Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 2547/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1216/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts R. vom 18.01.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des im Juni 2010 verstorbenen F. S. (im Folgenden: Versicherter).
Der 1941 geborene Versicherte hat ein 1966 geborenes Kind und war vom 01.09.1981 bis 31.10.1991 (Ehescheidung) mit der Mutter des Kindes verheiratet. Seit 01.09.2004 bezog er eine Altersrente für langjährig Versicherte, zuletzt iHv 1.390,20 EUR monatlich. Die 1949 geborene Klägerin lebte nach eigenen Angaben seit 1989 mit dem Versicherten in einer Partnerschaft, dabei hatte jeder in R. seine eigene Wohnung. Im Dezember 2008 litt der Kläger plötzlich an einer progredienten Gangstörung, kognitiver Verlangsamung, Doppelbildern, Inkontinenz und Übelkeit. Vom 08. bis 15.12.2008 wurde er im Krankenhaus R. behandelt. Nach weiterer Verschlechterung wurde er am 28.12.2008 in der Neurologischen Klinik T. stationär aufgenommen mit Verdacht auf metastasiertes Bronchialkarzinom. Im Januar 2009 wurde die Erstdiagnose eines nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms gestellt, initiales Tumorstadium: T4, N2/3, N1 (Stadium IV nach UICC). Es wurde eine palliative Behandlung begonnen. Im Januar 2009 kündigte der Versicherte seine Wohnung in der T. Straße. Der Versicherte und die Klägerin heirateten am 17.04.2009, am 15.06.2009 verstarb der Versicherte an den Folgen der Krebserkrankung.
Am 22.06.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes. In der Anlage zum Rentenantrag gab sie an, die tödlichen Folgen einer Krankheit seien bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen. Die Beklagte holte eine Auskunft bei der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums T. ein. PD Dr. Dr. M. teilte am 30.07.2009 mit, im Januar 2009 sei bei dem Versicherten die Diagnose eines primär metastasierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms gesichert worden. Auffällig geworden sei der Versicherte durch eine Liquorzirkulationsstörung, welche durch eine zerebrale Metastase verursacht worden sei. Es sei eine Ganzhirnbestrahlung erfolgt, nachfolgend sei eine Systemtherapie eingeleitet worden. Die Behandlung sei gut vertragen worden; bei Zwischenuntersuchungen Anfang April und Anfang Mai habe sich ein gutes Ansprechen sowohl der weiterhin solitären Metastase im Gehirn sowie im Bereich des Primärtumors gezeigt. Vor diesem Hintergrund sei im April der rasche Progress und nachfolgende Tod des Versicherten nicht absehbar gewesen.
Mit Bescheid vom 19.08.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, Anspruch auf Witwenrente bestehe nur, wenn die Ehe mindestens ein Jahr gedauert habe. Dies sei hier nicht der Fall. Nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Heirat am 17.04.2009 die Schwere der Erkrankung des Versicherten bekannt gewesen sei. Bereits an diesem Tag sei die rasch fortschreitende Erkrankung abzusehen und damit zu rechnen gewesen, dass der Versicherte nach nur kurzer Krankheitsdauer versterben könne.
Hiergegen richtet sich der am 31.08.2009 eingelegte Widerspruch der Klägerin. Sie verweist darauf, dass die Metastase und das Primärkarzinom zunächst ausgesprochen gut auf die Behandlung reagiert hätten, weshalb nicht mit dem baldigen Tod des Versicherten zu rechnen gewesen sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin und der Versicherte eine Partnerschaft über die Dauer von mehr als 19 Jahren aufrechterhalten hätten. Da zwischen beiden Partnern ein inniges Verhältnis vorhanden gewesen sei, hätten sie sich bereits vor der Erkrankung des Versicherten zur Heirat entschlossen und dies auch gegenüber ihrem Bekanntenkreis geäußert. Gerade die kurze Zeit später gewonnene Erkenntnis von der Erkrankung des Versicherten sei ein Grund gewesen, den Vollzug der Eheschließung noch hinauszuschieben. Der Versicherte sei in der Folge davon ausgegangen, dass er eventuell noch eine lange Zeit von seiner Partnerin versorgt und eventuell komplett gepflegt werden müsse. Im Hinblick darauf habe er den bereits lange Zeit zuvor gefassten Entschluss zur Eheschließung verwirklichen wollen. Für die bestehenden Heiratsabsichten benannte die Klägerin mehrere Zeugen. Am 15.03.2010 vernahm die Beklagte Frau K., Nachbarin der Klägerin, als Zeugin. Sie sagte aus, dass ihr zur Weihnachtszeit 2007 zum ersten Mal bekannt geworden sei, dass Heiratspläne bestünden, es habe 2008 geheiratet werden sollen, die Pläne seien aber immer wieder verschoben worden. Im Dezember 2008 habe sie die Klägerin getroffen, die ihr erzählt habe, dass der Versicherte schwer erkrankt sei. Nach der ersten Operation habe sie zusammen mit dem Versicherten noch im Januar/Februar Schnee geschippt. In dieser Zeit habe sie von den konkreten Heiratsplänen erfahren. Zusätzlich holte die Beklagte eine weitere Auskunft beim Universitätsklinikum T. ein. Unter dem 24.02.2010 teilte PD Dr. Dr. M. mit, bei der vorliegenden Situation habe die mittlere Lebenserwartung für die gegebene Histologie unter Zugrundelegung aktueller Phase-3-Studien bei 10,8 Monaten ab Beginn der Systemtherapie gelegen. In die Studie seien Patienten mit Hirnmetastasen eingeschlossen. Nach zwei Jahren lebten etwa 20% der Patienten. Im ersten Zwischenstaging im April habe sich ein gutes Ansprechen gezeigt, sodass zu diesem Zeitpunkt die mittlere Lebenserwartung im Bereich von 9 bis 10 Monaten anzunehmen gewesen sei. Der Versicherte sei über den palliativen Charakter der Therapie informiert gewesen. Aussagen zur verbleibenden Lebenszeit erfolgten nicht unter Nennung von Zahlen, da individuelle Prognosen nicht gestellt werden könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass gemäß § 46 Abs 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente hätten, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Jahresfrist sei offensichtlich nicht erfüllt, sodass zunächst von einer Versorgungsehe auszugehen sei. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast habe der hinterbliebene Ehegatte die besonderen Umstände für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung darzulegen und zu beweisen. Maßgebend seien die Umstände des Einzelfalles. Gehe es um die medizinische Prognose bei Eheschließung, komme den medizinischen Unterlagen entscheidende Bedeutung zu. Die tödlichen Folgen der Erkrankung des Versicherten seien sowohl im Zeitpunkt der Vorbereitungshandlungen für die Eheschließung, wie auch im Zeitpunkt der Eheschließung selbst vorhersehbar gewesen. Dass seit vielen Jahren eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden habe, könne sowohl für als auch gegen eine Versorgungsehe sprechen. Auch eine ausreichende eigene Versorgung eines Hinterbliebenen könne zwar grundsätzlich geeignet sein, die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Im vorliegenden Einzelfall sei jedoch der medizinische Aspekt höher zu bewerten. Der volle Gegenbeweis hinsichtlich der Rechtsvermutung der Versorgungsehe habe nicht erbracht werden können.
Hiergegen richtet sich die am 04.08.2010 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage. Die Klägerin trägt vor, Ende 2007 hätten sie sich entschlossen, zu heiraten. Aufgrund einer Erkrankung der Klägerin, Urlauben und jahreszeitlichen Gegebenheiten hätte sich der Heiratstermin immer weiter verschoben. Der endgültige Entschluss zur Heirat sei dann im Dezember 2008 gefallen. Auslöser hierfür sei die familiäre Einladung einer Großcousine des Versicherten zur Hochzeit im Sommer gewesen. Dies hätten der Versicherte und sie zum Anlass genommen, als Überraschung dort als Ehepaar aufzutreten. Die Klägerin habe im Dezember 2008 beim zuständigen Standesamt angerufen und sich über den Ablauf einer Hochzeit informiert. Erstmals Ende Dezember 2008 hätten sich viele Symptome einer Erkrankung gezeigt, zum Zeitpunkt des Heiratsentschlusses sei noch keinerlei Anzeichen krankheitsbedingter Art vorhanden gewesen. Die Hochzeit hätte im März stattfinden sollen. Der Versicherte und die Klägerin seien dann erstmals im Februar auf dem Standesamt gewesen und hätten sich den 17.04.2009 als Termin vormerken lassen. Nach Diagnoseerstellung und Bestrahlung des Versicherten bis Anfang Februar 2009 seien keine weiteren Schritte zur Realisierung der Heiratsabsicht eingeleitet worden, weil zunächst die Behandlung des Versicherten im Vordergrund gestanden habe. Nachdem es dem Versicherten im Februar 2009 wieder deutlich besser gegangen sei, hätten sie den nie aufgegebenen Heiratsplan wieder aufgegriffen.
Das SG hat die Klägerin im Erörterungstermin am 25.05.2011 persönlich angehört und in der mündlichen Verhandlung am 18.01.2012 die Zeuginnen N. und L. vernommen. Mit Urteil vom 18.01.2012 hat es sodann die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2010 verurteilt, der Klägerin Witwenrente zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Witwenrente bestehe nach § 46 Abs 2a SGB VI nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung sei der volle Beweis des Gegenteils notwendig. Die Vermutung gelte als widerlegt, wenn nachweislich für einen Ehegatten die Absicht, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, nicht maßgeblich gewesen sei. Zur Überzeugung des SG stehe fest, dass bei dem Versicherten und der Klägerin zumindest auch andere, von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe vorgelegen hätten. Zum Zeitpunkt des gemeinsamen Heiratsentschlusses im Dezember 2008 habe noch keine Kenntnis der Diagnose der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten bestanden. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen habe ergeben, dass der konkrete Heiratsentschluss im Dezember 2008 und damit vor Bekanntwerden der Krebserkrankung des Versicherten gefasst und den Zeuginnen mitgeteilt worden sei. Die ersten Symptome der lebensbedrohlichen Erkrankung hätten sich erst Ende Dezember 2008 gezeigt und damit nach dem Heiratsentschluss. Es sei für die Kammer auch nachvollziehbar, dass nach der Diagnose im Januar 2009 die Behandlung des Versicherten im Vordergrund gestanden habe und die Hochzeitsvorbereitungen zunächst nicht weiter verfolgt worden seien. Die Heiratsabsicht habe aber auch während dieser Zeit fortbestanden. Gerade dies spreche gegen eine Versorgungsabsicht. Hätte diese den Ausschlag für die Heirat gegeben, wären aufgrund der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten die Hochzeitsvorbereitungen beschleunigt worden, ggfs bis hin zu einer Nottrauung. Demgegenüber seien die Hochzeitsvorbereitungen erst wieder aufgenommen worden, nachdem die Behandlung beim Versicherten gut angeschlagen habe und der Versicherte und die Klägerin neuen Lebensmut gefasst hätten. Zur Überzeugung der Kammer habe die plötzliche Erkrankung des Versicherten nicht die Heiratsabsicht an sich beeinflusst.
Gegen das ihr am 06.03.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.03.2012 eingelegte Berufung der Beklagten. Bezüglich des angeführten Heiratsentschlusses sei darauf hinzuweisen, dass lediglich abstrakte Pläne zur Heirat noch ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin nicht ausreichten (unter Hinweis auf Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 07.12.2007, L 4 R 2407/05). Bei Würdigung der Gesamtumstände sei auch zu bedenken, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit 20 Jahren liiert gewesen seien und zusammen wohnten. Warum dann über Jahre hinweg keine Heirat erfolgt sei, sei nicht überzeugend dargetan, denn die angeführten Gründe wie Erkrankung, Urlaube und jahreszeitliche Gegebenheiten, erschienen wenig überzeugend. Auch dass bei so langjährigem Zusammenleben nicht über die finanzielle Situation oder Absicherung gesprochen werde, erscheine realitätsfremd. Zu Bedenken sei, dass die Klägerin zumindest seit 01.10.2011 Sozialhilfe beziehe, was als Indiz dafür gewertet werde, dass die Ehe überwiegend aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei, da offenkundig ein entsprechender Bedarf erkennbar gewesen sei. Der Versicherte sei nach Diagnosestellung über die Unheilbarkeit der fortgeschrittenen Krankheit und eine durch diese Erkrankung deutlich reduzierte Lebenserwartung aufgeklärt worden. Die tödlichen Folgen der Krankheit seien also bei der Eheschließung vorhersehbar gewesen. Aus Sicht der Beklagten sei die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.01.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist erneut darauf, dass im Dezember 2008 weder der Verstorbene noch die Klägerin Kenntnis über die schwerwiegende Diagnose gehabt hätten. Das SG sei im Rahmen der ausführlichen Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Vortrag der Klägerin, man habe schon im Dezember 2008 definitiv die Heirat im Frühjahr 2009 beschlossen, erwiesen habe. Die Aussage der Zeuginnen seien glaubhaft gewesen. Die Beklagte berufe sich beharrlich auf Statistiken, wonach nach zwei Jahren etwa 20% der Patienten noch lebten. Maßgebend sei aber der konkrete Einzelfall. Wenn die Hälfte aller Patienten länger als 9 bis 10 Monate lebe und 20% deutlich länger als zwei Jahre lebten, sei vorliegend zu beachten, dass die eingeleitete Systemtherapie ungewöhnlich gut angeschlagen habe. Die Universitätsklinik T. habe mit Schreiben vom 30.07.2009 mitgeteilt, dass der Versicherte nahezu beschwerdefrei gewesen sei. Dies lege den Schluss nahe, dass gerade der Versicherte zu den 20% zähle, die noch Jahre lebten. Dass sich diese Prognose nicht bewahrheitet habe, sei nach Aussage der Universitätsklinik T. völlig überraschend und nicht vorhersehbar gewesen. Deshalb könne auch der kurzfristige Tod nicht zu Lasten der Klägerin ausgelegt werden. Die Zeugin K. habe bestätigt, dass der Versicherte im Februar beschwerdefrei Schnee geschippt habe.
Der Senat hat den behandelnden Hausarzt des Versicherten, Dr. D., befragt, der mit Schreiben vom 15.06.2012 mitgeteilt hat, der Versicherte sei im Januar 2009 über die Unheilbarkeit der fortgeschrittenen Krankheit und eine durch diese Erkrankung deutlich reduzierte Lebenserwartung aufgeklärt worden. Ergänzend hat er Berichte des Universitätsklinikums T. vom 04.02.2009 und 08.06.2009 vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht statt gegeben, denn der ablehnende Bescheid vom 19.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer großen Witwenrente.
Nach § 46 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 15.06.2009 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet und nach dessen Tod nicht wieder geheiratet.
Gemäß § 46 Abs 2a SGB VI (eingeführt mWv 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001, BGBl I 403), der nach § 242a Abs 3 SGB VI für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 17.04.2009 bis 15.06.2009 und damit weniger als ein Jahr gedauert. Entscheidend ist daher, ob "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Der Begriff der "besonderen Umstände" iSv § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (Bundessozialgericht (BSG) 03.09.1986, 9a RV 8/84, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr 5 mwN).Was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da § 46 Abs 2a SGB VI jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 unter Hinweis auf BT-Drucks 14, 4595 S 44). Danach sind als besondere Umstände iSv § 46 Abs 2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG 05.05.2009, aaO). Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken. Ansonsten sind auch die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat zu betrachten und vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen (BSG 05.05.2009, aaO).
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt (BSG 05.05.2009, aaO; Senatsurteil vom 16.10.2012, L 11 R 392/11, juris). Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten ist indes der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG 05.05.2009, aaO).
Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung fordert nach § 202 SGG iVm § 292 Zivilprozssordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils und damit einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus (BSG 03.09.1986, aaO). Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG 28.06.2000, b 9 VG 3/99 R, SozR 3-3900 § 15 Nr 3; BSG 06.02.2003, B 7 AL 12/02 R, juris). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen besonderer Umstände als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (BSG 03.09.1986, aaO).
Vorliegend litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Heirat am 17.04.2009 offenkundig an einer fortgeschrittenen lebensbedrohlichen Erkrankung. Im Januar 2009 wurde bei ihm ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom im Stadium IV (UICC) festgestellt, dessen zerebrale Metastase bereits zu Liquorzirkulationsstörungen mit Symptomen wie Gangstörung, kognitive Verlangsamung, Doppelbilder, Inkontinenz und Übelkeit geführt hatte. Mit der Stellung der Diagnose wurde der Versicherte über die lebensbedrohliche Erkrankung und die damit einhergehende Verkürzung der Lebenserwartung aufgeklärt, wie die Befragung der hausärztlichen Praxis im Berufungsverfahren bestätigt hat. Wenn dem Versicherten auch keine konkrete Prognose in Monaten mitgeteilt wurde, weil die mittlere Lebenserwartung, die nach PD Dr. Dr. M. bei vergleichbaren Fällen bei 10,8 Monaten liegt, keine sicheren Rückschlüsse auf den Einzelfall zulässt, war doch dem Versicherten und der Klägerin bewusst, dass eine lebensbedrohliche Situation mit der Gefahr eines baldigen Versterbens bestand. Daran ändert auch nichts, dass der Versicherte zunächst im Rahmen der allein noch möglichen, unmittelbar im Januar 2009 begonnenen palliativen Behandlung wieder weitgehend beschwerdefrei wurde. Dass die Klägerin und der Versicherte aufgrund dessen Hoffnung schöpften, der Versicherte könnte zu den 20% der Betroffenen mit einer Überlebenszeit von mehr als zwei Jahren gehören, ist ohne weiteres nachvollziehbar und verständlich, die Bedrohlichkeit der Situation und das Wissen hierum wird dadurch jedoch nicht in Frage gestellt. Die Klägerin und der Versicherte wussten, dass der Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung litt, bei der eine Heilung ausgeschlossen war; auf ihre subjektive Einschätzung des Krankheitsverlaufs kommt es nicht an (vgl Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 03.01.2008, 2 A 10800/07, juris). Damit müssen nach den oben dargestellten Grundsätzen besonders gewichtige innere und äußere Umstände vorliegen, die im Rahmen der Gesamtabwägung gegen eine Versorgungsehe sprechen.
Derartige, hinreichend gewichtige gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände sind zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Das langjährige Bestehen einer Partnerschaft stellt gerade keinen solchen Umstand dar (vgl Bayerisches LSG 20.02.2013, L 1 R 304/11, juris). Gerade die Tatsache, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit langem ein Paar waren und bislang keine Heirat erfolgte, spricht dafür, dass eine Partnerschaft ohne Trauschein von der Klägerin und dem Versicherten zunächst für ausreichend und zufriedenstellend angesehen wurde. Dass Heirat immer ein Thema gewesen sei (so die Zeugin N.) und bereits 2007 einmal angedacht war, reicht insoweit nicht aus, denn konkrete Schritte sind insoweit nicht eingeleitet worden. Auch die vorgetragenen Gründe, warum es beispielsweise im Jahr 2008 nicht zu einer Heirat kam, wie Erkrankung der Klägerin, Urlaub, jahreszeitliche Witterungsbedingungen, lassen sich kaum mit einer ernsthaften Heiratsabsicht in Einklang bringen. Aber auch der vom SG in den Vordergrund gestellte ernsthafte Heiratsentschluss im Dezember 2008 reicht insoweit nicht aus, beim Senat die volle Überzeugung herbeizuführen, dass andere Gründe als die Versorgung zumindest als gleichwertig im Zeitpunkt der Eheschließung anzusehen waren. Nach der vom SG durchgeführten Beweiserhebung geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin und der Versicherte im Dezember 2008 den Entschluss gefasst hatten, im Frühjahr 2009 zu heiraten. Die vom SG vernommenen Zeuginnen haben bestätigt, dass ihnen dieser Entschluss noch im Dezember 2008 mitgeteilt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war jedenfalls die lebensbedrohliche Diagnose noch nicht gestellt und bekannt. Allerdings waren nicht erst Ende Dezember 2008 Symptome der Krebserkrankung aufgetreten, sondern der Versicherte musste bereits am 08.12.2008 und damit Anfang Dezember mit äußerst bedrohlichen Symptomen wie Gangstörung, Doppelbilder, kognitive Verlangsamung, Inkontinenz und Übelkeit stationär im Krankenhaus R. aufgenommen werden. Auch wenn der Anlass für den Heiratsentschluss zunächst die familiäre Einladung zu einer Hochzeit im Sommer 2009 gewesen sein mag, bei der die Klägerin und der Versicherte als Überraschung als Ehepaar auftreten wollten, sind zunächst tatsächliche Vorbereitungen zur Eheschließung nicht erfolgt. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, noch ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, reichen jedoch nicht aus, sodass die Äußerungen des Versicherten und der Klägerin gegenüber den vom SG gehörten Zeuginnen über eine geplante Hochzeit nicht genügen (vgl LSG Baden-Württemberg, 07.12.2007, L 4 R 2407/05). Erst im Februar 2009 wurde ein Termin auf dem Standesamt reserviert, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt hat. Auch die Herstellung einer Haushaltsgemeinschaft erfolgte erst nach Kündigung der Wohnung des Versicherten im Januar 2009 und damit nach Kenntnis der Krankheit. Eine konsequente Verwirklichung eines in Unkenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten und nach außen manifestierten Heiratsentschlusses wäre jedoch nur dann erwiesen, wenn dieser Entschluss bis zur Eheschließung im Wesentlichen unverändert geblieben wäre. Bis zum Bekanntwerden der Erkrankung im Januar 2009 fehlen jedoch objektive Anhaltspunkte, die erkennbar auf die konsequente Umsetzung eines Heiratswillens schließen lassen könnten. Derartige Umstände - wie die Reservierung eines Termins auf dem Standesamt - sind erst nach der schweren Erkrankung des Versicherten erfolgt. Nach dem gesamten Verlauf ist der Senat nicht davon überzeugt, dass hier unabhängig von der tödlichen Erkrankung des Versicherten nur noch ein bereits zuvor gefasster Entschluss zur Heirat umgesetzt wurde.
Schließlich ist die Klägerin mit dem Versicherten auch keine "Pflegeehe" eingegangen. Hat die Ehe offenkundig den Zweck, die häusliche Pflege des Versicherten sicherzustellen, kann eine solche Ehe idR nicht als Versorgungsehe angesehen werden (BSG 03.09.1986, aaO; Hessisches LSG 17.11.1006, L 5 R 19/06, juris). Dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nur dann, wenn das Ableben des Versicherten auf Grund seines gesundheitlichen Zustands zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten ist, also die tödliche Folge der Krankheit nicht vorhersehbar war. Dies war hier jedoch nicht gegeben, denn bereits im Januar 2009 wussten die Klägerin und der Versicherte - wie oben ausgeführt - um dessen lebensbedrohliche Erkrankung ohne Aussicht auf Heilung und die dadurch verkürzte Lebenserwartung.
In der Gesamtschau der zu beurteilenden objektiven und subjektiven Umstände des Falles gelangt der Senat daher zu der Einschätzung, dass die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des im Juni 2010 verstorbenen F. S. (im Folgenden: Versicherter).
Der 1941 geborene Versicherte hat ein 1966 geborenes Kind und war vom 01.09.1981 bis 31.10.1991 (Ehescheidung) mit der Mutter des Kindes verheiratet. Seit 01.09.2004 bezog er eine Altersrente für langjährig Versicherte, zuletzt iHv 1.390,20 EUR monatlich. Die 1949 geborene Klägerin lebte nach eigenen Angaben seit 1989 mit dem Versicherten in einer Partnerschaft, dabei hatte jeder in R. seine eigene Wohnung. Im Dezember 2008 litt der Kläger plötzlich an einer progredienten Gangstörung, kognitiver Verlangsamung, Doppelbildern, Inkontinenz und Übelkeit. Vom 08. bis 15.12.2008 wurde er im Krankenhaus R. behandelt. Nach weiterer Verschlechterung wurde er am 28.12.2008 in der Neurologischen Klinik T. stationär aufgenommen mit Verdacht auf metastasiertes Bronchialkarzinom. Im Januar 2009 wurde die Erstdiagnose eines nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms gestellt, initiales Tumorstadium: T4, N2/3, N1 (Stadium IV nach UICC). Es wurde eine palliative Behandlung begonnen. Im Januar 2009 kündigte der Versicherte seine Wohnung in der T. Straße. Der Versicherte und die Klägerin heirateten am 17.04.2009, am 15.06.2009 verstarb der Versicherte an den Folgen der Krebserkrankung.
Am 22.06.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes. In der Anlage zum Rentenantrag gab sie an, die tödlichen Folgen einer Krankheit seien bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen. Die Beklagte holte eine Auskunft bei der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums T. ein. PD Dr. Dr. M. teilte am 30.07.2009 mit, im Januar 2009 sei bei dem Versicherten die Diagnose eines primär metastasierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms gesichert worden. Auffällig geworden sei der Versicherte durch eine Liquorzirkulationsstörung, welche durch eine zerebrale Metastase verursacht worden sei. Es sei eine Ganzhirnbestrahlung erfolgt, nachfolgend sei eine Systemtherapie eingeleitet worden. Die Behandlung sei gut vertragen worden; bei Zwischenuntersuchungen Anfang April und Anfang Mai habe sich ein gutes Ansprechen sowohl der weiterhin solitären Metastase im Gehirn sowie im Bereich des Primärtumors gezeigt. Vor diesem Hintergrund sei im April der rasche Progress und nachfolgende Tod des Versicherten nicht absehbar gewesen.
Mit Bescheid vom 19.08.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, Anspruch auf Witwenrente bestehe nur, wenn die Ehe mindestens ein Jahr gedauert habe. Dies sei hier nicht der Fall. Nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Heirat am 17.04.2009 die Schwere der Erkrankung des Versicherten bekannt gewesen sei. Bereits an diesem Tag sei die rasch fortschreitende Erkrankung abzusehen und damit zu rechnen gewesen, dass der Versicherte nach nur kurzer Krankheitsdauer versterben könne.
Hiergegen richtet sich der am 31.08.2009 eingelegte Widerspruch der Klägerin. Sie verweist darauf, dass die Metastase und das Primärkarzinom zunächst ausgesprochen gut auf die Behandlung reagiert hätten, weshalb nicht mit dem baldigen Tod des Versicherten zu rechnen gewesen sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin und der Versicherte eine Partnerschaft über die Dauer von mehr als 19 Jahren aufrechterhalten hätten. Da zwischen beiden Partnern ein inniges Verhältnis vorhanden gewesen sei, hätten sie sich bereits vor der Erkrankung des Versicherten zur Heirat entschlossen und dies auch gegenüber ihrem Bekanntenkreis geäußert. Gerade die kurze Zeit später gewonnene Erkenntnis von der Erkrankung des Versicherten sei ein Grund gewesen, den Vollzug der Eheschließung noch hinauszuschieben. Der Versicherte sei in der Folge davon ausgegangen, dass er eventuell noch eine lange Zeit von seiner Partnerin versorgt und eventuell komplett gepflegt werden müsse. Im Hinblick darauf habe er den bereits lange Zeit zuvor gefassten Entschluss zur Eheschließung verwirklichen wollen. Für die bestehenden Heiratsabsichten benannte die Klägerin mehrere Zeugen. Am 15.03.2010 vernahm die Beklagte Frau K., Nachbarin der Klägerin, als Zeugin. Sie sagte aus, dass ihr zur Weihnachtszeit 2007 zum ersten Mal bekannt geworden sei, dass Heiratspläne bestünden, es habe 2008 geheiratet werden sollen, die Pläne seien aber immer wieder verschoben worden. Im Dezember 2008 habe sie die Klägerin getroffen, die ihr erzählt habe, dass der Versicherte schwer erkrankt sei. Nach der ersten Operation habe sie zusammen mit dem Versicherten noch im Januar/Februar Schnee geschippt. In dieser Zeit habe sie von den konkreten Heiratsplänen erfahren. Zusätzlich holte die Beklagte eine weitere Auskunft beim Universitätsklinikum T. ein. Unter dem 24.02.2010 teilte PD Dr. Dr. M. mit, bei der vorliegenden Situation habe die mittlere Lebenserwartung für die gegebene Histologie unter Zugrundelegung aktueller Phase-3-Studien bei 10,8 Monaten ab Beginn der Systemtherapie gelegen. In die Studie seien Patienten mit Hirnmetastasen eingeschlossen. Nach zwei Jahren lebten etwa 20% der Patienten. Im ersten Zwischenstaging im April habe sich ein gutes Ansprechen gezeigt, sodass zu diesem Zeitpunkt die mittlere Lebenserwartung im Bereich von 9 bis 10 Monaten anzunehmen gewesen sei. Der Versicherte sei über den palliativen Charakter der Therapie informiert gewesen. Aussagen zur verbleibenden Lebenszeit erfolgten nicht unter Nennung von Zahlen, da individuelle Prognosen nicht gestellt werden könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass gemäß § 46 Abs 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente hätten, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Jahresfrist sei offensichtlich nicht erfüllt, sodass zunächst von einer Versorgungsehe auszugehen sei. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast habe der hinterbliebene Ehegatte die besonderen Umstände für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung darzulegen und zu beweisen. Maßgebend seien die Umstände des Einzelfalles. Gehe es um die medizinische Prognose bei Eheschließung, komme den medizinischen Unterlagen entscheidende Bedeutung zu. Die tödlichen Folgen der Erkrankung des Versicherten seien sowohl im Zeitpunkt der Vorbereitungshandlungen für die Eheschließung, wie auch im Zeitpunkt der Eheschließung selbst vorhersehbar gewesen. Dass seit vielen Jahren eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden habe, könne sowohl für als auch gegen eine Versorgungsehe sprechen. Auch eine ausreichende eigene Versorgung eines Hinterbliebenen könne zwar grundsätzlich geeignet sein, die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Im vorliegenden Einzelfall sei jedoch der medizinische Aspekt höher zu bewerten. Der volle Gegenbeweis hinsichtlich der Rechtsvermutung der Versorgungsehe habe nicht erbracht werden können.
Hiergegen richtet sich die am 04.08.2010 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage. Die Klägerin trägt vor, Ende 2007 hätten sie sich entschlossen, zu heiraten. Aufgrund einer Erkrankung der Klägerin, Urlauben und jahreszeitlichen Gegebenheiten hätte sich der Heiratstermin immer weiter verschoben. Der endgültige Entschluss zur Heirat sei dann im Dezember 2008 gefallen. Auslöser hierfür sei die familiäre Einladung einer Großcousine des Versicherten zur Hochzeit im Sommer gewesen. Dies hätten der Versicherte und sie zum Anlass genommen, als Überraschung dort als Ehepaar aufzutreten. Die Klägerin habe im Dezember 2008 beim zuständigen Standesamt angerufen und sich über den Ablauf einer Hochzeit informiert. Erstmals Ende Dezember 2008 hätten sich viele Symptome einer Erkrankung gezeigt, zum Zeitpunkt des Heiratsentschlusses sei noch keinerlei Anzeichen krankheitsbedingter Art vorhanden gewesen. Die Hochzeit hätte im März stattfinden sollen. Der Versicherte und die Klägerin seien dann erstmals im Februar auf dem Standesamt gewesen und hätten sich den 17.04.2009 als Termin vormerken lassen. Nach Diagnoseerstellung und Bestrahlung des Versicherten bis Anfang Februar 2009 seien keine weiteren Schritte zur Realisierung der Heiratsabsicht eingeleitet worden, weil zunächst die Behandlung des Versicherten im Vordergrund gestanden habe. Nachdem es dem Versicherten im Februar 2009 wieder deutlich besser gegangen sei, hätten sie den nie aufgegebenen Heiratsplan wieder aufgegriffen.
Das SG hat die Klägerin im Erörterungstermin am 25.05.2011 persönlich angehört und in der mündlichen Verhandlung am 18.01.2012 die Zeuginnen N. und L. vernommen. Mit Urteil vom 18.01.2012 hat es sodann die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2010 verurteilt, der Klägerin Witwenrente zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Witwenrente bestehe nach § 46 Abs 2a SGB VI nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung sei der volle Beweis des Gegenteils notwendig. Die Vermutung gelte als widerlegt, wenn nachweislich für einen Ehegatten die Absicht, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, nicht maßgeblich gewesen sei. Zur Überzeugung des SG stehe fest, dass bei dem Versicherten und der Klägerin zumindest auch andere, von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe vorgelegen hätten. Zum Zeitpunkt des gemeinsamen Heiratsentschlusses im Dezember 2008 habe noch keine Kenntnis der Diagnose der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten bestanden. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen habe ergeben, dass der konkrete Heiratsentschluss im Dezember 2008 und damit vor Bekanntwerden der Krebserkrankung des Versicherten gefasst und den Zeuginnen mitgeteilt worden sei. Die ersten Symptome der lebensbedrohlichen Erkrankung hätten sich erst Ende Dezember 2008 gezeigt und damit nach dem Heiratsentschluss. Es sei für die Kammer auch nachvollziehbar, dass nach der Diagnose im Januar 2009 die Behandlung des Versicherten im Vordergrund gestanden habe und die Hochzeitsvorbereitungen zunächst nicht weiter verfolgt worden seien. Die Heiratsabsicht habe aber auch während dieser Zeit fortbestanden. Gerade dies spreche gegen eine Versorgungsabsicht. Hätte diese den Ausschlag für die Heirat gegeben, wären aufgrund der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten die Hochzeitsvorbereitungen beschleunigt worden, ggfs bis hin zu einer Nottrauung. Demgegenüber seien die Hochzeitsvorbereitungen erst wieder aufgenommen worden, nachdem die Behandlung beim Versicherten gut angeschlagen habe und der Versicherte und die Klägerin neuen Lebensmut gefasst hätten. Zur Überzeugung der Kammer habe die plötzliche Erkrankung des Versicherten nicht die Heiratsabsicht an sich beeinflusst.
Gegen das ihr am 06.03.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.03.2012 eingelegte Berufung der Beklagten. Bezüglich des angeführten Heiratsentschlusses sei darauf hinzuweisen, dass lediglich abstrakte Pläne zur Heirat noch ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin nicht ausreichten (unter Hinweis auf Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 07.12.2007, L 4 R 2407/05). Bei Würdigung der Gesamtumstände sei auch zu bedenken, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit 20 Jahren liiert gewesen seien und zusammen wohnten. Warum dann über Jahre hinweg keine Heirat erfolgt sei, sei nicht überzeugend dargetan, denn die angeführten Gründe wie Erkrankung, Urlaube und jahreszeitliche Gegebenheiten, erschienen wenig überzeugend. Auch dass bei so langjährigem Zusammenleben nicht über die finanzielle Situation oder Absicherung gesprochen werde, erscheine realitätsfremd. Zu Bedenken sei, dass die Klägerin zumindest seit 01.10.2011 Sozialhilfe beziehe, was als Indiz dafür gewertet werde, dass die Ehe überwiegend aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei, da offenkundig ein entsprechender Bedarf erkennbar gewesen sei. Der Versicherte sei nach Diagnosestellung über die Unheilbarkeit der fortgeschrittenen Krankheit und eine durch diese Erkrankung deutlich reduzierte Lebenserwartung aufgeklärt worden. Die tödlichen Folgen der Krankheit seien also bei der Eheschließung vorhersehbar gewesen. Aus Sicht der Beklagten sei die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.01.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist erneut darauf, dass im Dezember 2008 weder der Verstorbene noch die Klägerin Kenntnis über die schwerwiegende Diagnose gehabt hätten. Das SG sei im Rahmen der ausführlichen Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Vortrag der Klägerin, man habe schon im Dezember 2008 definitiv die Heirat im Frühjahr 2009 beschlossen, erwiesen habe. Die Aussage der Zeuginnen seien glaubhaft gewesen. Die Beklagte berufe sich beharrlich auf Statistiken, wonach nach zwei Jahren etwa 20% der Patienten noch lebten. Maßgebend sei aber der konkrete Einzelfall. Wenn die Hälfte aller Patienten länger als 9 bis 10 Monate lebe und 20% deutlich länger als zwei Jahre lebten, sei vorliegend zu beachten, dass die eingeleitete Systemtherapie ungewöhnlich gut angeschlagen habe. Die Universitätsklinik T. habe mit Schreiben vom 30.07.2009 mitgeteilt, dass der Versicherte nahezu beschwerdefrei gewesen sei. Dies lege den Schluss nahe, dass gerade der Versicherte zu den 20% zähle, die noch Jahre lebten. Dass sich diese Prognose nicht bewahrheitet habe, sei nach Aussage der Universitätsklinik T. völlig überraschend und nicht vorhersehbar gewesen. Deshalb könne auch der kurzfristige Tod nicht zu Lasten der Klägerin ausgelegt werden. Die Zeugin K. habe bestätigt, dass der Versicherte im Februar beschwerdefrei Schnee geschippt habe.
Der Senat hat den behandelnden Hausarzt des Versicherten, Dr. D., befragt, der mit Schreiben vom 15.06.2012 mitgeteilt hat, der Versicherte sei im Januar 2009 über die Unheilbarkeit der fortgeschrittenen Krankheit und eine durch diese Erkrankung deutlich reduzierte Lebenserwartung aufgeklärt worden. Ergänzend hat er Berichte des Universitätsklinikums T. vom 04.02.2009 und 08.06.2009 vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht statt gegeben, denn der ablehnende Bescheid vom 19.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer großen Witwenrente.
Nach § 46 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 15.06.2009 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet und nach dessen Tod nicht wieder geheiratet.
Gemäß § 46 Abs 2a SGB VI (eingeführt mWv 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001, BGBl I 403), der nach § 242a Abs 3 SGB VI für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 17.04.2009 bis 15.06.2009 und damit weniger als ein Jahr gedauert. Entscheidend ist daher, ob "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Der Begriff der "besonderen Umstände" iSv § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (Bundessozialgericht (BSG) 03.09.1986, 9a RV 8/84, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr 5 mwN).Was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da § 46 Abs 2a SGB VI jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 unter Hinweis auf BT-Drucks 14, 4595 S 44). Danach sind als besondere Umstände iSv § 46 Abs 2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG 05.05.2009, aaO). Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken. Ansonsten sind auch die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat zu betrachten und vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen (BSG 05.05.2009, aaO).
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt (BSG 05.05.2009, aaO; Senatsurteil vom 16.10.2012, L 11 R 392/11, juris). Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten ist indes der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG 05.05.2009, aaO).
Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung fordert nach § 202 SGG iVm § 292 Zivilprozssordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils und damit einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus (BSG 03.09.1986, aaO). Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG 28.06.2000, b 9 VG 3/99 R, SozR 3-3900 § 15 Nr 3; BSG 06.02.2003, B 7 AL 12/02 R, juris). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen besonderer Umstände als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (BSG 03.09.1986, aaO).
Vorliegend litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Heirat am 17.04.2009 offenkundig an einer fortgeschrittenen lebensbedrohlichen Erkrankung. Im Januar 2009 wurde bei ihm ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom im Stadium IV (UICC) festgestellt, dessen zerebrale Metastase bereits zu Liquorzirkulationsstörungen mit Symptomen wie Gangstörung, kognitive Verlangsamung, Doppelbilder, Inkontinenz und Übelkeit geführt hatte. Mit der Stellung der Diagnose wurde der Versicherte über die lebensbedrohliche Erkrankung und die damit einhergehende Verkürzung der Lebenserwartung aufgeklärt, wie die Befragung der hausärztlichen Praxis im Berufungsverfahren bestätigt hat. Wenn dem Versicherten auch keine konkrete Prognose in Monaten mitgeteilt wurde, weil die mittlere Lebenserwartung, die nach PD Dr. Dr. M. bei vergleichbaren Fällen bei 10,8 Monaten liegt, keine sicheren Rückschlüsse auf den Einzelfall zulässt, war doch dem Versicherten und der Klägerin bewusst, dass eine lebensbedrohliche Situation mit der Gefahr eines baldigen Versterbens bestand. Daran ändert auch nichts, dass der Versicherte zunächst im Rahmen der allein noch möglichen, unmittelbar im Januar 2009 begonnenen palliativen Behandlung wieder weitgehend beschwerdefrei wurde. Dass die Klägerin und der Versicherte aufgrund dessen Hoffnung schöpften, der Versicherte könnte zu den 20% der Betroffenen mit einer Überlebenszeit von mehr als zwei Jahren gehören, ist ohne weiteres nachvollziehbar und verständlich, die Bedrohlichkeit der Situation und das Wissen hierum wird dadurch jedoch nicht in Frage gestellt. Die Klägerin und der Versicherte wussten, dass der Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung litt, bei der eine Heilung ausgeschlossen war; auf ihre subjektive Einschätzung des Krankheitsverlaufs kommt es nicht an (vgl Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 03.01.2008, 2 A 10800/07, juris). Damit müssen nach den oben dargestellten Grundsätzen besonders gewichtige innere und äußere Umstände vorliegen, die im Rahmen der Gesamtabwägung gegen eine Versorgungsehe sprechen.
Derartige, hinreichend gewichtige gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände sind zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Das langjährige Bestehen einer Partnerschaft stellt gerade keinen solchen Umstand dar (vgl Bayerisches LSG 20.02.2013, L 1 R 304/11, juris). Gerade die Tatsache, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit langem ein Paar waren und bislang keine Heirat erfolgte, spricht dafür, dass eine Partnerschaft ohne Trauschein von der Klägerin und dem Versicherten zunächst für ausreichend und zufriedenstellend angesehen wurde. Dass Heirat immer ein Thema gewesen sei (so die Zeugin N.) und bereits 2007 einmal angedacht war, reicht insoweit nicht aus, denn konkrete Schritte sind insoweit nicht eingeleitet worden. Auch die vorgetragenen Gründe, warum es beispielsweise im Jahr 2008 nicht zu einer Heirat kam, wie Erkrankung der Klägerin, Urlaub, jahreszeitliche Witterungsbedingungen, lassen sich kaum mit einer ernsthaften Heiratsabsicht in Einklang bringen. Aber auch der vom SG in den Vordergrund gestellte ernsthafte Heiratsentschluss im Dezember 2008 reicht insoweit nicht aus, beim Senat die volle Überzeugung herbeizuführen, dass andere Gründe als die Versorgung zumindest als gleichwertig im Zeitpunkt der Eheschließung anzusehen waren. Nach der vom SG durchgeführten Beweiserhebung geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin und der Versicherte im Dezember 2008 den Entschluss gefasst hatten, im Frühjahr 2009 zu heiraten. Die vom SG vernommenen Zeuginnen haben bestätigt, dass ihnen dieser Entschluss noch im Dezember 2008 mitgeteilt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war jedenfalls die lebensbedrohliche Diagnose noch nicht gestellt und bekannt. Allerdings waren nicht erst Ende Dezember 2008 Symptome der Krebserkrankung aufgetreten, sondern der Versicherte musste bereits am 08.12.2008 und damit Anfang Dezember mit äußerst bedrohlichen Symptomen wie Gangstörung, Doppelbilder, kognitive Verlangsamung, Inkontinenz und Übelkeit stationär im Krankenhaus R. aufgenommen werden. Auch wenn der Anlass für den Heiratsentschluss zunächst die familiäre Einladung zu einer Hochzeit im Sommer 2009 gewesen sein mag, bei der die Klägerin und der Versicherte als Überraschung als Ehepaar auftreten wollten, sind zunächst tatsächliche Vorbereitungen zur Eheschließung nicht erfolgt. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, noch ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, reichen jedoch nicht aus, sodass die Äußerungen des Versicherten und der Klägerin gegenüber den vom SG gehörten Zeuginnen über eine geplante Hochzeit nicht genügen (vgl LSG Baden-Württemberg, 07.12.2007, L 4 R 2407/05). Erst im Februar 2009 wurde ein Termin auf dem Standesamt reserviert, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt hat. Auch die Herstellung einer Haushaltsgemeinschaft erfolgte erst nach Kündigung der Wohnung des Versicherten im Januar 2009 und damit nach Kenntnis der Krankheit. Eine konsequente Verwirklichung eines in Unkenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten und nach außen manifestierten Heiratsentschlusses wäre jedoch nur dann erwiesen, wenn dieser Entschluss bis zur Eheschließung im Wesentlichen unverändert geblieben wäre. Bis zum Bekanntwerden der Erkrankung im Januar 2009 fehlen jedoch objektive Anhaltspunkte, die erkennbar auf die konsequente Umsetzung eines Heiratswillens schließen lassen könnten. Derartige Umstände - wie die Reservierung eines Termins auf dem Standesamt - sind erst nach der schweren Erkrankung des Versicherten erfolgt. Nach dem gesamten Verlauf ist der Senat nicht davon überzeugt, dass hier unabhängig von der tödlichen Erkrankung des Versicherten nur noch ein bereits zuvor gefasster Entschluss zur Heirat umgesetzt wurde.
Schließlich ist die Klägerin mit dem Versicherten auch keine "Pflegeehe" eingegangen. Hat die Ehe offenkundig den Zweck, die häusliche Pflege des Versicherten sicherzustellen, kann eine solche Ehe idR nicht als Versorgungsehe angesehen werden (BSG 03.09.1986, aaO; Hessisches LSG 17.11.1006, L 5 R 19/06, juris). Dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nur dann, wenn das Ableben des Versicherten auf Grund seines gesundheitlichen Zustands zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten ist, also die tödliche Folge der Krankheit nicht vorhersehbar war. Dies war hier jedoch nicht gegeben, denn bereits im Januar 2009 wussten die Klägerin und der Versicherte - wie oben ausgeführt - um dessen lebensbedrohliche Erkrankung ohne Aussicht auf Heilung und die dadurch verkürzte Lebenserwartung.
In der Gesamtschau der zu beurteilenden objektiven und subjektiven Umstände des Falles gelangt der Senat daher zu der Einschätzung, dass die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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Aus
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