L 4 P 6/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 24 P 12/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 6/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Ansprüche auf Pflegegeld nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI).

Der am ... 1932 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegeversichert und beantragte erstmals am 20. Februar 2001 und am 20. Januar 2004 Leistungen nach dem SGB XI. Nach den aufgrund dieser Anträge von der Beklagten eingeholten Gutachten der Pflegefachkraft K. vom 12. April 2001 sowie der Pflegefachkraft H. vom 4. März 2004, dem Dipl.-Med. H. und der Pflegefachkraft G. vom 19. Mai 2004 (alle für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK)) ergab sich in der Grundpflege und in der Hauswirtschaft jeweils kein Pflegebedarf (0 Minuten). Die Pflegefachkraft A. hatte in ihrem Gutachten vom 8. August 2001 den Zeitaufwand für die Grundpflege ebenfalls mit 0 Minuten, jedoch den Aufwand für die Hauswirtschaft mit 15 Minuten eingeschätzt und dies mit der Notwendigkeit von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten (u. a. Reinigung der Wohnung; Wäsche) begründet.

Am 17. Mai 2005 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung von Pflegegeld und gab an, er benötige insbesondere wegen einer beidseitigen Hüftgelenkserkrankung fremde Hilfe. Eine zehnjährige politische Haft zu DDR-Zeiten habe ihm schweren gesundheitlichen Schaden zugefügt. Die Beklagte ließ ein weiteres Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den MDK erstatten. Die Pflegefachkraft K. gab in ihrem Pflegegutachten vom 8. Juli 2005 an: Der Kläger bewohne drei Zimmer im Parterre eines kleinen Einfamilienhaus in "chaotischen" häuslichen Verhältnissen. Er sammle zahlreiche Gegenstände und habe sein Objekt mit mehreren Überwachungskameras und Schlössern gegen das Betreten von Dritten gesichert. Seit dem 10. Juli 2004 habe er einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 80 sowie die Merkzeichen "G" und "RF". Seit Jahren leide er an Hüftbeschwerden, schmerzhaften Bewegungsstörungen und nach einer Gallenoperation auch gehäuft unter Verdauungsproblemen. Er suche mit seinem Personenkraftwagen bzw. dem Moped in unregelmäßigen Abständen den Hausarzt - Dr. G. - in B. auf. Derzeit nehme er keine Medikamente. Pflegepersonen seien nicht im Einsatz. Er habe krankheitsbedingt einen verlangsamten Gang, auch bereite ihm das Bücken Schwierigkeiten. Im Wohnbereich sei er uneingeschränkt gehfähig, müsse sich jedoch außerhalb seines Wohnumfeldes mit einem Gehstock fortbewegen. Daneben habe er migräneartige Kopfschmerzen und Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten Unterarms angegeben. Die Vorgeschichte einer langjährigen Schizophrenie sei bekannt, werde von ihm jedoch vehement bestritten. Als Diagnosen mit Pflegebedarf bestünden:

Coxarthrose beidseits

Anhaltende Verdauungsprobleme bei Zustand nach Cholezystektomie.

Nach ihrer Einschätzung könne der Kläger die tägliche Körperpflege und die hauswirtschaftliche Verrichtung vollständig selbst durchführen. Der Zeitaufwand in der Grundpflege und im Bereich der Hauswirtschaft betrage daher 0 Minuten.

Dipl.-Med. L. war bei der Untersuchung des Klägers am 4. Juli 2005 anwesend und gab in ihrem sozialmedizinischen Gutachten vom 8. Juli 2005 aus psychiatrischer Sicht an: Der Kläger lehne jede nervenärztliche Behandlung ab und habe keinerlei Krankheitseinsicht. Er neige zu impulsivem Verhalten sowie unberechenbaren "Aktionen" und sei bekannt für das häufige Verfassen bedrohender Schreiben oder auch für Drohanrufe. Diagnostisch handele sich um eine Schizophrenie mit ständigen Wahnvorstellungen. Seine Stimmung sei extrem wechselhaft, teilweise aggressiv, dann wieder urplötzlich freundlich, überschwänglich, regelrecht charmant. Eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung bestehe derzeit nicht. Trotz völlig chaotischer und verwahrloster Wohnverhältnisse versorge er sich noch ausreichend selbst. So fahre er noch Pkw bzw. Moped und nehme am gesellschaftlichen Leben des Ortes teil. Der Pflegebedarf werde insbesondere mit den Beschwerden im Hüftbereich und den Verdauungsstörungen nach einer Gallenoperation begründet.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Pflegeleistungen ab. Hiergegen legte der Kläger am 2. August 2005 Widerspruch ein und machte geltend: Er benötige für die Intimpflege keine Pflege. Ihm sei eine Person bekannt, die eine Pflegestufe erhalten habe, jedoch tatsächlich nicht pflegebedürftig sei. Allein wegen der erlittenen politischen Haft stehe ihm eine Pflegestufe zu. Darüber hinaus legte er einen Arztbrief vom 19. August 2005 von Dr. K. vor, in dem ein LWS-Syndrom diagnostiziert wird. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger am 5. September 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben (Az. S 12 P 71/05) und sein Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Herrn G. vom 18. Dezember 2005 eingeholt, der ausführte: Der Kläger sei bei ihm ca. alle vier bis sechs Wochen in Behandlung. Es bestehe ein chronisches Lumbalsyndrom, eine Herzinsuffizienz bei labilem Bluthochdruck, ein chronischer Abdominalschmerz mit chronischem Durchfall bei Zustand nach Gallenoperation. Daneben seien noch ein Lungenemphysem sowie eine reaktiv depressive Episode infolge langjähriger unrechtmäßiger Unterbringung in einer Nervenklinik, eine hochgradige Coxarthrose beidseits und eine chronische Nierenfunktionsstörung vorhanden. Nach seiner Einschätzung benötige der Kläger nur für die Verrichtungen Duschen/Baden eine Fremdhilfe.

Am 27. März 2006 hat der Kläger eine notariell beurkundete Betreuungsverfügung vom 31. Mai 2005 zur Akte gereicht, nach der er seine beiden Nichten zu gemeinschaftlichen Betreuern eingesetzt hat.

Das Sozialgericht hat die Dipl.-Pflegewissenschaftlerin W. ein Gutachten zur Pflegebedürftigkeit vom 31. Juli 2007 erstatten lassen (Untersuchung vom 2. März 2007). Die Sachverständige nahm nach Auswertung der Befunde folgende Diagnosen auf:

Coxarthrose

Chronisches Lumbalsyndrom

Psychopathologien

Verdauungsprobleme

Arterielle Hypertonie sowie Herzinsuffizienz

Chronische Bronchitis

Krampfaderleiden im Unterschenkelbereich, links stärker als rechts

Alterssichtigkeit sowie Altersschwerhörigkeit.

Der Kläger verfüge über beidseits funktionell nutzbare Extremitäten. Er habe starke Schmerzen in allen Gelenken angegeben. Nach seinen Angaben könne er seinen Hals nicht mehr adäquat bewegen und habe ständig Schmerzen und Schwindel. Hinzu trete, wenn auch nicht täglich, eine Kopfschmerzsymptomatik. Seine völlig fehlende Schmerzmedikation widerspreche jedoch diesen Angaben. Die vom Kläger angegebenen schweren Folgen aus traumatischen äußeren Ereignissen (Mopedunfälle; Schlaganfälle; Hausdurchsuchungen; Haftschäden) seien nicht zu objektivieren. Er könne sich aus der Liege- und Sitzposition aufrichten und habe einen sicheren Stand. Das Gehen erfolge hinkend, jedoch selbständig. Den Schürzen- und Nackengriff habe er verzögert, aber vollständig vorgeführt. Auch könne er mit beiden Händen Überkopfbewegungen sowie den Scheitelgriff andeuten. Das An- und Auskleiden eines Pullovers sowie der Schuhe seien ihm möglich. Gravierende Einschränkungen der Handfunktion bestünden nicht. Insbesondere könne er den Faustschluss weitgehend vollständig bei mäßiger Kraft und ausreichender Grobkraft vorführen. Psychisch seien seine Gedanken auf die Inhaftierung und eine als gerecht empfundene Wiedergutmachung fixiert. Er habe Verdauungsprobleme mit häufigen Durchfällen sowie verstärktem Harndrang, jedoch ohne Spontanverluste, angegeben. Den Weg zur Toilette schaffe er meist rechtzeitig, wobei es jedoch zu Stuhlschmieren kommen könne. Der Harndrang störe ihn insbesondere bei seinem Nachtschlaf. Während des mehr als zweistündigen Gesprächs habe er die Toilette nicht aufgesucht. Die vom Kläger angegebene Belastungsluftnot sei nicht zu objektivieren. Für die chronische Bronchitis, Hypertonie und Herzinsuffizienz sei kein Fremdhilfebedarf erkennbar. Der Pflegezustand des Klägers sei zusammenfassend als eher schlecht zu bewerten. Seine offenbar chaotische Lebensführung lasse auf eine noch ausreichende Körperhygiene, jedoch auf ein unzureichendes Kleidungs- und Ernährungsverhalten schließen. So sei die Kleidung verschmutzt und zerrissen und seine Ernährung offenbar völlig ungeordnet. Sein Gewicht habe bei einer Körpergröße von 180 cm 83,5 kg betragen und sei im Vergleich zu den vorhergehenden Befunden relativ konstant. Die Wohnumstände des Klägers seien chaotisch und wiesen eine deutliche Verwahrlosungstendenz auf. Erschwerende Faktoren für die Pflege seien das Körpergewicht von über 80 Kilogramm sowie sein ausgeprägtes Abwehrverhalten und die dissozialen Verhaltenszüge in einem pflegebehindernden Umfeld. Im Bereich der Körperpflege sei von einem Zeitbedarf von 9 Minuten auszugehen. Der Kläger habe drei Duschvorgänge täglich angegeben, die seinem äußeren Erscheinungsbild und den örtlichen Verhältnissen jedoch deutlich widersprächen. So habe der Duschtrakt einen ungenutzten Eindruck hinterlassen. Auch seien keine Waschutensilien erkennbar gewesen. Ein alltägliches Duschen sei allerdings objektiv nachvollziehbar und aus grundlegenden hygienischen Gründen auch als pflegerisch erforderlich anzusehen. Wegen der Verwahrlosungstendenz sei auch eine Rasierkontrolle notwendig. Der Stuhlgang werde eigenständig durchgeführt, wobei es wegen der Durchfallproblematik zeitweise zu Verunreinigungen komme, die eine Nachwäsche erforderlich mache. Aufgrund seines Abwehrverhaltens sei er auch zur Nutzung der Toilettenbürste sowie zum Nachspülen anzuhalten. Zusammenfassend bestehe für die Körperpflege ein Grundpflegebedarf von 9 Minuten.

Im Bereich der Ernährung bestehe der Zeitbedarf von 0 Minuten. Für den Bereich der Mobilität seien für das Ankleiden und das Entkleiden insgesamt 8 Minuten Grundpflege einzuschätzen. Das Entkleiden nahezu aller Kleidungsstücke sei ihm möglich. Lediglich im Fußbereich sei wegen der Kompressionstherapie eine Hilfestellung angezeigt, um das tägliche Überstreifen der Hilfsmittel zu sichern. Seine schmutzige und verwahrloste Kleidung mache für das An- und Auskleiden eine Fremdhilfeüberwachung erforderlich. Für die Verrichtung der hauswirtschaftlichen Versorgung seien 65 Minuten anzunehmen.

Der Kläger hat gegen das Gutachten geltend gemacht: Die behauptete Verwahrlosung seines Anwesens sei unzutreffend. Durch geeignete Vorkehrungen (z.B. Aufstellen von Fallen) habe er das Auftreten von Ungeziefer verhindert. Auch benutze er die Dusche – entgegen der Ansicht der Sachverständigen – mehrfach täglich. Nach einer Hausdurchsuchung habe er wochenlang doppelt gesehen, was als untrügliches Zeichen eines Schlaganfalls zu werten sei. Wer so abgebaut habe, dass er nur nach dem körperlichen Pflegebedarf gemessen werde, gehöre in ein Pflegeheim, was bei ihm nicht zutreffe. Er benötige die Pflegestufe II, um die Voraussetzung für eine von ihm privat abgeschlossene Pflegetagegeldversicherung zu erfüllen. Es gehe ihm nach einem Überfall der "Russlanddeutschen Mafia" zudem sehr schlecht. Nach der Gallenoperation habe sich der Stuhlgang erst nach drei Jahren wieder normalisiert. Gerade der hauswirtschaftliche Bedarf sei im Gutachten völlig unterbewertet. Nach einem Sturz habe er einen Handwurzelbruch erlitten und wochenlang Gips tragen müssen.

Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 22. November 2007 die Klage abgewiesen: Soweit der Kläger Leistungen für einen Zeitraum vor Antragstellung verlange, sei die Klage unzulässig. Es fehle für diese Zeit an einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten. Für die Zeit nach Antragstellung lägen die Voraussetzungen einer Pflegestufe nach dem Gutachten der Sachverständigen nicht vor. Danach erreiche der Kläger nicht die für die Pflegestufe I erforderliche Zeit in der Grundpflege von mehr als 45 Minuten.

Der Kläger hat gegen das ihm am 4. Januar 2008 zugestellte Urteil am 8. Januar 2008 Berufung eingelegt, weitere Ausführungen gemacht und sein Begehren vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt unter dem Aktenzeichen L 4 P 1/08 weiter verfolgt. Er hat weiterhin die Nachzahlung der Pflegestufe I von 1990 bis 1998 und danach die Pflegestufe II gefordert. Durch diverse nicht näher ausgeführte Ereignisse habe er finanzielle Schwierigkeiten bekommen. Es folgen umfassende Ausführungen über den Rechtsstaat, Politiker, Richter sowie über Mitarbeiter der Beklagten und weitere Personen. Er sei drei Tage im Krankenhaus gewesen, da er sich bei einem Mopedunfall überschlagen habe, was zu heftigsten Schmerzen und einer Atemstörung mit Erstickungsgefahr geführt habe. Seine Unfallversicherung – die Allianz – habe die Regulierung seines Sach- und Körperschadens abgelehnt. Auf Veranlassung des Versicherers habe ihn ein "Gammelarzt" vom H.klinikum W. untersuchen wollen und ihm gegenüber die Ansicht vertreten, dass sich aus dem Unfall kein Körperschaden ergebe. Wegen dieser negativen Erfahrung habe er die Versicherung gekündigt. Der Kläger hat ärztliche Atteste vom Facharzt für Allgemeinmedizin G. vom 12. Juni 2006, 20. August 2007 und 22. April 2008 vorgelegt. Dieser hat zuletzt unter Wiederholung der bereits bekannten Diagnosen angegeben, dass dem Kläger wegen chronischer Harn- und Stuhlinkontinenz ein Verlassen des häuslichen Milieus nur erschwert möglich sei. Wegen massiver Kontusionsbeschwerden am rechten Hüftgelenk sei ihm momentan die Nutzung von Verkehrsmitteln für längere Wegstrecken kaum zumutbar. Im Attest vom 20. August 2007 berichtete er über einen Nackenschlag gegen den Kläger vom 8. August 2006 sowie chronische HWS- und Kopfschmerzen. Der Kläger hat hierzu weiter angegeben: Durch einen massiven Handkantenschlag sei es bei ihm zu Einblutungen im Kopf gekommen. In der Folgezeit habe er doppelt gesehen. Auch leide er an einem Dauerkopfschmerz, einem Schädelhirntrauma sowie an Gleichgewichtsstörungen und einer Nackensteifigkeit.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 25. Juni 2008 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt die Berufung zurückgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf die vorliegenden MDK-Gutachten sowie das Gutachten der Diplom-Pflegewissenschaftlerin W. gestützt. Zur Begründung hat es folgende Feststellungen getroffen: Nach den Gutachten der Pflegekraft K. sowie der Dipl.-Med. L. vom 8. Juli 2005 bestehe weder im Bereich der Grundpflege noch für die Hauswirtschaft ein messbarer Pflegebedarf beim Kläger. In dem Gutachten der Diplom-Pflegewissenschaftlerin W. vom 31. Juli 2007 sei für den Untersuchungszeitpunkt vom 2. März 2007 nur von einem täglichen Grundpflegebedarf von 17 Minuten auszugehen. Dieser – nach eher großzügigen und rechtlich zweifelhaften Maßstäben – festgestellte Grundpflegebedarf unterschreite den gesetzlich notwendigen Wert von mindestens 45 Minuten immer noch deutlich. Die Annahme der Sachverständigen, es bestehe wegen der Tendenzen zur Verwahrlosung des Klägers ein Grundpflegebedarf von 17 Minuten, sei rechtlich nicht haltbar. Hierbei sei zu beachten, dass ein bloß allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht als pflegerelevant angesehen werden könne. Das BSG habe bereits im Jahr 1998 klargestellt, dass nur konkrete Anleitungen, Überwachungen und Erledigungskontrollen zu berücksichtigen seien, die die Pflegeperson in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in gleicher Weise binde, wie bei unmittelbarer körperlicher Hilfe, hingegen schlichte Aufforderungen zur Durchführung bestimmter Verrichtungen keine nach § 14 Abs. 3 SGB XI ausreichende Leistungen darstellten, weil sie mit keiner derartigen Bindung der Pflegeperson einhergehe. Die im Gesetz vorgesehene "Anleitung" und "Beaufsichtigung" gehe damit über das bloße "Anhalten" zur Durchführung einer Verrichtung hinaus (vgl. bereits BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R, zitiert nach juris). Allein entscheidend sei damit, ob ein Versicherter wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung auf Dauer nicht in der Lage sei, die in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen ohne Anleitung oder Beaufsichtigung durch andere Personen (§ 14 Abs. 3 SGB XI) auszuführen (BSG, Beschluss vom 15. Oktober 1998 – B 3 P 16/98 B, zitiert nach juris). Nach Auffassung der Sachverständigen bestehe beim Kläger ein Grundpflegebedarf für das Duschen, das Rasieren, den Stuhlgang sowie für das An- und Auskleiden, um insbesondere seiner Verwahrlosung entgegenzuwirken. Dieser Grundpflegebedarf könne nur zutreffen, wenn es sich dabei tatsächlich um einen krankheitsbedingten Bedarf zur Anleitung und nicht um einen zwar sinnvollen, jedoch nach dem SGB XI ausgeschlossenen allgemeinen Aufsichts- und Betreuungsbedarf handele. Den Ausführungen der Sachverständigen sei jedoch zu entnehmen, dass zumindest für das Duschen, das Rasieren sowie das An- und Auskleiden mit Ausnahme der Kompressionstherapie der für erforderlich gehaltene Fremdpflegebedarf eher einem Motivieren im Sinne eines bloßen allgemeinen Aufsichts- und Betreuungsbedarfs zuzuordnen sei. So habe die Sachverständige zum Teil wörtlich ausgeführt, dass der Kläger zu bestimmten Arbeiten anzuhalten sei, um den festgestellten Verwahrlosungen insbesondere bei der Bekleidung und der Körperreinigung entgegenzuwirken. Dieses Anhalten oder auch Motivieren sei mit einer Anleitung im Sinne des SGB XI jedoch nicht gleichzusetzen. So verfüge der Kläger nach den Ausführungen der Sachverständigen und seinen eigenen Ausführungen noch über ausgeprägte Fähigkeiten, sein Leben eigenverantwortlich selbst zu gestalten. Er könne sich noch uneingeschränkt ernähren, habe sein Gewicht über Jahre konstant halten können, sei in der Lage bei Bedarf selbständig den Arzt aufzusuchen und könne mit Dritten eine umfassende schriftliche Korrespondenz führen, seine Vorstellungen mit Nachdruck vortragen und sein Anwesen vor dem Zugriff Dritter schützen. Diese Kompetenz, sein eigenes Leben nach eigenen Vorstellungen zu organisieren, spreche gegen einen Grundpflegebedarf im Sinne des SGB XI. Konkrete Gefahren einer Unterversorgung oder einer Gefährdung im Grundpflegebereich, die einer direkten Anleitung bedürften, habe die Sachverständige allenfalls für das Anlegen von Kompressionsstrümpfen und im Bereich des Stuhlgangs wegen eines vermehrten Durchfalls nachvollziehbar darlegen können. Der tatsächliche Grundpflegebedarf des Klägers liege daher eher unter 10 Minuten täglich.

Am 5. November 2008 beantragte die Tochter des Klägers bei der Beklagten erneut Pflegegeld. Die Beklagte beauftragte die Pflegefachkraft S. mit einem MDK-Pflegegutachten vom 20. November 2008 (Untersuchung vom 19. November 2008). Diese stellte einen Grundpflegebedarf von 0 Minuten fest. Zur häuslichen Situation gab sie an: Der Kläger lebe in einem Einfamilienhaus allein und bewohne die Räumlichkeiten im Erdgeschoss. Die häuslichen Verhältnisse seien chaotisch. Der Kläger sammle praktisch alles und habe am Haus mehrere Überwachungskameras sowie Sicherheitsschlösser angebracht. Seine Nichten seien nach seinen Angaben ein Mal im Monat vor Ort. Der Kläger bewege sich ohne Hilfsmittel, sei vollständig orientiert und könne adäquate Angaben machen. Als pflegerelevante Ressourcen könne er sämtliche Griffarten vorführen, habe eine Sitz- und Rumpfstabilität und könne Positionswechsel selbständig ausführen. Das Gangbild sei ausreichend sicher. Als pflegebegründende Diagnosen bestünden:

Koxarthrose

Anhaltende Verdauungsprobleme bei Zustand nach Cholezystektomie

Zustand nach Hüftkontusion rechts im Jahr 2008

Bewegungsstörungen zwischen HWS- und BWS-Bereich nach tätlichem Angriff im Jahr 2006

Inkomplette Harn- und Stuhlinkontinenz

Hypertonie

Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten Unterarms

Migräneartige Kopfschmerzen

Psychische Probleme (Diagnose Schizophrenie)

Zustand nach zwei Schlaganfallsgeschehen ohne Lähmungen im Jahr 2006.

Die Körperpflege, Ernährung sowie Mobilität könne der Kläger eigenständig vornehmen. Die Alltagskompetenz im Sinne des § 45a SGB XI sei nicht eingeschränkt. Mit Bescheid vom 27. November 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. In seinem dagegen gerichteten Widerspruch vom 1. Dezember 2008 führte der Kläger aus: Er habe einen Pflegebedarf allein in der Körperpflege von 180 Minuten. Aus der politischen Langzeitinhaftierung habe er schwere Haftschäden erlitten und müsse mit ansehen, wie ehemalige Stasi- und SED Mitarbeiter Pflegestufen erhielten, obwohl diese namentlich benannten Personen gesundheitlich in keiner Weise eingeschränkt seien. Die Beklagte beauftragte die MDK-Gutachterin und Pflegefachkraft M. mit einem Pflegegutachten vom 16. Januar 2009 (Untersuchung vom 14. Januar 2009). Diese teilte mit: Im Bad mit Dusche bestehe ein hoher Einstieg von 30 cm. Die Wohnung des Versicherten sei seit längerem nicht mehr hauswirtschaftlich versorgt worden. Alle Räume seien unaufgeräumt. Überall lägen Papiere, Schriftstücke und Zettel herum. Die Toilette sei seit längere Zeit nicht gereinigt worden und die Fußböden der Sanitärräume nicht ausreichend sauber. Nach einem ärztlichen Attest von Herrn G. vom 19. Dezember 2008 bestünden eine Coxarthrose beidseits, chronische Chephalgien, eine hypertensive Herzerkrankung und eine chronische Herzinsuffizienz. Die Alltagskompetenz sei nicht eingeschränkt. Im Bereich der Körperpflege benötige der Kläger Hilfe beim Waschen des Rückens, was mit einer Ganzkörperpflege von 8 Minuten bewertet werde könne. Zur Sicherung des Duschvorgangs seien im Bereich der Mobilität 2 Minuten anzusetzen. Für den Bereich der Grundpflege ergebe sich daher ein Pflegebedarf von 10 Minuten. Der hauswirtschaftliche Zeitaufwand sei auf 13 Minuten täglich zu schätzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Es gehe ihm nicht um die Pflegestufe I, sondern um die Pflegestufe II.

Das Sozialgericht hat einen Pflegebefundbericht vom Facharzt für Allgemeinmedizin G. vom 7. Juni 2009 eingeholt. Hiernach bestehe teilweise Hilfebedarf beim Waschen und Duschen. Nach einem vom Kläger vorgelegten Attest vom Herrn G. vom 7. Mai 2009 sei ihm infolge chronischer HWS- und Kopfschmerzen infolge eines schweren Traumas das Tragen eines Helmes während des Führens seines Mopeds nicht zumutbar. In einem vorläufigen Arztbrief vom 15. August 2011 berichtete Assistenzärztin G. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 11. August 2011 bis 15. August 2011. Als Diagnosen sei von einer COPD mit Lungenemphysem, einem Zustand nach Cholecystektomie sowie Appendektomie sowie einer Tricuspidalininsuffizienz Grad II mit leichter Hypertonie auszugehen. Der Kläger sei beschwerdefrei entlassen worden.

Der Kläger verlangte in einem weiteren Antrag vom 4. Oktober 2011 von der Beklagten Geldleistungen sowie Sachleistungen durch kommunale Pflegedienste nach Bedarf. Die Beklagte ließ durch die Pflegefachkraft H. ein MDK-Pflegegutachten vom 2. November 2011 (Untersuchung vom selben Tage) erstellen, die dabei ausführte: Die Wohnung des Klägers sei seit längerem nicht ausreichend hauswirtschaftlich versorgt worden. Alle Räume seien unaufgeräumt. Überall seien Papiere, Zettel und Schriftstücke verteilt. In der Küche befänden sich zahlreiche verschlossene Büchsendosen sowie massenhaft Knäckebrot. Die Toilette sei seit längerem nicht ausreichend sauber gemacht worden und die Sanitärräume dreckig. Die Gesprächführung mit dem Kläger sei schwierig, da er auf Fragen nicht eingehe. Seine Stimmung habe sich im Gesprächsverlauf gesteigert. Er fühle sich von staatlichen Organen "unfair" behandelt. Aktuell habe er nach einem Motorradunfall Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Auch leide er an starken pulsierenden Kopfschmerzen. Hierfür mache er einen Überfall aus dem Jahr 2006 verantwortlich. Im Bereich des Rachens seien Blutblasen vorhanden, die er sich selbst aufstechen müsse, was mit Schmerzen verbunden sei. Zudem habe er hohen Blutdruck, den er selbst mittels Blutdruckmessgerät kontrolliere. Die Körperpflege führe er selbst durch. Er dusche fallweise bis zu drei Mal täglich, wenn starke Kopfschmerzen aufträten. Die Verrichtungen der Hauswirtschaft übernehme er selbst. Die Alltagskompetenz des Klägers sei in höherem Maße eingeschränkt. Im Bereich der Körperpflege sei trotz der noch bestehenden Selbständigkeit eine Hilfe für das Waschen und Duschen von 7 Minuten erforderlich. Für die Ernährung bestehe kein Grundpflegebedarf. Bezogen auf die Verrichtung Mobilität sei eine Hilfe bei der Auswahl sauberer Kleidung erforderlich und ein Hilfebedarf von 4 Minuten anzusetzen. Zusammenfassend seien der Grundpflegebedarf mit 11 Minuten und der Bedarf für die Hauswirtschaft mit 34 Minuten einzuschätzen. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte Pflegegeldleistungen nach der Pflegestufe I ab (Bescheid vom 9. November 2011) und bewilligte gemäß §§ 45b Abs.1, 45a SGB XI ab dem 1. Oktober 2011 zusätzliche Betreuungsleistungen im Gesamtumfang von 2.400,00 EUR, sofern qualitätsgerechte Betreuungsleistungen in Anspruch genommen werden und im Rahmen der Kostenerstattung nachgewiesen würden.

Die Beklagte ließ diese Entscheidung durch den MDK nochmals überprüfen. In einem Wiederholungsgutachten vom 29. Oktober 2012 hielt die Pflegefachkraft S. die Voraussetzungen für eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz für nicht gegeben. Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger zur Einstellung dieser Leistung an und stellte die Leistungen gemäß §§ 45b Abs.1, 45a SGB XI mit Bescheid vom 19. November 2012 wieder ein. Auf seinen Widerspruch vom 22. November 2012 hob die Beklagte diesen Bescheid am 24. Juni 2013 wieder auf und bewilligte dem Kläger zusätzlich ab dem 1. Januar 2013 ein monatliches Pflegegeld nach der Pflegestufe 0 in Höhe von 120,00 EUR gemäß § 123 Abs.1, 2 Nr. 1 SGB XI.

Auf einen weiteren Antrag des Klägers vom 3. Februar 2012 zur Erlangung einer Pflegestufe veranlasste die Beklagte eine MDK-Begutachtung vom 13. April 2012 (Untersuchung vom 12. April 2012). Darin führte der Gutachter O. aus: Meist schimpfe der Kläger über den Staat, die Krankenkasse und den MDK. Er berichtete über häufig schmerzhafte Bewegungseinschränkungen wegen der Arthose beider Hüften und fallweise über Gangunsicherheiten. Die gesundheitliche Situation entspreche den vorhergehenden Feststellungen der Pflegefachkraft H. Die Körperpflege und Hauswirtschaft führe er selbst durch. Im Vordergrund der Beschwerden stünden die Bewegungseinschränkungen der Hüfte sowie die Migräneanfälle. Der Kläger habe angegeben, er nehme keine Hilfe in Anspruch, werde jedoch um die Pflegestufe "kämpfen". Die häusliche Situation stelle sich wie folgt dar: Der Kläger habe angegeben, er stelle die Pflege bzw. die hauswirtschaftliche Versorgung noch selbst sicher. Bei Bedarf würde er einen Pflegedienst beauftragen, habe diesen jedoch noch nie in Anspruch genommen. Die Wohnung befinde sich – wie aus den vorhergehenden Gutachten bekannt – in einem hauswirtschaftlich nicht ausreichenden Zustand. Der Pflegezustand sei bei einer Größe von 175 cm und einem Gewicht von ca. 80 kg unauffällig. Positionswechsel seien ohne Hilfestellung möglich. Das Gangbild wirke sicher, jedoch etwas verlangsamt. Die Griffarten seien vollständig vorhanden. Als pflegerelevante Diagnosen bestünden u.a.:

Chronische obstruktive Lungenkrankheit,

Coxarthrose beidseits mit eingeschränkter Beweglichkeit.

Für den Bereich des Waschens des Rückens und der Füße sei ein Hilfebedarf von 7 Minuten zu schätzen. Der Kläger führe die Pflege komplett selbständig aus. Im Bereich der Ernährung und Mobilität bestehe kein Grundpflegebedarf. Für die Hauswirtschaft sei der Pflegebedarf auf 30 Minuten einzuschätzen. Mit Bescheid vom 19. April 2012 lehnte die Beklagte Leistungen aus der Pflegeversicherung ab. Nach einem Widerspruch des Klägers vom 24. April 2012 beauftragte die Beklagte erneut den MDK mit einer erneuten Prüfung. Nach einer Sozialmedizinischen Stellungnahme vom 25. September 2012 nach Aktenlage führte die MDK-Gutachterin S. aus: Aus den vorliegenden Arztbefunden ergebe sich in den letzten 12 Monaten eine gesundheitliche Verschlechterung. Nach den zwei zurückliegenden Pflegegutachten bewege sich der Pflegebedarf immer noch deutlich unterhalb der Pflegestufe I. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und verwies auf mögliche Sozialhilfeansprüche.

Im Gerichtsbescheid vom 5. Februar 2013 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Im Bereich der Grundpflege könne allenfalls von einem Grundpflegebedarf von maximal 10 Minuten ausgegangen werden. Das gesetzliche Mindesterfordernis von mehr als 45 Minuten werde daher klar verfehlt. Das Motiv des Klägers, die Pflegegeldzahlungen sollten die in der Vergangenheit erlittenen Zwangsbehandlungen ausgleichen, verkenne die gesetzlichen Voraussetzungen in der Sozialen Pflegeversicherung. Neue Erkrankungen oder Verschlimmerungen seien dem Sachvortrag des Klägers nicht zu entnehmen.

Gegen den am 9. Februar 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. Februar 2013 Berufung eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Er könne nicht nachvollziehen, wieso ihm die bereits zuerkannte "Demenzzulage" weggenommen worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Februar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2009 sowie den Bescheid vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Pflegegeld nach der Pflegestufe II sowie hilfsweise nach der Pflegestufe I ab dem 4. November 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger Pflegegeld ab 4. November 2008 nach der Pflegestufe II bzw. nach der Pflegestufe I zu zahlen. Der Anspruch auf Pflegeleistungen, insbesondere auf das Pflegegeld nach der Pflegestufe I und II, ergibt sich aus § 37 Abs. 1 SGB XI i. V. m. den §§ 14, 15 SGB XI. Nach § 37 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der ihnen sonst zustehenden häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Grundvoraussetzung für die Leistungsgewährung ist, dass Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI vorliegt. Pflegebedürftig sind danach Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.

Erheblich Pflegebedürftige (Pflegestufe I) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege – Körperpflege, Ernährung und Mobilität – mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI).

Aufgrund der vorliegenden MDK-Gutachten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege deutlich weniger als 45 Minuten beträgt und damit die Voraussetzungen für die Pflegestufe I und erst Recht für die Pflegestufe II nicht erfüllt sind.

Wie der Senat bereits mit Urteil vom 25. Juni 2008 (L 4 P 1/08) festgestellt hat, erreicht der Kläger nicht den erforderlichen Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten, woran sich auch aktuell nichts geändert hat. Trotz einer gewissen Tendenz zur Verwahrlosung und zunehmender Altersbeschwerden des Klägers hat sich sein Grundpflegebedarf seit den Anträgen vom 4. November 2008 und 4. Oktober 2011 sowie vom 3. Februar 2012 nicht wesentlich erhöht. Nach den MDK-Gutachten vom 20. November 2008, 16. Januar 2009, 2. November 2011 sowie vom 13. April 2012 und vom 25. September 2012, die ausführlich auf die pflegerelevanten Umstände eingehen und plausibel begründet sind, besteht kein Zweifel daran, dass der Grundpflegebedarf des Klägers die Grenze von mehr als 45 Minuten immer noch klar verfehlt und die von der Vorinstanz angenommenen 10 Minuten nicht oder nicht wesentlich überschreitet. Die dem Kläger verbliebenen Ressourcen zur Selbstpflege in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität, wie insbesondere die MDK Gutachterin H. am 2. November 2011 und der MDK-Gutachter O. vom 12. April 2012 überzeugend ausgeführt haben, sind immer noch weitgehend erhalten. Gleiches gilt auch für den Bereich der Hauswirtschaft, deren Verrichtungen einen Zeitaufwand von höchstens ca. 30 Minuten erreichen (vgl. MDK-Gutachten vom 2. November 2011 und vom 13. April 2012). Die festgestellte Notwendigkeit den Kläger zu motivieren, damit er seine problematische Pflegesituation möglichst verbessert, ist kein Bedarf der täglichen Grundpflege. Nach wie vor verfügt der Kläger über eine hinreichende Kompetenz, sein eigenes Leben nach eigenen Vorstellungen selbst zu organisieren und zu gestalten. Dies belegen auch seine zahlreichen Schriftstücke und die vielen Telefonate, die er mit Gerichten und diversen Behörden austauscht.

Dem weiteren Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren kann nicht entnommen werden, dass sich sein Grundpflegebedarf nach Erstattung des letzten MDK-Gutachtens durch neue Erkrankungen oder Verschlimmerungen so derart erhöht hat, dass von einer grundlegend veränderten Pflegesituation auszugehen ist. Dagegen sprechen die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste seines behandelnden Arztes, die eine voranschreitende, jedoch keine dramatische Verschlechterung dokumentieren. Massive Bewegungseinschränkungen oder andere schwere gesundheitliche Störungen, die die Selbstpflegefähigkeit erheblich einschränken sowie Anhaltspunkte für einen erheblich gesteigerten Grundpflegebedarf sein könnten, sind diesen Attesten nicht zu entnehmen. Etwas anderes wird vom Kläger auch nicht vorgetragen. Der Senat hat aus diesen Gründen von weiteren medizinischen Ermittlungen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts abgesehen.

Unabhängig davon, dass der Kläger derzeit nach wie vor einen Grundpflegebedarf von ungefähr 10 Minuten hat, der damit weit unter der vom Gesetz geforderten mehr als 45 Minuten liegt, steht dem Anspruch auch ein anderer Umstand entgegen: Der Anspruch auf Pflegegeld setzt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Für die Frage, in welchem Umfang die Pflege erforderlich und sicherzustellen ist, sind dabei insbesondere die Vorgaben des § 14 SGB XI zu beachten. Danach ist die Pflege im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung sicherzustellen. Dies ist beispielsweise nicht erfüllt, wenn die Pflegeperson aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage ist, die im Tagesablauf anfallenden Verrichtungen vorzunehmen (vgl. Udsching, SGB XI Soziale Pflegeversicherung, 3. Auflage 2010, § 37 Rdn. 7). Im Fall des Klägers können weder die Nichten, die ihn im Jahr 2008 lediglich ein Mal im Monat besucht haben noch ein von ihm noch nie in Anspruch genommener Pflegedienst (so seine Angaben im MDK-Gutachten vom 13. April 2012) die Grundpflege täglich sowie die Verrichtungen der Hauswirtschaft sicherstellen. Dies bestätigt auch der wiederholt von verschiedenen Personen festgestellte schlechte Zustand seiner Wohnräume. Angesichts dieser seltenen Anwesenheit von Pflegepersonen im Haushalt des Klägers ist es evident, dass die notwendige Pflege bislang nicht ausreichend sichergestellt ist. Bevor der Kläger diesen Mangel nicht abgestellt hat, erscheinen auch zukünftige Anträge nicht aussichtsreich, auch wenn sich sein Pflegebedarf erhöhen sollte.

Soweit er meint, aufgrund früher erlittenen Unrechts einen moralischen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XI zu haben, verkennt er die sozialpolitische Zielrichtung der Sozialen Pflegeversicherung.

2. Soweit der Kläger eine Grundentscheidung gemäß §§ 45b Abs.1, 45a SGB XI begehrt bzw. einen Pflegegeldanspruch nach der Pflegestufe 0 in Höhe von 120,00 EUR gemäß § 123 Abs.1, 2 Nr. 1 SGB XI seit dem 1. Januar 2013 verlangt, hat die Beklagte diesen Anspruch vor der Entscheidung des Senats ausdrücklich anerkannt (vgl. Abhilfebescheid der Beklagten vom 24. Juni 2013). Durch die damit verbundene Erfüllung des Anspruchs entfällt gleichzeitig das Rechtsschutzbedürfnis für eine darauf gerichtete Klage. Sollte der Kläger einen Antrag auf diese Leistungen immer noch stellen wollen, wäre die Klage unzulässig und die Berufung entsprechend unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Teilanerkenntnis der Beklagten im Abhilfebescheid vom 24. Juni 2013 fällt wegen der deutlich weitergehenden Pflegegeldforderung des Klägers auf Pflegestufe II und Pflegestufe I seit dem 4. November 2008 erkennbar nicht erheblich ins Gewicht.

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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