nicht zu erfolgen. Zwar liegen die durch den MDK und Dr. A. erfolgten Begutachtungen nahezu vier Jahre zurück. Zudem behauptete die Klägerin eine Verschlechterung ihres körperlichen Zustands. Der Senat hielt deswegen ursprünglich eine Begutachtung für erforderlich. Er hat die Klägerin hierauf auch mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 hingewiesen. Der vom Senat beauftragten Sachverständigen Kö. gelang es jedoch nicht, mit dem Betreuer der Klägerin einen Termin zur Begutachtung zu vereinbaren. Ihr Betreuer war nicht kooperativ und stellte schon im Vorfeld die Kompetenz der Sachverständigen in Frage. Damit setzt sich die bereits im Verwaltungsverfahren begonnene Problematik im Zusammenhang mit der Begutachtung fort. Bereits die erste Begutachtung im Verwaltungsverfahren, die auf Wunsch der Klägerin im August 2008 stattfinden sollte, konnte erst im September 2008 durchgeführt werden, nachdem die Klägerin zuvor zwei im August 2008 angebotene Termine abgesagt hatte. Bei den Untersuchungen wurde in der Regel nicht mitgearbeitet, die notwendigen Unterlagen wurden nicht oder nur zögerlich zur Verfügung gestellt und die Pflegepersonen bis heute teilweise nicht konkret benannt. Im Rahmen der Amtsermittlung kommt die Beauftragung eines Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens aufgrund einer Untersuchung der Klägerin durch den Senat daher nicht (mehr) in Betracht kommt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Klägerin die vom Senat beabsichtigte Begutachtung nicht explizit verweigert hat. Sie hat in ihrem letzten Schriftsatz nur darauf hingewiesen, dass sie sich korrekt verhalten habe. Aufgrund des Verhaltens der Klägerin bzw. ihres Betreuers gelang es der Sachverständigen Kö. jedoch nicht, einen Begutachtungstermin zu vereinbaren. Nach wie vor beharrt der Betreuer der Klägerin auf vor der Begutachtung zu klärende Begrifflichkeiten und gab anlässlich der am 20. September 2013 durchgeführten mündlichen Verhandlung an, dass man niemanden ins Haus lassen könne, der über bestimmte Begrifflichkeiten nicht ausreichend informiert sei. Die der Klägerin zumutbare Mitwirkung bei der Begutachtung liegt nicht vor.

Die Nichterweislichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen für mindestens die Pflegestufe II geht - worauf das SG und der Senat hingewiesen haben - zu Lasten der Klägerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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