S 1 SO 2746/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 2746/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Keine Leistung für Wohnungserstausstattung einer Wohnung aus Mitteln der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei Bedarfsdeckung bereits vor Antragstellung beim Grundsicherungsträger.

Liegen die Voraussetzungen für eine Wohnungserstausstattung vor, besteht auf diese Hilfeleistung ein Rechtsanspruch. Der Grundsicherungsträger hat insoweit zwar kein Handlungs-, wohl aber ein Auswahlermessen, ob er den Bedarf durch eine Geld- oder Sachleistung deckt.

Die Verweisung auf die Anschaffung von Gebrauchtmöbeln ist zulässig.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für die Erstausstattung einer Wohnung mit Küchenmöbeln i.H.v. 2.900,00 EUR aus Mitteln der Sozialhilfe.

Der 1942 geborene Kläger mietete zum 01.10.2012 eine 4-Zimmer-Wohnung im Anwesen S-straße 36, M.-V., an. Der tatsächliche Einzug in diese Wohnung erfolgte seinen Angaben zufolge bereits am 27.09.2012. Über den anstehenden Umzug von seiner früheren Wohnung in diese Wohnung hatte der Kläger den beklagten Sozialhilfeträger bereits im März 2012 informiert. Der Beklagte hatte ihm zur Deckung der Umzugskosten auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags ein zinsloses Darlehen aus Mitteln der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des Vierten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) gewährt (Bescheid vom 14.05.2012).

Am 28.08.2012 stellte der Kläger beim Beklagten den Antrag, auch die Kosten für die Anschaffung einer Einbauküche darlehensweise aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen. Hierzu legte er den von ihm unterzeichneten Kaufvertrag mit der Firma M., K., vom 04.08.2012 über 2.900,00 EUR vor; nach diesem Kaufvertrag war außerdem bis zum 25.08.2012 eine Anzahlung i.H.v.1.459,93 EUR auf den Kaufpreis zu leisten. Auf Anfrage des Beklagten teilte der Kläger ergänzend mit, sein früherer Vermieter habe ihm die Küchenmöbel in der bisherigen Wohnung mit Ausnahme einer Dunstabzugshaube, des Kühlschranks und des Elektroherdes kostenfrei überlassen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung seien nur auf Antrag zu gewähren. Zum Zeitpunkt des Antragseingangs im August 2012 habe der Kläger den Kaufvertrag für die Einbauküche bereits unterschrieben und eine Anzahlung auf den Kaufpreis geleistet gehabt. Damit sei zu diesem Zeitpunkt sein grundsicherungsrechtlicher Bedarf an Küchenmöbeln bereits gedeckt gewesen. Sofern der Kläger die Zahlung nicht aus eigenen Mitteln habe vornehmen können, hätte er ihn - den Beklagten - rechtzeitig zuvor informieren müssen. Im Nachhinein könne er keine Leistung mehr erbringen. Überdies gehöre der Kauf einer neuen Einbauküche nicht zum notwendigen Lebensunterhalt; dieser begrenze sich allenfalls auf gebrauchte Einrichtungsgegenstände, weshalb er - der Beklagte - den Antrag auch bei rechtzeitiger Antragstellung abgelehnt hätte (Bescheid vom 24.09.2012).

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, der Beklagte sei zu Unrecht von einer Bedarfsdeckung im Antragszeitpunkt ausgegangen. Vielmehr sei er aufgrund der langen Lieferzeiten gezwungen gewesen, den Kaufvertrag zu unterschreiben. Die Anzahlung habe er "mit geliehenen Geld" beglichen. Auch dies stehe einer Bedarfsdeckung entgegen. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück: Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung könne er im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch erbringen, wenn der Hilfesuchende nicht im laufenden Leistungsbezug stehe. Der Kläger habe auch einen grundsätzlichen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für den Erwerb von Küchenmöbeln, da er über solche bislang nicht verfügt habe und die Küchenmöbel in seiner alten Wohnung der dortige Vermieter gestellt habe. Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung könne er als Sach- oder Geldleistung erbringen. Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sei ein sozialhilferechtlicher Bedarf an Möbeln auch durch Gebrauchtmöbel zu decken. Die Beschaffung funktionsfähiger Gebrauchtmöbel sei zumutbar und bedarfsdeckend. Deshalb sei es dem Sozialhilfeträger überlassen, ob er die Beihilfe durch eine Auftragserteilung an einen örtlichen Gebrauchtwarenhändler oder durch Gewährung eines pauschalen Geldbetrages erbringe. Bei einer Selbstbeschaffung müsse der Hilfesuchende die anfallenden Kosten jedoch zuvor durch den Sozialhilfeträger genehmigen lassen. Der Kläger habe es indes versäumt, ihn - den Beklagten - über die Notwendigkeit der Anschaffung von Küchenmöbeln zu informieren. Den Antrag auf Kostenübernahme habe er erst nach Unterzeichnung des Kaufvertrages und Leistung einer Anzahlung gestellt. Damit habe er ihm die Möglichkeit genommen, eine Leistung in Form von Gebrauchtmöbeln bringen. Eine solche Leistung wäre nach einer von ihm durchgeführten Internet-Recherche deutlich günstiger gewesen als der Kauf einer neuen Einbauküche. Da der Kläger den Antrag erst nach dem Kauf der Küche gestellt habe, sei eine Übernahme der Beschaffungskosten von vornherein nicht möglich (Widerspruchsbescheid vom 04.07.2013).

Deswegen hat der Kläger am 05.08.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er sei wegen der Kündigung seiner früheren Wohnung gezwungen gewesen, für seine neue Wohnung eine Einbauküche anzuschaffen. Dies sei dem Beklagten bekannt bereits seit Mai 2011 gewesen. Über die Möglichkeit der Anschaffung gebrauchter Küchenmöbel habe dieser ihn zu keinem Zeitpunkt informiert. Bis zu der Entscheidung des Beklagten sei es ihm auch nicht möglich oder zumutbar gewesen, ohne Küche zu leben.

Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,

den Bescheid vom 24. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Juli 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung einer Einbauküche in Höhe von 2.900,00 EUR darlehensweise aus Mitteln der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu übernehmen.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich auch nicht zur Sach- und Rechtslage geäußert.

Mit Schreiben vom 02.09.2013 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. An dieser Absicht hat die Kammer in ihrem weiteren Schreiben vom 30.09.2013 festgehalten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer neuen Einbauküche aus Mitteln der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Hierüber konnte die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

1.) Der 1942 geborene Kläger gehört grundsätzlich zu dem Personenkreis, der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter nach den Bestimmungen des Vierten Kapitels SGB XII hat (§ 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB XII), soweit er sozialhilfebedürftig ist (§ 19 Abs. 2 SGB XII). Die Leistungen der Grundsicherung im Alter umfassen u. a. gemäß § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels SGB XII. Hierzu gehören nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII Leistungen für die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten. Solche Leistungen werden auch erbracht, wenn einer Person, die Sozialhilfe beansprucht (nachfragende Person), keine Regelsätze zu gewähren sind, wenn sie diese nicht aus eigenen Kräften und Mitteln vollständig decken kann (§ 31 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII). Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden - anders als die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII (§ 18 Abs. 1 SGB XII) - indes nur auf Antrag erbracht, wie sich aus dem Wortlaut von § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ergibt.

Orientiert an diesen rechtlichen Bestimmungen hat der Beklagte durch die angefochtenen Bescheide zu Recht die Übernahme von Kosten für die Anschaffung einer neuen Einbauküche für die jetzige Wohnung des Klägers aus Mitteln der Grundsicherung im Alter abgelehnt. Denn im Zeitpunkt der Antragstellung beim Beklagten am 28.08.2012 hat der Kläger die Einbauküche durch Unterzeichnung des entsprechenden Kaufvertrages mit der Firma M. und Leistung einer Anzahlung in Höhe von etwas mehr als der Hälfte des Gesamtkaufpreises bereits angeschafft, mithin seinen grundsicherungsrechtlichen Bedarf für die Wohnungserstausstattung schon gedeckt (vgl. hierzu SG Aachen vom 22.02.2011 - S 20 SO 142/10 - (Juris)). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer voll inhaltlich Bezug auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ihrer Entscheidungsgründe ab (analog § 136 Abs. 3 SGG).

2.) Ergänzend ist im Hinblick auf das Klagevorbringen darauf hinzuweisen, dass eine - wie zuletzt noch geltend gemacht - Antragstellung bereits am 03.05.2011 aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht zur Überzeugung des Gerichts erwiesen ist. Denn der über diese Vorsprache angefertigte handschriftliche Aktenvermerk eines Mitarbeiters des Beklagten bietet für eine solche Antragstellung keinen Anhalt. Auch in der Folgezeit bis Ende August 2012 war Gegenstand der weiteren persönlichen Unterredungen und des Schriftwechsels der Beteiligten allein die Übernahme von Mietrückständen für die frühere Wohnung und der Umzugskosten in die jetzige Wohnung des Klägers aus Sozialhilfemitteln.

Will ein Hilfesuchender einen Bedarf an Möbeln durch Selbstschaffung decken, muss er die hierfür anfallenden Kosten zuvor beim Sozialhilfeträger genehmigen lassen (vgl. SG Aachen, a.a.O.). Durch Unterzeichnung des Kaufvertrages bereits am 04.08.2012 und Leistung der Anzahlung auf den Kaufpreis in Höhe von mehr als dessen Hälfte spätestens zum 25.08.2012, beides mithin vor Eingang des Leistungsantrags am 28.08.2012, hatte der Kläger dem Beklagten indes von vornherein die Möglichkeit genommen, eine Bedarfsdeckung durch eine entsprechende Sachleistung herbeizuführen. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Wohnungserstausstattung als einmaliger Bedarf vor, hat der Hilfesuchende auf diese Leistung einen Rechtsanspruch. Dieser Anspruch ist im Sinne eines unbedingten Rechtsanspruchs zu realisieren, eine Darlehensgewährung kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. BSG vom 20.08.2009 - B 14 AS 45/08 R - (Juris)). Insoweit besteht kein Handlungsermessen des Hilfeträgers (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), wohl aber ein Auswahlermessen dahingehend, ob er diesen Bedarf durch eine Geld- oder Sachleistung deckt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und 3 SGB XII; vgl. hierzu BSG vom 20.08.2009 - B 14 AS 45/08 R - (Juris)). Der Anspruch auf eine Wohnungserstausstattung umfasst zudem nur eine angemessene Ausstattung, die den grundlegenden Bedürfnissen genügt und im untersten Segment des Einrichtungsniveaus liegt. Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten kann der Hilfebedürftige deshalb auf die Anschaffung von gebrauchten Möbeln verwiesen werden (vgl. BSG 13.04.2011 - B 14 AS 53/10 R - (Juris)); dies entspricht durchaus den Lebensgewohnheiten gering verdienender Bevölkerungskreise (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 30.06.2009 - L 3 AS 110/09 -; LSG Sachsen-Anhalt vom 09.06.2011 - L 5 AS 170/11 B-ER - und vom 24.11.2011 - L 2 AS 81/08 - sowie LSG Hamburg vom 15.03.2012 - L 4 AS 40/09 - m.w.N. (jeweils Juris)). Der Kauf neuer Küchenmöbel liegt indes deutlich über diesem Niveau und überschreitet deshalb das Maß des sozialhilferechtlich Angemessenen. Gebrauchte Einbauküchen werden in ausreichendem Umfang zum Kauf angeboten, wie sich aufgrund des Ergebnisses der vom Beklagte durchgeführten Internetrecherche ergibt; sie stehen damit zur Bedarfsdeckung kurzfristig und zu einem Preis zur Verfügung, der deutlich unter dem für die Anschaffung von Neumöbeln liegt.

Überdies will der Kläger die Anzahlung auf den Kaufpreis zwar "aus geliehenem Geld" vorgenommen haben; einen entsprechenden Darlehensvertrag hat er indes nicht vorgelegt und ebenso wenig vorgetragen, dass eine eventuelle Darlehensgewährung durch Dritte im Vorgriff auf zu erwartende Hilfeleistungen des Grundsicherungsträgers erfolgt ist, was ggf. der Annahme einer Bedarfsdeckung entgegenstünde. Gegen Letzteres spricht zudem nach Ansicht des erkennenden Gerichts der Umstand, dass die Kaufpreisanzahlung bereits vor der Antragstellung beim Beklagten erfolgte.

3.) Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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