L 9 R 3040/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 2026/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3040/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1964 geborene Klägerin kam im September 1988 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war in der Bundesrepublik Deutschland von 1996 bis zu ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 17.05.2010 als Küchenhilfe und Reinigungskraft (zuletzt 4,5 Stunden pro Tag) beschäftigt. Seit 28.06.2010 bezog sie Krankengeld.

Vom 17.11.2010 bis 15.12.2010 absolvierte die Klägerin, bei der seit dem 23.12.2010 ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt ist, ein Heilverfahren in der Klinik am S. in Bad N. Die dortigen Ärzte nannten im Entlassungsbericht vom 16.12.2010 folgende Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen, anamnestisch Verdacht auf ein Fibromyalgiesyndrom, Spreiz- und Senkfuß-Deformitäten und Blutarmut und entließen die Klägerin für weitere acht Wochen als arbeitsunfähig. Sie führten aus, als Küchenhilfe sei die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken und ohne Zwangshaltungen könne die Klägerin sechs Stunden und mehr verrichten. Aus psychosomatischer Sicht sollten Tätigkeiten, die ein erhöhtes Reaktions- sowie Konzentrationsvermögen und die Steuerung von komplexen Arbeitsvorgängen erfordern, sowie Arbeiten unter Stressbedingungen, unter Zeitdruck, mit Überstunden und erhöhtem Lärmpegel sowie Arbeiten in Früh-, Spät- oder Nachtschicht vermieden werden.

Am 13.01.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Mit Bescheid vom 04.02.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Nach ihrer medizinischen Beurteilung könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.

Hiergegen legte die Klägerin am 17.02.2011 Widerspruch ein und trug vor, nach ihrer Auffassung sei sie derzeit nicht in der Lage, irgendeine Beschäftigung auszuüben. Aufgrund ihres Gesundheitszustandes fühle sie sich momentan auch nicht in der Lage, ein Angebot auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben anzunehmen. Da sie im Rahmen ihres Rentenantrages nicht vertrauensärztlich untersucht worden sei, beantrage sie die Untersuchung durch einen Arzt der Beklagten.

Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin von dem Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. untersuchen. Dieser stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 22.03.2011 folgende Gesundheitsstörungen fest: Rezidivierende depressive Störung, mittelschweres Residuum, somatoforme Schmerzstörung und Verdacht auf dissoziative Störungen. Er führte aus, die psychische Belastbarkeit der Klägerin sei insgesamt noch deutlich herabgesetzt. Sie sollte keine Tätigkeiten mehr verrichten, welche mehr als nur geringe Anforderungen an die Umstellungsfähigkeit, die Anpassungsfähigkeit, die Belastbarkeit unter Zeitdruck und die Fähigkeit zur Konfliktbewältigung stellten. Ferner seien die orthopädischen Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen. Wegen der Schlafstörung sollte nur in Tagschicht gearbeitet werden. Unter Berücksichtigung dieser Leistungseinschränkungen könne die Klägerin eine Tätigkeit als Küchenhilfe sowie leichte bis schwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 01.06.2011 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung von Rente weiter verfolgt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Orthopäden Dr. S., den Arzt für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. B., den Gynäkologen Dr. G., den HNO-Arzt Dr. O., den Chirurgen Dr. R., den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. und den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört (Auskünfte vom 04.08.2011, 14.08.2011, 18.08.2011, 22.08.2011, 29.08.2011, 07.09.2011 und 13.10.2011) und anschließend Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.

PD Dr. W. hat im Gutachten vom 25.11.2011 ausgeführt, aufgrund der chronischen ausgedehnten multilokulären Schmerzen und des chronifizierten Fibromyalgiesyndroms sei die körperliche Leistungsfähigkeit vermindert. Zu diesem Grundleiden hinzu gekommen sei eine rezidivierende depressive Störung, in schwerer Ausprägung im Mai 2010, die in Verbindung mit der Schmerzkrankheit die Leistungsfähigkeit der Klägerin in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit verringert habe, so dass sie nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich, sondern nur noch etwa halbtags, also mindestens drei Stunden täglich, arbeiten könne. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, sei nur noch einer Halbtagstätigkeit, d.h. eine Tätigkeit von mindestens drei Stunden täglich, zumutbar. Dabei sollten lediglich körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit Heben und Tragen von Lasten bis max. 5 bis 8 kg, ohne häufiges Knien, ohne Zwangshaltungen, ohne häufige Kälte- und Nässeeinwirkung, ohne Zeitdruck (Fließband, Akkord), ohne Wechselschicht, ohne vermehrten Publikumskontakt und nicht an gefährdenden Maschinen verrichtet werden. Nach dem günstigen Verlauf der rezidivierenden Störung seit 2010 sei es durchaus denkbar, dass nach einem weiteren Jahr der Behandlung eine weitere Besserung erreicht werden könne.

Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. hat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11.01.2012 ausgeführt, PD Dr. W. lege sich mit den Diagnosen zu keinem Zeitpunkt sicher fest, sondern verweise auf teilweise Jahre zuvor gestellte Diagnosen und versuche die eigenen Untersuchungsergebnisse durch vorherige begutachtende Stellen abzusichern. Auch auf das Ausmaß der depressiven Störung lege er sich nicht fest; vielmehr verweise er auch hier auf die schon vorliegenden Diagnosen. Zusammenfassend seien dem Gutachten keine neuen Aspekte im Vergleich zur Vorbegutachtung zu entnehmen.

PD Dr. W. hat in der Stellungnahme vom 31.01.2012 erwidert, Dr. L. gehe zu Unrecht davon aus, dass er sich im Hinblick auf das Ausmaß der depressiven Störung nicht festgelegt habe. Vielmehr habe er im Gutachten ausgeführt, aktuell liege eine mittelschwere Ausprägung vor. Auch habe er den psychischen Befund als wesentlichen Teil seiner Befunderhebung deskriptiv dargelegt. Er sehe kein überzeugendes Argument, von seinen Ausführungen nach den eingehenden Untersuchungen abzuweichen.

Das SG hat daraufhin den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin M. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 06.10.2012 bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt: Anpassungsstörung bei familiären Konflikten mit depressiver Reaktion und anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Eine Tätigkeit als Küchenhilfe mit Spül- und Putztätigkeiten könne die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich ohne Gefährdung ihrer Gesundheit verrichten, soweit hier länger in vornüber gebeugter Haltung gearbeitet werden müsse und schwere Putzeimer gehoben werden müssten. Ohne Gefährdung ihrer Gesundheit könne die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Vermeiden müsse die Klägerin Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten in ständig vornüber gebeugter Körperhaltung, mit häufigem Bücken, mit sehr hohem Zeitdruck, sehr hoher Verantwortung und mit Schichtarbeit. In der ergänzenden Stellungnahme vom 10.11.2012 hat sich der Sachverständige M. mit den Einwendungen der Bevollmächtigten der Klägerin auseinandergesetzt und an seiner diagnostischen Einschätzung und seiner sozialmedizinischen Beurteilung im Gutachten vom 06.10.2012 festgehalten.

Mit Urteil vom 07.06.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, obwohl die Klägerin vor dem 02.01.1961 geboren sei, könne sie in Ermangelung eines erlernten Berufes sich nicht auf § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) stützen. Vielmehr sei sie grundsätzlich auf sämtliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen. Körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen täglich noch sechs Stunden und mehr zumutbar. Zu dieser Auffassung gelange das SG insbesondere aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen M ... Soweit Dr. W. die Diagnosen Fibromyalgiesyndrom und rezidivierende depressive Störung stelle, vermöge das SG dieser Feststellung nicht zu folgen. Nach Ansicht des SG habe der Gutachter Dr. W. die von der Klägerin im Rahmen der Gutachtenssituation vorgetragenen subjektiven (Schmerz-)Empfin-dungen zu wenig kritisch hinterfragt bzw. versucht zu objektivieren. So sei Dr. W. z.B. auf die von der Klägerin vorgebrachten akustischen und optischen Halluzinationen nicht weiter eingegangen und habe diese auch nicht weiter hinterfragt. Demgegenüber habe der Sachverständige M. die Aussagen der Klägerin kritisch überprüft und sei zum Ergebnis gelangt, dass im Rahmen dieser, dem Gutachten von Dr. W. nachgelagerten Gutachtenssituation, eine subjektive Übertreibung der Klägerin vorliege, die die Diagnosen von Dr. W. objektiv nicht zu rechtfertigen vermöge. Der Sachverständige M. habe mit der Klägerin zwei Beschwerdevalidie-rungstests durchgeführt, in denen die Klägerin jeweils Extremwerte erreicht habe, die nicht anders zu interpretieren seien, als dass während der Untersuchung eine der willentlichen Steuerung zugängliche erhebliche Aggravation, eher eine Simulation, vorgelegen habe. Der Sachverständige M. stütze diese Annahme dadurch, dass die Klägerin erst auf den Hinweis hin, dass zur Überprüfung der Einnahme von Schmerzmitteln eine Serumspiegelbestimmung vorgenommen werden solle, angegeben habe, sie habe weder am Tag der Begutachtung noch am Vortag Schmerzmittel eingenommen. Auffällig sei auch der vom Sachverständigen M. durchgeführte Finger-Boden-Abstand im Stehen und daran anschließend im Liegen. Während die Klägerin im Stehen mit den Fingerspitzen knapp die obere Kniescheibe erreicht habe, habe sie im Langsitz mit ausgestreckten Beinen mit den Handgelenken bis an die Zehen kommen können. Da sowohl im Stehen als auch im Langsitz die identische Nervendehnung im Lendenwirbelsäulen-Bereich beansprucht werde, könnten die unterschiedlichen Untersuchungsergebnisse nicht nachvollzogen werden. Gleiches gelte für die Untersuchung der Schmerzsymptomatik der Klägerin. Gegen eine schwere depressive Episode der Klägerin spreche, dass sie eine Woche vor der Begutachtung durch den Sachverständigen M. von einer dreiwöchigen Türkeireise zurückgekehrt sei. Dabei habe sie angegeben, dass sie dort Erbschaftsangelegenheiten mit ihren Geschwistern zu erledigen gehabt und eine größere Zahnbehandlung stattgefunden habe. Zur Überzeugung des SG resultierten aus den aufgeführten Erkrankungen nachvollziehbare qualitative Leistungseinschränkungen. Körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien der Klägerin dagegen noch vollschichtig zumutbar. Daher bestehe kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 02.07.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.07.2013 Berufung eingelegt und vorgetragen, das Urteil des SG sei falsch. Sie sei voll, zumindest aber teilweise erwerbsgemindert. Dem Gutachten des Sachverständigen M. seien ihre Bevollmächtigten entgegengetreten. Dieser verkenne, dass Halluzinationen unabhängig vom Krankheitsbild bei jeder psychischen Erkrankung auftreten können, auch als Nebenwirkung von Medikamenten. Da die beiden vom SG eingeholten Gutachten unterschiedliche Auffassungen verträten, wäre das SG gehalten gewesen, sich an den sachverständigen Zeugen Dr. R. zu halten, da dieser sie wesentlich länger kenne und somit ihr Krankheitsbild einschätzen könne.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 07. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar 2011 zu gewähren, hilfsweise Dr. R. als sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu hören.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen. Sie verweise auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Mit Verfügung vom 13.08.2013 hat der Senat auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und dem Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 13.08.2013 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung – § 43 SGB VI – dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weit gehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen – ebenso wie das SG – nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für körperlich leichte, geistig einfache und psychisch nicht belastende Tätigkeiten auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen der Ärzte der Klinik am S. im Entlassungsbericht vom 16.12.2010, des Neurologen und Psychiaters Dr. A. im Gutachten vom 22.03.2011, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, der Neurologin und Psychiaterin Dr. L. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11.01.2012, die als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertet wird, sowie des Sachverständigen M. im Gutachten vom 06.10.2012 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 10.11.2012.

Danach liegen bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung und eine depressive Störung (in wechselndem Schweregrad, zuletzt leichtgradig ausgeprägt) vor. Diese Gesundheitsstörungen führen zwar zu qualitativen Einschränkungen (kein Heben und Tragen von über 10 kg, keine Arbeiten in ständig vornüber gebeugter Körperhaltung, mit häufigen Bücken, sehr hohem Zeitdruck, sehr hoher Verantwortung, mit Schichtarbeit, unter ungünstigen Witterungsbedingungen und in Lärm), hindern die Klägerin jedoch nicht daran, körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Der abweichenden Beurteilung von PD Dr. W., der im Übrigen auch noch eine berufliche Tätigkeit der Klägerin für zumutbar erachtet, wenn auch nur eine Halbtagstätigkeit bzw. eine mindestens dreistündige Tätigkeit, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Überzeugende medizinische Gründe für eine Reduzierung der Arbeitszeit auf unter sechs Stunden täglich vermag der Senat seinem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme nicht zu entnehmen. Darüber hinaus hat er nicht kritisch hinterfragt bzw. überprüft, ob die Klägerin die angegebenen Schmerzmittel und Antidepressiva überhaupt regelmäßig einnimmt und hat – anders als der Sachverständige M. – auch keine Beschwerdevalidierungstests durchgeführt. Angesichts dessen schließt sich der Senat den übereinstimmenden Beurteilungen der Neurologen und Psychiater Dr. A. und M. an, die auch mit der Einschätzung der Ärzte der Klinik am S. übereinstimmen, die ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen angenommen und nur wegen einer (damals) schweren depressiven Episode eine weitere Arbeitsunfähigkeit von acht Wochen bescheinigt haben.

Der Senat hat auch keinen Anlass gesehen, den behandelnden Neurologen und Psychiater der Klägerin Dr. R. nochmals als sachverständigen Zeugen zu hören, zumal das SG von diesem schon am 13.10.2011 eine sachverständige Zeugenaussage eingeholt hat. Hinweise auf eine wesentliche dauerhafte Verschlechterung seitdem sind nicht vorhanden; eine solche ist auch nicht von der Klägerin geltend gemacht worden. Eine Notwendigkeit, Dr. R. zu hören, ergibt sich auch nicht daraus, dass PD Dr. W. und der Sachverständige M. das Leistungsvermögen der Klägerin unterschiedlich beurteilen. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtensergebnisse gehört nämlich zur Beweiswürdigung (BSG, Urteil vom 22.10.2008 – B 5 KN 1/06 B – in Juris), die dem Senat vorbehalten ist. Unabhängig davon ist es auch nicht Aufgabe eines behandelnden Arztes – anders als bei einem Gutachter bzw. Sachverständigen –, sich kritisch mit den Angaben des Patienten auseinanderzusetzen und diese gutachterlich zu würdigen. Eine sachverständige Zeugenaussage ist deswegen in der Regel nicht ausreichend, um das Leistungsvermögen eines Versicherten zu beurteilen. Hierfür bedarf es vielmehr entsprechender Gutachten, die dementsprechend nach Anhörung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen im Klageverfahren auch eingeholt worden sind.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit – § 240 SGB VI –, denn ein solcher scheitert schon daran, dass die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist, sondern erst danach, 1964. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, dass die Klägerin als ungelernte bzw. angelernte Arbeiterin des unteren Bereichs auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen sein dürfte.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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