Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 24 AS 4019/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 391/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte einen Leistungsbescheid aufheben und von der Klägerin die Erstattung überzahlter Leistungen verlangen darf. Die Klägerin bezieht vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bildet mit ihren Kindern eine Bedarfsgemeinschaft. Zu Beginn des Jahres 2009 hatte sie mit dem Beklagten Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen, wonach bei einer unangemeldeten oder unerlaubten Ortsabwesenheit der Leistungs¬anspruch entfalle. Das Merkblatt für Arbeitssuchende war ihr ausgehändigt worden.
Mit später geändertem Bewilligungsbescheid vom 29. April 2009 gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009. Vom 12. Juli 2009 bis zum 25. August 2009 reiste die Klägerin ohne Kenntnis und Zustimmung des Beklagten mit ihren Kindern nach S ...
Nach Anhörung der Klägerin hob der Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2010 die Leistun¬gen für die Klägerin und ihre Kinder auf und forderte den überzahlten Betrag zurück. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2010).
Am 4. November 2010 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben. Am 19. Januar 2011 hat der Beklagte einen Änderungsbescheid zum Aufhebungs¬bescheid vom 12. März 2010 erlassen und die Aufhebung und Erstattungsforderung auf die der Klägerin zuzurechnenden Leistungen in Höhe von 941,87 EUR beschränkt.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. November 2012 hat das Sozialgericht die Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen: Der Beklagte stütze seinen Aufhebungs- und Erstattungsanspruch zu Recht auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II (in der Fassung bis zum 31. März 2011) und § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III. Danach sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Die Klägerin habe dem Beklagten ihre Reise nach S. nicht mitgeteilt, wozu sie nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet gewesen wäre. Da sie bereits seit vielen Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehe, könne sie sich nicht auf mangelnde Deutschkenntnisse oder Unkenntnis berufen. Sie sei vielmehr auf ihre Mitteilungspflichten auch im Hinblick auf Ortsabwesenheit belehrt worden, so dass ihr je¬denfalls der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen sei. Auch fehlende Sprachkenntnisse entschuldigten sie nicht. Die Klägerin habe in der Zeit ihrer Ortsabwesenheit keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehabt. Dies ergebe sich aus § 7 Abs. 4a SGB II a.F. Sie habe sich ohne Zustimmung ihres persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-An¬ordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereichs aufgehalten. Die Erreichbarkeits-Anord¬nung sei auch auf sie anwendbar. Schließlich sei die Höhe der Rückforderungssumme selbst nicht zu beanstanden.
Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 12. November 2012 zugestellt worden. Am 12. Dezember 2012 hat sie Berufung eingelegt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Erreichbarkeits-Anordnung sei in ihrem Falle nicht anwendbar gewesen, da aufgrund ihrer besonderen persönlichen Situation in der Zeit ihrer Ortsabwesenheit Eingliederungsmaßnahmen oder Vermittlungen in Arbeit ohnehin nicht hätten stattfinden können.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 7. November 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 12. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 21. Oktober 2010 und in der Fassung des Bescheides vom 19. Januar 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter des Senats als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Die die Klägerin betreffenden Sachakten des Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergän¬zend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2010 und des Änderungsbescheides vom 19. Januar 2011 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Ausführungen des Sozialgerichts zu seiner rechtlichen Grundlage in § 40 SGB II, § 48 Abs. 1 SGB X und § 330 SGB III sind zutreffend, so dass hierauf Bezug genommen werden kann. Auch trifft es zu, dass der Klägerin in der Zeit ihrer Ortsabwesenheit (Aufenthalt in S.) gemäß § 7 Abs. 4a SGB II in der damals geltenden Fassung ein Leistungsanspruch nicht zustand, weil sie sich ohne Zustimmung ihres persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereichs (§§ 1, 2) aufhielt. Entgegen der Auffassung der Klägerin scheidet eine Anwendung von § 7 Abs. 4a SGB II in Ihrem Falle nicht deswegen aus, weil die Erreichbarkeits-Anordnung mangels tatsächlicher Eingliederungsmöglichkeiten keine Anwendung hätte finden dürfen. Dem steht schon entgegen, dass das Gesetz diese Anordnung ausdrücklich als geltend erklärt hat (§ 7 Abs. 4a, 2. Halb¬satz SGB II a.F.). Im übrigen betrifft die Argumentation der Klägerin allenfalls die Voraussetzun¬gen, unter denen eine – hier gerade nicht beantragte – Zustimmung des Beklagten zur Ortsabwesenheit hätte erteilt werden können oder müssen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 der Erreichbarkeits-Anordnung), nicht jedoch die Frage, ob die Erreichbarkeitsanordnung über¬haupt anwendbar sei. Dies zeigt auch ein Blick in die aktuelle Fassung des Gesetzes (vgl. § 7 Abs. 4a S. 4 SGB II n.F.). Danach kann offen bleiben, ob der Umstand, dass der Auslandsaufenthalt der Klägerin länger als sechs Wochen dauerte, von vornherein einer Zustimmung zur Ortsabwesenheit und damit einem Leistungsanspruch entgegengestanden hätte (vgl. § 3 Abs. 4 der Erreichbarkeits-Anord-nung; § 7 Abs. § 4a S. 5 SGB II n.F.).
Auch was die Frage einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung ihrer Mitteilungspflichten durch die Klägerin angeht, teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts und sieht daher von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab. Schließlich sind in Bezug auf die sich aus § 50 Abs. 1 SGB X ergebende Erstattungsforderung des Beklagten Rechtsfehler nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte einen Leistungsbescheid aufheben und von der Klägerin die Erstattung überzahlter Leistungen verlangen darf. Die Klägerin bezieht vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bildet mit ihren Kindern eine Bedarfsgemeinschaft. Zu Beginn des Jahres 2009 hatte sie mit dem Beklagten Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen, wonach bei einer unangemeldeten oder unerlaubten Ortsabwesenheit der Leistungs¬anspruch entfalle. Das Merkblatt für Arbeitssuchende war ihr ausgehändigt worden.
Mit später geändertem Bewilligungsbescheid vom 29. April 2009 gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009. Vom 12. Juli 2009 bis zum 25. August 2009 reiste die Klägerin ohne Kenntnis und Zustimmung des Beklagten mit ihren Kindern nach S ...
Nach Anhörung der Klägerin hob der Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2010 die Leistun¬gen für die Klägerin und ihre Kinder auf und forderte den überzahlten Betrag zurück. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2010).
Am 4. November 2010 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben. Am 19. Januar 2011 hat der Beklagte einen Änderungsbescheid zum Aufhebungs¬bescheid vom 12. März 2010 erlassen und die Aufhebung und Erstattungsforderung auf die der Klägerin zuzurechnenden Leistungen in Höhe von 941,87 EUR beschränkt.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. November 2012 hat das Sozialgericht die Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen: Der Beklagte stütze seinen Aufhebungs- und Erstattungsanspruch zu Recht auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II (in der Fassung bis zum 31. März 2011) und § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III. Danach sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Die Klägerin habe dem Beklagten ihre Reise nach S. nicht mitgeteilt, wozu sie nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet gewesen wäre. Da sie bereits seit vielen Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehe, könne sie sich nicht auf mangelnde Deutschkenntnisse oder Unkenntnis berufen. Sie sei vielmehr auf ihre Mitteilungspflichten auch im Hinblick auf Ortsabwesenheit belehrt worden, so dass ihr je¬denfalls der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen sei. Auch fehlende Sprachkenntnisse entschuldigten sie nicht. Die Klägerin habe in der Zeit ihrer Ortsabwesenheit keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehabt. Dies ergebe sich aus § 7 Abs. 4a SGB II a.F. Sie habe sich ohne Zustimmung ihres persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-An¬ordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereichs aufgehalten. Die Erreichbarkeits-Anord¬nung sei auch auf sie anwendbar. Schließlich sei die Höhe der Rückforderungssumme selbst nicht zu beanstanden.
Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 12. November 2012 zugestellt worden. Am 12. Dezember 2012 hat sie Berufung eingelegt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Erreichbarkeits-Anordnung sei in ihrem Falle nicht anwendbar gewesen, da aufgrund ihrer besonderen persönlichen Situation in der Zeit ihrer Ortsabwesenheit Eingliederungsmaßnahmen oder Vermittlungen in Arbeit ohnehin nicht hätten stattfinden können.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 7. November 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 12. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 21. Oktober 2010 und in der Fassung des Bescheides vom 19. Januar 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter des Senats als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Die die Klägerin betreffenden Sachakten des Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergän¬zend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2010 und des Änderungsbescheides vom 19. Januar 2011 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Ausführungen des Sozialgerichts zu seiner rechtlichen Grundlage in § 40 SGB II, § 48 Abs. 1 SGB X und § 330 SGB III sind zutreffend, so dass hierauf Bezug genommen werden kann. Auch trifft es zu, dass der Klägerin in der Zeit ihrer Ortsabwesenheit (Aufenthalt in S.) gemäß § 7 Abs. 4a SGB II in der damals geltenden Fassung ein Leistungsanspruch nicht zustand, weil sie sich ohne Zustimmung ihres persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereichs (§§ 1, 2) aufhielt. Entgegen der Auffassung der Klägerin scheidet eine Anwendung von § 7 Abs. 4a SGB II in Ihrem Falle nicht deswegen aus, weil die Erreichbarkeits-Anordnung mangels tatsächlicher Eingliederungsmöglichkeiten keine Anwendung hätte finden dürfen. Dem steht schon entgegen, dass das Gesetz diese Anordnung ausdrücklich als geltend erklärt hat (§ 7 Abs. 4a, 2. Halb¬satz SGB II a.F.). Im übrigen betrifft die Argumentation der Klägerin allenfalls die Voraussetzun¬gen, unter denen eine – hier gerade nicht beantragte – Zustimmung des Beklagten zur Ortsabwesenheit hätte erteilt werden können oder müssen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 der Erreichbarkeits-Anordnung), nicht jedoch die Frage, ob die Erreichbarkeitsanordnung über¬haupt anwendbar sei. Dies zeigt auch ein Blick in die aktuelle Fassung des Gesetzes (vgl. § 7 Abs. 4a S. 4 SGB II n.F.). Danach kann offen bleiben, ob der Umstand, dass der Auslandsaufenthalt der Klägerin länger als sechs Wochen dauerte, von vornherein einer Zustimmung zur Ortsabwesenheit und damit einem Leistungsanspruch entgegengestanden hätte (vgl. § 3 Abs. 4 der Erreichbarkeits-Anord-nung; § 7 Abs. § 4a S. 5 SGB II n.F.).
Auch was die Frage einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung ihrer Mitteilungspflichten durch die Klägerin angeht, teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts und sieht daher von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab. Schließlich sind in Bezug auf die sich aus § 50 Abs. 1 SGB X ergebende Erstattungsforderung des Beklagten Rechtsfehler nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
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