L 8 SB 2196/13 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 3567/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2196/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. März 2013 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 27.03.2013 - S 9 SB 3567/10 -, mit dem das SG den am 26.10.2012 gestellten Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten abgelehnt hat, ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Beschwerdeausschlussgründe nach § 172 Abs. 3 SGG, insbesondere nach Nr. 2 der genannten Vorschrift, liegen nicht vor. Das Sozialgericht (SG) hat die Ablehnung der PKH nicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auf die fehlende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gestützt.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Bewilligung von PKH für das Klageverfahren S 9 SB 3567/10, mit dem der Kläger die Feststellung eines höheren Grads der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) "G" erstrebt, zu Recht abgelehnt.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Außerdem wird dem Beteiligten auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist in tatsächlicher Hinsicht in eng begrenztem Umfang auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung (Beweisantizipation) zulässig (BVerfG NJW 1997, 2745, 2746). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist aber anzunehmen, wenn eine Beweisaufnahme durchzuführen ist, weil die Entscheidung in der Hauptsache von der Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen abhängt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG NJW 2003, 2976, 2977; BSG SozR 3-1750 § 62 Nr. 19).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Klage des Klägers bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht. Der angefochtene Beschluss des SG ist nicht zu beanstanden.

Bei dem am 07.01.1953 geborenen Kläger wurde vom Beklagten zuletzt mit Bescheid vom 09.04.2010 wegen einer koronaren Herzkrankheit, Stentimplantation und Bluthockdruck (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Bandscheibenschaden und Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), einem Schlafapnoe-Syndrom und hyperreagibles Bronchialsystem (Teil-GdB 10) sowie einer Depression (Teil-GdB 30) der GdB mit 60 festgestellt. Das Merkzeichen "G" wurde nicht zuerkannt. Eine Verschlimmerung, die es gemäß § 48 SGB X rechtfertigt, auf den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 11.07.2010 einen GdB von über 60 festzustellen, dürfte beim Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten sein.

Hinsichtlich der Herzerkrankung des Klägers und des Bluthochdrucks lässt sich den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen eine relevante Verschlimmerung nicht entnehmen. Nach den von Dr. W. seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 17.08.2011 beigefügten Befundberichten wird eine relevante Befundänderung verneint. Weiter hat Dr. S. in dem vom SG eingeholten internistischen Gutachten vom 30.06.2012 einen auffälligen Herzbefund beim Kläger nicht festgestellt. Pathologische Herzbefunde beschriebt Dr. S. in seinem Gutachten nicht. Im Ruhe-EKG finden sich keine Auffälligkeiten. Der Kläger war mit dem Fahrradergometer mit 50 Watt belastbar (1 Minute und 44 Sekunden). Der vorzeitige Abbruch erfolgte - unter Angabe von Erschöpfung und Atemnot - aus medizinisch nicht nachvollziehbaren Gründen. Ein Hinweis auf eine Koronarinsuffizienz (im erbrachten Leistungsbereich) besteht auch nach dem BNP-Spiegel im Plasma nicht. Vielmehr ist von einer normalen Pumpfunktion des Herzens auszugehen. Der Blutdruck des Klägers liegt im Normbereich. Ein nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG) für die Bewertung des GdB maßgebliche Leistungseinbuße der Herzleistung des Klägers, die nunmehr einen höheren Teil-GdB als 30 rechtfertigt (vgl. VG Teil B 9.1.1), dürfte danach nicht anzunehmen sein. Dr. S. geht vielmehr in seinem Gutachten wegen der Herzerkrankung des Klägers von einem Teil-GdB von 20 v.H. aus.

Die Lungenfunktion des Klägers ist nach dem Gutachten des Dr. S. im Wesentlichen unauffällig. Bei Ende der Fahrradergometerbelastung betrug die Sauerstoffsättigung 95 %. Eine von Dr. v. B. im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. durchgeführte Bodyplethysmographie erbrachte, bei nicht optimaler Mitarbeit des Klägers, lediglich leicht erhöhte Atemwegswiderstände ohne Hinweise auf eine Überblähung sowie eine geringe restriktive Einschränkung. Dem entsprechen auch die sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen. Dr. B. klassifiziert in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 30.06.2011 die Atemwegserkrankung des Klägers als leichtgradig und sieht eine kardiale Ursache vom Kläger geklagter Beschwerden im Vordergrund. Ein Schlafapnoe-Sydrom ist nach den weiteren Angaben des Dr. B. und dem Bericht der Klinik L. vom 11.02.2009 beim Kläger nicht gesichert. Dr. S. bewertet in seinem Gutachten die Atemwegeserkrankung des Klägers als geringfügig und hält einen Teil-GdB von 10 für angemessen. Diesen Bewertungen dürfte nach der objektiven medizinischen Befundlage zu folgen sein. Danach dürfte auch hinsichtlich der Atemwegserkrankung des Klägers eine relevante Verschlimmerung nicht anzunehmen sein.

Der von Dr. v. B. erhobene Befund der Ergospirometrie (Bericht vom 11.05.2012) belegt keine relevante Verschlimmerung auf kardiopulmonalem Gebiet. Nach den Ausführungen im Gutachten des Dr. S. ist die Ergospirometrie eine Untersuchung zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit bei körperlicher Belastung des Menschen durch die Messung des Gasstoffwechsels. Als Ergebnis werden objektive Parameter der kardiopulmonalen und metabolischen Körperfunktionen gewonnen. Dabei lässt sich (u.a.) durch Ermittlung der sogenannten anaeroben Schwelle die Grenze der möglichen Dauerbelastung ermitteln, wobei die anaerobe Schwelle für die Bestimmung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit von entscheidender Bedeutung ist. Nach dem Bericht des Dr. B. vom 11.05.2012 wurde vom Kläger bei der Ergospirometrie nach 6 Minuten 230 Meter auf dem Laufband zurückgelegt, wobei die anaerobe Schwelle bereits überschritten wurde. Allerdings ist nach dem Bericht des Dr. B. vom 11.05.2012 dabei zu berücksichtigen, dass die vom Kläger gezeigte Leistungsfähigkeit einer viel höheren Wattzahl entspricht, als 40 Watt Dauerbelastung. Dafür spricht auch, dass beim Kläger während der Laufbanduntersuchung weder die Herzfrequenz unter Belastung anstieg noch die Atemreserven erschöpft wurden, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass der Kläger aus kardiopulmonaler Sicht tatsächlich höhergradiger belastbar ist, wie Dr. v. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.11.2012 weiter plausibel ausgeführt hat. Allein das Ergebnis der der durchgeführten Ergospirometrie ist daher keine tragfähige Grundlage der GdB-Bewertung, zumal der Kläger untersuchungswidrig versucht hat, seine Beine zu entlasten, wie Dr. v. B. in seinem Bericht vom 11.5.2012 beschrieben hat.

Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen des Klägers. Eine relevante Verschlimmerung ist auch insoweit nach den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und den vom SG beigezogenen Gutachten nicht ersichtlich. Der den Kläger behandelnde Psychiater H. geht nach dem eigenen Vorbringen des Klägers (Schriftsatz vom 23.03.2012) wegen einer Depression und Angstsymptomatik mit fraglichen kognitiven Defiziten von einem Teil-GdB von 20 bis 30 aus, was eher auf eine Besserung der vom Beklagten mit einem Teil-GdB von 30 berücksichtigten Depression hindeutet. Auch den vom Kläger im Beschwerdeverfahren vorgelegten - neuen - ärztlichen Unterlagen lässt sich eine relevante Verschlimmerung nicht entnehmen. Vielmehr bestätigt Dr. W. in dem Befundbericht vom 10.01.2013, dass hinsichtlich der Herzerkrankung des Klägers - weiterhin - keine relevante Befundänderung eingetreten ist und verneint eine Progredienz der Herzerkrankung.

Dem Gutachten des Dr. S. vom 30.06.2012 dürfte zu folgen sein. Der Kläger kann sich zur Begründung seiner Beschwerde nicht mit Erfolg auf eine Unverwertbarkeit des vom SG (vor dem Antrag des Kläger auf Bewilligung von PKH) von Amts wegen eingeholten internistischen Gutachtens des Dr. S. vom 30.06.2012 wegen Voreingenommenheit des Sachverständigen - und den im Verlauf des Beschwerdeverfahrens vorsorglich gestellten Befangenheitsantrag - berufen. Der Ablehnungsantrag ist nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO, der nach § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen 2 Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Daraus folgt, dass es für die Rechtzeitigkeit des Ablehnungsantrages darauf ankommt, worin der Ablehnungsgrund besteht. Wird der Ablehnungsgrund erst aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens hergeleitet, so ist er grundsätzlich in der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO geltend zu machen (BGH Urteil vom 15.03.2005 - VII ZB 74/04 -, NJW 2005, 1869). Ist keine richterliche Frist gesetzt, ist ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Ablehnungsgrundes dieser unverzüglich geltend zu machen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Dem Kläger war nach Zuleitung des Gutachtens eine mehrfach verlängerte Äußerungsfrist gesetzt worden, zuletzt bis 10.10.2012. Abgesehen davon, dass die Einwände gegen das Gutachten erst nach Ablauf der richterlich gesetzten Frist mit Schriftsatz vom 16.10.2012 geltend gemacht wurden, nimmt der Kläger Vorgänge im Rahmen der Untersuchung durch Dr. S. und einer vom Sachverständigen veranlassten Zusatzuntersuchung durch Dr. B. zum Anlass, an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln. Wird ein Sachverständiger wegen der Umstände im Rahmen der Untersuchung abgelehnt, muss der Antrag unverzüglich nach Kenntnis des Befangenheitsgrundes gestellt werden. Der Kläger hat nicht unmittelbar nach der Gutachtenserstattung die von ihm gerügten Vorgänge durch den Sachverständigen geltend gemacht, was aber in entsprechender Anwendung von § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nach der Rechtsprechung des Senats erforderlich gewesen wäre. Die hierzu angemessene Frist ist nach der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. u.a. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. § 406 RdNr. 23; Zöller, ZPO, 28. Aufl. § 406 RdNr. 11 jeweils m.w.N.) längstens die Zweiwochenfrist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO; in der Rechtsprechung wird teilweise die Auffassung vertreten, es komme auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005, a.a.O., m.w.N.). Der Senat hält eine Frist von längstens einem Monat, der im Sozialrecht sonst üblichen Rechtsbehelfsfrist, grundsätzlich für eine angemessene Überlegungsfrist, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls eine kürzere Prüfungszeit nahelegen (vgl. Beschluss des Senats vom 12.10.2011 - L 8 SB 3707/11 B - und zum Vorstehenden auch Urteile vom 19.04.2013 - L 8 SB 1516/12 - und 25.05.2012 - L 8 U 704/11 -). Entsprechendes gilt für die vom Kläger geltend gemachte Unverwertbarkeit der gutachtlichen Äußerungen von Dr. S. im Rahmen der Beweiswürdigung (Urteil vom 25.05.2012 - L 8 U 704/11 -). Die erst im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 16.10.2012 gegen den Sachverständigen erhobenen Rügen sind im Hinblick auf die bereits am 09.05.2012 erfolgte Untersuchung durch Dr. S. und das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits am 10.07.2012 übersandte Gutachten verspätet. Zu berücksichtigende Hinderungsgründe sind nicht ersichtlich. Das Beschwerdevorbringen des Klägers gibt dem Senat keinen Anlass, von seiner Rechtsprechung abzuweichen.

Den vom Kläger gegen das Gutachten des Dr. S. sonst erhobenen Einwendungen, dürfte nach den vom SG zu den Einwendungen des Klägers eingeholten ergänzenden Stellungnahmen des Dr. S. vom 17.11.2012 sowie des von Dr. S. zur Durchführung einer Bodyplethysmographie und Ergospirometrie herangezogenen Facharztes für Bronchialheilkunde Dr. v. B. vom 23.11.2012 nicht zu folgen sein. Auch die von der Lebensgefährtin des Klägers gemachten Angaben in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 19.12.2012 dürften keine dem Kläger günstigere Bewertung rechtfertigen. Der vom Kläger bestrittene Umstand, er sei beobachtet worden, dass er direkt im Anschluss an die Laufbanduntersuchung bei Dr. v. B. ohne Atemnot und ohne Schwierigkeiten 17 Stufen der Treppe aus dem Kellergeschoss hochzugehen in der Lage gewesen sei, hat Dr. v. B. in seiner Stellungnahme vom 23.11.2012 ausdrücklich bestätigt. Auf das von Dr. S. und Dr. v. B. außerhalb der Untersuchungssituation beobachtete Gehvermögen des Klägers und hieraus gezogene Rückschlüsse auf die kardiopulmonale Belastungsfähigkeit des Klägers kommt es auch nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass nach der objektiven medizinischen Befundlage keine Funktions- oder Leistungseinschränkungen des Klägers belegt sind, die die von ihm geltend gemachten körperlichen Einbußen plausibel machen. Dies wird auch nicht durch die eidesstattlich versicherte Angabe der Lebensgefährtin des Klägers, sie könne bestätigen, dass der Kläger sich außerhalb der Wohnung sich nur sehr langsam mit einem Rollator fortbewegen könne und nach ca. 5 bis 10 Minuten regelmäßig Sitzpausen einlegen müsse und die Treppe bis zur Wohnung im 1. Sock nicht unter 3 bis 5 Minuten bewältigen könne. Selbst wenn diese Angaben zuträfen, wird dadurch nicht belegt, dass der Klägers in seiner Leistungsfähigkeit tatsächlich derart eingeschränkt ist. Dagegen spricht die objektive medizinischen Befundlage. Allein der Umstand, dass der Kläger ein tatsächlich vorhandenes Leistungsvermögen nicht nutzt, kann nicht Grundlage der Bemessung des GdB sein. Dass die Lebensgefährtin des Klägers über besondere medizinische Sachkunde verfügt, ist zudem nicht ersichtlich.

Entsprechendes gilt für das Klagebegehren des Klägers, ihm das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Auch insoweit hat die Klage des Klägers keine hinreichende Erfolgsaussicht. Allerdings sind die Vorgaben der VG zum Merkzeichen "G" nach der Rechtsprechung des Senats mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig und deshalb nicht maßgeblich heranzuziehen. Rechtsgrundlage sind daher (für die Zeit ab Inkrafttreten der VG) allein die gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze (vgl. Urteile des Senats vom 02.10.2012 - L 8 SB 1914/10 - m.w.N. und 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 -, letzteres zur vergleichbaren Problematik des Merkzeichens "aG", beide veröffentlicht in juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 9a RVs 11/87 , SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 9 RVS 1/96 , SozR 3 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f ) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von 2 km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschluss vom 02.10.2012 L 8 SB 1914/10 a.a.O.) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" unwirksam sind.

Dabei kann bei einer Herzerkrankung auf Bewertungsansätze der VG Teil B 9.1.1 zurückgegriffen werden (Senatsurteil vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09 -, nicht veröffentlicht). Entsprechendes gilt bei Krankheiten der Atmungsorgane, wovon auch das SG im Gutachtensauftrag an Dr. S. (Beweisfrage 9c) ausgegangen ist.

Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 30.06.2012 die vom SG vorgegebenen Beweisfragen zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sämtlich verneint. Insbesondere hat er nicht bejaht, dass der Kläger wegen innerer Leiden nicht mehr in der Lage ist, Wegstrecken von 2 km Länge (in einer halben Stunde) zu Fuß zurückzulegen. Nach dem oben Ausgeführten ist beim Kläger auch keine Einschränkung der Herzleistung gegeben, die nach den VG Teil B 9.1.1 (3.) die Annahme einer Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers auf unter 2 km Gehstrecke in einer halben Stunde rechtfertigt. Entsprechendes gilt auch unter Berücksichtigung einer Einschränkung der Lungenfunktion des Klägers sowie der bei ihm auf orthopädischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen.

Die Beschwerde des Klägers war nach alledem zurückzuweisen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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