L 8 U 2530/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 2621/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2530/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Erkrankungen durch Phosphor oder seiner anorganischen Verbindungen - streitig.

Der 1928 geborene Kläger war nach seinen Angaben von 1981 bis 1993 beim M.-P.-Institut für Festkörperforschung, S., tätig und forschte über zwölf Jahre an Phosphor und dessen Verbindungen.

Am 12.06.2008 ging bei der Beklagten eine Meldung des Klägers ein, der Meniskus am rechten Knie und Zähne im Ober- und Unterkiefer seien durch eine Vergiftung durch weißen Phosphor geschädigt worden; die Erkrankung habe er erstmals 1984 bemerkt. Am 13.06.2008 ging eine ärztliche Anzeige des Zahnarztes Dr. J. M. , P. , bei der Beklagten ein, in der ausgeführt ist, als Folge eines Phosphorunfalles im Chemielabor führe der Kläger u.a. den Verlust von Zähnen und die Rückbildung des Kieferknochens auf die Phosphorvergiftung zurück. Im Ober- und Unterkiefer müsse Zahnersatz angefertigt werden. Auf entsprechende Anfrage teilte der Kläger der Beklagten am 18.06.2008 telefonisch mit, hinsichtlich des Phosphor-Unfalles von 1984 werde er ermitteln. Mit Schriftsatz vom 30.09.2008 trug der Kläger ergänzend vor, um die Jahreswende 1987 auf 1988 seien plötzlich heftige Zahnschmerzen aufgetreten und die betreffenden Zähne hätten sich nicht mehr erhalten lassen; sie hätten gezogen werden müssen. Dies werte er als klaren Hinweis auf eine Phosphorvergiftung. 1991 hätten sich plötzlich und unvermittelt heftige Gehbeschwerden in seinem rechten Knie ergeben; vorherige Anzeichen durch entsprechende Schmerzen hätte es nicht gegeben. Auch dies wiederum sei für ihn ein Hinweis auf eine Phosphorvergiftung. 1993 sei er in den Ruhestand gegangen. Anfang 2000/2001 habe er durch plötzliche heftige Zahnschmerzen gemerkt, dass die Phosphor-Vergiftung wiederum in eine kritische Phase eingetreten sei. Er habe sich entschlossen, zur Behandlung an die Uni-Zahnklinik T. zu gehen, da er vorausgesetzt habe, dass dort am ehesten Kenntnisse über Phosphor-Vergiftung zu erwarten gewesen sein könnten. Die Behandlung an der Uni-Zahnklinik sei jedoch einigermaßen ernüchternd gewesen. Hinweise auf irgendwelche Kenntnisse über Phosphor-Vergiftung oder auch nur das Bemühen darum, hätte es nicht gegeben. Deshalb habe er sich schließlich 2007/2008 in die Behandlung des Zahnarztes Dr. M. in P. begeben.

Der Präventionsdienst der Beklagten führte in seiner Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition am 29.10.2008 aus, am 16.10.2008 habe ein Gespräch mit dem Kläger stattgefunden. Dabei habe dieser angegeben, er habe über zwölf Jahre an Phosphor und dessen Verbindungen geforscht. Gearbeitet worden sei mit allen Modifikationen, hauptsächlich mit weißem Phosphor in kompakter Form oder gelöst in Benzol. Es sei präparativ und analytisch gearbeitet worden. Der Kläger habe angegeben, er habe in der Zeit seiner Tätigkeit ein bis zweimal Spritzer von Phosphor auf die Haut bekommen. Aus Sicht des Unterzeichners sei dies allerdings unwahrscheinlich. Phosphor sei bei normaler Raumtemperatur fest und schmelze bei 44° C. Dann steige jedoch die Gefahr der Selbstentzündung bei offener Anwendung. Außerdem wären die Mengen von 0,1 g pro Versuch für Spritzer nicht ausreichend. Eher wahrscheinlich wäre ein Unfall mit in Benzol gelöstem Phosphor. Auf gezielte Nachfrage habe sich der Kläger an weitere Unfälle mit Phosphor, insbesondere im Jahr 1984, nicht erinnern können; es habe keinen Phosphorunfall gegeben.

Anschließend schlug die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20.11.2008 verschiedene Ärzte als Gutachter zur Auswahl vor. Der Kläger entschied sich für Prof. Dr. K. , K ... Anschließend beauftragte die Beklagte Prof. Dr. M. K. vom Institut für Medizinische Begutachtung und Prävention, K. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Untersuchung des Klägers. Dieses Gutachten erstattete Prof. Dr. K. am 27.12.2008. Bei der Untersuchung gab der Kläger an, er habe 1988, 2000 und 2008 Zahnbehandlungen gehabt. Unfälle habe er bislang nicht erlitten. Zur Ausbildung und zum Beruf gab er an, 1948 bis 1954 habe er ein Chemiestudium mit Examen gemacht, anschließend sei er Wissenschaftlicher Assistent an den Universitäten Z. und M. gewesen. Von 1958 bis 1960 habe er bei der Firma B. L. , von 1960 bis 1963 im Kernforschungszentrum K. , von 1963 bis 1969 bei der Firma B. D. , von 1969 bis 1981 beim M.-P.-Institut für Züchtungsforschung K. und D. und von 1961 bis 31.01.1993 beim M.-P.-Institut für Festkörperforschung an der Universität S. gearbeitet; seit Dezember 1993 beziehe er Altersrente und seit Februar 1993 Betriebsrente. Zu den Erkrankungen durch Phosphor und seine Verbindungen führte Prof. Dr. K. in seinem Gutachten aus, elementarer Phosphor komme in verschiedenen Modifikationen vor, metallisch als schwarzer und nicht metallisch als roter oder weißer Phosphor. Gefährlich sei vor allem der weiße Phosphor. Er entzünde sich an der Luft selbst und leuchte im Dunkeln. Gefährdungen bestünden bei der Herstellung und Verwendung für die Erzeugung von Phosphorbronze, Feuerwerkskörpern, Schädlingsbekämpfungsmitteln und Phosphorsäure sowie im Zweiten Weltkrieg auch bei der Herstellung von Phosphorbrandbomben. Weißer Phosphor verursache auf der Haut Brandwunden und nach akuter resorptiver Aufnahme, meist nach dem Verschlucken, zunächst massive Reizerscheinungen. Nach einer Latenzzeit von bis zu drei Tagen träten schwere Leberschäden bis hin zur akuten gelben Leberdystrophie auf. Chronische Vergiftungen bewirkten neben Allgemeinbeschwerden wie Appetitlosigkeit, Verdauungsstörungen, Müdigkeit, Schwäche, Hypotonie, Abmagerung, auch Anämien, Haut- und Schleimhautblutungen, hypokalzämische Tetanie und vor allem schmerzhafte degenerative Knochenveränderungen (Osteoporose), die mit einer Verdickung des Periosts und Hyperosthosen einhergingen. Keiner dieser Befunde und keines dieser Symptome sei aktenkundig oder sei vom Kläger berichtet worden. Die plötzlich 1991 im rechten Knie aufgetretenen Beschwerden seien mit Wahrscheinlichkeit auf eine Meniskusläsion zurückzuführen, weil nach der Operation weitgehende Beschwerdefreiheit eingetreten sei. Es sei nichts darüber bekannt, dass Phosphor die Knorpelstruktur der Menisken angreifen würde. Zusammenfassend sei darauf hinzuweisen, dass weder anamnestisch noch klinisch oder auch laborchemisch Hinweise für eine chronische Phosphorintoxikation vorlägen. Dies gelte insbesondere für Manifestationen einer etwaigen Phosphorvergiftung am Skelettsystem und an der Leber. Hinsichtlich chronischer Phosphorvergiftungen mit dentaler Beteiligung sei richtig, dass massive und längerdauernde Einwirkungen von Phosphordämpfen zu Schädigungen der Kieferknochen führen könnten. Bei den damit in Zusammenhang stehenden Erkrankungsfällen handele es sich durchweg um historische Kasuistiken. 1883 finde sich der erste Eintrag über die Vergiftung durch Phosphor in der Monatsschrift für Zahnheilkunde. Darin werde über die Krankengeschichte einer 42-jährigen Patientin berichtet, die 13 Jahre in einer Zündholzfabrik tätig gewesen sei. 1880 habe die Krankheit bei der Patientin im linken Unterkiefer begonnen, nach einem halben Jahr auch im rechten Unterkiefer. Es seien mehrere Abszesse entstanden. Nach mehr als einem Jahr habe der Unterkiefer total entfernt werden müssen, da bereits größtenteils die Weichteile entblößt gewesen seien und frei gelegen hätten. Als Ursache für die Kiefernekrose seien kariöse Zähne identifiziert worden. Durch den zerstörten Zahn bestehe ein direkter Zugang von Phosphordämpfen zum Kieferknochen. Insgesamt sei aufgefallen, dass Phosphorarbeiter mit kariösen Zähnen am meisten zu Knochennekrosen im Kieferbereich neigen würden. Im aktuellen Fall des Klägers habe aber ein anderer Erkrankungsverlauf vorgelegen. Es sei zu Zahnschmerzen unbekannter Ursache gekommen, wobei anhand der Schilderungen des Klägers davon auszugehen sei, dass die Eintrittspforten für eventuell von außen einwirkenden weißen Phosphor im Dentalbereich geschlossen gewesen seien. Nach Zahnextraktion hätten die Schmerzen aufgehört. Außerdem hätten keine Hinweise für eine Osteopathie des Ober- und Unterkieferknochens bestanden. Möglicherweise habe der Kläger an Karies gelitten. Zahnkaries könne nicht auf die Einwirkung von Phosphordämpfen zurückgeführt werden. Symptomatik und Verlauf der beim Kläger aufgetretenen Zahnbeschwerden seien nicht typisch für eine phosphorbedingte Osteomyelitis im Kieferbereich. Der zweite Schub an Zahnschmerzen sei 2000/2001 erfolgt, also ca. acht Jahre nach Ende des beruflichen Umgangs mit Phosphor. Dies könne nicht auf eine Phosphorakkumulation im Organismus zurückgeführt werden - wie dies der Kläger vorgebracht habe -, weil die phosphorbedingte Osteomalazie im Kieferbereich nur durch die äußere Einwirkung von Phosphordämpfen hervorgerufen werde. Unter synoptischer Betrachtung der anamnestischen und aktenkundigen Angaben, der Untersuchungsbefunde und seiner Ausführungen spreche insgesamt deutlich mehr gegen als für einen Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Phosphoreinwirkung und den vorgebrachten Beschwerden. Dies ergebe sich aus folgenden Punkten: Aufgrund des äußerst sorgfältigen Umganges mit dem hochtoxischen weißen Phosphor sei beim Kläger allenfalls von sehr geringen und episodischen Einwirkungen auszugehen; diese seien nicht geeignet, eine Osteomalazie hervorzurufen. Deswegen könne es auch nicht zu einer toxikologisch maßgeblichen Akkumulation von Phosphor im Organismus gekommen sein. Die vom Kläger geklagten Zahnbeschwerden seien mit Wahrscheinlichkeit auf Karies und nicht auf eine Osteomalazie der Kieferknochen zurückzuführen. Eine Osteomalazie des Oberkiefer- oder Unterkieferknochens habe mit Wahrscheinlichkeit niemals vorgelegen. Meniskopathien durch Einwirkung weißen Phosphors seien nicht bekannt. Allein schon das Verschwinden der Beschwerden durch Zahnziehen bzw. durch die Knieoperation spreche gegen eine chronische Phosphorverbindung. Nicht plausibel sei darüber hinaus die zweite Zahnschmerzattacke 2000/2001, acht Jahre nach Ende des Umgangs mit dem weißen Phosphor. Insgesamt lägen damit weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen vor, um beim Kläger eine Erkrankung durch Phosphor oder seiner anorganischen Verbindungen als Berufskrankheit gemäß BK-Nr. 1109 zur Anerkennung vorzuschlagen.

Die Gewerbeärztin führte am 21.01.2009 aus, eine Berufskrankheit gemäß Nr. 1109 der BKV werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung könne nicht wahrscheinlich gemacht werden.

Mit Bescheid vom 24.02.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei ihm keine Berufskrankheit nach Nr. 1109 der BKV vorliege und dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden.

Der dagegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2010 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 28.05.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart, das den Rechtsstreit wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit an das örtlich zuständige Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Beschluss vom 15.06.2010 verwies. Der Kläger machte geltend, er führe seine Zahnbeschwerden mit Verlust von Zähnen auf eine Phosphorvergiftung durch den beruflichen Umgang mit Phosphor zurück. Hierzu legte der Kläger eine Bescheinigung seines Zahnarztes Dr. M. vom 26.07.2010 vor. Darin ist ausgeführt, am 13.07.2010 habe er beim Kläger die abgebrochene Wurzel des Zahnes 34 entfernt. Die Wurzel sei frei von Entzündungen gewesen, die Wurzellänge habe nur ca. 4 mm betragen. Dies sei untypisch für diesen Zahn, da Wurzellängen bis zu 20 mm durchaus der Normalität entsprächen. Eine Resorption der Wurzel infolge einer Phosphorvergiftung sei plausibel. Chronische Phosphatvergiftungen führten auch in geringen Mengen zu Schäden von Blut und der Knochen, besonders am Kiefer. Die Folge sei eine Osteoporose mit vorzeitiger Zahnlockerung und schließlich Zahnverlust.

Die Beklagte trat der Klage mit dem Antrag auf Klagabweisung entgegen.

Mit Urteil vom 02.05.2012 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die auf Verpflichtung des Beklagten zur Anerkennung beim Kläger bestehender Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit gerichtete Klage sei zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Soweit der Kläger darüber hinaus eine Verurteilung der Beklagten zur Entschädigung beantragt habe und damit möglicherweise auf eine Erstattung von Kosten für seine zahnärztliche Behandlung abziele, sei die Klage unzulässig, weil die Beklagte über diese konkrete Leistung nicht entschieden habe, sondern allgemein Ansprüche auf Leistungen abgelehnt habe, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Zahnprobleme und Kniegelenkserkrankung als Berufskrankheit nach BK-Nr. 1109 der Anlage 1 zur BKV, da die Voraussetzungen dieser Berufskrankheit nicht mit der für die Überzeugung des Gerichts notwendigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen seien. Hierbei folge das SG der schlüssigen Einschätzung von Prof. Dr. K ... Für die Kniegelenkserkrankungen folge dies bereits daraus, dass nach Bekunden von Prof. Dr. K. Meniskopathien durch Einwirkung weißen Phosphors in der medizinischen Literatur nicht bekannt seien und die im rechten Knie aufgetretenen Beschwerden wahrscheinlich auf eine Meniskusläsion zurückzuführen seien, weil der Kläger nach der Operation weitgehend beschwerdefrei geworden sei. Die Zahnprobleme des Klägers seien nicht durch den Phosphorkontakt zu erklären. Dieser habe von 1981 bis 1993 stattgefunden, während die Zahnprobleme erstmals 1987/88 nach längerer Exposition aufgetreten seien. Eine Phosphorvergiftung - akut oder chronisch - löse aber erhebliche Beschwerden aus, die nach Bekunden von Prof. Dr. K. nicht dokumentiert und auch vom Kläger nicht berichtet worden seien. Die vom Kläger behauptete chronische Phosphorvergiftung zur Erklärung des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Ende der Exposition und dem Auftreten von Beschwerden sei ebenfalls nicht nachgewiesen. Prof. Dr. K. habe die typischen Symptome einer chronischen Phosphorvergiftung beim Kläger verneint. Darüber hinaus habe Prof. Dr. K. ausgeführt, der Verlauf der beim Kläger aufgetretenen Zahnbeschwerden sei nicht typisch für eine phosphorbedingte Osteomyelitis im Kieferbereich, die allein als Ursache in Betracht käme und auch nicht - wie beim Kläger - sich allein durch das Ziehen der Zähne bessere.

Gegen das, dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 10.05.2012 zugestellte - Urteil hat der Kläger am Montag, den 11.06.2012 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, in der Zeit von 1981 bis 1993 sei er als Professor für Physikalische Chemie, Biophysikalische Chemie und Technische Chemie am M.-P.-Institut für Festkörperforschung in S. tätig gewesen. Die von ihm dort durchgeführten Forschungsarbeiten hätten weißen Phosphor betroffen. Diese seien überwiegend mit Dichtespektrometer eigener Konstruktion sowie Differentialkalorimeter u.a. durchgeführt worden. Die Versuchsdurchführung sei äußerst kompliziert gewesen und habe höchste Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert, um in jedem Falle schwerwiegende Unfälle zu vermeiden. Deshalb seien diese Experimente von ihm selbst durchgeführt worden. Er lege Berufung ein wegen einer im Jahre 2011 eingetretenen neuerlichen Verschärfung des durch Phosphorvergiftung bedingten Krankheitszustandes.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Mai 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 aufzuheben und festzustellen, dass die Meniskuserkrankung rechts, Zahnverluste sowie stark schmerzende Wunden an beiden Unterschenkeln Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 1109 der Anlage 1 zur BKV sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Kläger hat am 18.10.2013 Terminsverlegung beantragt. Der Verlegungsantrag ist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22.10.2013 abgelehnt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Karlsruhe und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat sah sich nicht an einer Entscheidung gehindert. Der im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienene Klägerbevollmächtigte hat keine Umstände vorgetragen, die eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör des Klägers zu begründen vermögen.

Eine Terminsverlegung über die hilfsweise beantragte Terminsvorverlegung hinaus auf einen anderen Tag war nicht geboten. Der Verlegungsantrag ist vom Vorsitzenden mit Verfügungen vom 22.10.2013 rechtlich zulässig abgelehnt worden. Einem Antrag auf Verlegung eines nach § 110 SGG anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung ist dann stattzugeben, wenn erhebliche Gründe im Sinne der §§ 202 SGG, 227 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) dargetan und glaubhaft gemacht sind (Leitherer in: Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. § 110 Rn. 4b). Nach § 227 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen vom Vorsitzenden (§ 227 Abs. 4 ZPO) aufgehoben oder verlegt werden. Sofern der die Verlegung beantragende Prozessbeteiligte erhebliche Gründe geltend gemacht und gegebenenfalls auf Anforderung des Vorsitzenden glaubhaft gemacht hat, ist das Gericht zu ordnungsgemäßem Vorgehen und Aufhebung oder Verlegung des Termins verpflichtet (st. Rspr. des BSG, zuletzt Beschluss vom 18.12.2012 B 1 KR 90/12 B, Juris Rn. 5). Erhebliche Hinderungsgründe in diesem Sinne sind nicht dargetan worden. Dem vorgelegten Attest von Dr. F. vom 10.10.2013 sind keine medizinischen Befunde zu entnehmen, die eine Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung als unmöglich oder unzumutbar erschwert erscheinen lassen, wiedergegeben wird lediglich das subjektive Beschwerdevorbringen des Klägers. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Kläger sein Klagebegehren nicht ausreichend durch den von ihm beauftragten Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vorgebracht sieht. Im Hinblick auf die bereits seinen Verlegungsanträgen entsprechenden Aufhebungen der Termine am 05.03.2013 und 19.07.2013 hätte seit März 2013 ausreichend Gelegenheit bestanden, für den Senat nachvollziehbar zu umreißen, welche Gesichtspunkte das persönliche Vorbringen des Klägers in einer mündlichen Verhandlung erforderlich machen. Im übrigen wird auf die Verfügung des Vorsitzenden vom 22.10.2013 verwiesen.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Feststellungsklage ist zulässig, denn es besteht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der geltend gemachten Erkrankung als Berufskrankheit. Auf die Feststellung dieses Rechtsverhältnisses zwischen Versichertem und Unfallversicherungsträger können Entschädigungsleistungen gestützt werden.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die vom Kläger geltend gemachte Meniskuserkrankung rechts sowie die Zahnverluste sind nicht Folgen einer Berufserkrankung nach Nr. 1109 der Anlage 1 zur BKV. Der Bescheid der Beklagten vom 24.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2010 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.

Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität folgt der Senat der überzeugenden neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil 02.04.2009 a.a.O.), dass auch im Berufskrankheiten-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.

Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).

Der Tatbestand der Berufskrankheiten - Nr. 1109 der Anl. 1 zur BKV lautet: Erkrankungen durch Phosphor oder seine anorganischen Verbindungen.

Hiervon ausgehend trifft bei dem Kläger nicht zu, dass die von ihm geltend gemachten Erkrankungen (Meniskuserkrankung rechts sowie Zahnverluste) auf Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper am Arbeitsplatz mit rechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit hervorgerufen wurden. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung vielmehr mit dem SG zu der Überzeugung, dass es nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass die geltend gemachten Erkrankungen auf den Umgang des Klägers mit Phosphor im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit verursacht worden sind. Diese Überzeugung gewinnt der Senat durch die Ausführungen des Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 19.12.2008. Danach liegen beim Kläger weder anamnestisch noch klinisch noch laborchemisch Hinweise für eine chronische Phosphorintoxikation vor. Die aktenkundigen laborchemischen Messwerte für Phosphate vom Dezember 1997, vom November 1999 und Oktober 2001 liegen nach Professor Dr. K. im Normbereich. Eine gesundheitsgefährdende Phosphorexposition ist auch vom Präventionsdienst der Beklagten nicht zu ermitteln gewesen (Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 29.10.2008), was Professor Dr. K. aufgrund seiner Befragung des Klägers bestätigt hat. Denn zu berücksichtigen ist, dass weißer Phosphor auf der Haut Brandwunden verursacht und nach akuter resorptiver Aufnahme massive Reizerscheinungen verursacht. Nach einer Latenzzeit von bis zu drei Tagen treten schwere Leberschäden bis hin zur akuten gelben Leberdystrophie auf. Derartige Beeinträchtigungen und Symptome sind aber weder vom Kläger berichtet worden noch sind sie aktenkundig. Auch Hinweise für eine chronische Vergiftung liegen nicht vor. Chronische Vergiftungen bewirken neben Allgemeinbeschwerden wie Appetitlosigkeit, Verdauungsstörungen, Müdigkeit, Schwäche, Hypotonie, Abmagerung, Anämien, Haut- und Schleimhautblutungen, hypokalzämische Tetanie und vor allem schmerzhafte degenerative Knochenveränderungen (Osteoporose), die mit einer Verdickung des Periosts und Hyperosthosen einhergehen. Keiner dieser Befunde und keines dieser Symptome ist jedoch aktenkundig oder vom Kläger berichtet worden. Der Vortrag des Klägers, auch mit größeren Mengen Phosphor Umgang gehabt zu haben, führt nach den Darlegungen von Professor Dr. K. selbst bei unterstellter Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens zu keinem anderen Ergebnis. Nach Angaben des Klägers erfolgte der Umgang bei größeren Mengen Phosphor unter "Schutzgas", etwaige Verletzungen wurden sofort mit Kupfersulfatlösung ausgespült, wodurch größere und schwer behandelbare Wunden vermieden wurden. Der Gutachter Professor Dr. K. hat für den Senat auch insoweit überzeugend darauf hingewiesen, dass damit bei diesen Vorkommnissen keine maßgebliche Phosphoraufnahme anzunehmen ist. Außerdem wurde vom Kläger auch im Berufungsverfahren eingeräumt, dass ihm keine Unfälle mehr erinnerlich sind, was das Vorkommen von Bagatellvorgängen, wenn solche überhaupt vorgelegen haben, unterstreicht. Aufgrund dessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger hinreichender Phosphoreinwirkung am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen ist und insgesamt spricht deutlich mehr gegen als für einen Kausalzusammenhang zwischen einer beruflichen Phosphoreinwirkung und den vom Kläger vorgebrachten Beschwerden. Aufgrund des äußerst sorgfältigen Umganges mit dem hochtoxischen weißen Phosphor - wie dies der Kläger im einzelnen geschildert hat - ist allenfalls von sehr geringen und episodischen Einwirkungen auszugehen. Diese sind nicht geeignet, eine Osteomalazie hervorzurufen. Deswegen kann es auch nicht zu einer toxikologisch maßgeblichen Akkumulation von Phosphor im Organismus gekommen sein. Die vom Kläger geklagten Zahnbeschwerden sind vielmehr mit Wahrscheinlichkeit auf Karies und nicht auf eine Osteomalazie der Kieferknochen zurückzuführen. Die Diagnose einer Osteomalazie oder Osteoporose der Kieferknochen ist den vom Kläger vorgelegten zahnärztlichen Bescheinigungen von Dr. M. vom 18.11.2008 und 26.07.2010 auch nicht zu entnehmen. Hierfür hat Professor Dr. K. bei seiner inspektorischen Betrachtung von Ober- und Unterkiefer des Klägers auch keinen Anhalt gefunden. Eine Verdickung des Periosts und Hyperosthosen werde von keinem Arzt beschrieben, auch Professor Dr. K. hat keinen solchen Befund erhoben. Durch solche Befunde verursachte, einschlägige Schmerzen wurden vom Kläger nicht vorgetragen, worauf Professor Dr. K. ebenso überzeugend hinweist. Darüber hinaus hat Professor Dr. K. für den Senat überzeugend dargelegt, dass Symptomatik und Verlauf der Zahnbeschwerden nicht typisch für eine phosphorbedingte Ursache sind. Nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann Zahnkaries nicht auf die Einwirkung von Phosphordämpfen zurückgeführt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass phosphorbedingte Zahnerkrankungen durch Schädigung der Kieferknochen entstehen. Anamnestisch traten erstmals 1988 Zahnbeschwerden auf. Nach zahnärztlicher Behandlung traten ab 1988 bis Ende der Berufstätigkeit keine weiteren Zahnbeschwerden auf, was gegen eine auf Osteomalazie der Kieferknochen beruhende Zahnerkrankung spricht. Die Gebisssanierung des Klägers im Jahr 2000/2001 erfolgt 8 Jahre nach Expositionsende, was nach Prof. Dr. K. ebenfalls gegen einen berufsbedingten Zusammenhang spricht. Hinsichtlich der Meniskuserkrankung rechts ist außerdem zu berücksichtigen, dass Meniskopathien durch Einwirkung weißen Phosphors in der wissenschaftlichen Literatur nicht bekannt sind. Auch hier spricht zusätzlich der Umstand, dass die Meniskusbeschwerden am rechten Kniegelenk durch die Knieoperation verschwunden sind, gegen eine chronische Phosphorvergiftung. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Berufskrankheitenfolgen geltend gemachten offenen Beine an den Unterschenkeln stehen zur Überzeugung des Senats ebenso wenig im Zusammenhang mit einer Phosphorexposition. Bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte der Kläger selbst die offenen Stellen an beiden Unterschenkel nicht in den Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit gebracht. Bei der Untersuchung durch Professor Dr. K. führte er diese Krankheitserscheinungen noch auf eine Infektion beim Baden im Mittelmeer zurück. Professor Dr. K. hatte seinerzeit eine chronische Venenerkrankung mit konsekutiven Infektionen diagnostiziert. Die chronisch-venöse Insuffizienz an beiden Unterschenkel hat er nicht in den Zusammenhang mit einer Phosphorexposition gestellt, denn Venenerkrankungen gehören nach seinen Ausführungen nicht zu den typischen Vergiftungserscheinungen. Zwar kommt es bei chronischer Vergiftung zwar auch zu Haut- und Schleimhautblutungen. Die vom Kläger berichteten juckenden, schmerzhaften und nässenden Ulcerationen an beiden Unterschenkel sind nach Professor Dr. K. aber Folgen der nicht berufsbedingten Venenerkrankung.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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