Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 16 U 2059/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 231/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. August 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Zahlung einer Unfallrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles vom 3. Mai 1995.
Der Kläger war als Be- und Entladerarbeiter in der Paketverteilanlage der C. AG am CC. C-Stadt beschäftigt, wo am 3. Mai 1995 eine Paketsendung explodierte, wobei von 17 Beschäftigten zwei schwer verletzt wurden und eine getötet wurde. Der Kläger hatte einen Lkw mit Rollbehältern entladen, die Rollbehälter bis zum Codierband geschoben und befand sich auf dem Rückweg zum Lkw, als die Explosion sich 5 bis 6 m hinter ihm ereignete. Der Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Arzt Dr. D., HNO-Universitätsklinik Frankfurt am Main, diagnostizierte am Unfalltag ein Knalltrauma beiderseits, eine Hörminderung sowie ein Ohrgeräusch (Tinnitus). Der Kläger wurde am 10. Juli 1995 wieder arbeitsfähig. Seit Anfang des Jahres 2002 ist er von der Arbeit freigestellt und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente des Arbeitgebers ab 1. Februar 2006.
Am 8. November 2001 wandte der Kläger sich an die Beklagte mit dem Antrag, ihm eine Unfallrente zu gewähren, da er noch an den Folgen des Arbeitsunfalles leide. Er legte den Bericht des HNO-Arztes Dr. E. vom 20. September 2001 vor.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Betriebskrankenkasse Post (BKK Post) für die Zeit ab 10. September 1990 bei sowie Berichte des Hausarztes Dr. F. vom 19. März 2002, des Allgemeinmediziners J. vom 22. April 2002, der ihn vom 6. Juni 1995 bis 28. Februar 2000 wegen starker Hörminderung und Tinnitus nach Knalltrauma behandelt hatte, und des Orthopäden Dr. K. vom 25. März 2002. Der Kardiologe Dr. L. stellte in seinem Bericht vom 6. Oktober 1999 als Diagnosen Verdacht auf instabile Angina pectoris nach Herzinfarkt sowie Diabetestest und beschrieb starke Alpträume nach einem Bombenanschlag 1995. Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hatte den Kläger ab 22. Mai 1995 behandelt und erteilte hierüber die Berichte vom 18. April 2002 und vom 20. Oktober 2003.
Sodann ließ die Beklagte das hno-ärztliche Gutachten des Dr. M. vom 10. Oktober 2002 sowie das Gutachten auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet des Prof. N., Chefarzt der neurologisch-psychiatrischen Klinik des Horst-Schmidt-Klinikums Wiesbaden, vom 24. April 2003 erstatten. Dr. M. ging davon aus, dass das Knalltrauma zu einer symmetrischen Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits im höheren Frequenzbereich geführt habe, verbunden mit einem anfallsweise auftretenden Ohrgeräusch (Tinnitus). Dabei handele es sich um einen Dauerzustand, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 10 v.H. bewirke. Prof. N. diagnostizierte eine mittelgradige posttraumatische Schlaf- und Angststörung, die er als Folge des Arbeitsunfalles ansah und mit einer MdE von 20 v.H. bewertete. Die Beklagte holte zu den Gutachten die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. O., Diplom-Psychologe und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vom 8. Juli 2003 ein. Prof. O. beanstandete, dass die von Prof. N. übermittelte Diagnose dem internationalen Diagnosesystemen nicht entspreche. Aktuell sei beim Kläger von geringen Restbefunden einer im Wesentlichen abgeklungenen PTBS auszugehen. Die MdE sei hierfür mit 10 v.H. einzuschätzen. In dieser Höhe sei auch die Gesamt-MdE zu bewerten ausgehend davon, dass auf hno-ärztlichem Gebiet anerkannte Unfallfolgen mit keiner relevanten MdE einzuschätzen seien. Mit Bescheid vom 25. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 hat die Beklagte das Ereignis vom 3. Mai 1995 als Arbeitsunfall anerkannt und als Unfallfolgen nach Knalltrauma an beiden Ohren festgestellt: Geringe Reste einer weitgehend abgeklungenen posttraumatischen Belastungsstörung mit zeitweise und nur teilweise ereignisbezogenen Albträumen sowie spezifischen ereignisbezogenen Ängsten vor Paketen; symmetrischer Schallempfindungsschaden in höheren Frequenzen beider Ohren mit anfallsweisem Tinnitus. Nicht unfallbedingt bestünden beim Kläger ein Diabetes mellitus, Herzbeschwerden, ein Cervical- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit rezidivierenden Beschwerden und Bandscheibenvorfall, eine Periarthrose beider Schultergelenke, ein Sulcus-Ulnaris-Syndrom links, eine Femorpatellargelenkarthrose beidseits sowie eine Schädigung des Nervus cutaneus lateralis beidseits. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht in rentenberechtigendem Grade über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld hinaus gemindert. Der Widerspruchsbescheid vom 21. April 2004 wurde am 22. April 2004 an den Kläger abgesandt und ihm laut Postzustellungsurkunde am 23. April 2004 übergeben.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2004, der am Dienstag, dem 1. Juni 2004 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) einging, hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er hat sein Klagebegehren gestützt auf das Gutachten des Prof. N. und ein weiteres Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 27. Mai 2005.
Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakte des Klägers vom Versorgungsamt Frankfurt am Main beigezogen sowie eine Archivakte zum Aktenzeichen S 16 U 1355/01 und hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 28. August 2006 die Klage abgewiesen. Der Kläger zeige keine schwerwiegenden neurologisch-psychiatrischen Befunde, wie die Berichte des Dr. H. bestätigten und wie Prof. O. als Beratungsarzt ausgeführt habe. Der Kläger habe keine Psychotherapie beansprucht und sei nie in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Das Verwaltungsverfahren zur Entschädigung seiner seelischen Störung habe auch erst im November 2001 begonnen. Eine PTBS beginne wenige Tage oder Wochen nach einem Unfall, nicht aber sechseinhalb Jahre später. Dies passe nicht zusammen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 5. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 4. Oktober 2006 Berufung eingelegt mit der Begründung, das Sozialgericht irre bereits insofern, als die Beklagte eine PTBS als Unfallfolge anerkannt habe. Entgegen Prof. O. bestünden nicht nur geringe Restsymptome der Erkrankung. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. H. widerlege diese Annahme.
Das Berufungsgericht hat die Unterlagen des Hausarztes Dr. F. beigezogen, der den Kläger bis Herbst 2006 behandelt hatte, des Weiteren einen Bericht des HNO-Arztes Dr. E. vom 7. März 2007, der Fremdbefunde beigefügt hat, sowie Behandlungsunterlagen der Hausärztin Dr. G., der Nachfolgerin des Dr. F. Dr. H. hat den weiteren Bericht vom 16. April 2007 erstattet und den zum Az.: S 16 U 1355/01 des Sozialgerichts erstatteten Bericht vom 11. Juli 2001 übersandt. Zudem hat das Berufungsgericht die Rentenakte des Klägers von der Deutschen Rentenversicherung Hessen sowie die Schwerbehindertenakte vom Versorgungsamt Frankfurt am Main beigezogen.
Die Beklagte hat die Unterlagen beratungsärztlich auswerten lassen und die Stellungnahmen des Prof. O. vom 3. August 2007 auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet sowie des HNO-Arztes Dr. P. vom 10. September 2007 übersandt. Prof. O. geht davon aus, dass vor allem auf Grund des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. Q. nur von Restsymptomen einer PTBS ohne MdE für den Bereich der Unfallversicherung auszugehen sei. Dr. P. hat auf unfallunabhängige Hörschäden beim Kläger hingewiesen. In einer weiteren Stellungnahme vom 29. September 2007 hat Prof. O. die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet mit 10 v.H. sowie auch unter Einschluss der HNO-Unfallfolgen insgesamt mit demselben Grad eingeschätzt.
Das Berufungsgericht hat sodann das weitere Gutachten des Prof. N. vom 15. April 2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 25. Januar 2010 eingeholt. Als Unfallfolge sieht Prof. N. nach erneuter Untersuchung des Klägers eine psychisch emotionale Beschwerdesymptomatik in Form von Albträumen, Schlafstörungen, Phobien vor Geräuschen und Paketen nach PTBS (G 43.1). Das Trauma habe zu einer PTBS geführt, die weitgehend abgeklungen sei und sich noch in gelegentlichen Albträumen und Ängsten vor lauten Geräuschen und Paketen äußere. Eine Anpassungsstörung (G 43.2) mit sozialen Phobien (F 40.1) und generalisierenden Ängsten (F 41.1) bei organischer Erkrankung bezeichnet er als nicht unfallbedingtes Leiden. Die überwiegenden psychischen Beschwerden und Ängste seien auf psychosoziale Belastungen, einen Rentenwunsch des Klägers sowie Ängste vor einer Verschlimmerung bestehender organischer Erkrankungen bis hin zu Todesängsten zurückzuführen. Diese seien unabhängig vom Trauma zu sehen. Hinweise auf eine psychische Vorerkrankung ergäben sich beim Kläger nicht, der über eine empfindsame Persönlichkeitsstruktur verfüge. Der heutige Stand der Restsymptomatik nach PTBS sei seit 2004 anzunehmen. Die weiteren psychischen Symptome mit sozialen Ängsten hätten sich seit 2000 entwickelt. Zu Todesängsten sei es spätestens seit der Bypass-Operation im Jahr 2006 gekommen. Das danach fortbestehende psychoreaktive Störungsbild nach PTBS sei deutlich überlagert durch somatoforme und psychosoziale Faktoren. Die unfallbedingte MdE liege nach Förster u.a. 2007 bei 10 v.H. Die Hochtonschwerhörigkeit bedinge eine MdE von unter 10 v.H. Er schlug danach eine MdE von 20 v.H. für die ersten beiden Jahre nach dem Unfallereignis unter Berücksichtigung der Aufzeichnungen des behandelnden Psychiaters Dr. H. vor und im Anschluss in Höhe von 10. v.H.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 zu verurteilen, ihm wegen einer fortbestehenden Symptomatik nach posttraumatischer Belastungsstörung eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 10. Juli 1995 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und das Gutachten des Prof. N. vom 15. April 2008 insoweit nicht für überzeugend, als er eine MdE von 20 v.H. für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren vorgeschlagen hat. Dazu bezieht sie sich auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Prof. R. vom 25. September 2008.
Mit gerichtlichem Hinweis vom 10. August 2010 wurden die Beteiligten über die eventuelle Klagefristversäumnis informiert sowie um Stellungnahme gebeten. Der Klägerbevollmächtigte hat hierzu im Senatstermin vorgetragen, es lasse sich nicht mehr aufklären, warum die am 17. Mai 2004 verfasste Klageschrift erst am 1. Juni 2004 bei Gericht eingegangen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen sowie auf die beigezogenen und in Auszügen zum Bestandteil der Gerichtsakte gemachten Akten der Deutschen Rentenversicherung Hessen sowie des Versorgungsamtes Frankfurt am Main, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene zulässige (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz, SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Denn der Kläger hat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 23. April 2004 mit der Klageschrift vom 17. Mai 2004, die erst am 1. Juni 2004 beim Sozialgericht einging, die einmonatige Klagefrist (§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG) nicht gewahrt. Auf den hierzu am 10. August 2010 ergangenen gerichtlichen Hinweis konnte der Bevollmächtigte des Klägers keine Gründe vorbringen, die eine Wiedereinsetzung nach § 67 Abs. 1 SGG hätten rechtfertigen können. Er kann sich die Fristversäumnis nicht erklären, so dass die Klage unzulässig gewesen ist.
Im Hinblick auf die erst verspäteten berufungsgerichtlichen Feststellungen zum Klagefristversäumnis und die deswegen im Berufungsverfahren durchgeführten sachlichen Ermittlungen bleibt in der Sache auszuführen, dass der Kläger nach Würdigung aller erhobenen Beweise die Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung einer Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB 7 nicht ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 10. Juli 1995 erfüllt. Er hatte infolge des schweren Explosionstraumas vom 3. Mai 1995 einen Hörschaden mit Tinnitus davongetragen, den die Beklagte in Übereinstimmung mit dem HNO-Arzt Dr. M. im Gutachten vom 10. Oktober 2002 als Folge des Arbeitsunfalles vom 10. Juli 1995 festgestellt hat. Eine relevante MdE war nach dem Gutachten des Dr. M. für die Unfallfolgen auf hno-ärztlichem Gebiet nicht anzunehmen. Mit Bescheid vom 25. September 2003 erkannte die Beklagte als weitere Unfallfolge Restbefunde einer weitgehend abgeklungenen PTBS an. Prof. N. hat sein Gutachten vom 24. April 2003 im weiteren Gutachten vom 15. April 2008 teilweise korrigiert und geht in Übereinstimmung mit Prof. O. nunmehr für den Zeitraum ab dem dritten Jahr nach dem Unfall gleichfalls nur noch von Restbefunden einer PTBS aus mit seltenen Albträumen, Schlafstörungen und Phobien vor Geräuschen und Paketen, die er mit einer nicht rentenberechtigenden MdE von 10 v.H. ebenso wie Prof. O. bewertet. Zwischenzeitlich ist es nach Überzeugung des Prof. N. zu einer Überlagerung der PTBS-Reststörung durch unfallunabhängige soziale Phobien, Todesängste wegen gravierender unfallunabhängiger Erkrankungen verbunden mit leichter Depressivität infolge psychosozialer Belastungen und einen Rentenwunsch des Klägers gekommen.
Soweit Prof. N. seinen Vorschlag zur Gewährung einer Rente nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 10. Juli 1995 bis 30. April 1997 auf die diversen Befunde des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. H. stützt, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die Aufzeichnungen des Dr. H. bestätigen keine Akutbefunde nach PTBS für die Dauer von zwei Jahren nach dem Arbeitsunfall, die als Grundlage für eine rentenberechtigende MdE von zumindest 20 v.H. dienen könnten. Er hatte den Kläger erstmals am 22. Mai 1995 noch während der arbeitsunfallbedingten zweimonatigen Arbeitsunfähigkeit behandelt. Die nächste Behandlung datiert dann vom Januar 1997 allerdings nicht wegen der PTBS sondern wegen Bandscheibenbeschwerden des Klägers. Wegen PTBS-Folgen wurde der Kläger erst wieder im März und September 1999 sowie dann im September 2001 weitere zwei Jahre später erneut behandelt. Der Kläger hat den Antrag auf Zahlung einer Rente wegen störender Unfallfolgen auch selbst erst im November 2001 der Beklagten gegenüber gestellt. Die weiteren Arztbefunde der Dres. K., L. und J. ergeben auch keine Akutbefunde, die eine rentenberechtigende MdE für die Dauer von zwei Jahren nach dem Arbeitsunfall für Folgen einer PTBS rechtfertigen könnten, wobei der Kläger selbst in dieser Zeit durchgehend arbeitsfähig war und auch gearbeitet hatte. Selbst bei Außerachtlassen der Klagefristversäumnis
hätten die Folgen der als Unfallfolge anerkannten PTBS ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Juli 1995 mangels greifbarer psychiatrischer Befunde nicht mit einer rentenberechtigenden MdE von zumindest 20 v.H. bewertet und dem Kläger eine Unfallrente nicht zuerkannt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet um die Zahlung einer Unfallrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles vom 3. Mai 1995.
Der Kläger war als Be- und Entladerarbeiter in der Paketverteilanlage der C. AG am CC. C-Stadt beschäftigt, wo am 3. Mai 1995 eine Paketsendung explodierte, wobei von 17 Beschäftigten zwei schwer verletzt wurden und eine getötet wurde. Der Kläger hatte einen Lkw mit Rollbehältern entladen, die Rollbehälter bis zum Codierband geschoben und befand sich auf dem Rückweg zum Lkw, als die Explosion sich 5 bis 6 m hinter ihm ereignete. Der Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Arzt Dr. D., HNO-Universitätsklinik Frankfurt am Main, diagnostizierte am Unfalltag ein Knalltrauma beiderseits, eine Hörminderung sowie ein Ohrgeräusch (Tinnitus). Der Kläger wurde am 10. Juli 1995 wieder arbeitsfähig. Seit Anfang des Jahres 2002 ist er von der Arbeit freigestellt und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente des Arbeitgebers ab 1. Februar 2006.
Am 8. November 2001 wandte der Kläger sich an die Beklagte mit dem Antrag, ihm eine Unfallrente zu gewähren, da er noch an den Folgen des Arbeitsunfalles leide. Er legte den Bericht des HNO-Arztes Dr. E. vom 20. September 2001 vor.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Betriebskrankenkasse Post (BKK Post) für die Zeit ab 10. September 1990 bei sowie Berichte des Hausarztes Dr. F. vom 19. März 2002, des Allgemeinmediziners J. vom 22. April 2002, der ihn vom 6. Juni 1995 bis 28. Februar 2000 wegen starker Hörminderung und Tinnitus nach Knalltrauma behandelt hatte, und des Orthopäden Dr. K. vom 25. März 2002. Der Kardiologe Dr. L. stellte in seinem Bericht vom 6. Oktober 1999 als Diagnosen Verdacht auf instabile Angina pectoris nach Herzinfarkt sowie Diabetestest und beschrieb starke Alpträume nach einem Bombenanschlag 1995. Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hatte den Kläger ab 22. Mai 1995 behandelt und erteilte hierüber die Berichte vom 18. April 2002 und vom 20. Oktober 2003.
Sodann ließ die Beklagte das hno-ärztliche Gutachten des Dr. M. vom 10. Oktober 2002 sowie das Gutachten auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet des Prof. N., Chefarzt der neurologisch-psychiatrischen Klinik des Horst-Schmidt-Klinikums Wiesbaden, vom 24. April 2003 erstatten. Dr. M. ging davon aus, dass das Knalltrauma zu einer symmetrischen Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits im höheren Frequenzbereich geführt habe, verbunden mit einem anfallsweise auftretenden Ohrgeräusch (Tinnitus). Dabei handele es sich um einen Dauerzustand, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von unter 10 v.H. bewirke. Prof. N. diagnostizierte eine mittelgradige posttraumatische Schlaf- und Angststörung, die er als Folge des Arbeitsunfalles ansah und mit einer MdE von 20 v.H. bewertete. Die Beklagte holte zu den Gutachten die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. O., Diplom-Psychologe und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vom 8. Juli 2003 ein. Prof. O. beanstandete, dass die von Prof. N. übermittelte Diagnose dem internationalen Diagnosesystemen nicht entspreche. Aktuell sei beim Kläger von geringen Restbefunden einer im Wesentlichen abgeklungenen PTBS auszugehen. Die MdE sei hierfür mit 10 v.H. einzuschätzen. In dieser Höhe sei auch die Gesamt-MdE zu bewerten ausgehend davon, dass auf hno-ärztlichem Gebiet anerkannte Unfallfolgen mit keiner relevanten MdE einzuschätzen seien. Mit Bescheid vom 25. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 hat die Beklagte das Ereignis vom 3. Mai 1995 als Arbeitsunfall anerkannt und als Unfallfolgen nach Knalltrauma an beiden Ohren festgestellt: Geringe Reste einer weitgehend abgeklungenen posttraumatischen Belastungsstörung mit zeitweise und nur teilweise ereignisbezogenen Albträumen sowie spezifischen ereignisbezogenen Ängsten vor Paketen; symmetrischer Schallempfindungsschaden in höheren Frequenzen beider Ohren mit anfallsweisem Tinnitus. Nicht unfallbedingt bestünden beim Kläger ein Diabetes mellitus, Herzbeschwerden, ein Cervical- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit rezidivierenden Beschwerden und Bandscheibenvorfall, eine Periarthrose beider Schultergelenke, ein Sulcus-Ulnaris-Syndrom links, eine Femorpatellargelenkarthrose beidseits sowie eine Schädigung des Nervus cutaneus lateralis beidseits. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht in rentenberechtigendem Grade über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld hinaus gemindert. Der Widerspruchsbescheid vom 21. April 2004 wurde am 22. April 2004 an den Kläger abgesandt und ihm laut Postzustellungsurkunde am 23. April 2004 übergeben.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2004, der am Dienstag, dem 1. Juni 2004 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) einging, hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er hat sein Klagebegehren gestützt auf das Gutachten des Prof. N. und ein weiteres Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 27. Mai 2005.
Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakte des Klägers vom Versorgungsamt Frankfurt am Main beigezogen sowie eine Archivakte zum Aktenzeichen S 16 U 1355/01 und hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 28. August 2006 die Klage abgewiesen. Der Kläger zeige keine schwerwiegenden neurologisch-psychiatrischen Befunde, wie die Berichte des Dr. H. bestätigten und wie Prof. O. als Beratungsarzt ausgeführt habe. Der Kläger habe keine Psychotherapie beansprucht und sei nie in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Das Verwaltungsverfahren zur Entschädigung seiner seelischen Störung habe auch erst im November 2001 begonnen. Eine PTBS beginne wenige Tage oder Wochen nach einem Unfall, nicht aber sechseinhalb Jahre später. Dies passe nicht zusammen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 5. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 4. Oktober 2006 Berufung eingelegt mit der Begründung, das Sozialgericht irre bereits insofern, als die Beklagte eine PTBS als Unfallfolge anerkannt habe. Entgegen Prof. O. bestünden nicht nur geringe Restsymptome der Erkrankung. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. H. widerlege diese Annahme.
Das Berufungsgericht hat die Unterlagen des Hausarztes Dr. F. beigezogen, der den Kläger bis Herbst 2006 behandelt hatte, des Weiteren einen Bericht des HNO-Arztes Dr. E. vom 7. März 2007, der Fremdbefunde beigefügt hat, sowie Behandlungsunterlagen der Hausärztin Dr. G., der Nachfolgerin des Dr. F. Dr. H. hat den weiteren Bericht vom 16. April 2007 erstattet und den zum Az.: S 16 U 1355/01 des Sozialgerichts erstatteten Bericht vom 11. Juli 2001 übersandt. Zudem hat das Berufungsgericht die Rentenakte des Klägers von der Deutschen Rentenversicherung Hessen sowie die Schwerbehindertenakte vom Versorgungsamt Frankfurt am Main beigezogen.
Die Beklagte hat die Unterlagen beratungsärztlich auswerten lassen und die Stellungnahmen des Prof. O. vom 3. August 2007 auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet sowie des HNO-Arztes Dr. P. vom 10. September 2007 übersandt. Prof. O. geht davon aus, dass vor allem auf Grund des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. Q. nur von Restsymptomen einer PTBS ohne MdE für den Bereich der Unfallversicherung auszugehen sei. Dr. P. hat auf unfallunabhängige Hörschäden beim Kläger hingewiesen. In einer weiteren Stellungnahme vom 29. September 2007 hat Prof. O. die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet mit 10 v.H. sowie auch unter Einschluss der HNO-Unfallfolgen insgesamt mit demselben Grad eingeschätzt.
Das Berufungsgericht hat sodann das weitere Gutachten des Prof. N. vom 15. April 2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 25. Januar 2010 eingeholt. Als Unfallfolge sieht Prof. N. nach erneuter Untersuchung des Klägers eine psychisch emotionale Beschwerdesymptomatik in Form von Albträumen, Schlafstörungen, Phobien vor Geräuschen und Paketen nach PTBS (G 43.1). Das Trauma habe zu einer PTBS geführt, die weitgehend abgeklungen sei und sich noch in gelegentlichen Albträumen und Ängsten vor lauten Geräuschen und Paketen äußere. Eine Anpassungsstörung (G 43.2) mit sozialen Phobien (F 40.1) und generalisierenden Ängsten (F 41.1) bei organischer Erkrankung bezeichnet er als nicht unfallbedingtes Leiden. Die überwiegenden psychischen Beschwerden und Ängste seien auf psychosoziale Belastungen, einen Rentenwunsch des Klägers sowie Ängste vor einer Verschlimmerung bestehender organischer Erkrankungen bis hin zu Todesängsten zurückzuführen. Diese seien unabhängig vom Trauma zu sehen. Hinweise auf eine psychische Vorerkrankung ergäben sich beim Kläger nicht, der über eine empfindsame Persönlichkeitsstruktur verfüge. Der heutige Stand der Restsymptomatik nach PTBS sei seit 2004 anzunehmen. Die weiteren psychischen Symptome mit sozialen Ängsten hätten sich seit 2000 entwickelt. Zu Todesängsten sei es spätestens seit der Bypass-Operation im Jahr 2006 gekommen. Das danach fortbestehende psychoreaktive Störungsbild nach PTBS sei deutlich überlagert durch somatoforme und psychosoziale Faktoren. Die unfallbedingte MdE liege nach Förster u.a. 2007 bei 10 v.H. Die Hochtonschwerhörigkeit bedinge eine MdE von unter 10 v.H. Er schlug danach eine MdE von 20 v.H. für die ersten beiden Jahre nach dem Unfallereignis unter Berücksichtigung der Aufzeichnungen des behandelnden Psychiaters Dr. H. vor und im Anschluss in Höhe von 10. v.H.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 zu verurteilen, ihm wegen einer fortbestehenden Symptomatik nach posttraumatischer Belastungsstörung eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 10. Juli 1995 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und das Gutachten des Prof. N. vom 15. April 2008 insoweit nicht für überzeugend, als er eine MdE von 20 v.H. für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren vorgeschlagen hat. Dazu bezieht sie sich auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Prof. R. vom 25. September 2008.
Mit gerichtlichem Hinweis vom 10. August 2010 wurden die Beteiligten über die eventuelle Klagefristversäumnis informiert sowie um Stellungnahme gebeten. Der Klägerbevollmächtigte hat hierzu im Senatstermin vorgetragen, es lasse sich nicht mehr aufklären, warum die am 17. Mai 2004 verfasste Klageschrift erst am 1. Juni 2004 bei Gericht eingegangen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen sowie auf die beigezogenen und in Auszügen zum Bestandteil der Gerichtsakte gemachten Akten der Deutschen Rentenversicherung Hessen sowie des Versorgungsamtes Frankfurt am Main, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene zulässige (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz, SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Denn der Kläger hat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 23. April 2004 mit der Klageschrift vom 17. Mai 2004, die erst am 1. Juni 2004 beim Sozialgericht einging, die einmonatige Klagefrist (§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG) nicht gewahrt. Auf den hierzu am 10. August 2010 ergangenen gerichtlichen Hinweis konnte der Bevollmächtigte des Klägers keine Gründe vorbringen, die eine Wiedereinsetzung nach § 67 Abs. 1 SGG hätten rechtfertigen können. Er kann sich die Fristversäumnis nicht erklären, so dass die Klage unzulässig gewesen ist.
Im Hinblick auf die erst verspäteten berufungsgerichtlichen Feststellungen zum Klagefristversäumnis und die deswegen im Berufungsverfahren durchgeführten sachlichen Ermittlungen bleibt in der Sache auszuführen, dass der Kläger nach Würdigung aller erhobenen Beweise die Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung einer Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB 7 nicht ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 10. Juli 1995 erfüllt. Er hatte infolge des schweren Explosionstraumas vom 3. Mai 1995 einen Hörschaden mit Tinnitus davongetragen, den die Beklagte in Übereinstimmung mit dem HNO-Arzt Dr. M. im Gutachten vom 10. Oktober 2002 als Folge des Arbeitsunfalles vom 10. Juli 1995 festgestellt hat. Eine relevante MdE war nach dem Gutachten des Dr. M. für die Unfallfolgen auf hno-ärztlichem Gebiet nicht anzunehmen. Mit Bescheid vom 25. September 2003 erkannte die Beklagte als weitere Unfallfolge Restbefunde einer weitgehend abgeklungenen PTBS an. Prof. N. hat sein Gutachten vom 24. April 2003 im weiteren Gutachten vom 15. April 2008 teilweise korrigiert und geht in Übereinstimmung mit Prof. O. nunmehr für den Zeitraum ab dem dritten Jahr nach dem Unfall gleichfalls nur noch von Restbefunden einer PTBS aus mit seltenen Albträumen, Schlafstörungen und Phobien vor Geräuschen und Paketen, die er mit einer nicht rentenberechtigenden MdE von 10 v.H. ebenso wie Prof. O. bewertet. Zwischenzeitlich ist es nach Überzeugung des Prof. N. zu einer Überlagerung der PTBS-Reststörung durch unfallunabhängige soziale Phobien, Todesängste wegen gravierender unfallunabhängiger Erkrankungen verbunden mit leichter Depressivität infolge psychosozialer Belastungen und einen Rentenwunsch des Klägers gekommen.
Soweit Prof. N. seinen Vorschlag zur Gewährung einer Rente nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 10. Juli 1995 bis 30. April 1997 auf die diversen Befunde des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. H. stützt, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn die Aufzeichnungen des Dr. H. bestätigen keine Akutbefunde nach PTBS für die Dauer von zwei Jahren nach dem Arbeitsunfall, die als Grundlage für eine rentenberechtigende MdE von zumindest 20 v.H. dienen könnten. Er hatte den Kläger erstmals am 22. Mai 1995 noch während der arbeitsunfallbedingten zweimonatigen Arbeitsunfähigkeit behandelt. Die nächste Behandlung datiert dann vom Januar 1997 allerdings nicht wegen der PTBS sondern wegen Bandscheibenbeschwerden des Klägers. Wegen PTBS-Folgen wurde der Kläger erst wieder im März und September 1999 sowie dann im September 2001 weitere zwei Jahre später erneut behandelt. Der Kläger hat den Antrag auf Zahlung einer Rente wegen störender Unfallfolgen auch selbst erst im November 2001 der Beklagten gegenüber gestellt. Die weiteren Arztbefunde der Dres. K., L. und J. ergeben auch keine Akutbefunde, die eine rentenberechtigende MdE für die Dauer von zwei Jahren nach dem Arbeitsunfall für Folgen einer PTBS rechtfertigen könnten, wobei der Kläger selbst in dieser Zeit durchgehend arbeitsfähig war und auch gearbeitet hatte. Selbst bei Außerachtlassen der Klagefristversäumnis
hätten die Folgen der als Unfallfolge anerkannten PTBS ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Juli 1995 mangels greifbarer psychiatrischer Befunde nicht mit einer rentenberechtigenden MdE von zumindest 20 v.H. bewertet und dem Kläger eine Unfallrente nicht zuerkannt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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