L 4 P 1/13 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 P 79/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 1/13 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Beklagte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erstatten hat.

Die am ... 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert und beantragte am 30. Januar 2009 Leistungen bei häuslicher Pflege. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Pflegegutachtens. Die Pflegefachkraft K. stellte im Pflegegutachten vom 26. Februar 2009 (Untersuchung vom 25. Februar 2009) einen Grundpflegebedarf von 32 Minuten und in der Hauswirtschaft von 45 Minuten fest und hielt die Voraussetzungen der Pflegestufe I für nicht gegeben. Mit Bescheid vom 3. März 2009 lehnte die Beklagte Leistungen ab. Dagegen richtete sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 6. März 2009. Am 20. April 2009 wandte sich die Klägerin, nunmehr anwaltlich vertreten, nochmals gegen den Bescheid und begründete den Widerspruch: Die Beklagte habe pflegeerschwerende Gründe für die Verrichtungen Körperpflege, Ernährung und Mobilität ebenso wie einen nächtlicher Hilfebedarf nicht hinreichend berücksichtigt. Zusammenfassend betrage der Gesamtgrundpflegebedarf tatsächlich 117 Minuten. In einem von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten vom 12. Juni 2009 hielt die Pflegefachkraft G. ab Mai 2009 die Pflegestufe I für gegeben und schätzte den Grundpflegebedarf mit 51 Minuten und den für die Hauswirtschaftsbedarf mit 50 Minuten ein. Hiergegen machte die Klägerin geltend: Bereits im März 2009 hätten die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorgelegen. Der stationäre Aufenthalt im April 2009 habe sie nur zusätzlich geschwächt. In einem von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten nach Aktenlage vom 3. Juli 2009 führte die Pflegefachkraft G. aus, der Grundpflegebedarf habe sich nach dem Klinikaufenthalt wegen des massiven Gewichtsverlustes (fast 20 kg) und des damit eingetretenen Kräfteverlusts deutlich erhöht. Im Februar 2009 habe die Klägerin noch selbständig die Toilette aufsuchen können und sei ausreichend gehfähig gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2009 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und gewährte Leistungen der Pflegestufe I bereits ab dem 25. April 2009. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens seien dagegen nicht zu erstatten. Schließlich seien die Voraussetzungen für den Leistungsbezug erst im Widerspruchsverfahren eingetreten. Die ursprüngliche Entscheidung der Beklagten sei daher zunächst rechtmäßig gewesen. Statt einen neuen Antrag zu stellen, habe die Klägerin Widerspruch eingelegt. Diese Kosten seien allein dadurch verursacht worden, dass anstelle eines Neuantrages ein Widerspruch eingelegt worden sei.

Die Klägerin hat am 14. September 2009 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) mit dem Antrag erhoben, die angegriffenen Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie die Kosten in Höhe von 523,60 EUR für die anwaltliche Vertretung im Widerspruchsverfahren zu erstatten sowie die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Entgegen der Ansicht der Beklagten habe die Klägerin die anwaltlichen Kosten nicht selbst verschuldet, sondern lediglich von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht. Zu einer erneuten Antragstellung sei sie nicht verpflichtet. Bei der Prüfung des § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) komme es auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde an. Ist dem Widerspruch vollständig oder teilweise abgeholfen worden, bestehe auch ein Kostenerstattungsanspruch des Widerspruchsführers.

Die Beklagte hat an ihrer bisherigen Rechtsaufassung festgehalten.

Das SG hat mit Urteil vom 29. November 2012 den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. August 2009 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten sowie die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Widerspruchsverfahrens festzustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kosten zu. Nach der Rechtsprechung des BSG seien die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X dann erfüllt, wenn der Widerspruch ursächlich für die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes geworden sei. Dies sei nicht gegeben, wenn die abhelfende Entscheidung nicht dem Widerspruch, sondern einem anderen Umstand zuzurechnen sei (vgl. BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010, B 6 KA 29/09 R; Urteil vom 18. Dezember 2011, B 12 KR 42/00, jeweils zitiert nach juris). Die Klägerin sei mit ihrem Widerspruch erfolgreich gewesen. Die Bewilligung von Leistungen der Pflegestufe I ab dem 25. April 2009 beruhte auch auf ihrem Widerspruch, da dieser zu einer erneuten und auch für die Klägerin günstigeren MDK-Begutachtung geführt habe. Sie könne auch verlangen, die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes festzustellen. Der von ihr konkret bezifferte Kostenerstattungsantrag sei dagegen unzulässig, da die Kostenfestsetzung erst nach einer rechtskräftigen Kostenentscheidung erfolgen könne.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 5. Dezember 2012 zugestellte Urteil am
28. Dezember 2012 Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht: In einem vergleichbaren Rechtsstreit (S 44 P 90042/08) habe das Sozialgericht Magdeburg am 21. Juni 2012 gegenteilig entschieden und auf dieselbe BSG-Rechtsprechung verwiesen. In diesem Urteil sei die Berufung wegen klärungsbedürftiger Rechtsfragen zugelassen worden. Fraglich sei, inwieweit die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bei der Frage der Kostenerstattung gemäß § 63 SGB X entscheidungserheblich sein könne. Klärungsbedürftig sei auch, ob ein Kostenerstattungsanspruch zu verneinen sei, weil anstatt des Neuantrages wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse das Rechtsmittel des Widerspruchs gewählt worden sei. Nach dem SG-Urteil vom 21. Juni 2012 sei keine Kausalität zwischen Widerspruch und Abhilfeentscheidung gegeben, wenn eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei. Die angegriffene Entscheidung beruhe daher nicht auf einer Einzelfallentscheidung, auch wenn die konkreten Verhältnisse in beiden Urteilen individuell verschieden gewesen seien. Es stelle sich jedoch stets das rechtliche Problem, ob ein Widerspruch erfolgreich im Sinne des § 63 SGB X sein könne, wenn eine Abhilfeentscheidung getroffen werde, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse im laufenden Widerspruchsbescheid geändert hätten und die Leistungsvoraussetzungen allein wegen dieser Änderung der Verhältnisse eingetreten seien. Von einer gesicherten Rechtsgrundlage sei nicht auszugehen, da zwei verschiedene Kammern des Sozialgerichts Magdeburg trotz vergleichbarer Sachverhalte auf der Grundlage derselben BSG-Rechtsprechung unterschiedliche Entscheidungen getroffen hätten. Aufgrund dieser unterschiedlichen Entscheidungen sei die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Entscheidung des BSG vom 13. Oktober 2010 (a.a.O.) sei zudem nicht als gesicherte Rechtsgrundlage anzusehen. In dem vom BSG entschiedenen Sachverhalt sei es nicht um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gegangen. Die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sei hier nicht der Sphäre der Verwaltung, sondern allein der der Klägerin zuzuordnen. Im vorliegenden Fall habe sich der Widerspruch als offensichtlich unbegründet erwiesen, da der angefochtene Bescheid die Leistung ab Antragstellung zu Recht abgelehnt habe und daher rechtmäßig sei. Über die Frage der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse habe das BSG im Zusammenhang mit § 63 SGB X noch nicht entschieden, was wiederum für die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits spräche.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom

29. November 2012 zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie meint, von einer Grundsatzentscheidung könne nicht ausgegangen werden. Der Widerspruch habe zu einer erneuten, im Ergebnis auch erfolgreichen Nachbegutachtung geführt. Die Heranziehung eines Rechtsanwaltes sei erforderlich gewesen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG Magdeburg vom 29. November 2012 ist nach § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.

1. Die im Grundsatz nach § 143 SGG statthafte Berufung ist hier kraft Gesetzes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR nicht übersteigt. Dies ergibt sich aus dem bezifferten Klageantrag der Klägerin in Höhe von 523,60 EUR.

Das SG hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung mit Recht verneint und in der Rechtsmittelbelehrung folgerichtig auf die Nichtzulassungsbeschwerde verwiesen. Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das SG mit der Beschwerde angefochten werden. Die Beklagte hat diese form- und fristgerecht (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG) eingelegt.

2. Die Beschwerde ist unbegründet, da keine Zulassungsgründe bestehen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

a) Die vorliegende Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist von einer grundsätzlichen Bedeutung nur dann auszugehen, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Berufungsgericht auch zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit) (vgl. nur Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage 2012, Rn. 28 zu § 144 SGG, Rn. 6 zu § 160 SGG m.w.N.). Die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Widerspruch und einer Abhilfeentscheidung im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X auszuschließen ist, wenn die Abhilfeentscheidung allein auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach Einlegung des Widerspruchs beruht, ist nicht klärungsbedürftig, da sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt ist. Nach dieser ist ein Widerspruch nur dann, aber auch stets dann erfolgreich im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 35/10 R; auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. November 2012 – L 13 SB 166/12 NZB, jeweils zitiert nach juris).

Zur Auslegung des § 63 SGB X sind entsprechende höchstrichterliche Entscheidungen bereits ergangen. Nach Auffassung des Senats stellt sich vor diesem Hintergrund eine klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht mehr. Eine Zulassung der Berufung kommt daher nicht in Betracht.

Nach Auffassung der Beklagten wirft das Verfahren die klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, ob die Beklagte Kosten des Vorverfahrens auch dann zu erstatten hat, wenn der Erfolg des Widerspruchs auf einer Änderung der Sachlage während des Widerspruchsverfahrens beruht. Zur Beantwortung dieser Frage geben die bisher ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen ausreichende Anhaltspunkte.

Rechtsgrundlage für die Erstattung von Kosten im Vorverfahren ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Nach Satz 3 dieser Vorschrift hat der Erstattungsberechtigte Aufwendungen selbst zu tragen, die durch sein Verschulden entstanden sind, wobei ihm das Verschulden eines Vertreters zuzurechnen ist. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist somit allein der Erfolg des Widerspruchs für den Kostenerstattungsanspruch entscheidend, unabhängig davon, auf welche Umstände dieser Erfolg zurückzuführen ist.

Nach der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtssprechung ist zwar ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich, wenn zeitlich nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eine den Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht. Erforderlich ist vielmehr, dass zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht (vgl. z. B. BSG Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 35/10 R sowie Urteil vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 29/09 R, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen). In diesen Entscheidungen hat das BSG ausgeführt, dass ein ursächlicher Zusammenhang abzulehnen sei, wenn der Widerspruchsführer während des Widerspruchsverfahrens eine Handlung nachholt, die er zuvor pflichtwidrig unterlassen hatte. In einem solchen Fall liege ein widersprüchliches Verhalten vor, wenn der Widerspruchsführer gleichwohl Erstattung der Vorverfahrenskosten verlange. Ausdrücklich hat das BSG aber entschieden, dass die Ursächlichkeit in diesem Rechtssinne nicht dadurch entfalle, dass es während des Widerspruchsverfahrens zu einer für den Widerspruchsführer günstigen Rechtsänderung komme. Offen gelassen hat es lediglich die Frage, ob dies auch für den Fall eines ursprünglich offensichtlich unbegründeten Widerspruchs gelte (vgl. BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 29/09 – zitiert nach juris). Einer Kausalität zwischen der Widerspruchsbegründung und der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes bedürfe es nicht. Auch wenn dem Widerspruch aus Gründen stattgegeben werde, die vom Widerspruchsführer nicht vorgetragen worden seien, sei er erfolgreich gewesen, wenn der Abhilfe eine vom Ausgangsbescheid abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu Grunde liege. Weiter hat das BSG in dieser Entscheidung ausgeführt, dass dem Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X keine Einschränkung hinsichtlich der Gründe für die stattgebende Entscheidung zu entnehmen seien. Im Gesetzgebungsverfahren sei eine unterschiedliche Beurteilung danach, ob dem Widerspruch wegen Rechtswidrigkeit oder wegen Unzweckmäßigkeit des angefochtenen Bescheides stattgegeben werde, ausdrücklich abgelehnt worden, um das Kostenverfahren nicht mit schwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen zu belasten. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides solle mithin nicht nach Abschluss des Verfahrens im anschließenden Kostenverfahren überprüft werden müssen. Hierzu hat das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Rahmen des § 63 SGB X eine gebundene Entscheidung ergehe und nicht wie bei § 193 SGG eine Ermessensentscheidung. Die Kausalität könne auch deshalb nicht entfallen, weil in einigen Fallkonstellationen der Widerspruch möglicherweise auch ohne die Rechtsänderung Erfolg gehabt hätte und die Rechtsänderung nur der Klarstellung diene. Schließlich werde der Verwaltungsträger nicht in unbilliger Weise trotz rechtmäßigen Verhaltens mit Kosten belastet, da aus Gründen der Verfahrensökonomie die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung im Kostenverfahren nicht mehr überprüft werden solle. Da der Widerspruchsführer lediglich von dem ihm zustehenden Rechtsbehelf zur Wahrung seiner Rechte Gebrauch gemacht habe, könne er auch nicht darauf verwiesen werden, dass er nach Eintritt einer Rechtsänderung einen neuen Antrag hätte stellen können. Das Risiko einer Änderung der Rechtslage sei dem Verwaltungsträger zuzurechnen.

Mit diesen Entscheidungen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung ausreichende Anhaltspunkte auch für die hier konkret aufgeworfene Frage gegeben. Zunächst ist klargestellt, dass der Widerspruchsführer von einem ihm zustehenden Rechtsbehelf zur Wahrung seiner Rechte Gebrauch machen darf und darin an sich noch kein Verschulden im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 3 SGB X gesehen werden kann. Insbesondere kann der Widerspruchsführer nicht darauf verwiesen werden, dass er sein Begehren auch durch einen Neuantrag nach Änderung der Sach- oder Rechtslage hätte durchsetzen können. Insoweit kann bei einer Änderung der Sachlage nichts anderes gelten, als bei einer Änderung der Rechtslage.

Des Weiteren steht nach der zitierten Rechtsprechung des BSG fest, dass es auf die Begründung des Widerspruchs nicht ankommen kann. Einer Kausalität zwischen der Widerspruchsbegründung und der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes bedarf es nicht.

Ferner hat das BSG mehrfach betont, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nach Abschluss des Verfahrens im anschließenden Kostenverfahren nicht mehr überprüft werden solle. Hierfür wurde als Grund nicht nur die Verfahrensökonomie, sondern auch die unterschiedliche Ausgestaltung des § 63 SGB X als gebundene Entscheidung im Gegensatz zu der nach § 193 SGG vorgesehenen Ermessensentscheidung angeführt. Diese Begründung trägt uneingeschränkt auch bei einer Änderung der Sachlage. Es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, den Erfolgsaussichten des Widerspruchs unabhängig von der eingetretenen Änderung der Sachlage – möglicherweise sogar durch weitere Beweiserhebungen – in einem sich nur gegen die Kosten gerichteten Klageverfahren weiter nachzugehen. Für Kostenentscheidungen in Urteilen hat der Gesetzgeber daher mit der Regelung des § 144 Abs. 4 SGG dafür gesorgt, dass diese nicht isoliert mit der Berufung angefochten werden können. Damit sollte gerade auch eine aufwendige und teure weitere Sachaufklärung nur zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vermieden werden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, im Rahmen des § 63 SGB X eine gebundene Entscheidung über die Kostenerstattung insoweit vorzusehen, wie der Widerspruch erfolgreich ist und andere Umstände als den Erfolg des Widerspruchs – wie beispielsweise das Veranlassungsprinzip oder ein sofortiges Anerkenntnis – unberücksichtigt zu lassen. Dies dient außerdem der Verwaltungsvereinfachung im Hinblick auf die Masse der Widerspruchsverfahren. Da im Klageverfahren eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nach § 144 Abs. 4 SGG nicht in Betracht kommt, ist die Entscheidung des Gesetzgebers, nach § 193 Abs. 1 SGG demgegenüber weitere Umstände zu berücksichtigen und die Entscheidung als Ermessensentscheidung auszugestalten, nicht auf die Regelung des § 63 Abs. 1 SGB X übertragbar (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. April 2012, L 4 P 47/10 NZB, zitiert nach juris).

Angesichts dieser eindeutigen Rechtsprechung des BSG vermag der Senat keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits zu erkennen. Die offenbar zu Unrecht davon abweichende Rechtsprechung des Sozialgerichts Magdeburg im Urteil vom 21. Juni 2012 – S 44 90042/08 vermag an dieser tatsächlich gesicherten Rechtslage nichts zu ändern. Hinweise für einen offensichtlich erfolglosen Widerspruch der Klägerin haben sich nicht ergeben. Schließlich kann über die Bewertung von pflegerelevanten Verrichtungen in der Sozialen Pflegeversicherung – wie die gerichtliche Praxis zeigt – aufgrund der Schwierigkeiten, einen konkreten Pflegebedarf in Minuten zu ermitteln, trefflich gestritten werden.

b) Weitere Zulassungsgründe im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG oder § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des SG gemäß § 145 Abs. 4 SGG rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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