L 16 R 1039/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 R 279/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1039/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der 1936 geborene Kläger erwarb in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach Besuch der Ingenieurschule für Schwermaschinenbau W die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieur der Fachrichtung Schienenfahrzeuge" zu führen (Urkunde vom 1. Juli 1961). Der Kläger war ab 1. Juli 1961 wie folgt beschäftigt: bis 12. Februar 1963 bei dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Fabrik für Präzisionsschlösser P-B bzw. dem Nachfolgebetrieb B GmbH (Technologe) und vom 4. März 1963 bis 1. Juni 1990 bei dem VEB Geräte- und Reglerwerk (GRW) T (Maschinenschlosser, stellvertretender Produktionsleiter, Bereichsleiter, Planungsleiter, Abteilungsleiter). Zum 2. Juni 1990 meldete der Kläger sich arbeitslos. Die Beendigung der Rechtsfähigkeit des VEB GRW T wurde am 26. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen, zeitgleich mit der Eintragung der Nachfolgeunternehmen GRW T GmbH, Gerätewerk B GmbH und Gerätewerk T GmbH. In die Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR war der Kläger ab 1. Januar 1978 einbezogen. Er hatte keine Versorgungszusage erhalten.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2001 hatte die Beklagte nach Maßgabe des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) die Zeiten vom 1. Juli 1961 bis 31. Dezember 1962 und vom 4. März 1963 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur Zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI; Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festgestellt.

Auf den Antrag des Klägers auf Berücksichtigung höherer Entgelte (Jahresendprämien) vom Januar 2008 erteilte die Beklagte den Bescheid vom 13. September 2010, mit dem sie die Berücksichtigung höherer Entgelte ablehnte und zugleich feststellte, dass das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar und der Bescheid vom 26. Januar 2001 rechtswidrig sei, aber nicht nach § 45 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zurückgenommen werden könne. Da das AAÜG auf den Kläger, der am Stichtag (30. Juni 1990) nicht mehr bzw. nicht mehr in einem VEB der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen sei, keine Anwendung finde, seien zu Unrecht Zugehörigkeitszeiten zur AVTI festgestellt worden. Da eine Rücknahme des Feststellungsbescheides nicht mehr in Betracht komme, verbleibe es bei den objektiv rechtswidrig berücksichtigten Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG. Eine Berücksichtigung weiterer Entgelte sei indes gemäß § 48 Abs. 3 SGB X ausgeschlossen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011).

Das Sozialgericht (SG) P hat die zuletzt (nur) noch auf Aufhebung der Feststellung der Beklagten, das AAÜG sei auf den Kläger nicht anwendbar und der Bescheid vom 26. Januar 2001 sei rechtswidrig, gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 2012). Zur Begründung ist ausgeführt: Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2011 sei in dem noch angefochtenen Umfang nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe darin zu Recht festgestellt, dass das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar sei und der Bescheid vom 26. Januar 2001 objektiv rechtswidrig sei, von dessen Rücknahme angesichts der verstrichenen Frist des § 45 Abs. 3 SGB X aber abgesehen. Der Kläger sei am Stichtag nicht mehr in einem VEB der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen. Die Rechtsfähigkeit des VEB GRW T habe mit der Eintragung in das Handelsregister am 26. Juni 1990 geendet. Im Übrigen habe es sich bei diesem VEB auch nicht um einen Betrieb gehandelt, dem die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben habe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seine Schriftsätze vom 14. Dezember 2012, 10. Februar 2013 und 28. Mai 2013 wird Bezug genommen.

Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts P vom 19. Oktober 2012 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2011 aufzuheben, soweit die Beklagte darin festgestellt hat, dass das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz auf den Kläger nicht anwendbar und der Bescheid vom 26. Januar 2001 rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Zusatzversorgungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2013 ist in dem vorliegend nur zur Prüfung stehenden Umfang nicht zu beanstanden. Die von dem Kläger beanstandeten Feststellungen der Beklagten sind zutreffend.

Die Beklagte hat zum Einen beanstandungsfrei festgestellt, dass das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar ist (§ 1 AAÜG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, ist das AAÜG, nach dem der Kläger die Feststellung weiterer Entgelte während der - von der Beklagten objektiv rechtswidrig vorgemerkten (vgl. Bescheid vom 26. Januar 2001) - Zugehörigkeitszeiten zur AVTI begehrt hatte, auf Personen schlechterdings nicht anwendbar, die - wie der Kläger - in kein Versorgungssystem der DDR einbezogen waren und am maßgeblichen Stichtag, dem 30. Juni 1990, nicht in einem VEB der Industrie oder des Bauwesens bzw. einem diesen Betrieben gleichgestellten Betrieb beschäftigt waren (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R - juris - m.w.N. aus der stRspr des BSG). Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger, der ausweislich des vorliegenden Sozialversicherungsausweises und auch noch seines eigenen Vorbringens im Schreiben an die Beklagte vom 4. August 2009 nur bis 1. Juni 1990 bei dem VEB GRW T beschäftigt war und sich am 2. Juni 1990 arbeitslos gemeldet hatte, am 30. Juni 1990 überhaupt noch in einem Beschäftigungsverhältnis stand. Denn jedenfalls kann dies bei dem VEB GRW T schon deshalb nicht mehr der Fall gewesen sein, weil die Beendigung der Rechtsfähigkeit dieses - nach Maßgabe der Verordnung über die Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (GBl. der DDR I S 107) - umgewandelten Betriebes bereits am 26. Juni 1990 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen wurde. Der Kläger war daher am 30. Juni 1990 jedenfalls nicht mehr bei einem VEB - und auch nicht bei einem gleichgestellten Betrieb - beschäftigt. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil nimmt der Senat insoweit (S 3 Absatz 1 Zeile 1 der Entscheidungsgründe bis S 6 6 letzte Zeile der Entscheidungsgründe) gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von weiteren Ausführungen in der Sache ab.

Die Beklagte hat auch zu Recht davon abgesehen, den Bescheid vom 26. Januar 2001 zurückzunehmen, weil die entsprechende Rücknahmefrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X von zwei Jahren seit der Bekanntgabe bereits abgelaufen war. Demgemäß hat sie zutreffend verlautbart, dass der Bescheid vom 26. Januar 2001 rechtswidrig ist, es aber - den Kläger objektiv rechtswidrig begünstigend - bei den "rechtswidrig festgestellten Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG" verbleibt. Eine positive, objektiv rechtswidrige, die Beteiligten und auch das Gericht gleichwohl bindende (vgl. § 77 SGG) Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG hatte die Beklagte in dem Bescheid vom 26. Januar 2001 gerade nicht getroffen.

Soweit der Kläger rügt, bei anderen Versicherten, die keine Überprüfungsanträge gestellt hätten, bleibe es bei der Begünstigung auch für die Zukunft, folgt hieraus kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz. Denn auf eine Gleichbehandlung im Unrecht kann sich der Kläger nicht berufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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