L 15 VS 20/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 33 VS 25/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 20/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zu Schädigungsfolgen
2. Zur Abgrenzung von paranoider Schizophrenie und Zwangsstörung
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 28. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob beim Kläger eine Wehrdienstbeschädigung - konkret eine psychische Erkrankung - vorliegt und ihm daher eine Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) zu gewähren ist.

Der 1963 geborene Kläger war als Wehrpflichtiger Soldat der Bundeswehr in der Zeit vom 01.07.1985 bis 30.09.1986. Von 1989 bis 1996 absolvierte er erfolgreich ein Studium der Informatik. Seit Oktober 2000 ist der Kläger arbeitslos; er bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung.

In der Grundausbildung, die teilweise in D., teilweise in S. erfolgte, wurde der Kläger zum Kraftfahrer ausgebildet und anschließend in S. bei einem Luftlandefernmeldebataillon als Stabsdienstsoldat eingesetzt.

Vom 07.04.1986 bis 07.05.1986 wurde der Kläger stationär im Bundeswehrkrankenhaus A-Stadt wegen einer Gastroenteritis und rezidivierenden Cephalgien behandelt. Dabei wurde der Kläger am 25.04.1986 konsiliarisch nervenärztlich untersucht. Er wurde als in psychischer Hinsicht weitgehend unauffällig beschrieben; allenfalls Hinweise auf eine etwas unreif strukturierte Persönlichkeit ohne krankheitswertigen Befund wurden gefunden. Der Kläger gab an, seit vier bis fünf Jahren Kopfschmerzen zu haben. Eine psychische Problematik seiner vielfältigen Beschwerden wurde vom Kläger verneint. Am 22.05.1986 erfolgte eine weitere ambulante Behandlung wegen unklarer Abdominalbeschwerden im Bundeswehrkrankenhaus B-Stadt.

Der Nervenarzt Dr. N. berichtete am 27.06.1986 der Bundeswehr, dass der Kläger seit April 1986 fast ständig über rechtsseitige Kopfschmerzen, gelegentlich Übelkeit, Augenflimmern, Verschwommensehen, Schwindelgefühl, Angstgefühle, innere Unruhe, innerliches Zittern, Lust- und Interesselosigkeit geklagt habe. In psychischer Hinsicht wurde der Kläger als innerlich angespannt mit ängstlicher Haltung, auf die Beschwerden fixiert, antriebsgemindert und niedergeschlagen wirkend beschrieben. Als Diagnose wurde ein schweres neurasthenisches Syndrom mit überwiegenden Angstkomponenten angenommen. Von Januar 1987 bis Januar 1988 war der Kläger in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung bei der Psychotherapeutin C ... Anschließend begab er sich bei Prof. B. in psychotherapeutische Behandlung, der ihn in der Zeit von Februar 1988 bis Juli 1992 wegen schwerer Depressionen und eines psychovegetativen Syndroms, ab März 1994 bis Juli 1997 wegen einer paranoiden Psychose behandelte. Außerdem befand sich der Kläger mehrfach, nämlich in den Jahren 1987, 1988 und 2000, in stationärer Behandlung Die Psychotherapeutin C. attestierte am 20.07.2001 eine "Major Depression" und Kopfschmerzen als funktionelle Störungen, die durch starke Belastungen, denen der Kläger während seiner Bundeswehrzeit ausgesetzt gewesen sei, ausgelöst worden seien.

Am 28.12.2005 stellte der Kläger beim Beklagten Antrag wegen einer Wehrdienstbeschädigung und wies dabei auf seine Arbeitsunfähigkeit wegen "paranoider Schizophrenie" hin.

Nach Einholung von ärztlichen Unterlagen und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2006 ab, Beschädigtenversorgung zu gewähren. Die vom Kläger im Antrag geltend gemachten Gesundheitsstörungen paranoide Schizophrenie, Kopfschmerzen, Lageschwindel, Angstgefühle, neurasthenisches Syndrom und Depression seien nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung. Beim Kläger lägen eine prämorbide Persönlichkeitsstruktur mit narzisstischen, hypochondrischen, zwanghaften und asthenischen Zügen sowie eine neurotisch depressive Entwicklung vor. Es sei bereits während der Bundeswehrzeit im Zusammenhang mit dieser Persönlichkeitsstruktur zum verstärkten Auftreten von vorbestehenden psychosomatischen Beschwerden gekommen. Belastungen während der Dienstzeit würden lediglich den Auslöser für die psychosomatischen und psychischen Beschwerden darstellen.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006 zurückgewiesen. Die Schizophrenie - so der Beklagte - könne nur im Wege der Kann-Versorgung im Sinn des § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG anerkannt werden, wenn außergewöhnliche kriegsähnliche Belastungen vorgelegen hätten und die Erkrankung in enger zeitlicher Verbindung (bis zu mehreren Wochen) mit diesen Belastungen aufgetreten sei. Diese Voraussetzungen seien in der Person des Klägers nicht erfüllt.

Am 14.12.2006 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er sei - so sein Bevollmächtigter - vor der Ableistung des Grundwehrdienstes physisch und psychisch gesund gewesen, was nicht zuletzt durch das Musterungsergebnis und die Einberufung zu einem Eliteverband belegt sei. Da die geltend gemachten Erkrankungen erst während der Ableistung des Grundwehrdienstes aufgetreten seien, dürfte die Kausalität bewiesen sein. Der Beklagte habe die Anerkennung mit dem gedanklichen Konstrukt abgelehnt, dass beim Kläger eine prämorbide Persönlichkeitsstruktur bestanden habe, in deren Zusammenhang es während des Grundwehrdienstes zum verstärkten Auftreten von schon während des Grundwehrdienstes bestehenden psychosomatischen/funktionellen Beschwerden gekommen sei. Der Beklagte ziehe daraus den Schluss, dass die wehrdienstbedingten Belastungen lediglich als Auslöser, nicht jedoch als Ursache für die psychosomatischen Beschwerden anzusehen seien. Den Beweis für diese Hypothese bleibe der Beklagte allerdings schuldig. Insbesondere ignoriere er das Musterungsergebnis. Denn wenn die Hypothesen des Beklagten stimmen würden, wäre der Beklagte niemals wehrdienstfähig gewesen und hätte nicht, erst recht nicht zu einem Eliteverband, eingezogen werden dürfen. Hinsichtlich der Ausführungen des Beklagten zur dienstlichen Belastung stelle sich die Frage, ob dessen Vertreter je gedient habe und überhaupt wisse, was er theoretisch abhandle. Der Bevollmächtigte selbst sei fast 28 Jahre Angehöriger von Bundeswehr und Bundeswehrverwaltung gewesen. Von daher brauche er nicht zu theoretisieren, sondern habe alle diese Belastungen selbst erlebt. Hinzu komme, dass aufgrund des Nato-Doppelbeschlusses infolge der Stationierung von SS-20-Mittelstreckenraketen im westlichen Vorfeld der Sowjetunion sehr wohl jahrelang ein kriegsähnliches Belastungsklima geherrscht habe. Hieraus ergebe sich zwingend die Schlussfolgerung, dass der Kläger entweder völlig gesund gewesen und daher zu Recht zu einem Eliteverband eingezogen worden sei oder dass er latent erkrankt gewesen sei, so dass er überhaupt nicht wehrdienstfähig gewesen sei, so dass die extremen Belastungen der Dienstverrichtungen in einem solchen Verband unter den zusätzlichen Belastungen der damaligen politischen und auch militärischen Situation erst eine Schädigung hervorgerufen hätten, die ihn nach der Entlassung arbeitsunfähig gemacht habe. Wenn der untersuchende Oberfeldarzt in psychischer Hinsicht eine weitgehende Unauffälligkeit festgestellt haben wolle, dann könnten auch keine latenten Vorerkrankungen vorgelegen haben. Nach dem Attest der behandelnden Psychotherapeuten seien Symptome behandelt worden, die durch die Bundeswehr ausgelöst worden seien. Darüber hinaus sei der Kläger im Anschluss an seine Wehrdienstzeit für mehrere Jahre arbeitsunfähig gewesen, was vom Beklagten ignoriert worden sei. Wenn ein Wehrpflichtiger keine Vorerkrankungen habe, dann aber schwer erkrankt aus dem Wehrdienstverhältnis entlassen werde, müssten die Ursachen einer solchen Erkrankung in den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen bzw. in speziellen Belastungen des Wehrdienstzeitraums gesehen werden. Das psychische Erkrankungsbild habe sich erst im Laufe der Wehrdienstzeit aufgebaut, denn der untersuchende Oberfeldarzt habe ja nichts Gravierendes festgestellt. Damit sei die Kausalität anhand der Berichte der behandelnden Psychotherapeuten nachgewiesen.

Im Auftrag des Sozialgerichts hat die Sozialmedizinerin und Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. unter dem Datum vom 04.08.2009 ein Gutachten erstellt. Sie hat darin Folgendes ausgeführt:

Im Rahmen der Anamneseerhebung habe der Kläger angegeben, dass es ihm nach der Bundeswehrzeit so schlecht gegangen sei, dass er drei Jahre nichts gemacht habe. Zur Krankheitsentwicklung befragt, habe der Kläger angegeben, dass er schon früher einige Beschwerden gehabt habe, z.B. eine Leistenbruchoperation rechts, Rückenprobleme im Bereich der Lendenwirbelsäule ab 1982 und auch Bauchschmerzen.

Zur Zeit bei der Bundeswehr habe der Kläger Folgendes berichtet: Den ersten Monat (Juli 1985) habe er den Grundwehrdienst in D. abgeleistet. Anschließend habe er einen Monat den Führerschein in S. gemacht. Da sei es ihm nicht mehr so gut gegangen. Der Fahrlehrer habe ihn pausenlos angeschrien, während er einen 40-Tonner gefahren habe. Anschließend sei er noch mal einen Monat in D. gewesen und von Oktober 1985 bis September 1986 wieder in S ... Von Oktober bis Dezember 1985 habe es dort jede Menge Übungen und Einführungen gegeben. In dieser Zeit habe er auch schon mal einen starken Durchfall gehabt und dadurch beim NATO-Alarm nicht mitmachen können; auch dies habe man ihm übel genommen. Von Januar 1986 bis zu seinem Krankenhausaufenthalt im April 1986 habe er hauptsächlich das sogenannte Freizeitbüro geleitet. Er sei zuständig gewesen für die Bibliothek, das Organisieren von Freizeitaktivitäten, Karten kaufen usw. Zwischendrin hätten auch mal Schießübungen, Truppenmärsche und so stattgefunden. Von April bis Mai 1986 sei er vier Wochen im Krankenhaus gewesen. Damals seien die starken Kopfschmerzen los gegangen. Als er aus dem Krankenhaus zurückgekehrt sei, habe man ihm mitgeteilt, dass das Freizeitbüro geschlossen worden sei. Man habe ihn dem S1-Büro zugeteilt, wo er unter Aufsicht Büroarbeiten habe erledigen sollen. Er sei nach dem längeren Krankenhausaufenthalt zunehmend drangsaliert worden, habe zusätzlich zu seinem normalen Dienst jede Menge Straf-GvDs machen müssen. Er sei oft zehn Minuten zu spät gekommen und sei zusammengeschissen worden. An sich sei er mit den Kameraden grundsätzlich gut ausgekommen; diese hätten ihm schon geholfen. Bei der Bundeswehr sei er ständig beim Arzt gewesen. Der habe immer gesagt, er habe nichts. In der Zeit Juli/August 1986 sei es richtig schlimm geworden mit Nervenkrämpfen und Einschlafstörungen.

Zur aktuellen Situation und seinen Beschwerden habe der Kläger angegeben, dass sein Hauptproblem die Sache sei, dass er vergiftet werden solle. Die Ängste seien schon während der Bundeswehrzeit los gegangen. Er habe damals schon Ängste vor Menschen und vor allem vor Vorgesetzten entwickelt. Irgendwie habe er damals auch schon Angst vor Kontaktgiften bekommen. Er glaube einfach, dass er eine Person sei, die vergiftet werden müsse. Warum wisse er nicht. Vor der Haustür staple er Kiefernnadeln in einer bestimmten Anordnung auf, damit er feststellen könne, ob jemand ins Haus eingedrungen sei. Es gebe ganz bestimmte Abläufe, die er berücksichtigen müsse. Er müsse auch ständig Hände waschen, denn schon durch den Briefkasten komme ja viel Gift rein. Er habe verschiedene Kleider für verschiedene Anlässe, je nach Vergiftungswahrscheinlichkeit. Mit diesen Abläufen sei er eigentlich die ganze Zeit beschäftigt. Es koste ihn einen wahnsinnigen Aufwand, sich gegen seine Ängste zu wehren und mache ihn immer schwächer. Sobald er von Terminen außerhalb des Hauses zurückkomme, müsse er ausgiebig duschen; er benötige zwischendrin Ruhetage, in denen er nicht hinausgehe.

Zum psychischen Befund hat die Sachverständige folgende Angaben gemacht: Der Kläger wirke schon vom Aspekt etwas auffällig mit zerzausten Haaren und tief liegenden großen Augen. Während der Untersuchung sei immer wieder ein merkwürdiges gepresstes stoßweises Atmen aufgefallen. Der Kläger sei grundsätzlich sehr kooperativ und ohne jegliche Verdeutlichungstendenz. Er sei bewusstseinsklar und in allen Qualitäten gut orientiert. Anhaltspunkte für Störungen des Gedächtnisses oder die Merkfähigkeit hätten sich nicht ergeben. Mäßig eingeschränkt sei die Konzentrationsfähigkeit. Das Denken sei formal geordnet, inhaltlich erheblich eingeengt auf die wahnhaften Überzeugungen, vergiftet zu werden. Dagegen versuche sich der Kläger mit zahlreichen zwanghaft anmutenden Vorsichtsmaßnahmen abzusichern. Darüber hinaus habe er eine Reihe von Körperbeschwerden berichtet. Über die paranoiden Beziehungs- und Beeinträchtigungsideen hinaus habe der Bericht des Klägers nur Hinweise auf vorübergehende akustische Halluzinationen ergeben. Die Stimmung sei etwas gedrückt und in der Schwingungsfähigkeit eingeschränkt.

Aus den Vorbefunden und den eigenen Untersuchungen habe sich - so die Sachverständige - die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie ergeben. Zwangsgedanken im Rahmen von Zwangsstörungen könnten von schizophrenen Wahnphänomenen meist dadurch differenziert werden, dass Zwangssymptome von der betroffenen Person als sinnlos erlebt würden und versucht werde, dagegen anzugehen, was bei schizophrenen Psychosen nicht der Fall sei. Das größte Risiko, erstmalig an einer Schizophrenie zu erkranken, liege bei Männern zwischen 15 und 25 Jahren. Zur Entstehung der Schizophrenie werde heute eine Kombination aus genetisch und anderweitig bedingten biochemischen Auffälligkeiten im Gehirn angenommen. Nach der Literatur würden 70 % der Schizophrenien mit vegetativen Symptomen beginnen. Als Frühwarnzeichen würden in der Literatur zusammengefasst: Ruhelosigkeit, Schlafstörungen, Nervosität, Schwierigkeiten bei der Arbeit, das Gefühl, nicht verstanden und überfordert zu werden, wenig Freude zu empfinden, Zukunftsängste und Konzentrationsschwierigkeiten zu haben usw. Bei fast allen Schizophrenien würden vegetative Dysregulationen beobachtet mit Kopfschmerzen, Schlafstörungen, synkopalen Anwandlungen, Herzfrequenzänderungen, Brechreiz und Erbrechen. In über drei Viertel der Fälle beginne ein solcher Verlauf mit uncharakteristischen langjährigen Protromen. Bei Berücksichtigung der Literaturaussagen ergebe sich beim Kläger ein ganz charakteristischer Krankheitsverlauf eines Krankheitsbildes, das man früher den sogenannten endogenen Psychosen zugeordnet habe. Dies entspreche der typischen Charakterisierung, wie sie sich für paranoide Schizophrenien im ICD 10 F 20.0 wieder finden würde. Die immer wieder über Jahre gestellten Diagnosen aus dem Krankheitsbereich der Neurosen und Psychosomatosen würden damit nur die unspezifischen Protromalsymptomatik erfassen und die gestellte Diagnose nicht widerlegen. Differenzialdiagnostisch zu erwägen wäre nach den Angaben des Klägers noch eine Zwangsstörung. Für diese sei aber charakteristisch die Einsicht in das Unvernünftige des eigenen Tuns und Handelns. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.

Die vom Kläger im Übrigen auch im Antrag vom 26.12.2005 durchaus richtig benannte paranoide Schizophrenie sei aufgrund des heutigen Wissens zur Krankheitsentstehung in keiner Weise mit Ereignissen während der Absolvierung des Grundwehrdienstes in Zusammenhang zu bringen. Belastende Lebensereignisse könnten in Einzelfällen allenfalls Auslöser für eine psychotische Episode zu einem bestimmten Zeitpunkt sein. Unabhängig davon wäre das Krankheitsbild jedoch auch ohne bestimmte Ereignisse in einem ähnlichen Zeitraum aufgetreten. Spezielle traumatisierende Ereignisse habe der Kläger nicht berichten können. Die allgemeinen Erfahrungen während des Grundwehrdienstes, wo er sich häufig unverstanden und zurückgesetzt gefühlt habe, würden vielmehr die bereits damals bestehende Überzeugung zeigen, geschädigt und bedroht zu werden. Auch von einer Verschlimmerung der Gesundheitsstörung durch den Grundwehrdienst könne in keiner Weise ausgegangen werden. Die Erkrankung zeige einen eigengesetzlichen Verlauf.

Die Argumentation des Bevollmächtigten des Klägers sei zwar aus laienhafter Sicht nachvollziehbar, objektiv psychiatrisch jedoch nicht haltbar. Grundsätzlich könne bei der Beurteilung kausaler Zusammenhänge nie das Argument ausreichen, dass vorher keine Auffälligkeiten dokumentiert seien und solche während oder nach den entsprechenden Ereignissen aufgetreten seien. Vielmehr müsse geprüft werden, wie ein Krankheitsverlauf auch ohne die angeschuldigten Ereignisse ausgesehen hätte. Es könne auch keinem der behandelnden Ärzte aus der damaligen Zeit, vor, während oder nach der Bundeswehr, vorgeworfen werden, dass er das Krankheitsbild nicht erkannt und z.B. (der Musterungsarzt) durch Feststellung von Wehrdienstuntauglichkeit nicht verhindert hätte. Denn es gehöre zum charakteristischen Typus dieser schizophrenen Verlaufsform, dass die Natur der Erkrankung zunächst noch nicht erkennbar sei. Schädigungsfolgen seien also nicht zu bezeichnen.

Mit Schreiben vom 23.08.2009 hat der Bevollmächtigte des Klägers als ehemaliger langjähriger Bundeswehrangehöriger bezweifelt, dass die Sachverständige als Frau, die nicht selbst gedient habe oder in anderer Funktion bei der Truppe eingesetzt gewesen sei, überhaupt eine Vorstellung von wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen und deren Auswirkungen auf Menschen haben könne. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger nicht bei irgendeinem Truppenteil, sondern bei einer der wenigen Eliteverbände der damaligen Bundeswehr eingesetzt gewesen sei, wo noch eine ganz andere Gangart geherrscht habe.

Mit Schreiben vom 04.10.2009 hat sich der Bevollmächtigte dahingehend eingelassen, dass die Schwere des psychischen Erkrankungsbildes deshalb zustande gekommen sei, weil das Entstehen desselben bei der Bundeswehr zuerst nicht erkannt worden sei. Der Truppenarzt habe von einer Krankheit nichts wissen wollen. Eigentlich sei der Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung zu prüfen. Das Verhalten des Truppenarztes habe dazu geführt, dass der Kläger fortan als Simulant gegolten habe und schwersten Schikanen ausgesetzt gewesen sei, was letztlich zu Traumata und einer irreparablen psychischen Erkrankung geführt habe. Die jetzt behandelnde Psychotherapeutin habe von der langjährigen Psychotherapeutin des Klägers, bei der dieser erstmals im Januar 1987 behandelt worden sei, erfahren, dass der Kläger schwere Traumata in der Bundeswehrzeit erlebt habe. Die Sachverständige hat er als befangen abgelehnt.

Mit Beschluss vom 12.10.2009 ist der Befangenheitsantrag abgelehnt worden. Die dagegen erhobene Beschwerde ist mit Beschluss vom 10.03.2010 zurückgewiesen worden.

Mit Schreiben vom 11.05.2010 hat der Bevollmächtigte eine Bescheinigung des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom 29.04.2010 vorgelegt, wonach beim Kläger eine paranoide Persönlichkeitsstörung und Zwangsstörung, nicht aber eine Schizophrenie vorliege. Dies belege - so der Bevollmächtigte - nicht nur die Befangenheit, sondern auch die fachliche Überforderung der Gutachterin eindeutig.

Unter dem Datum vom 19.11.2010 hat der Psychiater und Psychotherapeut Dr. N. sein gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestelltes Gutachten vorgelegt. Darin hat er Folgendes ausgeführt:

Die Bundeswehrzeit von Juli 1985 bis September 1986 habe der Kläger ihm als eine extreme Zeit beschrieben. Zwar hätten die Kameraden versucht, ihm zu helfen, die Vorgesetzten und die Mitarbeiter des Sanitätsdienstes hätten ihn jedoch nie verstanden. Der Kläger habe sich ständig angespannt gefühlt, an innerer Unruhe gelitten, gezittert - diesen Zustand nenne er Nervenkrämpfe -, sich schwach und schwindlig gefühlt und unter Bauchschmerzen und Durchfall gelitten. Er habe immer wieder den Truppenarzt aufgesucht, der ihn einige Male ins Bundeswehrkrankenhaus weiter vermittelt habe; dort sei jedoch nie etwas festgestellt worden. Auf diese Weise sei er letztlich immer stärker unter Druck gekommen und häufig bestraft worden. Die Vorgesetzten hätten ihn wohl als Drückeberger eingeschätzt. Er sei sowohl während der Bundeswehrzeit bei den dortigen Tätigkeiten als auch am Wochenende zu Hause zusammengebrochen. Nach Beendigung der Bundeswehrzeit habe er sich so schlecht und antriebslos gefühlt, dass er sich eigentlich schon habe umbringen wollen. Vor der Bundeswehrzeit sei er in guter Verfassung gewesen. Die schlechte Behandlung durch die Vorgesetzten in der Bundeswehr sei ihm auch nach der Wehrdienstzeit ständig durch den Kopf gegangen, denn er sei sehr oft beschimpft und gedemütigt worden. Obwohl ihn die Kameraden insgesamt beschützt hätten, hätten ihn die Vorgesetzten fertig gemacht und er habe ständig Strafdienste machen müssen. Deswegen habe er am Ende der Bundeswehrzeit auch eine Wehrdienstbeschwerde eingelegt, die aber bis heute nicht beantwortet sei. Schon während der Bundeswehrzeit seien einfache Zwangshandlungen vorgekommen, so habe er beim Gehen immer wieder zurückgehen müssen. Dies habe große Probleme mit den Vorgesetzten gemacht, er habe aber nicht anders gekonnt. Außerdem habe er nach einer Übung in der Gaskammer das erste Mal Angst vor Kontaktgiften bekommen. 1988 sei zu den Depressionen der Waschzwang gekommen, ab 1990 habe er immer öfter Durchfall bekommen. Seit 1990 habe er auch deutliche Angst vor weiteren Kontaktgiften. Er habe größte Angst, durch andere Menschen mit deren Kot beschmutzt zu werden. Diese Angst sei während seiner Studienzeit immer schlimmer geworden. Wenn er sein sauberes Haus verlasse, bewege er sich praktisch immer in einer vergifteten Umgebung, was unglaublichen Stress auf ihn ausübe. Zu seiner Sicherheit trage er immer ein paar Kleider zum Wechseln mit sich herum.

Den psychopathologischen Befund hat der Gutachter wie folgt beschrieben: Der Kläger sei gepflegt und freundlich aufgetreten. Den angebotenen Stuhl habe er sehr genau auf Verschmutzungen untersucht und ihn dann ausgetauscht. Ein Hinweis auf kognitive Defizite habe sich nicht ergeben, in der Grundstimmung sei der Kläger etwas gedrückt gewesen, im Affekt nur verhalten ausschwingend, im Antrieb ungestört wirkend, jedoch offensichtlich behindert durch verschiedene Zwangsrituale, wobei inhaltlich eine Vielzahl von wahnhaften Verschmutzungs- und Vergiftungsängsten anklinge, dabei kein Hinweis auf Ich-Störungen oder halluzinatorisches Erleben. Der Kläger habe ein deutlich ausgeprägtes Krankheitsgefühl und wirke gequält durch die chronifizierten Zwangsrituale, die ihm den Alltag massiv erschweren würden.

Beim Kläger liege eine schwere Depression vor. Zumindest nach Entlassung aus dem Wehrdienst sei der Kläger mehrere Jahre schwer depressiv mit Antriebsstörung, Freudlosigkeit und auch immer wieder einschießenden Suizidgedanken gewesen. Bei der Untersuchung im August und Oktober 2010 habe sich die depressive Symptomatik nur noch in einer mittelgradigen Ausprägung gezeigt. Die psychiatrische Hauptdiagnose stelle eine schwere Zwangsstörung dar. Der Kläger habe über quälende Verschmutzungsgedanken berichtet und sich ständig der Gefahr ausgesetzt gesehen, mit den Fäkalien der ihn umgebenden Menschen beschmutzt zu werden. Er habe deshalb ein kompliziertes und komplexes System von Reinigungsritualen entwickelt. Auch die Nahrungsbeschaffung sei durch die Vergiftungsängste massiv erschwert. Die Zwangsstörung müsse als ausgeprägt eingeschätzt werden.

Die in der SVG-Akte geführte Hauptdiagnose einer paranoiden Schizophrenie erscheine nicht korrekt. Diagnostisch liege eine schwere, chronifizierte und von wahnhaften Gedanken begleitete Zwangsstörung vor. Eine Zwangsstörung könne mit einem unspezifischen psychosomatischen neurasthenischen Syndrom beginnen. Nach Angaben des Klägers sei es aber schon während der Wehrdienstzeit zu ersten Zwangshandlungen gekommen. Zusätzlich zur Zwangsstörung sei eine teilweise schwer ausgeprägte begleitende Depression zu diagnostizieren. Die Entstehungsbedingungen für eine Zwangsstörung würden in der Literatur als mulitfaktoriell bedingt beschrieben. Aus dem zeitlichen Ablauf der Krankheitsentwicklung müssten die Erfahrungen in der Zeit als Wehrpflichtiger als Hauptauslösefaktoren und damit als wesentlicher Entstehungsfaktor der manifesten psychischen Erkrankung gesehen werden. Die Erfahrungen des Klägers während des Grundwehrdienstes müssten als ursächlich auslösend für den Ausbruch der psychischen Erkrankung gesehen werden. Bei dem vorher psychisch unauffälligen Patienten markiere der Grundwehrdienst den Beginn einer manifesten Zwangsstörung und den Beginn einer manifesten Depression. Ein direkter wesentlicher ursächlicher Zusammenhang müsse angenommen werden. Die MdE erscheine mit 100 v.H. angemessen.

Während der Bundeswehrzeit - so der Sachverständige - sei der Kläger regelkonform behandelt worden. Behandlungsvorschriften zur Behandlung eines neurasthenischen Syndroms hätten damals nicht existiert. Hinweise für eine unsachgemäße Behandlung des unspezifischen Syndroms ergäben sich nicht.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat sich mit Schreiben vom 24.12.2010 auf dieses Gutachten gestützt und darauf hingewiesen, dass seiner Ansicht nach das Gutachten der Dr. P. schon alleine deshalb völlig unbrauchbar sei, weil es von falschen Diagnosen ausgegangen sei. Eine Sachverständige, die bei einem zu untersuchenden Probanden noch nicht einmal die Diagnostik beherrsche, könne schwerlich zu brauchbaren Ergebnissen kommen.

Beigeladener und Beklagte haben sich dem Gutachten des Dr. N. nicht anschließen können.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 29.07.2011 seine Ansicht mitgeteilt, dass das Gutachten der Dr. P. eine positive Vertragsverletzung darstelle und nur schwer nachvollziehbar sei, dass in einer bundeswehrspezifische Belastungen betreffenden Streitsache Gutachterinnen bzw. beratende Ärztinnen beteiligt seien, die einen Sachverhalt beurteilen sollten, den sie, wenn überhaupt, nur aus der Theorie kennen würden.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.10.2011 ist die Klage abgewiesen worden. Das Gericht hat dies sehr ausführlich begründet und sich dabei auf das Gutachten der Dr. P. gestützt.

Dagegen hat der Bevollmächtigte des Klägers Berufung eingelegt. Der Kläger habe nie eine paranoide Schizophrenie als Wehrdienstbeschädigung per se beantragt. Das Gericht bezweifle von vornherein, dass der Kläger überhaupt schädigenden Vorgängen im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG ausgesetzt gewesen sei, und meine, dies aus dem Sachverhalt ableiten zu können. Der Bevollmächtigte, der selbst 28 Dienstjahre bei Bundeswehr und Bundeswehrverwaltung hinter sich gebracht habe, wisse, wie selbst bei alltäglichen Dingen ein ungeheuerer Druck aufgebaut werden könne. Vor der Ableistung des Grundwehrdienstes sei der Kläger physisch und psychisch gesund gewesen. Dies sei durch das Musterungsergebnis und die Einberufung zu einem Eliteverband belegt. Da die geltend gemachten Erkrankungen erst während der Ableistung des Grundwehrdienstes aufgetreten seien, dürfte die Kausalität bewiesen sein. Wenn der Beklagte davon ausgehe, dass die wehrdienstbedingten Belastungen lediglich als Auslöser, nicht jedoch als Ursache für die psychosomatischen Beschwerden anzusehen seien, bleibe der Beklagte den Beweis für diese Hypothese schuldig. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger zu einer Eliteeinheit eingezogen worden sei. Dazu komme, dass aufgrund des NATO-Doppelbeschlusses infolge der Stationierung von SS-20-Mittelstreckenraketen sehr wohl jahrelang ein kriegsähnliches Belastungsklima geherrscht habe. Wenn ein Wehrpflichtiger keine Vorerkrankungen - auch keine latenten Erkrankungen - habe, dann aber schwer erkrankt aus dem Wehrdienstverhältnis entlassen werde, müssten die Ursachen einer solchen Erkrankung in den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen bzw. in speziellen Belastungen des Wehrdienstzeitraums gesucht werden.

Der Bevollmächtigte hat eine ergänzende Stellungnahme des zuvor vom Sozialgericht gemäß § 109 SGG gehörten Gutachters Dr. N. vom 22.11.2011 beigefügt, worin dieser empfohlen hat, einen weiteren Gutachter ins Spiel zu bringen, um die diametral unterschiedlichen diagnostischen Einschätzungen zu entscheiden. Eine weitergehende Begründung dazu, warum sich Dr. N. nicht der diagnostischen Einschätzung der Dr. P. anschließen hat können, enthält diese Stellungnahme nicht.

Im Schreiben vom 29.04.2012 hat der Bevollmächtigte des Klägers für diesen u.a. eine Beweiserleichterung nach § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) verlangt. Der Kläger sei psychisch so sehr geschädigt, dass er auf Dauer volle Erwerbsminderungsrente beziehe.

Weiter hat der Bevollmächtigte vorgetragen, dass sich auch die Klinik W., in der der Kläger im Jahr 2012 neun Tage stationär behandelt worden war, mit der Kausalität befasst habe und die Sachverständige Dr. P. mit ihren Hypothesen allein auf weiter Flur stehe.

Mit Schreiben vom 25.02.2013 hat er als Beleg für die von ihm unterstellte Fehldiagnose der Sachverständigen Dr. P. eine nervenärztliche Bescheinigung des Psychiaters Dr. F. vom 25.02.2013 übersandt, wonach dieser den Kläger seit dem 10.08.2012 wegen "einer schweren Zwangserkrankung mit Zwangsgedanken und -handlungen" behandle und der Kläger nicht persönlich vor Gericht erscheinen könne.

Der Kläger beantragt,
das "Urteil des Sozialgerichts München vom 02.11.2011" (so der Bevollmächtigte im Schreiben vom 04.12.2011 - gemeint sein kann nur der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 28.10.2011) und den Bescheid des Beklagten vom 13.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006 aufzuheben und - sinngemäß - den Beklagten zu verurteilen, die psychischen Gesundheitsstörungen als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und entsprechende Versorgung zu gewähren.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.

Der Senat hat die Versorgungsakten des Beklagten, die WDB-Akte der Beigeladenen und die Akten des Sozialgerichts München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.



Entscheidungsgründe:


Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 SGG vom 05.11.2012 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden können, da beide über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen eines Ausbleibens hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Gerichtsbescheid vom 28.10.2011 ist nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, beim Kläger eine Wehrdienstbeschädigung im Sinn des § 81 Abs. 1 SVG festzustellen und ihm Versorgung gemäß § 80 Satz 1 SVG zu gewähren.

Ein rechtlich relevanter Kausalzusammenhang zwischen der vom Kläger als Schädigungsfolge geltend gemachten psychischen Erkrankung und dem Wehrdienst lässt sich nicht herstellen.

Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids vom 28.10.2011 zurück und sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Der Kläger hat im Berufungsverfahren lediglich seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren und früher vorgebrachten Gründe wiederholt. Mit diesen Gründen hat sich das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid sehr ausführlich, erschöpfend und zutreffend auseinandergesetzt, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen.

Lediglich zur Verdeutlichung und leichteren Verständlichkeit für den Kläger weist der Senat auf Folgendes hin:

- Die gerichtliche Sachverständige Dr. P. hat - im Gegensatz zu dem gemäß § 109 SGG benannten Gutachter - die beim Kläger vorliegende psychische Störung den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG) (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az: B 2 U 1/05 R) folgend nach einem üblichen Diagnosesystem, hier des ICD-10, und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen eingeordnet, damit die Feststellung nachvollziehbar ist. Im Gegensatz zu dem vom Kläger gemäß § 109 SGG benannten Gutachter Dr. N. hat Dr. P. sehr ausführlich und überzeugend begründet, warum sie zur diagnostischen Einschätzung einer paranoiden Schizophrenie gekommen ist. Sie hat dabei eine Abgrenzung zu der anderen in Betracht kommenden Diagnose einer Zwangsstörung durchgeführt und erläutert, warum eine Zwangsstörung nicht zu diagnostizieren sei. Denn für eine Zwangsstörung sei - so die Sachverständige - charakteristisch die Einsicht in das Unvernünftige des eigenen Tuns und Handelns, was beim Kläger nicht der Fall sei. Vielmehr versuche er nur, mit zwanghaften Abwehrmechanismen die Angst im Rahmen des paranoiden Erlebens niedrig zu halten. Diese Feststellungen der Sachverständigen macht sich der Senat zu eigen. Sie stehen in Übereinstimmung mit der Begutachtungsliteratur. So haben Fritze, Mehrhoff, Die ärztliche Begutachtung, 7. Aufl. 2008, S. 689, Folgendes ausgeführt:
"Bei der Zwangsstörung prägen Zwangsgedanken, Zwangsbefürchtungen und Zwangshandlungen das Bild. Sie werden vom Kranken als unsinnig erkannt ..."

Wenn demgegenüber der Gutachter Dr. N. von einer Zwangsstörung ausgeht, kann dem der Senat wie schon das Sozialgericht nicht folgen. Denn Dr. N. hat keine Begründung geliefert, warum er diese Diagnose zugrunde legt. Dies verwundert insofern deshalb besonders, weil sich Dr. P. in dem zuvor erstellten Gutachten ausführlich mit der Abgrenzung der Diagnosen beschäftigt hat und nachvollziehbar und überzeugend begründet hat, warum von einer Zwangsstörung gerade nicht auszugehen ist. Wenn der anschließend gehörte Sachverständige Dr. N. keine Begründung für seine abweichende Diagnose liefert, deutet dies nach der Überzeugung des Senats ganz klar darauf hin, dass tatsächlich keine überzeugenden Argumente gefunden werden können, die an der diagnostischen Einschätzung der Sachverständigen Dr. P. auch nur ansatzweise Zweifel wecken könnten. Diese Überzeugung wird noch dadurch bekräftigt, dass Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 22.11.2011, die die Bevollmächtigten des Klägers zur Begründung der Berufung vorgelegt haben, lediglich empfohlen hat, einen weiteren Gutachter ins Spiel zu bringen, um die diametral unterschiedlichen diagnostischen Einschätzungen zu entscheiden. Offenbar bestehen selbst aus Sicht des Dr. N., keine nachvollziehbaren Argumente, die der Beurteilung der Dr. P. entgegen stehen. Denn anderenfalls hätte Dr. N. diese Gesichtspunkte selbst vorgebracht. Im Übrigen hat er im Gutachten gerade nicht beschrieben, dass der Kläger das von ihm praktizierte Verhalten als unsinnig erkannt habe. Dies wäre aber nach der oben zitierten Literatur Voraussetzung für die Diagnose einer Zwangsstörung. Der Senat kann sich schwerlich vorstellen, dass der Sachverständige Dr. N. dieses Standardwerk der Begutachtung nicht kennt. Warum er gleichwohl zu einer Diagnose gekommen ist, die nicht in Einklang mit der Vorgaben in der Literatur steht, ist nicht logisch begründbar. Entweder kennt der Sachverständige Dr. N. die elementaren Vorgaben der Diagnosestellung oder Begutachtung nicht, was seine Kompetenz grundlegend in Frage stellen würde, oder er ist trotz besseren Wissens zu einer falschen Einschätzung gekommen, möglicherweise um dem Kläger zu helfen und die tatsächlich zutreffende Einschätzung der Vorgutachterin zu entwerten.

Die Richtigkeit der Diagnosestellung der Sachverständigen Dr. P. wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Bevollmächtigte des Klägers Atteste behandelnder Ärzte vorgelegt hat, die von einer Zwangserkrankung nicht ausgehen. Keiner dieser Ärzte hat sich für das Gericht nachvollziehbar mit einer Abgrenzung der Diagnosen auseinander gesetzt oder begründet, warum nicht von einer paranoiden Schizophrenie, die im Übrigen auch vom Klägers selbst bei seinem Antrag vom 28.12.2005 so angegeben worden ist, auszugehen sei. Angesichts der überzeugenden Ausführungen der Dr. P. sieht der Senat keinerlei Anlass für weitergehende Ermittlungen. Dies gilt auch in Ansehung des Berichts der Klinik W. vom 21.03.2012 über den neuntägigen Aufenthalt im Jahr 2012. Sofern dort von einer Zwangsstörung ausgegangen wird, weil beim Kläger eine zwangstypische Distanzierungsfähigkeit gegeben sei, steht dies in Widerspruch zu den Feststellungen der Gutachterin Dr. P., die sich der Senat zu eigen macht. Diese hat ganz klar eine fehlende Einsicht des Klägers in das Unvernünftige des eigenen Tuns festgestellt. Diese überzeugende Feststellung steht dem Nachweis einer Zwangserkrankung entgegen. Ob der Kläger beim Aufenthalt in W. zweckgerichtete Angaben zu seinem Zwangsverhalten und der Einsicht darin gemacht hat, was angesichts der zuvor erfolgten klaren gutachterlichen Differenzierung durchaus naheliegend erscheint, kann letztlich dahingestellt bleiben.

- Der Kläger kann sich bei seiner Annahme eines Kausalzusammenhangs zwischen Wehrdienst und psychischer Erkrankung nicht auf den Bericht der Klinik W. vom 21.03.2012 stützen. Denn tatsächlich befasst sich dieser Bericht nicht mit der Kausalität der beim Kläger vorliegenden psychischen Erkrankung. Der Bericht der Klinik W. enthält lediglich eine Verlaufsbeschreibung der Krankheitsentwicklung des Klägers, die aber nichts mit der rechtlich wesentlichen Kausalität im Sinne des Versorgungsrechts zu tun hat. Im Übrigen gehen auch die Ärzte der Klinik W. davon aus, dass der Kläger bereits in seiner Teenager-Zeit eine überstarke Empfindlichkeit gegenüber Kränkungen aufgebaut habe, die sich dann während der Bundeswehrzeit verfestigt habe. Auch weitere belastende Ereignisse ("Frauenbeziehungen") halten die w. Ärzte für einen möglicherweise bedeutsamen Zusatzeffekt. Diese Einschätzung ist gut in Einklang zu bringen mit der sachverständigen Beurteilung der Dr. P., die die Geschehnisse während der Bundeswehrzeit allenfalls als rechtlich unwesentlichen Gelegenheitsanlass sieht.

- Wenn der Bevollmächtigte des Klägers wiederholt auf eine besondere Belastung des Klägers durch seinen Wehrdienst hinweist und dies mit der Zugehörigkeit zu einer "Eliteeinheit" begründet, was er selbst wegen seiner eigenen jahrzehntelangen Zugehörigkeit zu Bundeswehr und Bundeswehrverwaltung am besten beurteilen könne, kann dies den Senat, dessen Mitglieder alle bei der Bundeswehr und dies auch zu einer ähnlichen Zeit wie der Kläger gedient haben, nicht ansatzweise überzeugen und auch nur die geringsten Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung der Sachverständigen Dr. P. zur Kann-Versorgung gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG wecken. Ganz offensichtlich versteht der Bevollmächtige die vom BSG zur Kann-Versorgung aufgestellten Anforderungen falsch. Das BSG hat beispielsweise in dem bereits vom Sozialgericht zitierten Urteil vom 10.11.1993, Az.: 9/9a RV 41/92, zu den für die Kann-Versorgung erforderlichen Belastungen Folgendes ausgeführt:
"Die mit § 1 Abs 3 Satz 2 BVG eingeführte Anerkennung von Leiden, die nur möglicherweise auf bestimmte kriegsbedingte Belastungen zurückgehen, hat dieselbe Zielsetzung: Beweiserleichterung für außerordentliche Belastungen, die regelmäßig nur im Krieg oder in Kriegsgefangenschaft zu ertragen sind. Mit der hier einschlägigen Vorschrift des § 81 Abs 6 Satz 2 SVG soll die Beweiserleichterung auch auf solche Verhältnisse übertragen werden, in denen im Frieden kriegsähnliche Anforderungen gestellt werden. Die Beschränkung auf kriegsähnliche Belastungen entspricht auch dem Charakter dieser Vorschrift als Härtefallregelung. Sie war ursprünglich Teil der Härtefallvorschrift des § 89 BVG (vgl zur Geschichte Fehl/Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl § 1 RdNr 99). Sie ist auch nach der Übernahme in § 1 BVG und § 81 SVG eine Härtefallregelung geblieben (vgl Ausschuß-Bericht in BT-Drucks III, 1825 S 3). Sie ist auf Fälle beschränkt, in denen es eine Härte wäre, die Anerkennung der Krankheit von dem normalen Grad der Wahrscheinlichkeit abhängig zu machen. Eine Härte ist es aber nicht, den in einer zivilen Tätigkeit eingesetzten Soldaten ebenso zu behandeln wie einen Arbeitnehmer in einem zivilen Beruf."
Der Bevollmächtigte geht rechtsirrig davon aus, dass allein aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Einheit bei der Bundeswehr auf eine derartige kriegsähnliche Belastung geschlossen werden könne. Dies ist falsch. Vielmehr kommt es allein auf die vom individuellen Soldaten erlebten konkreten Belastungen an. Dass der Kläger selbst derartige kriegsähnliche Belastungen erfahren hätte, ist weder bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit im Rahmen seiner Bundeswehrzugehörigkeit naheliegend noch von ihm selbst behauptet worden. So war der Kläger nach der Grundausbildung überwiegend mit Bürotätigkeiten (Leitung des Freizeitbüros, S1-Büro) befasst. Zu den erlebten Belastungen hat er Strafdienste und eine schlechte Behandlung durch Vorgesetzte (z.B. Anschreien) angegeben. Auch der Hinweis des Bevollmächtigten auf ein seiner Meinung nach aufgrund des Nato-Doppelbeschlusses infolge der Stationierung von SS-20-Mittelstreckenraketen jahrelang herrschendes kriegsähnliches Belastungsklima kann den Senat nicht überzeugen. Denn würde man der Annahme des Bevollmächtigten folgen, würde die Regelung zur Kann-Versorgung im Gegensatz zu den klaren Vorgaben des Gesetzgebers und des BSG von einer Härtefallregelung für Fälle ganz besonderer Belastung zu einer "Standardregelung" für alle Soldaten über lange Jahre hinweg. Denn ein durch die Stationierung von SS-20-Mittelstreckenraketen geschaffenes Klima der Anspannung würde dann die Soldaten in ihrer Gesamtheit treffen, da sie alle beim Eintritt des Verteidigungsfalls gefordert wären und daher - würde man der Argumentation des Bevollmächtigten folgen - vorher in Befürchtung des Eintritts des Verteidigungsfall gleichermaßen belastet wären. Von einer kriegsähnlichen Belastung gehen daher sowohl die Sachverständige als auch der Senat zutreffend nicht aus.

- Wenn der vom Kläger gemäß § 109 SGG benannten Sachverständige von einem hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Wehrdienst und psychischer Erkrankung ausgeht, stützt er sich dabei im Wesentlichen nur auf den Gesichtspunkt eines zeitlichen Zusammenhangs. Dass dies allein für die Herstellung eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs nicht ausreicht, kommt in zahlreichen Urteilen zum Ausdruck (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 24.07.2012, Az.: B 2 U 9/11, und vom 09.05.2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Andere relevante Gründe für die Herstellung eines rechtlich wesentlichen Zusammenhangs kann Dr. N. nicht liefern.

- Für eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers, wie sie dessen Bevollmächtigter geltend macht, fehlt jegliche Rechtsgrundlage. Dies ist ständige Rechtsprechung des BSG, beispielsweise im Urteil vom 18.05.2006, Az.: B 9a V 2/05 R, in dem das BSG ausgeführt hat:
"Es ist in jahrzehntelanger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt, dass im sozialen Entschädigungsrecht (vgl dazu besonders BSG SozR 3850 § 52 Nr 1 S 3) eine Beweislastumkehr wie in Arzthaftpflichtprozessen grundsätzlich nicht zum Tragen kommt. Wie der erkennende Senat (zuletzt im Urteil vom 3. Februar 1999, BSGE 83, 279, 281 = SozR 3-3900 § 15 Nr 2) dargelegt hat, ist der Rechtsgedanke der Beweislastumkehr mehrfach erwogen, zumeist aber verworfen worden. Im Hinblick auf die Beweiswürdigung beim Ursachenzusammenhang ist in der Rechtsprechung entscheidend darauf abgestellt worden, dass schon das Gesetz den Beweismaßstab der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" genügen lässt und damit für die Betroffenen wesentlich erleichterte Anspruchsvoraussetzungen - auch im Vergleich zu den Beweisregeln im Zivilprozess - einräumt (vgl BSG SozR 4-3200 § 81 Nr 1 Rz 15; SozR 3-?3200 § 81 Nr 16; BSG SozR 3850 § 52 Nr 1). Auf dieser Grundlage hat es das BSG seit jeher abgelehnt, hinsichtlich der sog haftungsausfüllenden Kausalität (dem Zusammenhang zwischen primärer Schädigung und späterer Gesundheitsstörung) eine Beweislastumkehr zuzulassen (vgl BSG SozR 3100 § 1 Nr 31 = SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 3850 § 52 Nr 1, jeweils mwN). Auch zur sog haftungsbegründenden Kausalität - dh zu der Frage, ob das schädigende Ereignis den Eintritt des Primärschadens wesentlich verursacht hat (zur Problematik der Begrifflichkeit vgl BSG SozR 3-3200 § 81 Nr 16 S 74 f mwN) - genügt die Wahrscheinlichkeit (vgl BSG aaO S 75; so bereits für den Impfschaden: Senatsurteil vom 27. August 1998 - B 9 VJ 2/97 R, USK 98120); die frühere Auffassung, insoweit sei ein "Vollbeweis" erforderlich (vgl noch BSG SozR 3-3200 § 81 Nr 6), hat das BSG aufgegeben (vgl BSG SozR 3-3200 § 81 Nr 16 S 75). Folglich besteht auch in diesem Zusammenhang kein Grund für weiter gehende Beweiserleichterungen. Eine Differenzierung des Beweisgrades - je nachdem ob es um die haftungsbegründende oder -ausfüllende Kausalität geht - ist nicht angezeigt. Weder der vorliegende Sachverhalt noch das Revisionsvorbringen bieten Anlass dafür, diese geläuterte Rechtsauffassung in Frage zu stellen. Die vom BSG im Opferentschädigungsrecht ausnahmsweise zugelassene Beweiserleichterung (vgl BSGE 77, 1 = SozR 3-3800 § 1 Nr 4 ) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar; Gesichtspunkte, die für die Annahme einer solchen besonderen Konstellation sprechen könnten (vgl Urteil vom 27. August 1998 aaO), sind weder vorgetragen worden oder sonst erkennbar."

- Die Frage einer Beweiserleichterung im Sinne des § 15 KOVVFG, die der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 29.04.2012 geltend gemacht hat, stellt sich nicht. Denn vorliegend gibt es keinerlei Angaben des Klägers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, für die keine Unterlagen vorhanden oder nicht zu beschaffen wären. Denn die tatsächlichen Angaben des Klägers zu den von ihn behaupteten Belastungen während der Bundeswehrzeit sind ohnehin als zutreffend unterstellt worden. Daran, dass sich aus diesen Angaben eine Belastung nicht ergibt, die geeignet wäre, die beim Kläger vorliegende psychische Erkrankung rechtlich wesentlich zu verursachen, könnte auch § 15 KOVVFG nichts ändern.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Berufung keinen Erfolg haben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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