L 8 U 3280/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2477/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3280/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2011 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich der Kläger bei Umbauarbeiten (Arbeiten an einem Wasserrohr) mit Legionellen infiziert hat.

Am 17.07.2007 erstattete die Firma S. GmbH eine Unfallanzeige und teilte mit, der 1952 geborene Kläger habe am 26.06.2007 einen Unfall erlitten und sich eine Lungenentzündung durch Legionellen zugezogen, dies eventuell von der Baustelle (Lehrerakademie, B Straße , Bad W. ), an der der Kläger einen Heizungsauftrag zu erledigen gehabt habe. Ergänzend teilte Frau L. von der Firma S. GmbH telefonisch mit, die Heizung an dem Umbau der Lehrerakademie sei im Feb./März 2007 entleert worden und der Dampfkessel sei entfernt worden (Aktenvermerk vom 09.07.2007); bei Herrn K. sei zuhause eine Wasserprobe entnommen worden und bei dieser sei der Wert unter 1, also im Normalbereich, festgestellt worden. Auf der Baustelle in Bad W. sei ebenfalls eine Probe entnommen worden, das Ergebnis liege jedoch noch nicht vor. Der Kläger befinde sich seit dem 26.06.2007 in stationärer Behandlung. Er sei zuerst im Krankenhaus N. behandelt worden und dann wohl nach T. verlegt worden.

Der Kläger wurde vom 26.06.2007 bis 03.07.2007 stationär im Kreiskrankenhaus N. und vom 03.07.2007 bis 31.07.2007 in der Universitätsklinik T. stationär behandelt, von dort wurde er zurückverlegt ins Kreiskrankenhaus N ...

Mit Bescheid vom 26.02.2008 lehnte die Beklagte die Erkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Berufskrankheiten-Liste ab. Zur Begründung wurde angegeben, Erkenntnisse, dass Heizungsbauer/Installateure in erheblich höherem Grad als die Gesamtbevölkerung an einer Infektion durch Legionellen erkrankten, seien nicht vorhanden. Aus diesen Gründen liege keine Berufskrankheit vor. Unabhängig davon werde geprüft, ob es sich bei dem Ereignis vom Juni 2007 um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Der dagegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2008 zurückgewiesen, der rechtskräftig wurde.

Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass der Kläger nach Aussage seiner Arbeitgeberin seit Anfang Februar 2007 auf der besagten Baustelle (Lehrerakademie, Bad W. ) tätig gewesen ist. Im Februar/März 2007 seien die alten Wasserleitungen/-rohre im Altbau entfernt worden. Ob es später (Mai/Juni 2007) nochmals zum Entfernen von vereinzelten Rohren gekommen sei, könne nicht mit Sicherheit bestätigt werden. Ein Arbeitsprotokoll werde von der Firma S. GmbH leider nicht geführt. Laut Aussage der Firma S. sei keiner der anderen Arbeiter bzw. Kollegen des Klägers erkrankt, die mit ihm auf der Baustelle tätig gewesen seien. Im häuslichen Bereich des Klägers hätten keine Legionellen nachgewiesen werden können. Laut Aussage der Familie des Klägers habe sich der Kläger sonst nirgendwo (z. B. Hotel, Sauna, Schwimmbad) aufgehalten, wo er sich eventuell hätte infiziert haben können.

Mit Bescheid vom 05.06.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da der Unfall nicht erwiesen sei. Der Kläger sei am 23.06.2007 an einer Lungenentzündung durch Legionellen erkrankt. Nach Aussage des Gesundheitsamtes C. betrüge die Inkubationszeit zwischen Entstehen und Ausbruch der Krankheit 2 bis 14 Tage. Nach den Beweisgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung müsse ein Unfallereignis mit Gewissheit bewiesen sein, d. h. es müsse feststehen, dass die Infektion mit Legionellen innerhalb einer Arbeitsschicht während der versicherten Betriebstätigkeit Mitte bis Ende Juni 2007 eingetreten sei. Dieser Beweis habe nach Ermittlungen nicht erbracht werden können. Ob im Juni 2007 noch alte Wasserleitungen vom Kläger entfernt worden seien, hätte ebenfalls nicht festgestellt werden können. Das Entfernen alter Wasserrohre sei im Februar 2007 durchgeführt worden. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast habe der Kläger das Risiko zu tragen, dass der medizinische Sachverhalt nicht habe entsprechend festgestellt werden können.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, Mitte Juni habe er alleine in den Sanitärräumen des Altbaus bzw. am Umbau der Lehrakademie gearbeitet. Um die Heizkörper aufzuhängen und anschließen zu können habe er die stillgelegten Warm- und Kaltwasserleitungen, die nebeneinander unter Putz gelegen hätten, entfernen müssen. Dabei habe er diese abgeflext. Beim Heraustrennen eines Rohrstückes - er habe sich hierbei auf den Knien befunden - sei ihm Wasser sowie Wasserdampf ins Gesicht gespritzt, da sich noch ein Wassersack in der Leitung befunden habe. Durch Stundenzettel bei der Firma S. könne belegt werden, dass er sich regelmäßig auf der Baustelle aufgehalten habe und dass er in dieser Zeit keine anderen Aufgaben durchgeführt habe. In dem fraglichen Zeitraum sei er auch nicht im Urlaub gewesen. Eine andere Ansteckungsquelle kommen nicht in Betracht.

Prof. Dr. M. vom Kreiskrankenhaus N. teilte der Beklagten (in einem Schreiben ohne Datum) mit, bezüglich der Anfrage der Beklagten vom 25.10.2007 könne er mitteilen, dass der mikrobiologische Nachweis von Legionellen in der angegebenen Konzentration (6 KBE/100 ml) im Zusammenhang mit der vorliegenden Pneumonie beweisend sei für eine Legionellen-Pneumonie (Legionärskrankheit). Der Nachweis in der genannten Konzentration sei ohne Zweifel geeignet, eine Legionärskrankheit zu verursachen.

Von Seiten des Klägers wurde am 30.08.2007 durch P. K. der Beklagten gegenüber angegeben, der Kläger habe zum ersten Mal am 23.06.2007 unter Beschwerden wie Fieber, Schwindel und Schwächeanfall gelitten. Dieser Beschwerden bestünden auch gegenwärtig.

Im Prüfbericht des Instituts Prof. Dr. J. GmbH, T. vom 26.07.2007 ist ausgeführt, die Untersuchungen an 5 Entnahmestellen (Speicher, Altbau und Neubau) hätten ergeben, dass lediglich an 1 Stelle im Neubau Legionellen (6 KBE/100 ml) gefunden worden seien (bei einer Wassertemperatur von 25 °C). Die Probe sei jedoch nicht zu beanstanden, da der Zielwert ( 100 KBE/100 ml gemäß der Empfehlung des Umweltbundesamtes eingehalten worden sei. In den restlichen untersuchten Proben hätten keine Legionellen festgestellt werden können.

Das Landratsamt C. - Gesundheit und Versorgung - übersandte mit Schreiben vom 28.10.2008 der Beklagten die Aktennotiz über den Besuch beim Kläger durch Dr. W. am 31.10.2007. Darin ist ausgeführt, der Kläger habe geschildert, dass seine Tätigkeit in dem Gebäude der ehemaligen Kurklinik Bad W. in der Zeit vor seiner Erkrankung vorwiegend im Entfernen alter Heizungsrohre und der Neuverlegung der Heizung bestanden habe. Zu diesem Zwecke habe er zum Teil auch Reste von sanitären Leitungen entfernen müssen, die die eigentlich damit befasste Firma hinterlassen habe. Diese verbliebenen Rohrstöcke, die auch Teile der früheren Warmwasserinstallationen umfasst hätten, seien zum Teil noch voll Wasser gewesen. Dieses Wasser sei bei der Entfernung über die Hände, zum Teil auch über das Gesicht gelaufen. Zeitweise habe er solche Rohrstöcke mit einer Trennscheibe (Flex) zum Zwecke der Demontage durchtrennen müssen. Dabei sei es auch zur Freisetzung von Sprühnebel gekommen. Das Wasser sei auch teilweise verdampft. Die Frage nach sonstigen Wasserkontakten, insbesondere Tanks oder Boilern, habe der Kläger verneint. Andere Tätigkeiten im Zeitraum in den Wochen vor seiner Erkrankung habe der Kläger verneint.

Auf telefonische Anfrage der Beklagten teilte Frau L. von der Firma S. GmbH am 30.03.2009 mit, der Kläger sei im Juni noch auf der Baustelle in der Lehrerakademie tätig gewesen; letzter Einsatztag dort sei der 21.06.2008 gewesen. Mit ihm zusammen habe der Kollege J. H. , N. gearbeitet. Es seien Heizungsarbeiten im Altbau ausgeführt worden. Niemand hätte so genau gewusst, wie die Leitungen verlaufen würden. Daher seien manchmal Schlitze geschlagen worden und Leitungen, auch Sanitärleitungen hätten verlegt werden müssen.

J. H. teilte auf Anfrage der Beklagten vom 17.04.2009 mit, der Kläger habe im Juni 2007 mit ihm auf dieser Baustelle gearbeitet. Seine Aufgabe sei es gewesen, Heizkörper aufzuhängen und anzuschließen. Ob der Kläger mit Wasser in Berührung gekommen sei, habe er nicht sehen können, da der Kläger in verschiedenen Räumen gearbeitet hätten. Der Kläger habe ihm gegenüber erwähnt, dass er beim Flexen mit Wasser aus den Leitungen in Berührung gekommen sei. Dies sei in den Tagen vor seiner schweren Erkrankung gewesen.

Anschließend holte die Beklagte das internistische Fachgutachten des Prof. Dr. Z. vom Klinikum S. - K. Hospital - vom 16.01.2010 ein, dem das radiologische Gutachten des Prof. Dr. G. vom 04.10.2009 beigefügt war. Zu den aktuellen Beschwerden habe der Kläger bei der Untersuchung über häufige Schwindelsymptomatik, schnelle Ermüdbarkeit und Kopfschmerzen nach längerer körperlicher Anstrengung berichtet. An regelmäßigen Sitzungen seines Sportvereins könne er seit dem schweren Krankheitsverlauf von 2007 nicht mehr teilnehmen. Seit dem Schlaganfall und mehrfachen rehabilitativen Maßnahmen seien keine sensorischen und motorischen Defizite mehr auszumachen. Prof. Dr. Z. kam zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine eingeschränkte Belastbarkeit ohne kardiozirkulatorische oder pulmonale Ursache nach spiroergometrischer Belastung vor. Außerdem bestehe ein Zustand nach akutem Nierenversagen bei interstitieller Nephritis (nach Nierenpunktion 18.7.2007), medikamentös toxischer Genese legionellenassoziiert und aktuell geringer Proteinurie bei normwertigen Retentionsparametern. Die eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit mit Aufmerksamkeits- und Gedächtnisdefiziten sei am ehesten auf den Schlaganfall und zu einem nicht unerheblichen Anteil auf die schwerwiegende Verlaufsform der Legionellenpneumonie zurückzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, vorliegend bestünden weiterhin erhebliche Zweifel an einer durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Legionelleninfektion. Deswegen könne die abweichende Ansicht von Prof. Dr. Z. nicht überzeugen. Eine Legionellenbelastung desjenigen Wasserrohres, das entsprechend bearbeitet worden sein solle, sei nicht bewiesen. Auch eine Legionellenbelastung in den Leitungen an der Arbeitsstelle des Klägers, d. h. im dortigen Altbau, sei unbewiesen. Ergänzend sei anzuführen, dass Dr. W. , öffentlicher Gesundheitsdienst des Landratsamtes C. , in seiner Stellungnahme vom 05.11.2007 zu Recht ausgeführt habe, dass die Beweiskette hinsichtlich der beschriebenen Infektion nicht zu schließen sei. Damit habe sich Prof. Dr. Z. nicht auseinandergesetzt.

Dagegen erhob der Kläger am 14.06.2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit dem Begehren festzustellen, dass die Infektion durch Legionellen Folge eines im Juni 2007, spätestens am 21.06.2007 erlittenen Arbeitsunfalles sei. Zur Begründung berief er sich auf seinen bisherigen Vortrag.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 15.12.2010 wies das SG den Kläger darauf hin, dass nach dem Prüfbericht in einem Wasserkörper in der B Straße , bezogen auf einen sogenannten "Neubau", Legionellen nachgewiesen worden seien. Der Arbeitgeber des Klägers habe aber laut Aktenvermerk mitgeteilt, dass im fraglichen Zeitraum (Juni 2008) Heizungsarbeiten im "Altbau" ausgeführt worden seien. Hierzu werde um weitere Äußerung gebeten.

Hierzu teilte der Kläger mit Schreiben vom 16.01.2011 mit, er habe auf der Baustelle B Straße in Bad W. von Anfang des Jahres 2007 bis 21.06.2007 gearbeitet. Bei der Legionellenprüfung der B Straße , sogenannter "Speicher", "Altbau", "Neubau" habe es sich um 1 Gebäudekomplex gehandelt. Er als verantwortlicher Mitarbeiter der Firma S. habe zeitgleich im sogenannten Altbau und Neubau gearbeitet. Er habe die anfallenden Arbeiten an Mitarbeiter vergeben und habe nebenbei selbst Arbeiten erledigt und sei auch regelmäßig bei den Baubesprechungen dabei gewesen. Es gebe Arbeitsaufträge, die belegen würden, dass er zeitgleich in mehreren Häusern und auch im Neubau gearbeitet habe. Hierzu legte der Kläger die Arbeitsaufträge vom 11.04. und 05.06.2007 vor. Im Arbeitsauftrag vom 05.06.2007 sei ausgeführt, dass er am 14.06.2007 innerhalb von 5 Stunden Thermostatventile im gesamten Neubau gangbar gemacht habe.

Die Beklagte trat der Klage mit dem Antrag auf Klageabweisung entgegen.

Mit Urteil vom 29.06.2011 hob das SG den Bescheid vom 05.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2010 auf und stellte fest, dass die Infektion durch Legionellen ein im Juni 2007, spätestens am 21.06.2007, erlittener Arbeitsunfall sei. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass der Kläger in der Lehrerakademie in der B Straße in Bad W. mit Heizungsarbeiten beschäftigt gewesen sei. Aufgrund der Angaben des Klägers, seiner Ehefrau und seines Sohnes sowie des Arbeitskollegen des Klägers sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger während einer Arbeitsschicht, deren genaue Feststellung nicht möglich sei, jedenfalls spätestens am 21.06.2007, seinem letzten Arbeitstag, beim Demontieren alter Teilrohrstöcke und/oder beim Flexen von Rohrstöcken mit ausgetretenem Wasser in Berührung gekommen sei, das sich seit längerer Zeit in den Leitungen befunden habe. Ein zweifelsfreier Nachweis darüber, dass ein vom Kläger bearbeitetes Wasserrohr mit Legionellen belastet gewesen sei, könne, wie von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden zutreffend ausgeführt sei, nicht erbracht werden. Eine derartige nachträgliche Nachweismöglichkeit besteht nicht mehr. Nachgewiesen sei jedoch, dass im Arbeitsbereich des Klägers noch am 17.07.2007 eine Belastung mit Legionellen von 6 KBE/100 ml bei einer Wassertemperatur von 25°C vorgelegen habe. Die Tatsache, dass der vom Kläger geschilderte Arbeitsvorgang geeignet sei, mit in Leitungsrohren stehendem Wasser in Kontakt zu kommen und der Nachweis von Legionellen in Wasserkörpern, wie im Prüfbericht vom 26.07.2007 belegt, wiesen zur Überzeugung der Kammer auf einen Versicherungsfall hin. Dies auch deshalb, weil die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen erscheine. Der Kläger habe mehrfach und glaubhaft verneint, privat nicht einem Risiko einer Legionelleninfektion ausgesetzt gewesen zu sein. Auch im häuslichen Umfeld des Klägers hätten Legionellen nicht nachgewiesen werden können. Nach alledem stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger im Juni 2007, spätestens am 21.06.2007, einen Unfall durch Eintritt legionellenbelasteten Wassers in seinem Körper erlitten habe und dieser Unfall mit Wahrscheinlichkeit die Infektion mit Legionellen verursacht habe.

Gegen das der Beklagten am 1. Juli 2011 zum Zwecke der Zustellung zur Post gegebenen Urteils hat die Beklagte am 03.08.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, die Anerkennung eines Arbeitsunfalles setze unter anderem voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses, das Unfallereignis sowie der bei diesem Ereignis erlittene Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (Vollbeweis) nachgewiesen seien. Für die hier strittige Sache bedeutet dies, dass keine dieser anspruchsbegründenden Tatsachen mit diesem Vollbeweis bewiesen sei. keinesfalls reiche es aus, wie erstinstanzlich ausgeführt sei, dass nach dem ermittelten Sachverhalt der Kläger im Monat Juni 2007, spätestens am 21.06.2007, eine Legionelleninfektion bei seiner beruflichen Tätigkeit für die Firma S. auf der Baustelle "Lehrerakademie" in Bad W. erlitten haben müsse. Erforderlich sei vielmehr der Nachweis, dass der Kläger innerhalb einer Arbeitsschicht, also an einem bestimmten Tag, sich bei den von ihm verrichteten Arbeiten an der Heizungsanlage der "Lehrerakademie" mit Legionellen infiziert habe. Gerade dies sei nicht möglich. Es lägen insofern objektiv beweislose Tatsachen vor. Die Folgen dieser objektiven Beweislosigkeit von anspruchsbegründenden Tatsachen seien nach den in der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast von demjenigen zu tragen, der aus den feststellungsbedürftigen, aber nicht bewiesenen Tatsachen ein Recht herleiten wolle. Dies sei der Kläger.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist auf das im SG Urteil zitierte Urteil des BSG vom 14.11.1984 - 9b RU 68/83 - hin, mit dem sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt habe.

Im Termin vom 20.11.2012 sind die Beteiligten vom Berichterstatter gehört worden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Karlsruhe und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet.

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage kann die Feststellung des streitigen Unfalls als Arbeitsunfall begehrt werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr, 17; -B 2 U 40/05 R - , UV-Recht Aktuell 2006, 419; - B 2 U 26/04 R- , UV-Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).

Die Definition des Unfalls enthält als wesentliches Merkmal das der zeitlichen Begrenzung. Es dient der Abgrenzung des Unfalls von der Krankheit. Danach erfüllt eine schädigende, auch psychische Einwirkung nur dann den Tatbestand eines Unfalles, wenn sie innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes, höchstens innerhalb einer Arbeitsschicht geschehen ist. Die Gesamtheit mehrerer, auf einen längeren Zeitraum verteilter Gewalteinwirkungen ist kein Unfall im rechtlichen Sinne. Schäden durch wiederholte, auf mehrere Arbeitsschichten verteilte Gewalteinwirkungen sind nur dann als Folge eines Unfalls anzusehen, wenn sich eine einzelne Gewalteinwirkung aus der Gesamtheit derart hervorhebt, dass sie nicht nur als die letzte von mehreren für den Erfolg gleichwertigen Gewalteinwirkungen erscheint. Ansonsten ist sie nur Gelegenheit für die Vollendung, aber nicht eine wesentliche Teilursache des Erfolges (BSG; Urteil vom 08.12.1998 - B 2 U 1/98 R - , abgedruckt in juris und HVBG-INFO 1999, 238-243, m.w.N.)

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2010, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dass sich der Kläger eine Infektion infolge Legionellenbelastung durch einen Arbeitsunfall zugezogen hat, ist rechtmäßig. Denn es ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger an der mit Legionellen belasteten Zapfstelle in gefahrbringender Weise - Abflexen eines Wasserrohres, wobei dem Kläger Wasser bzw. Wasserdampf ins Gesicht und über die Hände gekommen ist -, gearbeitet hat. Wie der Kläger im Termin vom 20.11.2012 ausgesagt hat, ist es ihm 1- mal passiert, dass ihm beim Flexen der Wasserleitungen Wasser und Wasserdampf ins Gesicht gespritzt sind. Wann und wo dies erfolgt ist, konnte der Kläger nicht angeben; weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren konnte dies geklärt werden.

Im Prüfbericht des Instituts Prof. Dr. J., T. , vom 26.07.2007 ist ausgeführt, dass an 5 Entnahmestellen der Wasserkörper der B Straße mehrere Proben entnommen und untersucht worden sind. Von den 5 untersuchten Probestellen waren 4 Probestellen legionellenfrei und an 1 Entnahmestelle ergab das Messergebnis die Zahl 6. Hierbei handelte es sich um die Entnahmestelle im Neubau.

Der Senat konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass dem Kläger beim Flexen von Wasserrohren im Neubau Wasser bzw. Wasserdampf ins Gesicht gespritzt ist. Zum einen steht dem schon entgegen, dass die Arbeitgeberin (Fa. S. GmbH) angegeben hat, dass das Entleeren und Entfernen der alten Heizungsrohre im Feb./März 2007 abgeschlossen worden sei (vgl. Aktenvermerk vom 09.07.2007 über das Telefonat der Beklagten mit Frau L. von der Fa. S. ) und zum anderen gibt es keinen Nachweis darüber, dass der Kläger Rohre im Neubau abgeflext hat. Weder hat der Kläger dies geltend gemacht noch liegt ein Arbeitsnachweis der Arbeitgeberin hierzu vor. Des weiteren war zu berücksichtigen, dass auch bis zu dem Hinweis durch das SG gemäß gerichtlichem Schreiben vom 15.12.2010 immer nur von Heizungsarbeiten die Rede gewesen ist, die im Altbau ausgeführt worden sind. Auch die Arbeitgeberin hat jeweils von Arbeiten im Altbau gesprochen. Nach dem Aktenvermerk vom 30.03.2009 hat Frau L. telefonisch der Beklagten mitgeteilt, es seien Heizungsarbeiten im Altbau ausgeführt worden. Aus dem Antwortschreiben seines Bevollmächtigten vom 02.10.2008 ist auch zu entnehmen, dass der Kläger keine genaue Erinnerung daran hat, wann und in welchem Gebäudeteil der Lehrakademie er Wasserrohre abgeflext hat. Hieraus ergibt sich für den Senat, dass nicht nachgewiesen ist, dass der Kläger die gefahrbringende Tätigkeit im Neubau ausgeführt hat, sondern allenfalls in anderen Gebäudebereichen durchgeführt hat. In diesen Gebäudeteilen bestand aber gemäß dem Prüfbericht keine Gefahr, sich mit Legionellen zu infizieren. Da der Nachweis von Legionellen nur in einem einzigen Bereich von mehreren Gebäudeteilen - nämlich nur im Neubau, nicht aber im Speicher und im Altbau - erbracht worden ist, ist damit auch nachgewiesen, dass sich die Erreger nicht in alle Bereiche des Gebäudes haben ausbreiten können.

Soweit der Kläger auf den gerichtlichen Hinweis vom 15.12.2010 den Arbeitsauftrag vom 05.06.2007 vorgelegt hat, aus dem sich ergibt, dass er am 14.06.2007 innerhalb von 5 Stunden Thermostatventile im gesamten Neubau ganghaft gemacht hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar vermag der Senat daraus die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger auch im Neubau gearbeitet hat, indem er Thermostatventile gangbar bemacht hat, nicht aber ist nachgewiesen, dass er im Neubau Leitungsrohre abgeflext hat, wobei ihm Wasser bzw. Wasserdampf ins Gesicht gespritzt ist , wie er dies sowohl schriftlich geltend gemacht als auch im Erörterungstermin vom 20.11.2012 eingehend geschildert hat. Das Gangbarmachen der Thermostatventile vom 14.06.2007, das zwar im Neubau vorgenommen worden ist, scheidet mithin schon nach dem Vortrag des Klägers als gefahrbringende Tätigkeit für die Legionelleninfektion aus. Soweit nach dem Erörterungstermin vom 20.11.2012 auf Nachfrage des Gerichts weitere Arbeitsaufträge durch die Arbeitgeberin eingereicht worden sind, handelt es sich hierbei jeweils um Arbeiten, die im "Altbau" durchgeführt worden sind. Aufgrund dessen sieht es der Senat nicht als nachgewiesen an, dass der Kläger mit dem Wasser aus der Zapfstelle im Neubau, die mit Legionellen belastet gewesen ist, in Berührung gekommen ist.

Nach alldem war das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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