Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 56/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 81/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.290,03 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die teilweise Rückzahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 1.290,03 EUR.
Die Beklagte betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde die am ... 1925 geborene und bei der Beklagten Versicherte B. in der Zeit vom 25. bis 30. Dezember 2005 stationär behandelt. Über den Behandlungsfall legte die Klägerin gegenüber der Beklagten Rechnung in Höhe eines Betrages von 3.892,08 EUR, den diese am 9. Januar 2006 bezahlte. Als Hauptdiagnose war die DRG F65C (Periphere Gefäßkrankheiten mit komplexer Diagnose) bezeichnet.
In einem Entlassungsbrief der Klägerin vom 30. Dezember 2005 führte Chefarzt Dr. K. als Diagnosen auf:
Postthrombotisches Syndrom bei Zustand nach 4-Etagen-Venenthrombose links bei Immobilisation,
orale Antikoagulation mittels Falithrom
Diabetes mellitus Typ 2,
arterielle Hypertonie,
cerebrovaskuläre Insuffizienz.
Im Juli 2006 veranlasste die Beklagte eine Überprüfung der Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) unter der Fragestellung "Ist die abgerechnete DRG medizinisch und sachlich korrekt?". Der MDK-Gutachter H. führte nach Auswertung des Entlassungsbriefs am 12. Juli 2006 aus: Die angegebenen Nebendiagnosen seien unzutreffend und nur die DRG F65D gerechtfertigt. Dies hätte eine Reduzierung des Entgeltgewichtes von 0,947 auf 0,588 zur Folge. Statt einer sonstigen vaskulären Demenz (F01.8) sei die F03 (nicht näher bezeichnete Demenz) zu kodieren. Der bezeichnete Harninfekt (N39.0) sei nach den Kodierrichtlinien keine relevante Diagnose und während des Krankenhausaufenthalts auch nicht behandelt worden. So fehle es an einer Beschreibung der Symptome für den Infekt. Das Vorliegen mehrerer Keime deute auf eine sekundäre Verunreinigung hin. Die Kodierung Escherichia coli (B96.2!) und Staphylococus aureus (B 95.6!) sei nach den Kodierrichtlinien nicht möglich.
Mit Schreiben vom 5. September 2006 verlangte die Beklagte von der Klägerin eine Rückzahlung in Höhe von 1.290,03 EUR und da die DRG F65D zutreffend sei. Dem widersprach die Klägerin durch Chefarzt K. am 10. Oktober 2006: Da eine Leukozyt- und Bakteriurie nachgewiesen worden sei, habe trotz fehlender spezieller Therapie ein erhöhter diagnostischer Aufwand bestanden.
Die Beklagte veranlasste ein sozialmedizinisches MDK-Gutachten von Dr. H. vom 4. Januar 2007, der ausführte: Nach dem Arztbrief sei eindeutig, dass der mikrobiologische Befund erst nach der Entlassung der Versicherten bei der Klägerin eingegangen sei. Daher sei dem behandelnden Arzt empfohlen worden, nach ambulanter Kontrolle des Urinbefundes eine antibiotische Therapie einzuleiten. Das Vorliegen mehrerer Keime deute auf eine sekundäre Verunreinigung hin. Auch gehe aus den Unterlagen nicht hervor, auf welche Weise der Urin entnommen worden sei (MSU?; Katheterurin?). Laut den Kodierrichtlinien sei die Nebendiagnose N39.0 nicht zu kodieren. Der diagnostische Aufwand der Klägerin sei durch die Nebendiagnose R.82.7 abzubilden. Die Kodierung B96.2! und B95.6! sei fehlerhaft, da es sich um sog. Sekundärkodes handele, die wegen des fehlenden Primärkodes nicht verschlüsselt werden dürften.
Am 16. Februar 2007 hielt die Beklagte an ihrer Auffassung fest und verlangte von der Klägerin die Rückzahlung des streitigen Betrages. Daraufhin nahm die Beklagte am 5. März 2007 einen Einbehalt von einer unstreitigen Sammelrechnung vor. Dem widersprach die Klägerin nochmals am 22. März 2007. Dies veranlasste die Beklagte zu einem erneuten MDK-Gutachten vom 24. September 2007. Darin führte Dipl.-Med. E. unter Auswertung der kompletten Patientenakte aus: In dem Krankenhauseinweisungsschein, dem Aufnahmeprotokoll, der Patientenkurve, dem ärztlichen und pflegerischen Verlaufsbericht seien keine Symptome oder Beschwerden eines Harnwegsinfekts beschrieben worden. Während des Aufenthaltes sei nur am 27. Dezember 2005 eine Urinuntersuchung erfolgt. Demgegenüber habe keine Kontrolle des Urinbefundes und auch keine darauf gerichtete Behandlung stattgefunden. Nach der Kodierrichtlinie D 003d seien abnorme Labor-, Röntgen- Pathologie- und andere diagnostische Befunde nicht zu kodieren. Dies gelte nur dann nicht, wenn diese Befunde eine therapeutische Konsequenz oder eine weitere Diagnostik zu Folge gehabt hätten. Es bleibe daher bei der zutreffenden Ansicht des Erstgutachters. Die Abteilung Medizinisches Controlling der Klägerin wandte sich am 5. November 2007 an den MDK und machte geltend: Gehe man wie der MDK von der Nebendiagnose R82.7 aus, weil es keine gesonderte Therapie des Harnwegsinfekt gegeben habe, sei gleichwohl mit den Sekundärdiagnosen B96.2! und B95.6! zu arbeiten, da es einen diagnostischen Mehraufwand gegeben habe. Dies führte zu einer nochmaligen MDK-Stellungnahme vom 7. Mai 2008, in der Dipl.-Med. E. ausführte: Die Verbindung der Nebendiagnose R82.7 mit den Sekundärkodes sei nicht korrekt. Nach der ICD-10-GM dienten die zusätzlichen Schlüsselnummern für andernorts klassifizierte Krankheiten. R82.7 kodiere jedoch keine Krankheit, sondern beschreibe lediglich "Abnorme Befunde bei einer mikrobiologischen Urinuntersuchung". R82.7 könne daher nie Primärkode für die Sekundärkodes B95-97 sein.
Mit der am 16. März 2009 bei dem Sozialgericht (SG) Halle erhobenen Klage hat die Klägerin die Rückzahlung von zunächst 1.302,14 EUR nebst Zinsen beantragt. Die Behandlung sei nicht mit der DRG F57D, sondern mit der DRG F65C abzurechnen. Es treffe nicht zu, dass die Sekundärkodes nur im Zusammenhang mit Krankheiten zu verschlüsseln seien. Nach den Kodierrichtlinien könnten Ausrufezeichenkodes "bei anderen Situationen" angegeben werden, wenn dies aus klinischer Sicht sinnvoll sei. Durch die Anordnung eines Antibiogramms habe es einen erlösrelevanten Ressourcenverbrauch gegeben. Der Basisfallwert habe im Jahr 2005 3.373,76 EUR betragen, was den Abrechnungsbetrag von insgesamt 3.860,13 EUR ergebe. Würde man der Ansicht der Beklagten folgen, ergebe sich ein Anspruch von 2.589,94 EUR, woraus sich die streitige Differenz errechnen lasse. Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.290,03 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit dem 9. März 2007 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat unter Berufung auf die vorliegenden MDK-Gutachten die Ansicht vertreten, dass die Behandlung mit der DRG F65D abzurechnen sei. Zur Bekräftigung dieser Auffassung hat sie ein weiteres MDK-Gutachten vom 1. Juli 2009 vorgelegt. Darin hat Dipl.-Med. D. ausgeführt: Der Ansicht der Vorgutachter sei zu folgen. Die Verschlüsselung B96.2! und B95.6! erfüllten nicht die Voraussetzungen einer Nebendiagnose. Der Mehraufwand mit der Durchführung der Urinkultur werde in R82.7 abgebildet.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2012 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Zur Anwendung der B95.6! und B96.2! fehle es bei der Kodierung von R82.7 an einer dafür notwendigen Krankheit. Der abnorme Befund sei auch nicht als andere Situation im Sinne der deutschen Kodierrichtlinien anzusehen.
Gegen das ihr am 23. August 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 24. September 2012 Berufung eingelegt und ihr Begehren weiterverfolgt. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien seien Erreger-Kodes zu verwenden, wenn dies aus klinischer Sicht sinnvoll sei, was hier angenommen werden müsse. Schließlich habe der Arztbrief eine Information bezüglich des Antibiotikums sowie eine Therapieempfehlung enthalten. Maßgebend sei das klinische Bild, das der Versicherte in der konkreten Behandlungssituation gegeben habe.
Am 6. Mai 2013 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.290,03 EUR zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 5. März 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin und der Krankenakte Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) entscheiden, da sich beide Beteiligte hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG) und damit zulässig.
Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R, zitiert nach juris; stRspr).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte durfte am 5. März 2007 einen Abzug in Höhe von 1.290,03 EUR aus einer bei ihr am 14. Februar 2007 eingegangen unstreitigen Sammelrechnung vornehmen, da ihr aus dem Behandlungsfall der Versicherten B. wegen teilweise zu Unrecht geleisteter Vergütung ein Rückzahlungsanspruch in dieser Höhe zustand.
Die Klageforderung ist damit durch Aufrechnung erloschen. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch der Klägerin aus der am 14. Februar 2007 eingegangenen Sammelrechnung in Höhe von 1.290,03 EUR gekürzt und hinsichtlich des Restbetrages rechtswirksam die Aufrechnung mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung erklärt. Dabei handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der bei öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen, zu denen die Beziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern im System der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tritt (BSG, Urteil vom 12. Mai 2005, B 3 KR 18/04 R, zitiert nach juris). Die Aufrechnung ist grundsätzlich zulässig, denn trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) besteht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf die die §§ 387 ff BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten. Die Leistung der Beklagten aufgrund der Endrechnung der Klägerin vom 9. Januar 2006 erfolgte teilweise ohne Rechtsgrund. Zu Unrecht hatte die Klägerin den Behandlungsfall der Versicherten B. mit der DRG F65C anstatt der zutreffenden DRG F65D kodiert, was zu einer Überzahlung in Höhe von 1.290,03 EUR durch die Beklagte geführt hat. Dieser Betrag ist der Gegenstand einer berechtigten Aufrechnung geworden.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin aus der Rechnung vom 9. Januar 2006 ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 23.04.2002 - Fallpauschalengesetz - i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 Teil A Fallpauschalenvereinbarung 2005 sowie der Entgeltvereinbarung der Beteiligten. Da die Beklagte in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist, richtet sich ihre Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) nach den Regelungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des KHEntgG. Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem gemäß § 9 KHEntgG auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog. Für den fraglichen Zeitraum bis zum 30. Juni 2008 haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der Privaten Krankenversicherung gemeinsam nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragspartner auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien gemäß § 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge vereinbart. Kernnorm dieser Regelungen ist § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs.1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet (§ 17b Abs.1 Satz 3 KHG). Grundlage für die Einführung der DRG ist § 17 b Abs.2 Satz 1 KHG. Dieses Vergütungssystem wurde gemäß § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines deutschen Fallpauschalenkatalogs verbindlich zum 1. Januar 2004 eingeführt.
Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG, indem zunächst die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS-301 verschlüsselt wird (§ 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung (Kodierung) haben die Vertragspartner auf Bundesebene Kodierrichtlinien beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die DKR 2005 und der OPS-301 in der Version 2005. Danach wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2008, B 3 KR 15/07 R, zitiert nach juris).
Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Behandlungsfall mit der DRG F65D abzurechnen war. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen der von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten. Hiernach durfte eine Kodierung mit der DRG F65C, wie sie die Klägerin vorgenommen hatte, nicht erfolgen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG regeln die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) verbindlich die jeweiligen Kodieranweisungen. Sie beeinflussen den jeweiligen Weg zur korrekten DRG an vielen Stellen des den sog. Grouper steuernden Algorithmus. Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auf Dateien zurück, die als integraler Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. ICD-10-Diagnosen).
Nach den DKR 2005 wird als Nebendiagnose definiert:
"Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankhausaufenthaltes entwickelt. Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
Therapeutische Maßnahme
Diagnostische Maßnahme
Erhöhter Betreuungs-, Pflege- und oder Überwachungsaufwand."
Weiter stellen die DKR 2005 auf S. 12 klar:
"Abnorme Labor-, Röntgen-, Pathologie- und andere diagnostische Befunde werden nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik (nicht allein Kontrolle der abnormen Werte)."
Die von der Klägerin zunächst kodierte Nebendiagnose N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) war unrichtig. Weder hatte die Versicherte über entsprechende Beschwerden oder Symptome geklagt, noch fand eine darauf gerichtete Behandlung im Krankenhaus statt. Dies veranlasste dann auch die Klägerin, diese Nebendiagnose aufzugeben (vgl. Schreiben vom 5. November 2007) und die Nebendiagnose R82.7 (Abnorme Befunde bei der mikobiologischen Urinuntersuchung) wie vom MDK vorgeschlagen zu kodieren.
Nachdem die Kodierung mit der Nebendiagnose R82.7 erfolgt war, ergibt sich bereits aus der Überschrift für diese Gruppe (Abnome Urinuntersuchungsbefunde ohne Vorliegen einer Diagnose (R80-R82)), dass die Sekundärkodes B95.6! und B96.2! damit nicht zusammen verschlüsselt werden dürfen. Schließlich fehlt es an einer Erkrankung, die Grundlage für den Begriff einer Nebendiagnose ist (DKR 2005, S.11). Dies wird auch aus der Überschrift der Sekundärkodes deutlich. Diese enthält nach den ICD-10 2006 (Stand: 1. Oktober 2005) die Formulierung: "Bakterien, Viren und sonstige Infektionserreger als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind." Zwischen dem Vorliegen einer Krankheit und dem Sekundärkode muss daher eine Ursachenbeziehung bestehen. Dies wird auch durch den weiteren Hinweis in den ICD-10 deutlich. Hiernach sollen diese Kategorien niemals zur primären Verschlüsselung benutzt werden. "Sie dienen als ergänzende oder zusätzliche Schlüsselnummern zur Angabe des Infektionserregers bei anderenorts klassifizierten Krankheiten." Durch diese Formulierung verlangt die Verwendung der Sekundärkodes das Vorliegen einer darauf bezogenen Primärerkrankung. Diese Erkrankung lässt sich aus den vom MDK umfassend ausgewerteten Patientenunterlagen jedoch nicht ableiten. Der Senat schließt sich dieser überzeugenden Wertung an, der die Klägerin auch nicht dezidiert widersprochen hat.
Die aktuelle Rechtsprechung des BSG zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V und möglichen Beweisverwertungsverboten (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 3 KR 14/11 R, zitiert nach juris) spielt im vorliegenden Fall keine Rolle, da der vorliegenden Behandlungsfall und die darauf bezogene Abrechnung vor Inkraftreten dieser Norm am 1. April 2007 stattgefunden hat. Im Übrigen hat die Beklagte nach Zahlung der Rechnung im Januar 2006 noch zeitnah im Juli 2006 den MDK mit der Prüfung des Behandlungsfalls beauftragt, so dass auch unter Beachtung des generellen Beschleunigungsprinzips der Beklagten keine beachtlichen Verfahrensverstöße vorzuwerfen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Der Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.290,03 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die teilweise Rückzahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 1.290,03 EUR.
Die Beklagte betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde die am ... 1925 geborene und bei der Beklagten Versicherte B. in der Zeit vom 25. bis 30. Dezember 2005 stationär behandelt. Über den Behandlungsfall legte die Klägerin gegenüber der Beklagten Rechnung in Höhe eines Betrages von 3.892,08 EUR, den diese am 9. Januar 2006 bezahlte. Als Hauptdiagnose war die DRG F65C (Periphere Gefäßkrankheiten mit komplexer Diagnose) bezeichnet.
In einem Entlassungsbrief der Klägerin vom 30. Dezember 2005 führte Chefarzt Dr. K. als Diagnosen auf:
Postthrombotisches Syndrom bei Zustand nach 4-Etagen-Venenthrombose links bei Immobilisation,
orale Antikoagulation mittels Falithrom
Diabetes mellitus Typ 2,
arterielle Hypertonie,
cerebrovaskuläre Insuffizienz.
Im Juli 2006 veranlasste die Beklagte eine Überprüfung der Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) unter der Fragestellung "Ist die abgerechnete DRG medizinisch und sachlich korrekt?". Der MDK-Gutachter H. führte nach Auswertung des Entlassungsbriefs am 12. Juli 2006 aus: Die angegebenen Nebendiagnosen seien unzutreffend und nur die DRG F65D gerechtfertigt. Dies hätte eine Reduzierung des Entgeltgewichtes von 0,947 auf 0,588 zur Folge. Statt einer sonstigen vaskulären Demenz (F01.8) sei die F03 (nicht näher bezeichnete Demenz) zu kodieren. Der bezeichnete Harninfekt (N39.0) sei nach den Kodierrichtlinien keine relevante Diagnose und während des Krankenhausaufenthalts auch nicht behandelt worden. So fehle es an einer Beschreibung der Symptome für den Infekt. Das Vorliegen mehrerer Keime deute auf eine sekundäre Verunreinigung hin. Die Kodierung Escherichia coli (B96.2!) und Staphylococus aureus (B 95.6!) sei nach den Kodierrichtlinien nicht möglich.
Mit Schreiben vom 5. September 2006 verlangte die Beklagte von der Klägerin eine Rückzahlung in Höhe von 1.290,03 EUR und da die DRG F65D zutreffend sei. Dem widersprach die Klägerin durch Chefarzt K. am 10. Oktober 2006: Da eine Leukozyt- und Bakteriurie nachgewiesen worden sei, habe trotz fehlender spezieller Therapie ein erhöhter diagnostischer Aufwand bestanden.
Die Beklagte veranlasste ein sozialmedizinisches MDK-Gutachten von Dr. H. vom 4. Januar 2007, der ausführte: Nach dem Arztbrief sei eindeutig, dass der mikrobiologische Befund erst nach der Entlassung der Versicherten bei der Klägerin eingegangen sei. Daher sei dem behandelnden Arzt empfohlen worden, nach ambulanter Kontrolle des Urinbefundes eine antibiotische Therapie einzuleiten. Das Vorliegen mehrerer Keime deute auf eine sekundäre Verunreinigung hin. Auch gehe aus den Unterlagen nicht hervor, auf welche Weise der Urin entnommen worden sei (MSU?; Katheterurin?). Laut den Kodierrichtlinien sei die Nebendiagnose N39.0 nicht zu kodieren. Der diagnostische Aufwand der Klägerin sei durch die Nebendiagnose R.82.7 abzubilden. Die Kodierung B96.2! und B95.6! sei fehlerhaft, da es sich um sog. Sekundärkodes handele, die wegen des fehlenden Primärkodes nicht verschlüsselt werden dürften.
Am 16. Februar 2007 hielt die Beklagte an ihrer Auffassung fest und verlangte von der Klägerin die Rückzahlung des streitigen Betrages. Daraufhin nahm die Beklagte am 5. März 2007 einen Einbehalt von einer unstreitigen Sammelrechnung vor. Dem widersprach die Klägerin nochmals am 22. März 2007. Dies veranlasste die Beklagte zu einem erneuten MDK-Gutachten vom 24. September 2007. Darin führte Dipl.-Med. E. unter Auswertung der kompletten Patientenakte aus: In dem Krankenhauseinweisungsschein, dem Aufnahmeprotokoll, der Patientenkurve, dem ärztlichen und pflegerischen Verlaufsbericht seien keine Symptome oder Beschwerden eines Harnwegsinfekts beschrieben worden. Während des Aufenthaltes sei nur am 27. Dezember 2005 eine Urinuntersuchung erfolgt. Demgegenüber habe keine Kontrolle des Urinbefundes und auch keine darauf gerichtete Behandlung stattgefunden. Nach der Kodierrichtlinie D 003d seien abnorme Labor-, Röntgen- Pathologie- und andere diagnostische Befunde nicht zu kodieren. Dies gelte nur dann nicht, wenn diese Befunde eine therapeutische Konsequenz oder eine weitere Diagnostik zu Folge gehabt hätten. Es bleibe daher bei der zutreffenden Ansicht des Erstgutachters. Die Abteilung Medizinisches Controlling der Klägerin wandte sich am 5. November 2007 an den MDK und machte geltend: Gehe man wie der MDK von der Nebendiagnose R82.7 aus, weil es keine gesonderte Therapie des Harnwegsinfekt gegeben habe, sei gleichwohl mit den Sekundärdiagnosen B96.2! und B95.6! zu arbeiten, da es einen diagnostischen Mehraufwand gegeben habe. Dies führte zu einer nochmaligen MDK-Stellungnahme vom 7. Mai 2008, in der Dipl.-Med. E. ausführte: Die Verbindung der Nebendiagnose R82.7 mit den Sekundärkodes sei nicht korrekt. Nach der ICD-10-GM dienten die zusätzlichen Schlüsselnummern für andernorts klassifizierte Krankheiten. R82.7 kodiere jedoch keine Krankheit, sondern beschreibe lediglich "Abnorme Befunde bei einer mikrobiologischen Urinuntersuchung". R82.7 könne daher nie Primärkode für die Sekundärkodes B95-97 sein.
Mit der am 16. März 2009 bei dem Sozialgericht (SG) Halle erhobenen Klage hat die Klägerin die Rückzahlung von zunächst 1.302,14 EUR nebst Zinsen beantragt. Die Behandlung sei nicht mit der DRG F57D, sondern mit der DRG F65C abzurechnen. Es treffe nicht zu, dass die Sekundärkodes nur im Zusammenhang mit Krankheiten zu verschlüsseln seien. Nach den Kodierrichtlinien könnten Ausrufezeichenkodes "bei anderen Situationen" angegeben werden, wenn dies aus klinischer Sicht sinnvoll sei. Durch die Anordnung eines Antibiogramms habe es einen erlösrelevanten Ressourcenverbrauch gegeben. Der Basisfallwert habe im Jahr 2005 3.373,76 EUR betragen, was den Abrechnungsbetrag von insgesamt 3.860,13 EUR ergebe. Würde man der Ansicht der Beklagten folgen, ergebe sich ein Anspruch von 2.589,94 EUR, woraus sich die streitige Differenz errechnen lasse. Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.290,03 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit dem 9. März 2007 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat unter Berufung auf die vorliegenden MDK-Gutachten die Ansicht vertreten, dass die Behandlung mit der DRG F65D abzurechnen sei. Zur Bekräftigung dieser Auffassung hat sie ein weiteres MDK-Gutachten vom 1. Juli 2009 vorgelegt. Darin hat Dipl.-Med. D. ausgeführt: Der Ansicht der Vorgutachter sei zu folgen. Die Verschlüsselung B96.2! und B95.6! erfüllten nicht die Voraussetzungen einer Nebendiagnose. Der Mehraufwand mit der Durchführung der Urinkultur werde in R82.7 abgebildet.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2012 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Zur Anwendung der B95.6! und B96.2! fehle es bei der Kodierung von R82.7 an einer dafür notwendigen Krankheit. Der abnorme Befund sei auch nicht als andere Situation im Sinne der deutschen Kodierrichtlinien anzusehen.
Gegen das ihr am 23. August 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 24. September 2012 Berufung eingelegt und ihr Begehren weiterverfolgt. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien seien Erreger-Kodes zu verwenden, wenn dies aus klinischer Sicht sinnvoll sei, was hier angenommen werden müsse. Schließlich habe der Arztbrief eine Information bezüglich des Antibiotikums sowie eine Therapieempfehlung enthalten. Maßgebend sei das klinische Bild, das der Versicherte in der konkreten Behandlungssituation gegeben habe.
Am 6. Mai 2013 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.290,03 EUR zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 5. März 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin und der Krankenakte Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) entscheiden, da sich beide Beteiligte hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG) und damit zulässig.
Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R, zitiert nach juris; stRspr).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte durfte am 5. März 2007 einen Abzug in Höhe von 1.290,03 EUR aus einer bei ihr am 14. Februar 2007 eingegangen unstreitigen Sammelrechnung vornehmen, da ihr aus dem Behandlungsfall der Versicherten B. wegen teilweise zu Unrecht geleisteter Vergütung ein Rückzahlungsanspruch in dieser Höhe zustand.
Die Klageforderung ist damit durch Aufrechnung erloschen. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch der Klägerin aus der am 14. Februar 2007 eingegangenen Sammelrechnung in Höhe von 1.290,03 EUR gekürzt und hinsichtlich des Restbetrages rechtswirksam die Aufrechnung mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung erklärt. Dabei handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der bei öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen, zu denen die Beziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern im System der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tritt (BSG, Urteil vom 12. Mai 2005, B 3 KR 18/04 R, zitiert nach juris). Die Aufrechnung ist grundsätzlich zulässig, denn trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 51 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) besteht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf die die §§ 387 ff BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten. Die Leistung der Beklagten aufgrund der Endrechnung der Klägerin vom 9. Januar 2006 erfolgte teilweise ohne Rechtsgrund. Zu Unrecht hatte die Klägerin den Behandlungsfall der Versicherten B. mit der DRG F65C anstatt der zutreffenden DRG F65D kodiert, was zu einer Überzahlung in Höhe von 1.290,03 EUR durch die Beklagte geführt hat. Dieser Betrag ist der Gegenstand einer berechtigten Aufrechnung geworden.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin aus der Rechnung vom 9. Januar 2006 ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 23.04.2002 - Fallpauschalengesetz - i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 Teil A Fallpauschalenvereinbarung 2005 sowie der Entgeltvereinbarung der Beteiligten. Da die Beklagte in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist, richtet sich ihre Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) nach den Regelungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des KHEntgG. Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem gemäß § 9 KHEntgG auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog. Für den fraglichen Zeitraum bis zum 30. Juni 2008 haben die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der Privaten Krankenversicherung gemeinsam nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragspartner auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien gemäß § 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge vereinbart. Kernnorm dieser Regelungen ist § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs.1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet (§ 17b Abs.1 Satz 3 KHG). Grundlage für die Einführung der DRG ist § 17 b Abs.2 Satz 1 KHG. Dieses Vergütungssystem wurde gemäß § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines deutschen Fallpauschalenkatalogs verbindlich zum 1. Januar 2004 eingeführt.
Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG, indem zunächst die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS-301 verschlüsselt wird (§ 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung (Kodierung) haben die Vertragspartner auf Bundesebene Kodierrichtlinien beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die DKR 2005 und der OPS-301 in der Version 2005. Danach wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2008, B 3 KR 15/07 R, zitiert nach juris).
Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Behandlungsfall mit der DRG F65D abzurechnen war. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen der von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten. Hiernach durfte eine Kodierung mit der DRG F65C, wie sie die Klägerin vorgenommen hatte, nicht erfolgen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG regeln die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) verbindlich die jeweiligen Kodieranweisungen. Sie beeinflussen den jeweiligen Weg zur korrekten DRG an vielen Stellen des den sog. Grouper steuernden Algorithmus. Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auf Dateien zurück, die als integraler Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z.B. ICD-10-Diagnosen).
Nach den DKR 2005 wird als Nebendiagnose definiert:
"Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankhausaufenthaltes entwickelt. Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
Therapeutische Maßnahme
Diagnostische Maßnahme
Erhöhter Betreuungs-, Pflege- und oder Überwachungsaufwand."
Weiter stellen die DKR 2005 auf S. 12 klar:
"Abnorme Labor-, Röntgen-, Pathologie- und andere diagnostische Befunde werden nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik (nicht allein Kontrolle der abnormen Werte)."
Die von der Klägerin zunächst kodierte Nebendiagnose N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) war unrichtig. Weder hatte die Versicherte über entsprechende Beschwerden oder Symptome geklagt, noch fand eine darauf gerichtete Behandlung im Krankenhaus statt. Dies veranlasste dann auch die Klägerin, diese Nebendiagnose aufzugeben (vgl. Schreiben vom 5. November 2007) und die Nebendiagnose R82.7 (Abnorme Befunde bei der mikobiologischen Urinuntersuchung) wie vom MDK vorgeschlagen zu kodieren.
Nachdem die Kodierung mit der Nebendiagnose R82.7 erfolgt war, ergibt sich bereits aus der Überschrift für diese Gruppe (Abnome Urinuntersuchungsbefunde ohne Vorliegen einer Diagnose (R80-R82)), dass die Sekundärkodes B95.6! und B96.2! damit nicht zusammen verschlüsselt werden dürfen. Schließlich fehlt es an einer Erkrankung, die Grundlage für den Begriff einer Nebendiagnose ist (DKR 2005, S.11). Dies wird auch aus der Überschrift der Sekundärkodes deutlich. Diese enthält nach den ICD-10 2006 (Stand: 1. Oktober 2005) die Formulierung: "Bakterien, Viren und sonstige Infektionserreger als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind." Zwischen dem Vorliegen einer Krankheit und dem Sekundärkode muss daher eine Ursachenbeziehung bestehen. Dies wird auch durch den weiteren Hinweis in den ICD-10 deutlich. Hiernach sollen diese Kategorien niemals zur primären Verschlüsselung benutzt werden. "Sie dienen als ergänzende oder zusätzliche Schlüsselnummern zur Angabe des Infektionserregers bei anderenorts klassifizierten Krankheiten." Durch diese Formulierung verlangt die Verwendung der Sekundärkodes das Vorliegen einer darauf bezogenen Primärerkrankung. Diese Erkrankung lässt sich aus den vom MDK umfassend ausgewerteten Patientenunterlagen jedoch nicht ableiten. Der Senat schließt sich dieser überzeugenden Wertung an, der die Klägerin auch nicht dezidiert widersprochen hat.
Die aktuelle Rechtsprechung des BSG zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V und möglichen Beweisverwertungsverboten (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 3 KR 14/11 R, zitiert nach juris) spielt im vorliegenden Fall keine Rolle, da der vorliegenden Behandlungsfall und die darauf bezogene Abrechnung vor Inkraftreten dieser Norm am 1. April 2007 stattgefunden hat. Im Übrigen hat die Beklagte nach Zahlung der Rechnung im Januar 2006 noch zeitnah im Juli 2006 den MDK mit der Prüfung des Behandlungsfalls beauftragt, so dass auch unter Beachtung des generellen Beschleunigungsprinzips der Beklagten keine beachtlichen Verfahrensverstöße vorzuwerfen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Der Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
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