L 7 AS 463/13 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 217/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 463/13 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) ist auch statthaft, wenn die Berufung keiner Zulassung bedarf, das Sozialgericht aber im Urteil irrtümlich von einer Zulassungsbedürftigkeit ausgeht. Die NZB ist auch begründet, wenn die Berufung kraft Gesetzes zulässig ist.
Wenn das sozialgerichtliche Urteil lediglich eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung zur NZB enthält, ist eine Änderung des Urteils nicht nötig. Es genügt die klarstellende Feststellung, dass die Berufung zulässig ist. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren als Berufung fortgeführt wird.
Eine Klage gegen einen im Verwaltungsakt geltend gemachten Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 SGB II ist nicht auf eine Geld , Dienst oder Sachleistung gerichtet. Eine gegen das Urteil gerichtete Berufung bedarf nicht der Zulassung.
Es wird festgestellt, dass die Berufung statthaft ist. Das Verfahren wird als
Berufung fortgesetzt.



Gründe:


I.

Der Kläger und Beschwerdegegner wurde mit Bescheid vom 09.01.2012 aufgefordert, gemäß § 60 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Seine nicht mit ihm zusammenlebende minderjährige Tochter erhalte ab Januar 2012 vom Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Der Bevollmächtigte des Klägers erhob Widerspruch. Er wurde vom Beklagten aufgefordert, gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) innerhalb gegebener Frist eine Vollmacht vorzulegen. Nach Ablauf der Frist wurde der Widerspruch als unzulässig verworfen (Widerspruchsbescheid vom 05.03.2012).

Wegen inzwischen eingehenden Unterhaltszahlungen erhielt die Tochter und deren Mutter nur für Januar 2012 Leistungen nach SGB II, die überdies im April 2012 zurückgezahlt wurden.

Auf die rechtzeitig erhobene Klage hob das Sozialgericht Landshut den strittigen Bescheid mit Urteil vom 01.07.2013 auf. Der Kläger sei zwar zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zur Auskunft verpflichtet gewesen. Nach Einstellung der Leistungen hätte der Beklagte noch im Februar 2012 den Bescheid vom 09.01.2012 aufheben müssen. Bezüglich des Widerspruchs hätte lediglich eine Kostenentscheidung getroffen werden müssen. Nach der Rechtsmittelbelehrung sei die Berufung nicht zulässig, die Nichtzulassung der Berufung könne durch Beschwerde angefochten werden. Tenor und Entscheidungsgründe enthalten keine Äußerung zur Nichtzulässigkeit der Berufung.

Der Beklagte erhob am 18.07.2013 Nichtzulassungsbeschwerde. Der strittige Bescheid betreffe keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung bis zu 750,- Euro, sondern ein Auskunftsverlangen. Eine Zulassung der Berufung sei nicht erforderlich.

II.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Berufung schon von Gesetzes wegen zulässig ist.

Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung durch das Sozialgericht gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, weil der Beschwerdegegenstand nicht eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung mit einem Wert von bis zu 750,- Euro oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft.

Ein Auskunftsanspruch fällt nicht unter die Berufungsbegrenzung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Zwar werden von dieser Vorschrift grundsätzlich auch Ansprüche erfasst, die gegen einen Bürger gerichtet sind (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 10) und eine Auskunft ist eine Dienstleistung. Durch die Aufnahme der Dienstleistung in § 144 Abs. 1 SGG zum 01.04.2008 sollte nur der Sachleistungsbegriff erweitert werden (vgl. Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 9b). Es müsste sich also um eine Dienstleistung handeln, die - ebenso wie eine Sachleistung - in Geld bewertet werden kann. Daran fehlt es hier.

Die geforderte Auskunft war auf Informationen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers gerichtet. Dass sich daraus Regressansprüche des Beklagten gegen den unterhaltspflichtigen Kläger ergeben können (vgl. § 33 SGB II), war nicht Gegenstand des geltend gemachten Auskunftsanspruchs.

Die Beschwerde ist statthaft, obwohl die Berufung von Gesetzes wegen zulässig ist. Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Eine Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht liegt auch vor, wenn das Sozialgericht dem Urteil eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt hat, dass eine Berufung nicht zulässig sei. Die Beschwerde ist daher nicht deswegen als unzulässig zu verwerfen.

Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Berufung von Gesetzes wegen zulässig ist. Sie bedurfte nicht der Zulassung durch das Sozialgericht nach § 144 Abs. 1 SGG. Auf die Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG kommt es nicht an.

Auf die Beschwerde hin wird bei einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung lediglich klarstellend festgestellt, dass die Berufung statthaft ist.

Die Zulassung einer Berufung ist im Tenor oder den Entscheidungsgründen auszusprechen, eine Rechtsmittelbelehrung zur Berufung genügt allein nicht (Leitherer, a.a.O., § 144 Rn. 39, 40). Wird die Nichtzulassung der Berufung vom Sozialgericht im Tenor oder den Entscheidungsgründen ausgesprochen, ist das fehlerhafte Urteil im Beschluss zur Nichtzulassungsbeschwerde abzuändern. Wenn - wie hier - nur eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung zur Nichtzulassungsbeschwerde vorliegt, genügt es, auf die Beschwerde hin festzustellen, dass die Berufung zulässig ist. Eine Änderung des sozialgerichtlichen Urteils durch Beseitigung der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung ist nicht erforderlich.

Zur Klarstellung, dass das Verfahren als Berufung fortgesetzt wird und es einer Berufungseinlegung nicht bedarf, wird im Beschluss entsprechend § 145 Abs. 5 Satz 2 SGG auf die Fortführung als Berufung hingewiesen. Es handelt sich nur um eine entsprechende Anwendung der Vorschrift, weil die Berufung nicht durch das Landessozialgericht zugelassen wird. Deren Zulässigkeit kraft Gesetzes wird nur festgestellt.

Eine Kostenentscheidung, die sich hier nach § 197a SGG richten würde, ist für das Beschwerdeverfahren nicht erforderlich, weil das Verfahren als Berufung fortgeführt wird.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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