L 4 R 4255/13 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1729/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4255/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 3. September 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung des Bewilligung von Prozeskostenhilfe für das Klageverfahren S 8 R 1729/13.

Der am 1956 geborene Kläger erlernte keinen Beruf. Nach seinen Angaben war er in seinem Geburtsland Türkei nicht beschäftigt. Im Bundesgebiet war er von Januar 1981 bis März 2006 als Maschinenbediener versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1. April 2006 bezieht er unterbrochen durch den Bezug von Krankengeld vom 11. Januar bis 17. Juli 2007 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Der vom Kläger am 16. Januar 2008 gestellte Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2008; Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2008; Urteil des Sozialgerichts Konstanz [SG] vom 30. Juni 2010 - S 8 R 2298/08 -; Urteil des erkennenden Senats vom 25. Januar 2013 - L 4 R 3823/10 -). Der erkennende Senat gelangte aufgrund der in beiden Rechtszügen durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung, der Kläger sei seit 1. Januar 2008 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne, und auch nicht berufsunfähig, weil er zumutbar auf alle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden könne.

Der Kläger beantragte am 15. Februar 2013 erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. März 2013 ab. Der Kläger erhob Widerspruch. Auf Anforderung der Beklagten übermittelte Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. drei Befundberichte. In Auswertung dieser Befundberichte gelangte Dr. L., Sozialmedizinischer Dienst der Beklagten, in seiner Stellungnahme nach Aktenlage vom 15. April 2013 zu dem Ergebnis, eine relevante Änderung des Sachverhaltes seit dem Urteil des erkennenden Senats sei aus diesen Befundberichten nicht ersichtlich und eine Begutachtung zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin nicht erforderlich.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2013). Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien nach Auffassung des Sozialmedizinischen Dienstes keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Dem Kläger seien daher noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne längere Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken und Heben, Tragen von Lasten, häufige Überkopfarbeiten sowie besondere Belastung durch Kälte, Zugluft und Nässe sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. In der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Maschinenbediener in einer Elektronikfabrik sei der Kläger weder als Facharbeiter noch in einer gehobenen angelernten Tätigkeit beschäftigt gewesen. Deshalb gehöre er zum Kreis der ungelernten Arbeiterinnen und Arbeiter und könne auf alle gesundheitlich zumutbaren ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden.

Der Kläger erhob am 9. Juli 2013 Klage beim SG und beantragte zugleich, ihm für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er verwies - wie bereits in der Begründung seines Widerspruchs - darauf, an einer Vielzahl von Krankheiten zu leiden, die seine Erwerbsfähigkeit auf Null reduzierten. Bislang nicht berücksichtigt seien ein Zittern an beiden Händen sowie Beschwerden in beiden Knien. Er sei seit 2007 arbeitsunfähig, was sein Hausarzt auch regelmäßig bescheinige. Auch habe er Ängste vor einem Herzversagen und/oder einem Schlaganfall wegen des ständig erhöhten Blutdrucks.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 3. September 2013 den Antrag, Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu bewilligen, ab. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Im Urteil des erkennenden Senats vom 25. Januar 2013, dem es (das SG) sich anschließe, sei unter Berücksichtigung aktueller Befunde eine relevante zeitliche Leistungsminderung verneint worden. Eine weitere Sachaufklärung sei - auch nach dem Vortrag des Klägers - nicht erforderlich. Der Sachverhalt sei medizinisch hinreichend geklärt. Im vorangegangenen Gerichtsverfahren sei eine Vielzahl von Gutachten und sachverständigen Zeugenauskünften eingeholt worden. Eine seither eingetretene deutliche Verschlechterung sei nicht ersichtlich, zumal der Kläger bereits wenige Wochen nach dem Urteil des erkennenden Senats einen neuen Rentenantrag unter Vorlage bekannter Arztbriefe gestellt habe.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 16. September 2013 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 27. September 2013 beim SG Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, die Herzerkrankung und die sich daraus ergebende Angst vor einem Tod durch Herzversagen habe sich verschlimmert und verstärkt. Er sei auch multimorbid. Das hinzugekommene Zittern der Hände, dass er nicht beeinflussen könne, bedinge eine weitere Leistungseinschränkung. Allein wegen Letzterem sei eine weitere ärztliche Befragung notwendig.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 3. September 2013 aufzuheben und ihm für das Klageverfahren S 8 R 1729/13 Prozesskostenhilfe ohne die Anordnung einer Ratenzahlung zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt H. S., H.-straße, beizuordnen.

Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Beschwerde nach § 173 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Denn das SG hat nicht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe, sondern die Erfolgsaussicht in der Hauptsache verneint. Sie ist ferner auch deshalb nicht ausgeschlossen, weil eine Berufung in der Hauptsache der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG bedürfte (vgl. z.B. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - L 12 AS 4772/12 B -, in juris). Denn der Kläger begehrt in der Hauptsache Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 8 R 1729/13 zu Recht abgelehnt. Denn aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes ist eine hinreichende Aussicht auf Erfolg dieses Klageverfahrens nicht gegeben.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance allerdings nur eine entfernte, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschlüsse vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - und 22. Mai 2012 - 2 BvR 820/11 -; BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R -; alle in juris). Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens ist im begrenzten Maße auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 296/94 -; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 235/92 -; beide in juris).

Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung ergeben sich aus § 43 Abs. 1 Satz 1 und § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, diejenigen für einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aus § 240 Abs. 1 SGB VI. Hinsichtlich des Wortlauts dieser Vorschriften verweist der Senat auf sein Urteil vom 25. Januar 2013. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind nicht gegeben. Der erkennende Senat verweist insoweit - wie bereits das SG im angefochtenen Beschluss - auf sein Urteil vom 25. Januar 2013. Zutreffend hat das SG dargelegt, dass eine wesentliche Änderung aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht erkennbar ist.

Beim Kläger steht als rentenrelevante zu berücksichtigen Gesundheitsstörung im Vordergrund eine Dreigefäßerkrankung des Herzens. Des Weiteren bestehen beim Kläger eine Angststörung gemischt mit einer depressiven Störung, ein Schlafapnoe-Syndrom, das durch eine CPAP-Therapie behandelt wird, degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne Funktionseinschränkung und radikuläre Symptomatik, ein Impingementsyndrom der linken Schulter sowie eine Arthrose der Hüftgelenke und Kniegelenke. Diese Gesundheitsstörungen führen zu qualitativen Leistungseinschränkungen, nicht aber zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger ist noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit den im genannten Urteil unter 1 b) aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies hat der Senat unter Würdigung der im vorangegangenen Rechtsstreit erfolgten Beweisaufnahme dargelegt. Es ist nichts dafür ersichtlich, weshalb hiervon abzuweichen sein soll.

Soweit der Kläger mit der Begründung seiner Beschwerde behauptet, die sich aus der Herzerkrankung ergebende Angst vor einem Tod durch Herzversagen habe sich verschlimmert und verstärkt sowie es sei ein Zittern der Hände hinzugekommen, gibt es hierfür keine Anhaltspunkte. Jedenfalls die von der Beklagten im Widerspruchsverfahren beigezogenen Befundberichte enthalten hierzu nichts. Der Kläger hat auch im Klageverfahren keine ärztlichen Unterlagen hierzu vorgelegt. Schon deshalb ist nicht ersichtlich, inwieweit eine Aufklärung des Sachverhalts notwendig sein sollte. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes müsste insoweit eine Aufklärung des Sachverhalts "ins Blaue hinein" erfolgen, wozu die Gerichte nicht verpflichtet sind (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 58/09 R -, in juris).

Im Übrigen könnte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch dann abgelehnt werden, wenn eine sachverständige Zeugenauskunft lediglich im Rahmen der Entscheidung über den Antrag, Prozesskostenhilfe zu bewilligen erfolgt, um Substantiierungsmängel zu beseitigen und die Schlüssigkeit der Klage zu prüfen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. April 2012 - 1 BvR 2869/11 -, in juris).

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Rechtskraft
Aus
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