Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 P 57/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 P 3/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung.
Der 1959 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Am 8. September 2008 beantragte er erstmals Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Er gab an, Hilfe beim Waschen, Baden/Duschen, An- und Auskleiden, Einkaufen/Kochen, Spülen, Reinigen der Wohnung sowie beim Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung zu benötigen. Als Pflegeperson gab er seine Ehefrau an.
Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) N. kam nach Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung zu der Einschätzung, es liege keine Pflegebedürftigkeit vor: Der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf bei der Grundpflege sei gering und betrage lediglich 25 Minuten pro Tag; mit 45 Minuten pro Tag überwiege die Hilfe bei der Hauswirtschaft (Gutachten von 10. September 2009). Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 18. September 2009 ab. Im Widerspruchsverfahren blieb der erneut eingeschaltete MDK N. auch nach abermaliger Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung bei seiner Einschätzung (Gutachten vom 9. Dezember 2009 sowie ergänzende Stellungnahme vom 18. Februar 2010). Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 zurück.
Am 22. April 2010 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Dieses hat im Rahmen der Beweisaufnahme zunächst ein Gutachten der Pflegesachverständigen S.G. eingeholt, die im Bereich der Grundpflege einen täglichen Hilfebedarf von 50 Minuten angesetzt hat (Gutachten vom 2. November 2010). Der Kläger ist in der Folgezeit nach D. verzogen. Daraufhin hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten der Pflegesachverständigen E.B. eingeholt. Diese hat nach persönlicher Begutachtung des Klägers und seiner neuen Wohnsituation folgende Befunde erhoben: chronisch-rezidivierende Lumboischialgien bei degenerativen Lendenwirbelsäulen-Veränderungen mit rechts-medialem Bandscheibenvorfall L 5/S1 mit Kontakt zur Nervenwurzel S1, aufgrund dessen bestehe eine schmerzhaft eingeschränkte Beugefähigkeit der Wirbelsäule; Adipositas per magna, aufgrund dessen bestehe Neigung zum Wundwerden aller aufeinander liegenden Hautflächen sowie eingeschränkte Beweglichkeit; diabetische Neuropathie mit Sensibilitätsstörungen der Hände und Füße aufgrund eines langjährig bestehenden, insulinpflichtigen Diabetes mellitus; Belastungsschmerz bei Zustand nach Sprunggelenksfraktur rechts, infolgedessen bestehe eine eingeschränkte Gehfähigkeit, besonders bei Wegen über 50 Metern; langjährig bestehende Steißbeinfistel mit dauerhaft notwendiger Wundversorgung; Impingement der rechten Schulter, infolgedessen Behinderung im Gleitverhalten der Sehne, nach Erachten der Gutachterin ohne pflegerelevante Funktionsausfälle; Neigung zur Wasseransammlung in den Beinen, nach Erachten der Gutachterin ohne pflegerelevante Funktionsausfälle; Bluthochdruck, nach Erachten der Gutachterin ohne pflegerelevante Funktionsausfälle sowie ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit subkutaner Applikation mittels Pumpe. Nach den Feststellungen der Sachverständigen benötigt der Kläger Unterstützung bzw. teilweise Übernahme der Verrichtung bei der Ganzkörperwäsche, beim Duschen oder Baden, bei der mundgerechten Zubereitung von Speisen, beim Öffnen von Getränkeflaschen, beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Entkleiden sowie beim Stehen/Transfer. Die Sachverständige hat den täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit insgesamt 36 Minuten angegeben, wovon 18 Minuten auf den Bereich der Körperpflege, 2 Minuten auf den Bereich Ernährung und 16 Minuten auf den Bereich Mobilität entfallen würden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihr Gutachten vom 30. März 2011 Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2012 abgewiesen. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen mindestens der Pflegestufe I, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme benötige er nicht im Tagesschnitt mehr als 45 Minuten Hilfe bei mindestens zwei der gesetzlich abschließend aufgezählten persönlichen Verrichtungen der Grundpflege. Das gelte selbst dann, wenn man zu seinen Gunsten für die eine oder andere Verrichtung einige Minuten mehr annehmen wolle, als es von der Sachverständigen überzeugend in Ansatz gebracht worden seien.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 14. Januar 2012 zugestellt worden. Am 16. Januar 2012 hat er dagegen Berufung eingelegt. Er trägt vor, seine Ehefrau bringe mehr Zeit für die Grundpflege auf, als von der Sachverständigen angenommen, nämlich dreimal wöchentlich 20 Minuten für die Hilfe beim Baden; täglich 10 Minuten für das Auftragen von Körperlotion, täglich 10 Minuten für das Auftragen von Fußpflegecreme für Diabetiker; zweimal wöchentlich 10 Minuten für die Bartpflege; täglich je 5 Minuten für die Hilfe beim An- und Auskleiden; täglich 3 Minuten für das Anziehen der Stützstrümpfe am Morgen; täglich 15 Minuten für die Hilfe beim Waschen des Unterkörpers; jeden zweiten Tag 10 Minuten für die Hilfe beim Haarewaschen; täglich 2 Minuten für die morgendliche Hilfestellung beim Aufstehen und täglich 5 Minuten für den Verbandwechsel. Für das Zubereiten der Mahlzeiten benötige sie 40 Minuten täglich. Zudem helfe seine Ehefrau ihm jedes Mal 3 Minuten, wenn er die Wohnung verlasse, denn er könne die Treppe nicht selbstständig steigen. Zudem benötige er ihre Begleitung bei Arztbesuchen und täglich mindestens 2 Minuten Unterstützung beim Aufstehen und beim Gang zur Toilette. Dazu sei noch die Zeit zu zählen, die seine Ehefrau auf das Einkaufen und das Sauberhalten der Wohnung verwende. Der Kläger hebt hervor, mit einem Grad der Behinderung von 80 sowie den Merkzeichen G und B als Schwerbehinderter anerkannt zu sein.
Der Kläger beantragt nach Lage der Akten sinngemäß, den Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2012 sowie den Bescheid vom 18. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 8. September 2008 Pflegegeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg im Ergebnis sowie in der Begründung für zutreffend.
Mit Beschluss vom 13. Mai 2012 hat der Senat die Berufung der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Die mündliche Verhandlung hat am 11. Juli 2013 stattgefunden. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Es kann in der gegebenen Besetzung verhandelt und entschieden werden, nachdem der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin übertragen hat.
II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden. Sie ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 18. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2010 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfe.
1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 37 Abs. 1 Satz 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) – in Betracht. Danach sind nur Pflegebedürftige, die mindestens der Pflegestufe I zugeordnet werden können, leistungsberechtigt. Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI ist erheblich pflegebedürftig und damit der Pflegestufe I zuzuordnen, wer bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Diese Vorschrift wird durch § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI insofern konkretisiert, als der Zeitaufwand für die Hilfen täglich im Wochendurchschnitt (so ist die Formulierung "wöchentlich im Tagesdurchschnitt" gemeint, vgl. nur BSG 12.11.2003 – B 3 P 5/02 R – Juris, st. Rspr.) bei der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen muss, von denen wiederum mehr als 45 Minuten auf die Grundpflege entfallen müssen. Die Grundpflege erfasst diejenigen Verrichtungen, die für die Körperpflege, die Ernährung und die Mobilität im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr.1 bis 3 SGB XI erforderlich sind (vgl. nur BSG – 18.9.2008 – B 3 P 5/07 R – Juris, st. Rspr.). 2. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme, das vom Sozialgericht zutreffend gewürdigt worden ist, besteht beim Kläger kein Grundpflegebedarf in diesem Umfang. Der festgestellte Hilfebedarf ist deutlich von der maßgeblichen Schwelle von mehr als 45 Minuten täglich entfernt. Es gibt keine Hinweise auf im Klageverfahren unberücksichtigt gebliebene Aspekte: Das zeitlich letzte und daher vorrangig zu Grunde zu legende Gutachten der Sachverständigen B. ist auf der Basis aller herangezogenen medizinischen Unterlagen sowie einer persönlichen Befunderhebung im Rahmen eines Hausbesuchs erstellt worden. Die Pflegesachverständige hat insbesondere die vorliegende Adipositas per magna sowie die im Zeitpunkt ihrer Begutachtung bereits anerkannte Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers mit den Merkzeichen G und B gewürdigt. Es gibt schließlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich der Hilfebedarf des Klägers seit der letzten Begutachtung wesentlich erhöht hat. Der Senat nimmt daher auf den Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2012 Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab.
3. Das Berufungsvorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung oder auch nur dazu, weitere Ermittlungen zum Grundpflegebedarf anzustellen. Die Pflegesachverständige B. hat sämtliche Handlungen gewürdigt, für die der Kläger einen Hilfebedarf schildert. Sie hat den Hilfebedarf lediglich mit weniger Minuten beziffert als der Kläger. Wie bereits das Sozialgericht hervorgehoben hat, kommt es aber nicht darauf an, wie viel Zeit die Ehefrau des Klägers tatsächlich auf seine Pflege verwendet. Maßgebend ist vielmehr der Hilfebedarf, der im konkreten Einzelfall nach den im Umfeld des Klägers gegebenen besonderen Verhältnissen objektiv erforderlich ist. Die Richtlinien des GKV-Spitzenverbands zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien – BRi) vom 8. Juni 2009 stellen dabei mit ihren für die verschiedenen Verrichtungen genannten Zeitwerten bzw. Zeitrahmen eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe dar (vgl. BSG 26.11.1998 – B 3 P 20/97 R – Juris, st. Rspr.). Gemessen an diesem Maßstab und eingedenk der beim Kläger unbestritten bestehenden Einschränkungen sind die von der Sachverständigen in Ansatz gebrachten Zeitwerte jeweils überzeugend, während die Angaben des Klägers überhöht erscheinen:
Nach den Feststellungen der Sachverständigen duscht der Kläger dreimal wöchentlich und hat dabei einen erhöhten Hilfebedarf, weil er sich stehend in der Badewanne festhalten muss sowie Hilfe und Unterstützung beim Hineinsteigen in und Hinaussteigen aus der Badewanne benötigt. Die Sachverständige hat den Zeitaufwand hierfür mit 14 Minuten pro Duschbad veranschlagt, was 6 Minuten täglich entspricht. Der Ansatz ist plausibel und für die beim Kläger nur erforderliche Teilhilfe jedenfalls nicht zu knapp bemessen, denn er bleibt nur eine Minute unter dem in F.4.1.2. BRi genannten Zeitrahmen (15 bis 20 Minuten). Zudem hat die Sachverständige den Hilfebedarf beim Ein- und Aussteigen aus der Duschwanne gesondert im Bereich Mobilität berücksichtigt. Wenn der Kläger, wie nunmehr vorgebracht wird, dreimal wöchentlich ein Bad nimmt, wäre der Zeitaufwand für die erforderliche Beaufsichtigung sogar noch niedriger, denn das dauernde Festhalten würde entfallen. Sollte seine Ehefrau gleichwohl während der gesamte Badedauer bei ihm bleiben, wäre dies rechtlich ohne Belang. Denn berücksichtigt wird nur eine solche konkrete Beaufsichtigung, die die Pflegeperson in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in gleicher Weise bindet wie bei unmittelbarer personeller Hilfe (vgl. D 4.0/II BRi). Im Übrigen würde sich aus dem Ansatz des Klägers ein Zeitaufwand von 8,5 Minuten täglich ergeben, das sind lediglich 2,5 Minuten mehr als von der Sachverständigen veranschlagt. Selbst damit wäre die Schwelle eines Hilfebedarfs von 45 Minuten täglich im Bereich der Grundpflege nicht überschritten.
Die Sachverständige hat einen Hilfebedarf bei der Hautpflege aller aufeinanderliegenden Hautflächen im Bereich der Leisten und der Bauchfalte festgestellt, den sie ebenso wie den Hilfebedarf beim täglichen Wechsel des Salbenverbands im Bereich der Steißbeinfistel im Rahmen der Pflegezeitbemessung für die tägliche Körperpflege berücksichtigt hat. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, sondern steht im Einklang mit 4.1 BRi, wonach die Hautpflege als Bestandteil der Körperpflege berücksichtigt und der dafür erforderliche Zeitaufwand nicht gesondert ausgewiesen wird. Der von der Sachverständigen für die Hilfe bei der Körperpflege insgesamt in Ansatz gebrachte Zeitaufwand (morgens 14 Minuten bei der Ganzkörperwäsche oder dem Duschen/Baden, abends 4 Minuten bei der Teilwäsche des Unterkörpers) erscheint auch eingedenk des unstreitig bestehenden Hilfebedarfs bei der Hautpflege als ausreichend. Angesichts der festgestellten Bewegungseinschränkungen des Klägers geht die Sachverständige nachvollziehbar davon aus, dass zwar einzelne Teilhandlungen vollständig übernommen werden müssen, zum Beispiel der Wechsel des Salbenverbands, der Kläger aber andere Teilhandlungen wie das Waschen des Gesichts, der Arme, des Oberkörpers und des vorderen Intimbereichs selbständig durchführen kann. Es ist daher plausibel, wenn sie insgesamt unter den Orientierungswerten der BRi bleibt, die mit 20 bis 25 Minuten für die Ganzkörperwäsche, 15 bis 20 Minuten für das Duschen und 12 bis 15 Minuten für das Waschen des Unterkörpers, vgl. 4.1.1 und 2, für eine vollständige Übernahme der entsprechenden Handlung bemessen sind. Der vom Kläger geschilderte Zeitaufwand von allein 10 Minuten täglich für das Auftragen von Körperlotion, zusätzlich 10 Minuten täglich für das Auftragen von Fußpflegecreme für Diabetiker und zusätzlich 5 Minuten täglich für den Verbandwechsel übersteigt hingegen das objektiv erforderliche Maß.
Für die Rasur hat die Sachverständige nachvollziehbar keinen Hilfebedarf angenommen, weil der Kläger in der Begutachtungssituation angegeben hat, die elektrische Rasur eigenhändig durchzuführen. Vor diesem Hintergrund ist der vom Kläger nunmehr angegebene Zeitaufwand für die Bartpflege nicht nachvollziehbar. Auch insoweit gibt es keinerlei Anhaltspunkte von eine zwischenzeitlich eingetretenen Erhöhung seines Pflegebedarfs.
Die Sachverständige hat für die Teilhilfe beim Ankleiden 8 Minuten täglich angesetzt. Angesichts des Orientierungszeitrahmens von 8 bis 10 Minuten für die vollständige Übernahme (vgl. F.4.3.11 BRi) erscheint das jedenfalls nicht zu niedrig gegriffen, denn nach ihren Feststellungen benötigt der Kläger lediglich Hilfe bei Kleidungsstücken, die über die Füße gebracht werden müssen, während er den Oberkörper selbständig ankleiden kann. Das Anziehen der Kompressionsstrümpfe hat die Pflegesachverständige dabei mit allein 4 Minuten berücksichtigt. Weiter hat sie berücksichtigt, dass das Anlegen der Rückenstützbandage vollständig übernommen werden muss sowie das Öffnen und Verschließen kleiner Knöpfe am Oberhemd, falls der Kläger ein solches trägt. Die vom Kläger für das Ankleiden veranschlagten 5 Minuten decken sich, wenn man die weiter von ihm veranschlagten 3 Minuten für das Anziehen der Kompressionsstrümpfe dazu zählt, mit der Einschätzung der Sachverständigen. Für die Unterstützung beim Auskleiden veranschlagt die Sachverständige 3 Minuten, was angesichts eines Orientierungszeitrahmens von 4 bis 6 Minuten für die vollständige Übernahme (vgl. F.4.3.11 BRi) plausibel ist. Das Ausziehen der Kompressionsstrümpfe, das der Kläger selbst nicht gesondert erwähnt, hat sie dabei mit einer Minute in Ansatz gebracht. Die vom Kläger für die Hilfe beim Auskleiden veranschlagten 5 Minuten erscheinen hingegen überhöht. Dieser Wert entspricht bereits der Untergrenze des Orientierungszeitrahmens für eine vollständige Übernahme, während der Kläger wie ausgeführt lediglich einer Teilhilfe bedarf.
Für die Hilfe beim Waschen des Unterkörpers hat die Sachverständige 4 Minuten angesetzt. Auch das erscheint plausibel angesichts eines Orientierungszeitrahmens für eine vollständige Übernahme von 12 bis 15 Minuten (vgl. F.4.1.1. BRi). Denn der Kläger bedarf nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lediglich einer Teilhilfe, um den rückwärtigen Intimbereich, die Beine ab Kniehöhe abwärts und die Füße zu waschen. Die vom Kläger hierfür angesetzten 15 Minuten, die der Obergrenze des Orientierungszeitrahmens für eine vollständige Übernahme entsprechen, erscheinen hingegen überhöht.
Der Zeitaufwand für die Hilfe beim Waschen der Haare ist von der Sachverständigen nicht gesondert aufgeführt worden. Das ist nicht zu beanstanden, denn gemäß F.4.1. BRi ist das Haarewaschen Bestandteil der Verrichtung Waschen/Duschen/Baden. Der Kläger hat im Übrigen gegenüber der Sachverständigen bestätigt, seine Haare beim Duschen und nicht öfter zu waschen. Die von der Sachverständigen pro Duschgang insgesamt in Ansatz gebrachten 14 Minuten sind wie ausgeführt plausibel. Die Haarwäsche rechtfertigt keinen höheren Ansatz, zumal der Kläger sein Haar im Zeitpunkt der Begutachtung 5 mm kurz trug und es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass seine Haarpflege seitdem aufwändiger geworden ist. Die von ihm veranschlagten 10 Minuten pro Haarwäsche, die er zusätzlich zum Hilfebedarf beim Baden berücksichtigt wissen will, erscheinen jedenfalls überhöht. Folgt man seinem Vorbringen, wären für die erforderliche Hilfe beim Baden einschließlich der Haarwäsche pro Bad 30 Minuten in Ansatz zu bringen. Da lediglich eine Teilhilfe erforderlich ist und zudem der Transfer in die Badewanne und wieder heraus gesondert bei der Verrichtung Mobilität berücksichtigt wird, erscheint dies objektiv nicht nachvollziehbar.
Für den Hilfebedarf beim morgendlichen Aufstehen hat die Sachverständige eine Minute täglich in Ansatz gebracht. Das ist angesichts ihrer Feststellung, der Kläger benötige Hilfe beim Aufstehen aus dem Bett, könne aber den Weg ins Badezimmer mittels Gehstock selbstständig zurücklegen, überzeugend. Dass er, wie vom Kläger selbst geschätzt, einen Hilfebedarf von 2 Minuten täglich habe, lässt sich hingegen objektiv nicht begründen.
Für die tagsüber erforderliche Hilfe beim Stehen/Transfer hat die Sachverständige sogar 4 Minuten täglich veranschlagt und damit doppelt so viel wie vom Kläger geschätzt. Allerdings hat die Sachverständige dabei auch die Hilfe beim Ein- und Aussteigen aus der Duschwanne berücksichtigt. Jedenfalls erscheint ihr Ansatz plausibel, denn nach den Feststellungen der Sachverständigen ist für den Kläger zum Erheben in den Stand lediglich eine einfache Hilfe (Reichen der Hand) erforderlich. Wege zum Bad kann er mit seinem Gehstock selbstständig zurücklegen und das Bett ohne Hilfe aufsuchen.
Der vom Kläger geschilderte Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung kann – anders als im Übrigen von der Sachverständigen Graef angenommen – nicht berücksichtigt werden. Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also um Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (vgl. grundlegend BSG 24.6.1998 – B 3 P 4/97 R – Juris; 18.9.2008 – B 3 P 5/07 R – Juris, m.w.N.; st. Rspr.). Zudem muss die Hilfe wenigstens einmal wöchentlich anfallen. Diese einschränkende Auslegung findet sich auch in D.4.3.15 BRi. Beim Kläger fallen keine aushäusigen Verrichtungen in dieser Frequenz an. Nach seinen Angaben gegenüber der Pflegesachverständigen macht sein Hausarzt Hausbesuche und bestellt ihn nur bei Bedarf in die Praxis ein. Die Diabetologin sucht er einmal im Quartal auf, den Orthopäden seinerzeit zur Abklärung fachbezogener Erkrankungen bei Arztwechsel einmal in 2 Wochen, der Augenarzt einmal jährlich. Zur medizinischen Fußpflege begibt sich der Kläger einmal in 6 Wochen in eine podologische Praxis. Das ergibt im Mittel deutlich weniger als einem Termin pro Woche. Dass der Klägerin inzwischen wesentlich häufiger berücksichtigungsfähige Termine außer Haus hat, insbesondere Arztbesuche, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Da demnach schon sein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht berücksichtigt werden kann, finden auch die anfallenden Warte- und Begleitzeiten seiner Ehefrau keine Berücksichtigung.
Ebenso wenig kann die Zeit, die seine Ehefrau auf das Einkaufen, das Putzen der Wohnung und das Zubereiten der gemeinsamen Mahlzeiten verwendet, als Grundpflegebedarf berücksichtigt werden. Insoweit handelt es sich allenfalls um einen Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung, der aber für genommen keinen Anspruch auf Pflegeleistungen begründet, wenn wie hier der erforderliche Grundpflegebedarf nicht gegeben ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger unterlegen ist und die Aufwendungen der Beklagten nicht erstattungsfähig sind.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 noch Nr. 2 SGG vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung.
Der 1959 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Am 8. September 2008 beantragte er erstmals Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Er gab an, Hilfe beim Waschen, Baden/Duschen, An- und Auskleiden, Einkaufen/Kochen, Spülen, Reinigen der Wohnung sowie beim Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung zu benötigen. Als Pflegeperson gab er seine Ehefrau an.
Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) N. kam nach Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung zu der Einschätzung, es liege keine Pflegebedürftigkeit vor: Der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf bei der Grundpflege sei gering und betrage lediglich 25 Minuten pro Tag; mit 45 Minuten pro Tag überwiege die Hilfe bei der Hauswirtschaft (Gutachten von 10. September 2009). Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 18. September 2009 ab. Im Widerspruchsverfahren blieb der erneut eingeschaltete MDK N. auch nach abermaliger Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung bei seiner Einschätzung (Gutachten vom 9. Dezember 2009 sowie ergänzende Stellungnahme vom 18. Februar 2010). Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 zurück.
Am 22. April 2010 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Dieses hat im Rahmen der Beweisaufnahme zunächst ein Gutachten der Pflegesachverständigen S.G. eingeholt, die im Bereich der Grundpflege einen täglichen Hilfebedarf von 50 Minuten angesetzt hat (Gutachten vom 2. November 2010). Der Kläger ist in der Folgezeit nach D. verzogen. Daraufhin hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten der Pflegesachverständigen E.B. eingeholt. Diese hat nach persönlicher Begutachtung des Klägers und seiner neuen Wohnsituation folgende Befunde erhoben: chronisch-rezidivierende Lumboischialgien bei degenerativen Lendenwirbelsäulen-Veränderungen mit rechts-medialem Bandscheibenvorfall L 5/S1 mit Kontakt zur Nervenwurzel S1, aufgrund dessen bestehe eine schmerzhaft eingeschränkte Beugefähigkeit der Wirbelsäule; Adipositas per magna, aufgrund dessen bestehe Neigung zum Wundwerden aller aufeinander liegenden Hautflächen sowie eingeschränkte Beweglichkeit; diabetische Neuropathie mit Sensibilitätsstörungen der Hände und Füße aufgrund eines langjährig bestehenden, insulinpflichtigen Diabetes mellitus; Belastungsschmerz bei Zustand nach Sprunggelenksfraktur rechts, infolgedessen bestehe eine eingeschränkte Gehfähigkeit, besonders bei Wegen über 50 Metern; langjährig bestehende Steißbeinfistel mit dauerhaft notwendiger Wundversorgung; Impingement der rechten Schulter, infolgedessen Behinderung im Gleitverhalten der Sehne, nach Erachten der Gutachterin ohne pflegerelevante Funktionsausfälle; Neigung zur Wasseransammlung in den Beinen, nach Erachten der Gutachterin ohne pflegerelevante Funktionsausfälle; Bluthochdruck, nach Erachten der Gutachterin ohne pflegerelevante Funktionsausfälle sowie ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit subkutaner Applikation mittels Pumpe. Nach den Feststellungen der Sachverständigen benötigt der Kläger Unterstützung bzw. teilweise Übernahme der Verrichtung bei der Ganzkörperwäsche, beim Duschen oder Baden, bei der mundgerechten Zubereitung von Speisen, beim Öffnen von Getränkeflaschen, beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Entkleiden sowie beim Stehen/Transfer. Die Sachverständige hat den täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit insgesamt 36 Minuten angegeben, wovon 18 Minuten auf den Bereich der Körperpflege, 2 Minuten auf den Bereich Ernährung und 16 Minuten auf den Bereich Mobilität entfallen würden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihr Gutachten vom 30. März 2011 Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2012 abgewiesen. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen mindestens der Pflegestufe I, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme benötige er nicht im Tagesschnitt mehr als 45 Minuten Hilfe bei mindestens zwei der gesetzlich abschließend aufgezählten persönlichen Verrichtungen der Grundpflege. Das gelte selbst dann, wenn man zu seinen Gunsten für die eine oder andere Verrichtung einige Minuten mehr annehmen wolle, als es von der Sachverständigen überzeugend in Ansatz gebracht worden seien.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 14. Januar 2012 zugestellt worden. Am 16. Januar 2012 hat er dagegen Berufung eingelegt. Er trägt vor, seine Ehefrau bringe mehr Zeit für die Grundpflege auf, als von der Sachverständigen angenommen, nämlich dreimal wöchentlich 20 Minuten für die Hilfe beim Baden; täglich 10 Minuten für das Auftragen von Körperlotion, täglich 10 Minuten für das Auftragen von Fußpflegecreme für Diabetiker; zweimal wöchentlich 10 Minuten für die Bartpflege; täglich je 5 Minuten für die Hilfe beim An- und Auskleiden; täglich 3 Minuten für das Anziehen der Stützstrümpfe am Morgen; täglich 15 Minuten für die Hilfe beim Waschen des Unterkörpers; jeden zweiten Tag 10 Minuten für die Hilfe beim Haarewaschen; täglich 2 Minuten für die morgendliche Hilfestellung beim Aufstehen und täglich 5 Minuten für den Verbandwechsel. Für das Zubereiten der Mahlzeiten benötige sie 40 Minuten täglich. Zudem helfe seine Ehefrau ihm jedes Mal 3 Minuten, wenn er die Wohnung verlasse, denn er könne die Treppe nicht selbstständig steigen. Zudem benötige er ihre Begleitung bei Arztbesuchen und täglich mindestens 2 Minuten Unterstützung beim Aufstehen und beim Gang zur Toilette. Dazu sei noch die Zeit zu zählen, die seine Ehefrau auf das Einkaufen und das Sauberhalten der Wohnung verwende. Der Kläger hebt hervor, mit einem Grad der Behinderung von 80 sowie den Merkzeichen G und B als Schwerbehinderter anerkannt zu sein.
Der Kläger beantragt nach Lage der Akten sinngemäß, den Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2012 sowie den Bescheid vom 18. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 8. September 2008 Pflegegeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg im Ergebnis sowie in der Begründung für zutreffend.
Mit Beschluss vom 13. Mai 2012 hat der Senat die Berufung der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Die mündliche Verhandlung hat am 11. Juli 2013 stattgefunden. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Es kann in der gegebenen Besetzung verhandelt und entschieden werden, nachdem der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin übertragen hat.
II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden. Sie ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 18. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2010 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfe.
1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 37 Abs. 1 Satz 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) – in Betracht. Danach sind nur Pflegebedürftige, die mindestens der Pflegestufe I zugeordnet werden können, leistungsberechtigt. Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI ist erheblich pflegebedürftig und damit der Pflegestufe I zuzuordnen, wer bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Diese Vorschrift wird durch § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI insofern konkretisiert, als der Zeitaufwand für die Hilfen täglich im Wochendurchschnitt (so ist die Formulierung "wöchentlich im Tagesdurchschnitt" gemeint, vgl. nur BSG 12.11.2003 – B 3 P 5/02 R – Juris, st. Rspr.) bei der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen muss, von denen wiederum mehr als 45 Minuten auf die Grundpflege entfallen müssen. Die Grundpflege erfasst diejenigen Verrichtungen, die für die Körperpflege, die Ernährung und die Mobilität im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr.1 bis 3 SGB XI erforderlich sind (vgl. nur BSG – 18.9.2008 – B 3 P 5/07 R – Juris, st. Rspr.). 2. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme, das vom Sozialgericht zutreffend gewürdigt worden ist, besteht beim Kläger kein Grundpflegebedarf in diesem Umfang. Der festgestellte Hilfebedarf ist deutlich von der maßgeblichen Schwelle von mehr als 45 Minuten täglich entfernt. Es gibt keine Hinweise auf im Klageverfahren unberücksichtigt gebliebene Aspekte: Das zeitlich letzte und daher vorrangig zu Grunde zu legende Gutachten der Sachverständigen B. ist auf der Basis aller herangezogenen medizinischen Unterlagen sowie einer persönlichen Befunderhebung im Rahmen eines Hausbesuchs erstellt worden. Die Pflegesachverständige hat insbesondere die vorliegende Adipositas per magna sowie die im Zeitpunkt ihrer Begutachtung bereits anerkannte Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers mit den Merkzeichen G und B gewürdigt. Es gibt schließlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich der Hilfebedarf des Klägers seit der letzten Begutachtung wesentlich erhöht hat. Der Senat nimmt daher auf den Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2012 Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab.
3. Das Berufungsvorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung oder auch nur dazu, weitere Ermittlungen zum Grundpflegebedarf anzustellen. Die Pflegesachverständige B. hat sämtliche Handlungen gewürdigt, für die der Kläger einen Hilfebedarf schildert. Sie hat den Hilfebedarf lediglich mit weniger Minuten beziffert als der Kläger. Wie bereits das Sozialgericht hervorgehoben hat, kommt es aber nicht darauf an, wie viel Zeit die Ehefrau des Klägers tatsächlich auf seine Pflege verwendet. Maßgebend ist vielmehr der Hilfebedarf, der im konkreten Einzelfall nach den im Umfeld des Klägers gegebenen besonderen Verhältnissen objektiv erforderlich ist. Die Richtlinien des GKV-Spitzenverbands zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien – BRi) vom 8. Juni 2009 stellen dabei mit ihren für die verschiedenen Verrichtungen genannten Zeitwerten bzw. Zeitrahmen eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe dar (vgl. BSG 26.11.1998 – B 3 P 20/97 R – Juris, st. Rspr.). Gemessen an diesem Maßstab und eingedenk der beim Kläger unbestritten bestehenden Einschränkungen sind die von der Sachverständigen in Ansatz gebrachten Zeitwerte jeweils überzeugend, während die Angaben des Klägers überhöht erscheinen:
Nach den Feststellungen der Sachverständigen duscht der Kläger dreimal wöchentlich und hat dabei einen erhöhten Hilfebedarf, weil er sich stehend in der Badewanne festhalten muss sowie Hilfe und Unterstützung beim Hineinsteigen in und Hinaussteigen aus der Badewanne benötigt. Die Sachverständige hat den Zeitaufwand hierfür mit 14 Minuten pro Duschbad veranschlagt, was 6 Minuten täglich entspricht. Der Ansatz ist plausibel und für die beim Kläger nur erforderliche Teilhilfe jedenfalls nicht zu knapp bemessen, denn er bleibt nur eine Minute unter dem in F.4.1.2. BRi genannten Zeitrahmen (15 bis 20 Minuten). Zudem hat die Sachverständige den Hilfebedarf beim Ein- und Aussteigen aus der Duschwanne gesondert im Bereich Mobilität berücksichtigt. Wenn der Kläger, wie nunmehr vorgebracht wird, dreimal wöchentlich ein Bad nimmt, wäre der Zeitaufwand für die erforderliche Beaufsichtigung sogar noch niedriger, denn das dauernde Festhalten würde entfallen. Sollte seine Ehefrau gleichwohl während der gesamte Badedauer bei ihm bleiben, wäre dies rechtlich ohne Belang. Denn berücksichtigt wird nur eine solche konkrete Beaufsichtigung, die die Pflegeperson in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in gleicher Weise bindet wie bei unmittelbarer personeller Hilfe (vgl. D 4.0/II BRi). Im Übrigen würde sich aus dem Ansatz des Klägers ein Zeitaufwand von 8,5 Minuten täglich ergeben, das sind lediglich 2,5 Minuten mehr als von der Sachverständigen veranschlagt. Selbst damit wäre die Schwelle eines Hilfebedarfs von 45 Minuten täglich im Bereich der Grundpflege nicht überschritten.
Die Sachverständige hat einen Hilfebedarf bei der Hautpflege aller aufeinanderliegenden Hautflächen im Bereich der Leisten und der Bauchfalte festgestellt, den sie ebenso wie den Hilfebedarf beim täglichen Wechsel des Salbenverbands im Bereich der Steißbeinfistel im Rahmen der Pflegezeitbemessung für die tägliche Körperpflege berücksichtigt hat. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, sondern steht im Einklang mit 4.1 BRi, wonach die Hautpflege als Bestandteil der Körperpflege berücksichtigt und der dafür erforderliche Zeitaufwand nicht gesondert ausgewiesen wird. Der von der Sachverständigen für die Hilfe bei der Körperpflege insgesamt in Ansatz gebrachte Zeitaufwand (morgens 14 Minuten bei der Ganzkörperwäsche oder dem Duschen/Baden, abends 4 Minuten bei der Teilwäsche des Unterkörpers) erscheint auch eingedenk des unstreitig bestehenden Hilfebedarfs bei der Hautpflege als ausreichend. Angesichts der festgestellten Bewegungseinschränkungen des Klägers geht die Sachverständige nachvollziehbar davon aus, dass zwar einzelne Teilhandlungen vollständig übernommen werden müssen, zum Beispiel der Wechsel des Salbenverbands, der Kläger aber andere Teilhandlungen wie das Waschen des Gesichts, der Arme, des Oberkörpers und des vorderen Intimbereichs selbständig durchführen kann. Es ist daher plausibel, wenn sie insgesamt unter den Orientierungswerten der BRi bleibt, die mit 20 bis 25 Minuten für die Ganzkörperwäsche, 15 bis 20 Minuten für das Duschen und 12 bis 15 Minuten für das Waschen des Unterkörpers, vgl. 4.1.1 und 2, für eine vollständige Übernahme der entsprechenden Handlung bemessen sind. Der vom Kläger geschilderte Zeitaufwand von allein 10 Minuten täglich für das Auftragen von Körperlotion, zusätzlich 10 Minuten täglich für das Auftragen von Fußpflegecreme für Diabetiker und zusätzlich 5 Minuten täglich für den Verbandwechsel übersteigt hingegen das objektiv erforderliche Maß.
Für die Rasur hat die Sachverständige nachvollziehbar keinen Hilfebedarf angenommen, weil der Kläger in der Begutachtungssituation angegeben hat, die elektrische Rasur eigenhändig durchzuführen. Vor diesem Hintergrund ist der vom Kläger nunmehr angegebene Zeitaufwand für die Bartpflege nicht nachvollziehbar. Auch insoweit gibt es keinerlei Anhaltspunkte von eine zwischenzeitlich eingetretenen Erhöhung seines Pflegebedarfs.
Die Sachverständige hat für die Teilhilfe beim Ankleiden 8 Minuten täglich angesetzt. Angesichts des Orientierungszeitrahmens von 8 bis 10 Minuten für die vollständige Übernahme (vgl. F.4.3.11 BRi) erscheint das jedenfalls nicht zu niedrig gegriffen, denn nach ihren Feststellungen benötigt der Kläger lediglich Hilfe bei Kleidungsstücken, die über die Füße gebracht werden müssen, während er den Oberkörper selbständig ankleiden kann. Das Anziehen der Kompressionsstrümpfe hat die Pflegesachverständige dabei mit allein 4 Minuten berücksichtigt. Weiter hat sie berücksichtigt, dass das Anlegen der Rückenstützbandage vollständig übernommen werden muss sowie das Öffnen und Verschließen kleiner Knöpfe am Oberhemd, falls der Kläger ein solches trägt. Die vom Kläger für das Ankleiden veranschlagten 5 Minuten decken sich, wenn man die weiter von ihm veranschlagten 3 Minuten für das Anziehen der Kompressionsstrümpfe dazu zählt, mit der Einschätzung der Sachverständigen. Für die Unterstützung beim Auskleiden veranschlagt die Sachverständige 3 Minuten, was angesichts eines Orientierungszeitrahmens von 4 bis 6 Minuten für die vollständige Übernahme (vgl. F.4.3.11 BRi) plausibel ist. Das Ausziehen der Kompressionsstrümpfe, das der Kläger selbst nicht gesondert erwähnt, hat sie dabei mit einer Minute in Ansatz gebracht. Die vom Kläger für die Hilfe beim Auskleiden veranschlagten 5 Minuten erscheinen hingegen überhöht. Dieser Wert entspricht bereits der Untergrenze des Orientierungszeitrahmens für eine vollständige Übernahme, während der Kläger wie ausgeführt lediglich einer Teilhilfe bedarf.
Für die Hilfe beim Waschen des Unterkörpers hat die Sachverständige 4 Minuten angesetzt. Auch das erscheint plausibel angesichts eines Orientierungszeitrahmens für eine vollständige Übernahme von 12 bis 15 Minuten (vgl. F.4.1.1. BRi). Denn der Kläger bedarf nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lediglich einer Teilhilfe, um den rückwärtigen Intimbereich, die Beine ab Kniehöhe abwärts und die Füße zu waschen. Die vom Kläger hierfür angesetzten 15 Minuten, die der Obergrenze des Orientierungszeitrahmens für eine vollständige Übernahme entsprechen, erscheinen hingegen überhöht.
Der Zeitaufwand für die Hilfe beim Waschen der Haare ist von der Sachverständigen nicht gesondert aufgeführt worden. Das ist nicht zu beanstanden, denn gemäß F.4.1. BRi ist das Haarewaschen Bestandteil der Verrichtung Waschen/Duschen/Baden. Der Kläger hat im Übrigen gegenüber der Sachverständigen bestätigt, seine Haare beim Duschen und nicht öfter zu waschen. Die von der Sachverständigen pro Duschgang insgesamt in Ansatz gebrachten 14 Minuten sind wie ausgeführt plausibel. Die Haarwäsche rechtfertigt keinen höheren Ansatz, zumal der Kläger sein Haar im Zeitpunkt der Begutachtung 5 mm kurz trug und es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass seine Haarpflege seitdem aufwändiger geworden ist. Die von ihm veranschlagten 10 Minuten pro Haarwäsche, die er zusätzlich zum Hilfebedarf beim Baden berücksichtigt wissen will, erscheinen jedenfalls überhöht. Folgt man seinem Vorbringen, wären für die erforderliche Hilfe beim Baden einschließlich der Haarwäsche pro Bad 30 Minuten in Ansatz zu bringen. Da lediglich eine Teilhilfe erforderlich ist und zudem der Transfer in die Badewanne und wieder heraus gesondert bei der Verrichtung Mobilität berücksichtigt wird, erscheint dies objektiv nicht nachvollziehbar.
Für den Hilfebedarf beim morgendlichen Aufstehen hat die Sachverständige eine Minute täglich in Ansatz gebracht. Das ist angesichts ihrer Feststellung, der Kläger benötige Hilfe beim Aufstehen aus dem Bett, könne aber den Weg ins Badezimmer mittels Gehstock selbstständig zurücklegen, überzeugend. Dass er, wie vom Kläger selbst geschätzt, einen Hilfebedarf von 2 Minuten täglich habe, lässt sich hingegen objektiv nicht begründen.
Für die tagsüber erforderliche Hilfe beim Stehen/Transfer hat die Sachverständige sogar 4 Minuten täglich veranschlagt und damit doppelt so viel wie vom Kläger geschätzt. Allerdings hat die Sachverständige dabei auch die Hilfe beim Ein- und Aussteigen aus der Duschwanne berücksichtigt. Jedenfalls erscheint ihr Ansatz plausibel, denn nach den Feststellungen der Sachverständigen ist für den Kläger zum Erheben in den Stand lediglich eine einfache Hilfe (Reichen der Hand) erforderlich. Wege zum Bad kann er mit seinem Gehstock selbstständig zurücklegen und das Bett ohne Hilfe aufsuchen.
Der vom Kläger geschilderte Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung kann – anders als im Übrigen von der Sachverständigen Graef angenommen – nicht berücksichtigt werden. Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also um Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (vgl. grundlegend BSG 24.6.1998 – B 3 P 4/97 R – Juris; 18.9.2008 – B 3 P 5/07 R – Juris, m.w.N.; st. Rspr.). Zudem muss die Hilfe wenigstens einmal wöchentlich anfallen. Diese einschränkende Auslegung findet sich auch in D.4.3.15 BRi. Beim Kläger fallen keine aushäusigen Verrichtungen in dieser Frequenz an. Nach seinen Angaben gegenüber der Pflegesachverständigen macht sein Hausarzt Hausbesuche und bestellt ihn nur bei Bedarf in die Praxis ein. Die Diabetologin sucht er einmal im Quartal auf, den Orthopäden seinerzeit zur Abklärung fachbezogener Erkrankungen bei Arztwechsel einmal in 2 Wochen, der Augenarzt einmal jährlich. Zur medizinischen Fußpflege begibt sich der Kläger einmal in 6 Wochen in eine podologische Praxis. Das ergibt im Mittel deutlich weniger als einem Termin pro Woche. Dass der Klägerin inzwischen wesentlich häufiger berücksichtigungsfähige Termine außer Haus hat, insbesondere Arztbesuche, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Da demnach schon sein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht berücksichtigt werden kann, finden auch die anfallenden Warte- und Begleitzeiten seiner Ehefrau keine Berücksichtigung.
Ebenso wenig kann die Zeit, die seine Ehefrau auf das Einkaufen, das Putzen der Wohnung und das Zubereiten der gemeinsamen Mahlzeiten verwendet, als Grundpflegebedarf berücksichtigt werden. Insoweit handelt es sich allenfalls um einen Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung, der aber für genommen keinen Anspruch auf Pflegeleistungen begründet, wenn wie hier der erforderliche Grundpflegebedarf nicht gegeben ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger unterlegen ist und die Aufwendungen der Beklagten nicht erstattungsfähig sind.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 noch Nr. 2 SGG vorliegen.
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