L 13 AS 3092/13 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 973/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3092/13 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 1. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 1. Juli 2013 ist zulässig (§ 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Sie ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG war der Bescheid des Beklagten vom 21. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2013, mit dem der Beklagte das dem Kläger bewilligte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 28. Februar 2013 aufgrund einer Sanktion um monatlich 30 v. H. (112,20 EUR) gemindert hat. Damit ergibt sich für den Kläger aus dem klagabweisenden Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2013 eine Beschwer in Höhe von insgesamt 336,60 EUR.

Da das SG die Berufung im Gerichtsbescheid nicht zugelassen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit BSG, Urteil vom 14. Dezember 1955 - 7 Rar 69/55 - Juris). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf. Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Arbeitslosengeldes II um 30 v. H. des maßgebenden Regelbedarfs (im Falle des Klägers 374,00 EUR) wegen fehlender Eigenbemühungen streitig. Der Kläger beruft sich darauf, keine Eingliederungsvereinbarung unterschrieben zu haben. Die insoweit anzustellenden Erwägungen und Überlegungen sind auf den Einzelfall bezogen und werfen keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung auf. Eine Rechtsfrage hat der Kläger nicht gestellt, eine solche ist auch nicht ersichtlich. Der Kläger verkennt, dass Erwägungen zur Richtigkeit der Entscheidung des SG für die Frage der grundsätzlichen Bedeutung bereits systematisch verfehlt und irrelevant sind (Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 145 SGG, Rdnr. 5). Soweit der Kläger vorträgt, sämtliche Kürzungen des Existenzminimums seien durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 als verfassungswidrig eingestuft worden, trifft dies nicht zu. Die vorliegend als erste Stufe erfolgte Absenkung um 30 % gemäß §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. April 2011 geltenden Fassung ist nicht verfassungswidrig. Es ist Sache des parlamentarischen Gesetzgebers, den Leistungsanspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1/BvL 1/09 u.a. – BVerfGE 125, 175 RdNr. 138), zu dieser Konkretisierung durch einfaches Recht gehören die §§ 31 ff. SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl. I, 453). Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet keinen von Eigenaktivität und Mitwirkungsobliegenheiten unabhängigen Anspruch eines bestimmten Leistungsniveaus. Das Grundgesetz gebietet nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen (Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011 § 31 Rdnr. 13 unter Hinweis auf BVerfG vom 7. Juli 2010 – 1 BvR 2556/09, ebenso BT-Drucks 17/3404, 110; vgl. auch BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 27/10 R = SozR 4-4200 § 31 Nr. 6 Rdnr. 34). Der Gesetzgeber hat ferner einen Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums. Dieser ist enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1/BvL 1/09 u.a. – BVerfGE 125, 175 Rdnr. 138). Jedenfalls der bei Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erweiterte Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers lässt Raum für abgesenkte Leistungen bei Pflichtverletzungen (Berlit a.a.O. m.w.N., zu der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II vgl. LSG Baden Württemberg, Beschluss vom 23. April 2012 - L 2 AS 5594/11 NZB, Juris).

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Ein Rechtssatz in diesem Sinne hat das SG in seinem Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2013 nicht aufgestellt, so dass eine Divergenz nicht in Betracht kommt.

Da letztlich auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes nicht geltend gemacht worden ist, war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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