Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 2558/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1591/13 B ER und L 7 AS 1592/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 16.08.2013 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin für die Forderung aus Energieschulden in Höhe von 2908,26 EUR vorläufig ein Darlehen zu gewähren. Die Zahlung in Höhe von 2908,26 EUR ist unmittelbar an die Stadtwerke E zu leisten. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung der Rechtsanwaltssozietät I und Partner aus E bewilligt. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die darlehensweise Übernahme von Stromschulden der Antragstellerin bei den Stadtwerken E durch den Antragsgegner.
Die Antragstellerin lebt in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann und dem im Dezember 2011 geborenen Sohn E. Sie erhalten Leistungen vom Antragsgegner. Die Stromversorgung ist seit Januar 2013 unterbrochen.
Die Antragstellerin bedient nach Aktenlage auf die Außenstände Ratenzahlungen in Höhe von ca. 60,00 EUR sowie einen monatlichen Abschlag von 72,00 EUR monatlich, die direkt vom Antragsgegner an den Versorger gezahlt werden. Zu weiteren Ratenzahlungsvereinbarungen sah sich der Versorger nicht bereit.
Anträge auf Übernahme von Stromschulden hat der Antragsgegner mit Bescheiden aus Januar 2013 und Mai 2013 sowie mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2013, gegen den Klage erhoben wurde, abgelehnt.
Die Antragstellerin hat am 16.07.2013 Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und zum einen darauf hingewiesen, dass notwendige Verrichtungen für den 16 Monate alten Sohn nicht mehr sichergestellt seien. Zum anderen habe eine erneute Vorsprache bei den Stadtwerken zu keinem Kompromiss geführt. Der Abschluss eines Vertrages bei fünf der sieben anderen kontaktierten Anbietern scheitere an der negativ ausfallenden Bonitätsprüfung, bei weiteren zwei habe es auch keine Zusage gegeben.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 16.08.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft.
Die Antragstellerin hat hiergegen rechtzeitig Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass weiterreichende Vereinbarungen mit den Stadtwerken E nicht möglich seien. Ebenso wenig sei sie in der Lage, aus eigener Kraft die Schulden zu tilgen. Zudem habe sie auch vom Antragsgegner weder eine Beratung noch eine Unterstützung erfahren.
Der Antragsgegner hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Stadtwerke E haben auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass sich unter Berücksichtigung der bisherigen Zahlung eine Forderung in Höhe von 2908,26 EUR ergibt.
Die Beschwerden der Antragstellerin sind zulässig und begründet.
Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Az.: 2 B vR 174/88). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, § 86 b SGG in Verbindung mit den §§ 920 Absatz 2, 294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B). Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches und des Grundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtssuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Verlagerung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen darf. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen bzw. wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischen Prüfung bekannten Sachlage entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, 830 ff. mit weiteren Nachweisen, Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage 2012 zu § 86 b Rdnr. 29 a).
Im Sinne der Folgenabwägung ist der Antrag auf darlehensweise Übernahme der Energieschulden begründet.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Wohnung der Antragstellerin ist seit Ende Januar 2013 nicht mehr mit Strom versorgt. Damit fehlt der Antragstellerin seit mehr als sieben Monaten die Möglichkeit, in der Wohnung zu kochen, Lichtquellen zu nutzen, zu waschen etc. und zudem für die Antragstellerin die Möglichkeit, den im Dezember 2011 geborenen Sohn in menschenwürdiger Art und Weise zu versorgen.
Ob ein endgültiger Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung eines Darlehens wegen der Rückstände nach § 22 Abs. 8 SGB II besteht, braucht der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu entscheiden.
Nach § 22 Abs. 8 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II). Wegen der vergleichbaren Notlage bei Energierückständen für sonstigen Haushaltsstrom, der als Teil des Regelbedarfs eigentlich nicht den Unterkunftskosten zuzuordnen ist, können auch Energieschulden im Rahmen des § 22 Abs. 8 SGB II übernommen werden ( LSG NRW Beschluss vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER; Beschluss vom 15.06.2012 - L 19 AS 728/12 B ER; Beschluss vom 13.05.2013 L 2 AS 313/13 B ER; Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011 § 22 Rn 193 m. w. N.; Boerner in Löns/Herold-Tews, 3. Aufl. 2011 § 22 Rn 125 m. w. N.). Die Sperrung der Energieversorgung ist eine Notlage, die die Bewohnbarkeit der Wohnung beeinträchtigt und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II indiziert. Ist die Sperrung nicht nur angekündigt, sondern bereits durchgeführt, entspricht dies drohender Wohnungslosigkeit i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II (LSG NRW Beschluss vom 25.06.2013 L 7 AS 765/13 B ER; Beschluss vom 13.05.2013 L 2 AS 313/13 B ER). Das Jobcenter kann dann die Gewährung eines Darlehens zum Ausgleich der bestehenden Schulden beim Energieversorger nur in atypischen Fällen ablehnen (Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 244).
Nach summarischer Prüfung ist danach die darlehensweise Übernahme gerechtfertigt:
Der Antragsgegner erbringt für die Antragstellerin laufende Leistungen nach § 22 Abs.1 SGB II. Dem Grunde nach kommt eine darlehensweise Übernahme der Schulden in Betracht. Die Übernahme der aufgelaufenen Schulden ist im Sinn von § 22 Abs. 8 SGB II objektiv geeignet, die Energieversorgung wieder herzustellen und prognostisch gesehen dauerhaft zu sichern. Die bestehende Notsituation kann durch die darlehensweise Übernahme der Leistungen behoben werden, so dass die Wohnung wieder bewohnbar wäre. Zudem ist ein unter zweijähriges Kind betroffen, so dass nach Ansicht des Senats bei der hier gebotenen summarischen Prüfung Verschuldensgesichtspunkte im Rahmen der Ermessensausübung regelmäßig zurücktreten müssen.
Schonvermögen, dass die Antragsteller gem. § 22 Abs. 8 S. 3 SGB II vorrangig zur Behebung der Notlage einzusetzen hätten, besteht nach dem derzeitigen Sachstand nicht. Nicht abschließend klären lässt sich im Rahmen des Eilverfahrens, ob die darlehensweise Übernahme der Schulden im Sinn von § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II endgültig gerechtfertigt ist. Dies wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. In Betracht kommt die Schuldenübernahme nur, wenn diese objektiv geeignet ist, die Energieversorgung (dauerhaft) zu sichern und die Leistungsberechtigten die zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft haben. Ob die Antragstellerin die ihnen zumutbaren Möglichkeiten zur Selbsthilfe (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 20.08.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER; Beschluss vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER; Beschluss vom 16.04.2012 - L 19 AS 556/12 B ER; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 13.03.2012 - L 2 AS 477/11 B ER; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 13.01.2012 - L 3 AS 233/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.09.2011 - L 14 AS 1533/11 B ER; Beschluss vom 05.08.2011 - L 5 AS 1097/11 B ER m.w.N.; Berlit a.a.O. § 22 Rn. 194) ausreichend ausgeschöpft hat, kann bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings ist derzeit nicht ersichtlich, welche weiteren Selbsthilfemöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Die Stadtwerke haben eine weitere Ratenzahlung ausgeschlossen. Zudem lässt sich aus der von der Antragstellerin vorgelegten Liste potentieller Stromanbieter nicht entnehmen, dass dort mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit eine Versorgung möglich wäre. Zudem hat auch der Antragsgegner insoweit weder Alternativen aufgezeigt noch der Antragstellerin, wie nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats notwendig, mit Rat und Tat zur Seite gestanden (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 14.08.2013 - L 7 AS 1143/13 B ER).
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II muss ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Leistungsberechtigte hinsichtlich rückständiger Energiekosten stets auf zivilgerichtlichen Eilrechtsschutz verwiesen werden darf. Denn nach der Rechtsauffassung mehrerer Zivilgerichte ist der Energieversorgungsträger zu einer Wiederaufnahme der unterbrochenen Energieversorgung erst dann verpflichtet, wenn zuvor die gesamten rückständigen Energiekosten getilgt worden sind (vgl. zur zivilrechtlichen Rechtslage Gotzen, ZfF 2007, S. 248, 249 f.). Zudem entbindet eine Mitwirkungsobliegenheit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach der Rechtsprechung des Senats (LSG NRW Beschluss vom 15.10.2012 L 7 AS 1730/12 B ER) den Grundsicherungsträger nicht von seiner in § 17 SGB I begründeten Förderungspflicht. Der Grundsicherungsträger muss dafür Sorge tragen, dass dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nur die Mitwirkung abverlangt wird, die objektiv und subjektiv zumutbar ist.
Andere Einzelfallumstände, die eine Schuldenübernahme klar als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen würden, sind nicht erkennbar. Insbesondere vermag allein die Tatsache, dass die Antragstellerin die Entstehung der Rückstände möglicherweise zu einem nicht unerheblichen Teil selbst verursacht hat und diese sich über einen sehr langen Zeitraum summiert haben, einer Schuldenübernahme nicht entgegenzustehen. Die Übernahme von Schulden ist nicht allein bei wirtschaftlich unvernünftigem (vorwerfbarem) Verhalten des Leistungsberechtigten abzulehnen. Die Regelung des § 22 Abs. 8 SGB II liefe sonst leer, weil Schulden im dort genannten Sinn in aller Regel auf ein Fehlverhalten des Leistungsberechtigten zurückzuführen sind (BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R - Rn. 31). Für einen absichtlichen Leistungsmissbrauch durch den Antragsteller, der die Übernahme der Schulden möglicherweise als missbräuchlich erscheinen lassen würde, bestehen vorliegend jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Letztendlich hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den erkennenden Senat keine andere Möglichkeit für die zukünftige Sicherstellung der Versorgung mit Strom außer der Inanspruchnahme eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB II besteht.
Ohne die beantragten Leistungen drohen der Antragstellerin und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen existentielle Nachteile, die sie aus eigener Kraft nicht abwenden können. Demgegenüber hat der Antragsgegner "nur" finanzielle Nachteile zu gewärtigen, wenn die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit ihrem Begehren nicht durchdringen sollten.
Zu der Übernahme der Kosten für die Wiederaufnahme der Stromversorgung hat sich der Antragsgegner im Schriftsatz vom 23.07.2013 verpflichtet, so dass es insoweit keiner Anordnung durch den Senat bedurfte.
Da der Antrag in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg hat, war der Antragstellerin für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren (§§ 73a SGG, 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Im Prozesskostenhilfe - Beschwerdeverfahren werden Kosten nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die darlehensweise Übernahme von Stromschulden der Antragstellerin bei den Stadtwerken E durch den Antragsgegner.
Die Antragstellerin lebt in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann und dem im Dezember 2011 geborenen Sohn E. Sie erhalten Leistungen vom Antragsgegner. Die Stromversorgung ist seit Januar 2013 unterbrochen.
Die Antragstellerin bedient nach Aktenlage auf die Außenstände Ratenzahlungen in Höhe von ca. 60,00 EUR sowie einen monatlichen Abschlag von 72,00 EUR monatlich, die direkt vom Antragsgegner an den Versorger gezahlt werden. Zu weiteren Ratenzahlungsvereinbarungen sah sich der Versorger nicht bereit.
Anträge auf Übernahme von Stromschulden hat der Antragsgegner mit Bescheiden aus Januar 2013 und Mai 2013 sowie mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2013, gegen den Klage erhoben wurde, abgelehnt.
Die Antragstellerin hat am 16.07.2013 Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und zum einen darauf hingewiesen, dass notwendige Verrichtungen für den 16 Monate alten Sohn nicht mehr sichergestellt seien. Zum anderen habe eine erneute Vorsprache bei den Stadtwerken zu keinem Kompromiss geführt. Der Abschluss eines Vertrages bei fünf der sieben anderen kontaktierten Anbietern scheitere an der negativ ausfallenden Bonitätsprüfung, bei weiteren zwei habe es auch keine Zusage gegeben.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 16.08.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft.
Die Antragstellerin hat hiergegen rechtzeitig Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass weiterreichende Vereinbarungen mit den Stadtwerken E nicht möglich seien. Ebenso wenig sei sie in der Lage, aus eigener Kraft die Schulden zu tilgen. Zudem habe sie auch vom Antragsgegner weder eine Beratung noch eine Unterstützung erfahren.
Der Antragsgegner hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Stadtwerke E haben auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass sich unter Berücksichtigung der bisherigen Zahlung eine Forderung in Höhe von 2908,26 EUR ergibt.
Die Beschwerden der Antragstellerin sind zulässig und begründet.
Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Az.: 2 B vR 174/88). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, § 86 b SGG in Verbindung mit den §§ 920 Absatz 2, 294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B). Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches und des Grundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtssuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Verlagerung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen darf. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen bzw. wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischen Prüfung bekannten Sachlage entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, 830 ff. mit weiteren Nachweisen, Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Auflage 2012 zu § 86 b Rdnr. 29 a).
Im Sinne der Folgenabwägung ist der Antrag auf darlehensweise Übernahme der Energieschulden begründet.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Wohnung der Antragstellerin ist seit Ende Januar 2013 nicht mehr mit Strom versorgt. Damit fehlt der Antragstellerin seit mehr als sieben Monaten die Möglichkeit, in der Wohnung zu kochen, Lichtquellen zu nutzen, zu waschen etc. und zudem für die Antragstellerin die Möglichkeit, den im Dezember 2011 geborenen Sohn in menschenwürdiger Art und Weise zu versorgen.
Ob ein endgültiger Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung eines Darlehens wegen der Rückstände nach § 22 Abs. 8 SGB II besteht, braucht der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu entscheiden.
Nach § 22 Abs. 8 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs. 8 S. 4 SGB II). Wegen der vergleichbaren Notlage bei Energierückständen für sonstigen Haushaltsstrom, der als Teil des Regelbedarfs eigentlich nicht den Unterkunftskosten zuzuordnen ist, können auch Energieschulden im Rahmen des § 22 Abs. 8 SGB II übernommen werden ( LSG NRW Beschluss vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER; Beschluss vom 15.06.2012 - L 19 AS 728/12 B ER; Beschluss vom 13.05.2013 L 2 AS 313/13 B ER; Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011 § 22 Rn 193 m. w. N.; Boerner in Löns/Herold-Tews, 3. Aufl. 2011 § 22 Rn 125 m. w. N.). Die Sperrung der Energieversorgung ist eine Notlage, die die Bewohnbarkeit der Wohnung beeinträchtigt und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II indiziert. Ist die Sperrung nicht nur angekündigt, sondern bereits durchgeführt, entspricht dies drohender Wohnungslosigkeit i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II (LSG NRW Beschluss vom 25.06.2013 L 7 AS 765/13 B ER; Beschluss vom 13.05.2013 L 2 AS 313/13 B ER). Das Jobcenter kann dann die Gewährung eines Darlehens zum Ausgleich der bestehenden Schulden beim Energieversorger nur in atypischen Fällen ablehnen (Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 244).
Nach summarischer Prüfung ist danach die darlehensweise Übernahme gerechtfertigt:
Der Antragsgegner erbringt für die Antragstellerin laufende Leistungen nach § 22 Abs.1 SGB II. Dem Grunde nach kommt eine darlehensweise Übernahme der Schulden in Betracht. Die Übernahme der aufgelaufenen Schulden ist im Sinn von § 22 Abs. 8 SGB II objektiv geeignet, die Energieversorgung wieder herzustellen und prognostisch gesehen dauerhaft zu sichern. Die bestehende Notsituation kann durch die darlehensweise Übernahme der Leistungen behoben werden, so dass die Wohnung wieder bewohnbar wäre. Zudem ist ein unter zweijähriges Kind betroffen, so dass nach Ansicht des Senats bei der hier gebotenen summarischen Prüfung Verschuldensgesichtspunkte im Rahmen der Ermessensausübung regelmäßig zurücktreten müssen.
Schonvermögen, dass die Antragsteller gem. § 22 Abs. 8 S. 3 SGB II vorrangig zur Behebung der Notlage einzusetzen hätten, besteht nach dem derzeitigen Sachstand nicht. Nicht abschließend klären lässt sich im Rahmen des Eilverfahrens, ob die darlehensweise Übernahme der Schulden im Sinn von § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II endgültig gerechtfertigt ist. Dies wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. In Betracht kommt die Schuldenübernahme nur, wenn diese objektiv geeignet ist, die Energieversorgung (dauerhaft) zu sichern und die Leistungsberechtigten die zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft haben. Ob die Antragstellerin die ihnen zumutbaren Möglichkeiten zur Selbsthilfe (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 20.08.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER; Beschluss vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER; Beschluss vom 16.04.2012 - L 19 AS 556/12 B ER; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 13.03.2012 - L 2 AS 477/11 B ER; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 13.01.2012 - L 3 AS 233/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.09.2011 - L 14 AS 1533/11 B ER; Beschluss vom 05.08.2011 - L 5 AS 1097/11 B ER m.w.N.; Berlit a.a.O. § 22 Rn. 194) ausreichend ausgeschöpft hat, kann bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings ist derzeit nicht ersichtlich, welche weiteren Selbsthilfemöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Die Stadtwerke haben eine weitere Ratenzahlung ausgeschlossen. Zudem lässt sich aus der von der Antragstellerin vorgelegten Liste potentieller Stromanbieter nicht entnehmen, dass dort mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit eine Versorgung möglich wäre. Zudem hat auch der Antragsgegner insoweit weder Alternativen aufgezeigt noch der Antragstellerin, wie nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats notwendig, mit Rat und Tat zur Seite gestanden (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 14.08.2013 - L 7 AS 1143/13 B ER).
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II muss ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Leistungsberechtigte hinsichtlich rückständiger Energiekosten stets auf zivilgerichtlichen Eilrechtsschutz verwiesen werden darf. Denn nach der Rechtsauffassung mehrerer Zivilgerichte ist der Energieversorgungsträger zu einer Wiederaufnahme der unterbrochenen Energieversorgung erst dann verpflichtet, wenn zuvor die gesamten rückständigen Energiekosten getilgt worden sind (vgl. zur zivilrechtlichen Rechtslage Gotzen, ZfF 2007, S. 248, 249 f.). Zudem entbindet eine Mitwirkungsobliegenheit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach der Rechtsprechung des Senats (LSG NRW Beschluss vom 15.10.2012 L 7 AS 1730/12 B ER) den Grundsicherungsträger nicht von seiner in § 17 SGB I begründeten Förderungspflicht. Der Grundsicherungsträger muss dafür Sorge tragen, dass dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nur die Mitwirkung abverlangt wird, die objektiv und subjektiv zumutbar ist.
Andere Einzelfallumstände, die eine Schuldenübernahme klar als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen würden, sind nicht erkennbar. Insbesondere vermag allein die Tatsache, dass die Antragstellerin die Entstehung der Rückstände möglicherweise zu einem nicht unerheblichen Teil selbst verursacht hat und diese sich über einen sehr langen Zeitraum summiert haben, einer Schuldenübernahme nicht entgegenzustehen. Die Übernahme von Schulden ist nicht allein bei wirtschaftlich unvernünftigem (vorwerfbarem) Verhalten des Leistungsberechtigten abzulehnen. Die Regelung des § 22 Abs. 8 SGB II liefe sonst leer, weil Schulden im dort genannten Sinn in aller Regel auf ein Fehlverhalten des Leistungsberechtigten zurückzuführen sind (BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R - Rn. 31). Für einen absichtlichen Leistungsmissbrauch durch den Antragsteller, der die Übernahme der Schulden möglicherweise als missbräuchlich erscheinen lassen würde, bestehen vorliegend jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Letztendlich hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den erkennenden Senat keine andere Möglichkeit für die zukünftige Sicherstellung der Versorgung mit Strom außer der Inanspruchnahme eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB II besteht.
Ohne die beantragten Leistungen drohen der Antragstellerin und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen existentielle Nachteile, die sie aus eigener Kraft nicht abwenden können. Demgegenüber hat der Antragsgegner "nur" finanzielle Nachteile zu gewärtigen, wenn die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit ihrem Begehren nicht durchdringen sollten.
Zu der Übernahme der Kosten für die Wiederaufnahme der Stromversorgung hat sich der Antragsgegner im Schriftsatz vom 23.07.2013 verpflichtet, so dass es insoweit keiner Anordnung durch den Senat bedurfte.
Da der Antrag in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg hat, war der Antragstellerin für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren (§§ 73a SGG, 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Im Prozesskostenhilfe - Beschwerdeverfahren werden Kosten nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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