Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 293/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 60/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Elternrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Streit.
Die verstorbene Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 waren Eheleute. Aus ihrer Verbindung sind insgesamt sieben Kinder – vier Söhne und drei Töchter – hervorgegangen. Der am 1. November 1956 geborene Sohn S.G. fuhr als Decksmann auf dem unter deutscher Flagge fahrenden Küstenmotorschiff "M." der Reederei M.C. in R., welche sich am 27. Oktober 1979 von H./ E. nach S./ S1 befand. Er gilt als seit dem 27. Oktober 1979 um 04.10 Uhr vermisst. Die Ursachen des Unfalls ließen sich nicht feststellen. Es wird davon ausgegangen, dass er zu diesem Zeitpunkt bei hoher Dünung mit grober See auf dem Weg nördlich der Doggerbank ohne Verschulden der Schiffsführung über Bord gefallen und ertrunken ist (Spruch des Seeamts Flensburg vom 4. Dezember 1979 Reg.-Nr. 42/79). Die Beklagte erkannte den Vorgang als Arbeitsunfall an und gewährte – weil der Vermisste seine Eltern bis zu seinem Tode finanziell unterstützt hatte – seinen Eltern mit Bescheid vom 28. August 1981 nach § 596 Reichsversicherungsordnung (RVO) eine Elternrente. Dabei ging sie von einer monatlichen Heuer in Höhe von durchschnittlich 1.719,00 DM aus. Mit Bescheid vom 27. September 1983 entzog sie diese Rente ab 1. November 1983 unter Hinweis darauf, dass der Vermisste zu diesem Zeitpunkt vermutlich eine eigene Familie gegründet hätte und deshalb nicht mehr in der Lage gewesen wäre, zum Unterhalt der Eltern wesentlich beizutragen. Widerspruch und Klage hiergegen blieben (Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 1985 – 24 U 154/84) erfolglos. Das Sozialgericht ging in seiner rechtskräftig gewordenen Entscheidung davon aus, dass zwar die Eltern des Vermissten noch immer unterhaltsbedürftig gewesen sind, dass aber der Vermisste nunmehr Einkommen und Vermögen für den Unterhalt einer eigenen Familie hätte aufwenden müssen, so dass ihm Unterhaltsleistungen an seine Eltern nicht mehr möglich gewesen wären.
Unter dem 9. März 2007 begehrten die verstorbene Klägerin zu 1 und deren Ehemann, der Kläger zu 2, durch ihren Prozessbevollmächtigten erneut die Gewährung einer Elternrente, weil sie mittlerweile verstärkt hilfebedürftig geworden seien. Mit am 18. April 2007 bei der Beklagten eingegangener persönlicher Erklärung des Klägers zu 2 vom 19. Februar 2007 bat dieser zusätzlich darum, die seit 1982 vorenthaltenen Beträge nachzuzahlen. Nachdem die Beklagte gegenüber dem Prozessbevollmächtigten auf die Bestandskraft des Entziehungsbescheides hingewiesen hatte, beriefen die Kläger sich ergänzend auf eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Sie seien auf Unterhaltszahlungen der eigenen Kinder nunmehr dringend angewiesen. Es entspreche der allgemeinen Übung und Praxis des t. Rechts, dass auch verheiratete Kinder mit eigener Familie die Eltern unterstützen.
Mit vorliegend angefochtenem Bescheid vom 7. September 2007 lehnte die Beklagte dieses Begehren ab, weil der verunfallte Sohn nach statistischen Erkenntnissen seit 1. November 1983 mit Blick auf die Gründung einer eigenen Familie nicht mehr zu Unterhaltsleistungen in der Lage gewesen wäre. Hierauf habe bereits das Sozialgericht seine Entscheidung vom 29. Mai 1985 gegründet. Dabei sei es zu Recht davon ausgegangen, dass der Verunfallte als Decksmann einer vergleichsweisen niedrigen Einkommensstufe angehört habe und ferner, dass auch nach t. Recht der Unterhalt für die eigene Familie vor der Verpflichtung für die Eltern zu erfüllen gewesen wäre, so dass den Eltern wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Sohnes kein Unterhaltsanspruch mehr zugestanden hätte. Den hiergegen ohne Begründung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2007 unter Bezugnahme auf die Begründung des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend wies sie darauf hin, dass es sich bei dem Entziehungsbescheid nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handele, so dass § 48 SGB X keine Anwendung finde. Im Übrigen hätten sich die Verhältnisse auch nicht wesentlich geändert, weil die Widersprechenden bereits zum Entziehungszeitpunkt zwar unterhaltsberechtigt und unterhaltsbedürftig gewesen seien, jedoch der Anspruch wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Sohnes geendet habe.
Zur Begründung der daraufhin fristgerecht erhobenen Klage haben die Kläger ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und sich zusätzlich darauf bezogen, dass nicht mit Sicherheit vorauszusagen gewesen sei, dass der Vermisste sich verheiratet hätte. Des Weiteren unterstützten t. Kinder ihre Eltern auch ohne Rücksicht auf fehlende eigene Leistungsfähigkeit mit monatlich wenigstens 300 – 400 DM.
Durch am 22. Dezember 2008 an Verkündung Statt zugestelltes Urteil vom 19. Dezember 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das hypothetisch als ungelernte Kraft erzielte Einkommen des Verunfallten hätte nicht ausgereicht, um neben einer eigenen Familie noch die Eltern zu unterstützen. Dabei ist das Sozialgericht von den Vorgaben der Düsseldorfer Tabelle ausgegangen und hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass hierfür ein Einkommen von mehr als 2.450,00 EUR erforderlich gewesen wäre, welches der Verunfallte als Decksmann nicht erzielt hätte.
Die Kläger haben am 29. Dezember 2008 die vorliegende Berufung eingelegt. Zur Begründung tragen sie vor, der Verstorbene hätte fiktiv mindestens 4.000,00 EUR verdient und wäre somit in der Lage gewesen, seine Eltern zu unterstützen. Es sei auch nicht unüblich, dass t. Arbeitnehmer dies trotz eigener Ehe täten. Hiermit habe sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt. Berücksichtigt werden müsse auch, dass der Verunfallte sich fortgebildet und einen beruflichen Aufstieg gemacht hätte. Außerdem hätte die (fiktive) Ehefrau irgendwann dazu verdient, so dass Mittel zur Unterstützung der Eltern freigeworden wären.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchs¬be-scheides vom 24. Oktober 2007 zu verurteilen, ihnen Elternrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ihren Bescheid. Im Einzelnen trägt sie vor, der Verunfallte sei zum angenommenen Todeszeitpunkt erst sieben Monate als Decksmann (ungelernter Arbeiter) zur See gefahren. Eine Berufsausbildung habe er nicht absolviert gehabt. Deutschkenntnisse seien nicht bekannt. Eine berufliche Weiterbildung sei deshalb unwahrscheinlich. Dies folge zusätzlich aus dem Umstand, dass er bei einer sehr kleinen Reederei beschäftigt gewesen sei. Kleine Reedereien hätten in der Vergangenheit Fortbildungsmöglichkeiten aber nicht geboten. t. Beschäftigte seien zudem seinerzeit meist nach kurzer Zeit des Geldverdienens wieder ausgeschieden. Unter der Voraussetzung, dass er aber bis 2007 weiter in der Seeschifffahrt beschäftigt worden wäre, hätte sein Lohn bei Beachtung der Tarifverträge maximal bei 2.586,00 EUR brutto gelegen, was einem Nettoeinkommen von lediglich 1.600,00 EUR entspreche. Eine fiktive t. Ehefrau hätte – ginge man von gleichem Bildungsstand sowie ferner davon aus, dass sie nach Schuleintritt der Kinder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden hätte – als ungelernte Kraft Anstellung finden müssen. Dies müsse angesichts der Arbeitsmarktverhältnisse als sehr unwahrscheinlich angesehen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatter allein und nach § 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Den Klägern steht die begehrte Rente nicht zu. Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Vielmehr hat die Beklagte sich zu Recht auf die insoweit bereits im Jahr 1983 getroffene Entscheidung berufen.
Nach § 69 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) erhalten unter anderem Verwandte der aufsteigenden Linie, die von dem Verstorbenen zur Zeit des Todes aus dessen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen wesentlich unterhalten worden sind oder ohne den Versicherungsfall wesentlich unterhalten worden wären, eine Rente, solange sie ohne den Versicherungsfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können. Die am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Vorschrift findet auch vorliegend Anwendung, obwohl sich der Arbeitsunfall des Vermissten bereits im Jahre 1979 ereignet hat. Denn nach § 214 Abs. 3 SGB VII gelten u.a. die Vorschriften für Renten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingetreten sind. Jedoch besteht ein Anspruch auf Elternrente seit dem 1. November 1983 nicht mehr. Dies steht zwischen den Beteiligten aufgrund des in Rechtskraft erwachsenen Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 1985, durch welches der noch zu der Vorläufervorschrift des § 596 RVO ergangene Bescheid der Beklagten vom 27. September 1983 in Bestandskraft erwachsen ist, bindend fest. Nachdem die anwaltlich vertretenen Kläger auch gegenüber der Beklagten nicht die Überprüfung jenes Bescheides nach § 44 SGB X, sondern eine neuerliche Rentengewährung wegen veränderter Verhältnisse in Gestalt einer durch Krankheit und Alter gesteigerten Bedürftigkeit begehrt haben, brauchte die Beklagte auch insoweit keine erneute Entscheidung zu treffen und hat dies nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides auch nicht getan. Soweit aber geltend gemacht wird, aufgrund gesteigerten Unterhaltsbedarfs stehe den Klägern erneut eine Elternrente zu, können sie hiermit schon deswegen nicht durchdringen, weil sich die anspruchsbegründenden Verhältnisse in ihrer Person nicht geändert haben. Denn unterhaltsbedürftig waren sie – auch hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen – im Zeitpunkt der Entziehung der Rente in gleicher Weise wie sie es gegenwärtig sind, bzw. die verstorbene Klägerin zu 1 es jedenfalls bis zu ihrem Tod war, denn andernfalls wäre ihnen die Rente nicht bis zum 31. Oktober 1983 gewährt worden. Bereits dies steht dem geltend gemachten Anspruch entgegen.
Soweit im gerichtlichen Verfahren sinngemäß zusätzlich geltend gemacht wird, der vermisste Sohn wäre nunmehr fiktiv wieder in der Lage, Unterhalt zu leisten, lässt sich ein Rentenanspruch hierauf ebenfalls nicht gründen. Insoweit ist schon zweifelhaft, ob sich aus dem Wortlaut des § 69 SGB VII herleiten lässt, das eine lediglich hypothetische Verbesserung der Einkommens¬verhältnisse des Verstorbenen zum (Wieder-)Entstehen eines Rentenanspruchs führen müsste. In gleicher Weise ist zweifelhaft, ob eine nur hypothetische Verschlechterung der Einkommensverhältnisse zum Entfall des Rentenanspruchs nach geltendem Recht führen müsste. Vielmehr legt der Wortlaut in Gestalt der Wendung "solange sie einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können" nahe, dass anspruchsbegründend und anspruchsvernichtend jeweils lediglich eine Änderung der Einkommensverhältnisse des zum Unterhalt Berechtigten ist. Allerdings wird – hierauf hat bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen – vertreten, dass ein Rentenanspruch im Grundsatz erst dadurch entstehen kann, dass der Verstorbene fiktiv unterhaltsfähig wird (vgl. Rütenik in jurisPK SGB VII, § 69 Rn. 23 sowie die Nachweise ebenda). Auch hat das Bundessozialgericht (vgl. Urt. vom 22. Oktober 1975 – 8 RU 194/74) entschieden, eine nach dem Tode des Unfallversicherten lediglich mutmaßlich eingetretene wesentliche Änderung der Verhältnisse (wahrscheinlicher Wegfall der Unterhaltsfähigkeit infolge anzunehmender Gründung einer eigenen Familie) rechtfertige die Neufeststellung der Elternrente im Sinne ihrer Entziehung. Für die Auslegung des § 69 SGB VII lässt sich aber aus dieser Entscheidung nichts herleiten. Denn sie ist noch vor Inkrafttreten des SGB VII mit Blick auf die Gewährung einer Elternrente nach § 596 RVO, welche Vorschrift einen anderen Wortlaut hat als § 69 SGB VII, ergangen. Überdies erfolgte dort die Entziehung der Elternrente noch nach § 622 Abs. 1 RVO, welche Vorschrift im SGB VII keine Entsprechung hat. Vielmehr wären wesentliche Änderungen der Verhältnisse unter der geltenden Rechtslage nach § 48 SGB X zu behandeln mit der Folge, dass eine hypothetische Änderung der Verhältnisse schon deswegen nicht zur Neufeststellung einer Rente im Sinne ihrer Entziehung führen könnte, weil es bereits an einer Änderung der "tatsächlichen" Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X fehlte.
Ob eine am Wortlaut und gleichermaßen an Sinn und Zweck sowie am Regelungs-zusammenhang orientierte Auslegung von § 69 SGB VII folglich dazu führen muss, dass die Berücksichtigung hypothetischer Verläufe bei der Unterhaltsfähigkeit generell zu unterbleiben hat, sondern nur tatsächliche Änderungen in den Verhältnissen des zum Unterhalt Berechtigten zu berücksichtigen sind, braucht letztlich im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn die Voraussetzungen für die Rentengewährung sind als den Anspruch begründende Tatsachen im Vollbeweis zu sichern. Es lässt sich aber nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) nicht mit der hierfür erforderlichen, einen vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit feststellen, dass der vor mehr als 30 Jahren verstorbene Sohn der Kläger heute ein Einkommen hätte, aus welchem seine Eltern einen Unterhaltsanspruch ableiten könnten. Das widerstreitende Vorbringen der Beteiligten hierzu belegt dies anschaulich. Jedwede Festlegung zum beruflichen Werdegang, zum Familienstand, zu Zahl und Unterhaltsbedarf eventueller Kinder ist ebenso Spekulation, wie eine Aussage zum heutigen Gesundheitszustand und damit zum Fortbestand der Erwerbsfähigkeit und zum Innehaben eines Arbeitsplatzes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen das Urteil war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Elternrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Streit.
Die verstorbene Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 waren Eheleute. Aus ihrer Verbindung sind insgesamt sieben Kinder – vier Söhne und drei Töchter – hervorgegangen. Der am 1. November 1956 geborene Sohn S.G. fuhr als Decksmann auf dem unter deutscher Flagge fahrenden Küstenmotorschiff "M." der Reederei M.C. in R., welche sich am 27. Oktober 1979 von H./ E. nach S./ S1 befand. Er gilt als seit dem 27. Oktober 1979 um 04.10 Uhr vermisst. Die Ursachen des Unfalls ließen sich nicht feststellen. Es wird davon ausgegangen, dass er zu diesem Zeitpunkt bei hoher Dünung mit grober See auf dem Weg nördlich der Doggerbank ohne Verschulden der Schiffsführung über Bord gefallen und ertrunken ist (Spruch des Seeamts Flensburg vom 4. Dezember 1979 Reg.-Nr. 42/79). Die Beklagte erkannte den Vorgang als Arbeitsunfall an und gewährte – weil der Vermisste seine Eltern bis zu seinem Tode finanziell unterstützt hatte – seinen Eltern mit Bescheid vom 28. August 1981 nach § 596 Reichsversicherungsordnung (RVO) eine Elternrente. Dabei ging sie von einer monatlichen Heuer in Höhe von durchschnittlich 1.719,00 DM aus. Mit Bescheid vom 27. September 1983 entzog sie diese Rente ab 1. November 1983 unter Hinweis darauf, dass der Vermisste zu diesem Zeitpunkt vermutlich eine eigene Familie gegründet hätte und deshalb nicht mehr in der Lage gewesen wäre, zum Unterhalt der Eltern wesentlich beizutragen. Widerspruch und Klage hiergegen blieben (Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 1985 – 24 U 154/84) erfolglos. Das Sozialgericht ging in seiner rechtskräftig gewordenen Entscheidung davon aus, dass zwar die Eltern des Vermissten noch immer unterhaltsbedürftig gewesen sind, dass aber der Vermisste nunmehr Einkommen und Vermögen für den Unterhalt einer eigenen Familie hätte aufwenden müssen, so dass ihm Unterhaltsleistungen an seine Eltern nicht mehr möglich gewesen wären.
Unter dem 9. März 2007 begehrten die verstorbene Klägerin zu 1 und deren Ehemann, der Kläger zu 2, durch ihren Prozessbevollmächtigten erneut die Gewährung einer Elternrente, weil sie mittlerweile verstärkt hilfebedürftig geworden seien. Mit am 18. April 2007 bei der Beklagten eingegangener persönlicher Erklärung des Klägers zu 2 vom 19. Februar 2007 bat dieser zusätzlich darum, die seit 1982 vorenthaltenen Beträge nachzuzahlen. Nachdem die Beklagte gegenüber dem Prozessbevollmächtigten auf die Bestandskraft des Entziehungsbescheides hingewiesen hatte, beriefen die Kläger sich ergänzend auf eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Sie seien auf Unterhaltszahlungen der eigenen Kinder nunmehr dringend angewiesen. Es entspreche der allgemeinen Übung und Praxis des t. Rechts, dass auch verheiratete Kinder mit eigener Familie die Eltern unterstützen.
Mit vorliegend angefochtenem Bescheid vom 7. September 2007 lehnte die Beklagte dieses Begehren ab, weil der verunfallte Sohn nach statistischen Erkenntnissen seit 1. November 1983 mit Blick auf die Gründung einer eigenen Familie nicht mehr zu Unterhaltsleistungen in der Lage gewesen wäre. Hierauf habe bereits das Sozialgericht seine Entscheidung vom 29. Mai 1985 gegründet. Dabei sei es zu Recht davon ausgegangen, dass der Verunfallte als Decksmann einer vergleichsweisen niedrigen Einkommensstufe angehört habe und ferner, dass auch nach t. Recht der Unterhalt für die eigene Familie vor der Verpflichtung für die Eltern zu erfüllen gewesen wäre, so dass den Eltern wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Sohnes kein Unterhaltsanspruch mehr zugestanden hätte. Den hiergegen ohne Begründung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2007 unter Bezugnahme auf die Begründung des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend wies sie darauf hin, dass es sich bei dem Entziehungsbescheid nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handele, so dass § 48 SGB X keine Anwendung finde. Im Übrigen hätten sich die Verhältnisse auch nicht wesentlich geändert, weil die Widersprechenden bereits zum Entziehungszeitpunkt zwar unterhaltsberechtigt und unterhaltsbedürftig gewesen seien, jedoch der Anspruch wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Sohnes geendet habe.
Zur Begründung der daraufhin fristgerecht erhobenen Klage haben die Kläger ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und sich zusätzlich darauf bezogen, dass nicht mit Sicherheit vorauszusagen gewesen sei, dass der Vermisste sich verheiratet hätte. Des Weiteren unterstützten t. Kinder ihre Eltern auch ohne Rücksicht auf fehlende eigene Leistungsfähigkeit mit monatlich wenigstens 300 – 400 DM.
Durch am 22. Dezember 2008 an Verkündung Statt zugestelltes Urteil vom 19. Dezember 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das hypothetisch als ungelernte Kraft erzielte Einkommen des Verunfallten hätte nicht ausgereicht, um neben einer eigenen Familie noch die Eltern zu unterstützen. Dabei ist das Sozialgericht von den Vorgaben der Düsseldorfer Tabelle ausgegangen und hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass hierfür ein Einkommen von mehr als 2.450,00 EUR erforderlich gewesen wäre, welches der Verunfallte als Decksmann nicht erzielt hätte.
Die Kläger haben am 29. Dezember 2008 die vorliegende Berufung eingelegt. Zur Begründung tragen sie vor, der Verstorbene hätte fiktiv mindestens 4.000,00 EUR verdient und wäre somit in der Lage gewesen, seine Eltern zu unterstützen. Es sei auch nicht unüblich, dass t. Arbeitnehmer dies trotz eigener Ehe täten. Hiermit habe sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt. Berücksichtigt werden müsse auch, dass der Verunfallte sich fortgebildet und einen beruflichen Aufstieg gemacht hätte. Außerdem hätte die (fiktive) Ehefrau irgendwann dazu verdient, so dass Mittel zur Unterstützung der Eltern freigeworden wären.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchs¬be-scheides vom 24. Oktober 2007 zu verurteilen, ihnen Elternrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ihren Bescheid. Im Einzelnen trägt sie vor, der Verunfallte sei zum angenommenen Todeszeitpunkt erst sieben Monate als Decksmann (ungelernter Arbeiter) zur See gefahren. Eine Berufsausbildung habe er nicht absolviert gehabt. Deutschkenntnisse seien nicht bekannt. Eine berufliche Weiterbildung sei deshalb unwahrscheinlich. Dies folge zusätzlich aus dem Umstand, dass er bei einer sehr kleinen Reederei beschäftigt gewesen sei. Kleine Reedereien hätten in der Vergangenheit Fortbildungsmöglichkeiten aber nicht geboten. t. Beschäftigte seien zudem seinerzeit meist nach kurzer Zeit des Geldverdienens wieder ausgeschieden. Unter der Voraussetzung, dass er aber bis 2007 weiter in der Seeschifffahrt beschäftigt worden wäre, hätte sein Lohn bei Beachtung der Tarifverträge maximal bei 2.586,00 EUR brutto gelegen, was einem Nettoeinkommen von lediglich 1.600,00 EUR entspreche. Eine fiktive t. Ehefrau hätte – ginge man von gleichem Bildungsstand sowie ferner davon aus, dass sie nach Schuleintritt der Kinder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden hätte – als ungelernte Kraft Anstellung finden müssen. Dies müsse angesichts der Arbeitsmarktverhältnisse als sehr unwahrscheinlich angesehen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatter allein und nach § 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Den Klägern steht die begehrte Rente nicht zu. Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Vielmehr hat die Beklagte sich zu Recht auf die insoweit bereits im Jahr 1983 getroffene Entscheidung berufen.
Nach § 69 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) erhalten unter anderem Verwandte der aufsteigenden Linie, die von dem Verstorbenen zur Zeit des Todes aus dessen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen wesentlich unterhalten worden sind oder ohne den Versicherungsfall wesentlich unterhalten worden wären, eine Rente, solange sie ohne den Versicherungsfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können. Die am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Vorschrift findet auch vorliegend Anwendung, obwohl sich der Arbeitsunfall des Vermissten bereits im Jahre 1979 ereignet hat. Denn nach § 214 Abs. 3 SGB VII gelten u.a. die Vorschriften für Renten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingetreten sind. Jedoch besteht ein Anspruch auf Elternrente seit dem 1. November 1983 nicht mehr. Dies steht zwischen den Beteiligten aufgrund des in Rechtskraft erwachsenen Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 1985, durch welches der noch zu der Vorläufervorschrift des § 596 RVO ergangene Bescheid der Beklagten vom 27. September 1983 in Bestandskraft erwachsen ist, bindend fest. Nachdem die anwaltlich vertretenen Kläger auch gegenüber der Beklagten nicht die Überprüfung jenes Bescheides nach § 44 SGB X, sondern eine neuerliche Rentengewährung wegen veränderter Verhältnisse in Gestalt einer durch Krankheit und Alter gesteigerten Bedürftigkeit begehrt haben, brauchte die Beklagte auch insoweit keine erneute Entscheidung zu treffen und hat dies nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides auch nicht getan. Soweit aber geltend gemacht wird, aufgrund gesteigerten Unterhaltsbedarfs stehe den Klägern erneut eine Elternrente zu, können sie hiermit schon deswegen nicht durchdringen, weil sich die anspruchsbegründenden Verhältnisse in ihrer Person nicht geändert haben. Denn unterhaltsbedürftig waren sie – auch hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen – im Zeitpunkt der Entziehung der Rente in gleicher Weise wie sie es gegenwärtig sind, bzw. die verstorbene Klägerin zu 1 es jedenfalls bis zu ihrem Tod war, denn andernfalls wäre ihnen die Rente nicht bis zum 31. Oktober 1983 gewährt worden. Bereits dies steht dem geltend gemachten Anspruch entgegen.
Soweit im gerichtlichen Verfahren sinngemäß zusätzlich geltend gemacht wird, der vermisste Sohn wäre nunmehr fiktiv wieder in der Lage, Unterhalt zu leisten, lässt sich ein Rentenanspruch hierauf ebenfalls nicht gründen. Insoweit ist schon zweifelhaft, ob sich aus dem Wortlaut des § 69 SGB VII herleiten lässt, das eine lediglich hypothetische Verbesserung der Einkommens¬verhältnisse des Verstorbenen zum (Wieder-)Entstehen eines Rentenanspruchs führen müsste. In gleicher Weise ist zweifelhaft, ob eine nur hypothetische Verschlechterung der Einkommensverhältnisse zum Entfall des Rentenanspruchs nach geltendem Recht führen müsste. Vielmehr legt der Wortlaut in Gestalt der Wendung "solange sie einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können" nahe, dass anspruchsbegründend und anspruchsvernichtend jeweils lediglich eine Änderung der Einkommensverhältnisse des zum Unterhalt Berechtigten ist. Allerdings wird – hierauf hat bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen – vertreten, dass ein Rentenanspruch im Grundsatz erst dadurch entstehen kann, dass der Verstorbene fiktiv unterhaltsfähig wird (vgl. Rütenik in jurisPK SGB VII, § 69 Rn. 23 sowie die Nachweise ebenda). Auch hat das Bundessozialgericht (vgl. Urt. vom 22. Oktober 1975 – 8 RU 194/74) entschieden, eine nach dem Tode des Unfallversicherten lediglich mutmaßlich eingetretene wesentliche Änderung der Verhältnisse (wahrscheinlicher Wegfall der Unterhaltsfähigkeit infolge anzunehmender Gründung einer eigenen Familie) rechtfertige die Neufeststellung der Elternrente im Sinne ihrer Entziehung. Für die Auslegung des § 69 SGB VII lässt sich aber aus dieser Entscheidung nichts herleiten. Denn sie ist noch vor Inkrafttreten des SGB VII mit Blick auf die Gewährung einer Elternrente nach § 596 RVO, welche Vorschrift einen anderen Wortlaut hat als § 69 SGB VII, ergangen. Überdies erfolgte dort die Entziehung der Elternrente noch nach § 622 Abs. 1 RVO, welche Vorschrift im SGB VII keine Entsprechung hat. Vielmehr wären wesentliche Änderungen der Verhältnisse unter der geltenden Rechtslage nach § 48 SGB X zu behandeln mit der Folge, dass eine hypothetische Änderung der Verhältnisse schon deswegen nicht zur Neufeststellung einer Rente im Sinne ihrer Entziehung führen könnte, weil es bereits an einer Änderung der "tatsächlichen" Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X fehlte.
Ob eine am Wortlaut und gleichermaßen an Sinn und Zweck sowie am Regelungs-zusammenhang orientierte Auslegung von § 69 SGB VII folglich dazu führen muss, dass die Berücksichtigung hypothetischer Verläufe bei der Unterhaltsfähigkeit generell zu unterbleiben hat, sondern nur tatsächliche Änderungen in den Verhältnissen des zum Unterhalt Berechtigten zu berücksichtigen sind, braucht letztlich im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn die Voraussetzungen für die Rentengewährung sind als den Anspruch begründende Tatsachen im Vollbeweis zu sichern. Es lässt sich aber nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) nicht mit der hierfür erforderlichen, einen vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit feststellen, dass der vor mehr als 30 Jahren verstorbene Sohn der Kläger heute ein Einkommen hätte, aus welchem seine Eltern einen Unterhaltsanspruch ableiten könnten. Das widerstreitende Vorbringen der Beteiligten hierzu belegt dies anschaulich. Jedwede Festlegung zum beruflichen Werdegang, zum Familienstand, zu Zahl und Unterhaltsbedarf eventueller Kinder ist ebenso Spekulation, wie eine Aussage zum heutigen Gesundheitszustand und damit zum Fortbestand der Erwerbsfähigkeit und zum Innehaben eines Arbeitsplatzes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen das Urteil war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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