Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 2825/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2382/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers streitig.
Der 1955 geborene Kläger, der im Besitz einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis ist, stellte am 01.09.2011 erstmalig den Antrag zur Feststellung einer Behinderung nach § 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Hierbei gab er an, er leide an Bluthochdruck, Wirbelsäulenleiden (Bandscheibe), Schlafstörungen sowie Einschränkungen der Schulter und des Arms rechts.
Nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen (Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. A. vom 16.08.2011: Spannungskopfschmerz, Lumboischialgien rechts L5; Schlaflabor der St. B.-Klinken C. vom 16.06.2011: Lageabhängiges Schlafapnoe-Syndrom mit geringgradiger Tagessymptomatik ohne Notwendigkeit einer CPAP-Therapie; Arztbrief des Orthopäden Dr. D. vom 14.01.2011: Bandscheiben-Protrusion C5/6 rechts, Ringbandstenose D5 rechts) stellte das Landratsamt Enzkreis - Sozial- und Versorgungsamt - mit Bescheid vom 22.12.2011 den GdB des Klägers mit 30 seit 01.09.2011 fest. Hierbei berücksichtigte es das Schlafapnoe-Syndrom und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule jeweils mit einem Teil-GdB von 20. Auf den hiergegen am 18.01.2012 eingelegten Widerspruch holte das Versorgungsamt bei der HNO-Ärztin Dr. E. den Befundbericht vom 11.04.2012 ein, auf die Bezug genommen wird. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.05.2012 führte Dr. H. aus, über die bereits berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen hinaus sei die Schwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen. Der Gesamt-GdB sei mit 40 zu bemessen. Mit Teilabhilfebescheid vom 05.06.2012 stellte das Landratsamt Enzkreis den GdB des Klägers mit 40 seit 01.09.2011 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2012 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück und erstattete die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu ¼.
Hiergegen hat der Kläger am 03.08.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört.
Dr. A. hat unter dem 09.11.2012 mitgeteilt, er habe den Kläger am 16.08. und 02.09.2011 wegen rezidivierender Kopfschmerzen mit Sehstörungen behandelt. Als Diagnosen nannte er Spannungskopfschmerz und Lumboischialgien rechts L5. Den GdB bewertete er mit 20. Dr. E. hat unter dem 12.11.2012 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine geringgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links sowie ein lageabhängiges Schlafapnoe-Syndrom. Der GdB hierfür sei mit 20 zutreffend festgestellt. Dr. F., Chefarzt der Medizinischen Klinik 4 - Pneumoloige, Schlaflaber - am St. B.-Klinikum C., hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 14.11.2012 ausgeführt, vom 24.05.2011 bis 25.05.2011 sei eine stationäre Diagnostik durchgeführt worden. Beim Kläger bestehe ein leichtes obstruktives, lageabhängiges Schlapfapnoe-Syndrom ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung sowie eine leichte restriktive Ventilationsstörung. Beide Gesundheitsstörungen seien mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Dr. D. hat unter dem 14.11.2012 ausgeführt, er habe den Kläger wegen jeweils geringfügiger Verletzungen behandelt. Alle Gesundheitsstörungen seien kurzfristig behoben gewesen, es seien keine Folgebeschwerden gemeldet worden. Eine Funktionsbehinderung der HWS sei nicht bekannt. Dr. G., Facharzt für Augenheilkunde, hat am 15.01.2013 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine Trichiasis, Myopie, Astigmatismus, Presbyopie sowie ein Sicca-Syndrom mit Gesichtsfeldausfällen. Von augenärztlicher Seite sei kein Schweregrad einer Behinderung festzustellen. Nervenarzt/ Arzt für Psychotherapie Dr. J. hat unter dem 25.02.2013 mitgeteilt, er habe den Kläger an zwei Terminen im Januar 2013 behandelt. Das Hauptproblem auf seinem Fachgebiet sei sicherlich, dass der Kläger über sein Schicksal verbittert sei. Nachdem er 34 Jahre lang immer in einer Firma gearbeitet habe sei diese betriebsbedingt geschlossen worden. Darüber sei er verbittert. Es bestehe eine chronifizierte Verbitterungsstörung (F 34.1), die einen GdB von 30 rechtfertige. In einer weiteren fachärztlichen Stellungnahme vom 16.04.2013 hat Dr. D. mitgeteilt, beim Kläger bestehe die Verdachtsdiagnose einer Facettengelenksarthrose L4/5 und L5/S1 mit leicht- bis mittelgradigen Schmerzen im Lumbalbereich.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Schwerhörigkeit, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und das Schlafapnoe-Syndrom seien - in Übereinstimmung mit der Beurteilung der behandelnden Ärzte, mit einem Teil-GdB von jeweils 20 zu bewerten. Die von Dr. J. diagnostizierte chronifizierte Verbitterungsstörung bedinge keinen Teil-GdB von mindestens 30, da noch keine dauernde ärztliche Behandlung erfolge. Da kein einzelne Funktionsstörung mit einem Teil-GdB von mindestens 30 vorliege, könne ein Gesamt-GdB von 50 nicht angenommen werden.
Gegen den am 27.05.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.06.2013 Berufung eingelegt. Er trägt vor, weiterhin in Behandlung bei Dr. J. zu stehen, deshalb sei für die Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet ein GdB von 40 bis 50 festzustellen. Auch die Schwerhörigkeit, das Schlafapnoe-Syndrom sowie die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule L4/L5 seien mit einem Teil-GdB von mindestens 30 zu bewerten. Völlig unberücksichtigt geblieben seien zudem der Bluthochdruck und die Sehminderung auf einem Auge. Auch eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit der Folge, dass er mit der rechten Hand nicht greifen könne, sei mit einem Teil-GdB von mehr als 10 zu bewerten.
Der Beklagte ist in der Stellungnahme vom 15.07.2013 dieser Beurteilung entgegengetreten.
Der Senat hat Dr. J. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 23.07.2013 mitgeteilt, nach dem 24.01.2013 habe er den Kläger einmalig am 05.04.2013 gesehen. Soweit er in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 25.02.2013 für die chronifizierte Verbitterungsstörung den Diagnoseschlüssel F 34.1 angegeben habe, unter dem im ICD-10-GM 2013 als Krankheit die Dysthymia aufgeführt ist, wäre es sinnvoller gewesen zu schreiben: Dysthymia - depressive Persönlichkeit - Verbitterungsstörung. Damit solle ein chronisch depressives Moment umschrieben werden, bei dem sicherlich persönlichkeitsstrukturelle Eigenschaften wirksam seien, die vorher kompensiert gewesen seien und sich durch ein Erleben dann chronifiziert hätten. Beim Kläger bestehe wenig Motivation, über Behandlung etwas zu verändern, eher ein Kreisen in sich, auch im Selbstmitleid, wobei dies ein häufiges Symptom bei dieser Störung sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 22. Dezember 2011 in der Fassung des Bescheids vom 05. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2012 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab dem 01. September 2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Nachdem der Kläger nach Januar 2013 lediglich einmal wegen der chronifizierten Verbitterungsstörung in ärztlicher Behandlung gestanden habe, liege noch keine dauernde nervenärztliche Behandlung vor. Damit komme auch weiterhin ein Teil-GdB von mehr als 20 für ein psychisches Leiden und damit auch ein Gesamt-GdB von 50 nicht in Betracht.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 08.10.2013 (Beklagte) und 17.10.2013 (Kläger) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Maßgeblich für die Beurteilung des GdB ist die zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), welche die im Wesentlichen gleichlautenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2008 ersetzt haben.
Beim Kläger besteht ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit geringgradiger Tagessymptomatik. Eine Behandlung mit einer CPAP-Therapie ist nicht erforderlich. Der Senat stützt sich hierbei auf den Bericht des Schlaflabors der St. B.-Kliniken C. vom 16.06.2011 sowie die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. F. vom 14.11.2012 und Dr. E. vom 12.11.2012. Nach Teil B. Nr. 8.7 VG bedingt ein Schlafapnoe-Syndrom ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung einen Teil-GdB von 0-10. Erst wenn eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung notwendig wird, was beim Kläger nicht der Fall ist, ist hierfür ein Teil-GdB von 20 festzustellen. Nur in Zusammenhang mit den psychovegetativen Störungen ist der Teil-GdB hierfür auf 20 zu erhöhen.
Auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehen beim Kläger darüber hinaus eine geringgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links, wobei durch die Versorgung mit einem Hörgerät ein wesentlicher Hörgewinn erzielt werden kann. Unter Zugrundelegung der von Dr. E. mit der sachverständigen Zeugenauskunft vom 12.11.2012 vorgelegten tonaudiometrischen Befunde ist hierfür nach der in Teil B Nr. 5.2.4 VG aufgeführten Tabelle ein GdB von 20 festzustellen.
Soweit der Kläger zur Berufungsbegründung vorgetragen hat, er sehe auf einem Auge sehr schlecht, hat Dr. G. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 15.01.2013 hierzu mitgeteilt, von augenärztlicher Seite sei kein Schweregrad einer Behinderung festzustellen. Zwar hat Dr. G. auch mitgeteilt, es bestünden Gesichtsfeldausfälle an beiden Augen, weshalb der Kläger zum Neurologen überwiesen worden sei. Eine entsprechende Behandlung ist dann jedoch nicht erfolgt. Der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. A. vom 09.11.2012 kann jedoch entnommen werden, dass der Kläger bei diesem bereits am 02.09.2011 wegen rezidivierender Kopfschmerzen mit Sehstörungen in Behandlung gestanden hatte. Der neurologische Befund bezüglich Hirnnervenstatus, Pupillo- und Okulomotorik war ohne Befund. Dementsprechend stellte Dr. A. lediglich die Diagnose eines Spannungskopfschmerzes, Gesichtsfeldausfälle hat auch er nicht feststellen können. Auch ein MRT des Schädels im August 2011 zeigte ein unauffälliges Neurocranium, so dass diesbezüglich ein GdB nicht festzustellen ist.
Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen aktuell lediglich Beschwerden im Lumbalbereich im Segment L 4/5, wegen derer der Kläger bis zum 15.09.2011 bei Dr. D. in Behandlung gestanden hat. Nach Teil B Nr. 18.9 VG bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20. Der Senat hält dies in Übereinstimmung mit der Beurteilung des behandelnden Orthopäden Dr. D. für angemessen.
Soweit in der Berufungsbegründung vorgetragen worden ist, die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks habe zur Folge, dass der Kläger mit der rechten Hand nicht greifen könne, ist eine entsprechende Funktionsbeeinträchtigung durch die Aussagen der behandelnden Ärzte nicht belegbar. Dr. D. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 16.04.2013 hierzu vielmehr mitgeteilt, das Schultergelenks-Impingement rechts sei lediglich kurzfristig 1999 behandelt worden. Die Nichtberücksichtigung dieser Gesundheitsstörung sei korrekt.
Entgegen dem Vortrag in der Berufungsbegründung ist der Bluthochdruck des Klägers zutreffend mit einem Teil-GdB von 10 berücksichtigt worden. Nach Teil B Nr. 9.3 VG ist ein Teil-GdB von mindestens 20 erst bei einer Hypertonie in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades - die beim Kläger nicht vorliegt - gerechtfertigt.
Auch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet bedingen keinen höheren GdB als 20. Dr. J. hat zwar in der sachverständigen Zeugenaussage vom 25.02.2013 die Diagnose einer chronifizierten Verbitterungsstörung gestellt. Er hat die Erkrankung des Klägers jedoch dem Diagnoseschlüssel F 34.1 zugeordnet. Nach dem ICD-10-GM 2013 ist unter diesem Diagnoseschlüssel als Krankheit die Dysthymia aufgeführt. In der ergänzenden sachverständigen Zeugenaussage vom 23.07.2013 hat Dr. J. hierzu ausgeführt, bei der Erkrankung des Klägers wirke ein chronisch depressives Moment mit, wobei sicherlich persönlicheitsstrukturelle Eigenschaften wirksam seien, die vorher kompensiert gewesen seien und durch ein Erleben sich dann chronifiziert hätten. Er hat die von ihm gestellte Diagnose abgeändert in Dysthymia - depressive Persönlichkeit- Verbitterungsstörung. Auch der sachverständigen Zeugenaussage vom 23.07.2013 kann jedoch keine kontinuierliche diesbezügliche Behandlung entnommen werden, denn nach dem 24.01.2013 war der Kläger lediglich ein weiteres Mal am 05.04.2013 bei Dr. J. in Behandlung. Eine medikamentöse Behandlung ist offensichtlich nicht erfolgt. Dr. J. hat hierzu mitgeteilt, beim Kläger bestehe wenig Motivation, über eine Behandlung etwas zu verändern. Ein höherer Teil-GdB als 20 ist hierdurch nicht gerechtfertigt. Gem. Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 - 20 zu bewerten. Erst stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen), die beim Kläger nicht vorliegen, bedingen einen GdB von 30 - 40.
Die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 ist danach nicht gerechtfertigt. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3 a) der VG dürfen bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen führen dabei zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Beim Kläger bedingen zwar die Beeinträchtigungen in 4 Funktionssystemen jeweils einen Teil-GdB von 20 vor. Diese überschneiden sich jedoch in der Weise, dass sie sich gegenseitig verstärken und jeder Teil-GdB zu einer weiteren Erhöhung führt, so dass insgesamt der Gesamt-GdB mit 40 zutreffend festgestellt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers streitig.
Der 1955 geborene Kläger, der im Besitz einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis ist, stellte am 01.09.2011 erstmalig den Antrag zur Feststellung einer Behinderung nach § 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Hierbei gab er an, er leide an Bluthochdruck, Wirbelsäulenleiden (Bandscheibe), Schlafstörungen sowie Einschränkungen der Schulter und des Arms rechts.
Nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen (Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. A. vom 16.08.2011: Spannungskopfschmerz, Lumboischialgien rechts L5; Schlaflabor der St. B.-Klinken C. vom 16.06.2011: Lageabhängiges Schlafapnoe-Syndrom mit geringgradiger Tagessymptomatik ohne Notwendigkeit einer CPAP-Therapie; Arztbrief des Orthopäden Dr. D. vom 14.01.2011: Bandscheiben-Protrusion C5/6 rechts, Ringbandstenose D5 rechts) stellte das Landratsamt Enzkreis - Sozial- und Versorgungsamt - mit Bescheid vom 22.12.2011 den GdB des Klägers mit 30 seit 01.09.2011 fest. Hierbei berücksichtigte es das Schlafapnoe-Syndrom und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule jeweils mit einem Teil-GdB von 20. Auf den hiergegen am 18.01.2012 eingelegten Widerspruch holte das Versorgungsamt bei der HNO-Ärztin Dr. E. den Befundbericht vom 11.04.2012 ein, auf die Bezug genommen wird. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.05.2012 führte Dr. H. aus, über die bereits berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen hinaus sei die Schwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen. Der Gesamt-GdB sei mit 40 zu bemessen. Mit Teilabhilfebescheid vom 05.06.2012 stellte das Landratsamt Enzkreis den GdB des Klägers mit 40 seit 01.09.2011 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2012 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück und erstattete die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu ¼.
Hiergegen hat der Kläger am 03.08.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört.
Dr. A. hat unter dem 09.11.2012 mitgeteilt, er habe den Kläger am 16.08. und 02.09.2011 wegen rezidivierender Kopfschmerzen mit Sehstörungen behandelt. Als Diagnosen nannte er Spannungskopfschmerz und Lumboischialgien rechts L5. Den GdB bewertete er mit 20. Dr. E. hat unter dem 12.11.2012 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine geringgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links sowie ein lageabhängiges Schlafapnoe-Syndrom. Der GdB hierfür sei mit 20 zutreffend festgestellt. Dr. F., Chefarzt der Medizinischen Klinik 4 - Pneumoloige, Schlaflaber - am St. B.-Klinikum C., hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 14.11.2012 ausgeführt, vom 24.05.2011 bis 25.05.2011 sei eine stationäre Diagnostik durchgeführt worden. Beim Kläger bestehe ein leichtes obstruktives, lageabhängiges Schlapfapnoe-Syndrom ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung sowie eine leichte restriktive Ventilationsstörung. Beide Gesundheitsstörungen seien mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Dr. D. hat unter dem 14.11.2012 ausgeführt, er habe den Kläger wegen jeweils geringfügiger Verletzungen behandelt. Alle Gesundheitsstörungen seien kurzfristig behoben gewesen, es seien keine Folgebeschwerden gemeldet worden. Eine Funktionsbehinderung der HWS sei nicht bekannt. Dr. G., Facharzt für Augenheilkunde, hat am 15.01.2013 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine Trichiasis, Myopie, Astigmatismus, Presbyopie sowie ein Sicca-Syndrom mit Gesichtsfeldausfällen. Von augenärztlicher Seite sei kein Schweregrad einer Behinderung festzustellen. Nervenarzt/ Arzt für Psychotherapie Dr. J. hat unter dem 25.02.2013 mitgeteilt, er habe den Kläger an zwei Terminen im Januar 2013 behandelt. Das Hauptproblem auf seinem Fachgebiet sei sicherlich, dass der Kläger über sein Schicksal verbittert sei. Nachdem er 34 Jahre lang immer in einer Firma gearbeitet habe sei diese betriebsbedingt geschlossen worden. Darüber sei er verbittert. Es bestehe eine chronifizierte Verbitterungsstörung (F 34.1), die einen GdB von 30 rechtfertige. In einer weiteren fachärztlichen Stellungnahme vom 16.04.2013 hat Dr. D. mitgeteilt, beim Kläger bestehe die Verdachtsdiagnose einer Facettengelenksarthrose L4/5 und L5/S1 mit leicht- bis mittelgradigen Schmerzen im Lumbalbereich.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Schwerhörigkeit, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und das Schlafapnoe-Syndrom seien - in Übereinstimmung mit der Beurteilung der behandelnden Ärzte, mit einem Teil-GdB von jeweils 20 zu bewerten. Die von Dr. J. diagnostizierte chronifizierte Verbitterungsstörung bedinge keinen Teil-GdB von mindestens 30, da noch keine dauernde ärztliche Behandlung erfolge. Da kein einzelne Funktionsstörung mit einem Teil-GdB von mindestens 30 vorliege, könne ein Gesamt-GdB von 50 nicht angenommen werden.
Gegen den am 27.05.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.06.2013 Berufung eingelegt. Er trägt vor, weiterhin in Behandlung bei Dr. J. zu stehen, deshalb sei für die Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet ein GdB von 40 bis 50 festzustellen. Auch die Schwerhörigkeit, das Schlafapnoe-Syndrom sowie die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule L4/L5 seien mit einem Teil-GdB von mindestens 30 zu bewerten. Völlig unberücksichtigt geblieben seien zudem der Bluthochdruck und die Sehminderung auf einem Auge. Auch eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit der Folge, dass er mit der rechten Hand nicht greifen könne, sei mit einem Teil-GdB von mehr als 10 zu bewerten.
Der Beklagte ist in der Stellungnahme vom 15.07.2013 dieser Beurteilung entgegengetreten.
Der Senat hat Dr. J. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 23.07.2013 mitgeteilt, nach dem 24.01.2013 habe er den Kläger einmalig am 05.04.2013 gesehen. Soweit er in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 25.02.2013 für die chronifizierte Verbitterungsstörung den Diagnoseschlüssel F 34.1 angegeben habe, unter dem im ICD-10-GM 2013 als Krankheit die Dysthymia aufgeführt ist, wäre es sinnvoller gewesen zu schreiben: Dysthymia - depressive Persönlichkeit - Verbitterungsstörung. Damit solle ein chronisch depressives Moment umschrieben werden, bei dem sicherlich persönlichkeitsstrukturelle Eigenschaften wirksam seien, die vorher kompensiert gewesen seien und sich durch ein Erleben dann chronifiziert hätten. Beim Kläger bestehe wenig Motivation, über Behandlung etwas zu verändern, eher ein Kreisen in sich, auch im Selbstmitleid, wobei dies ein häufiges Symptom bei dieser Störung sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 22. Dezember 2011 in der Fassung des Bescheids vom 05. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2012 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab dem 01. September 2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Nachdem der Kläger nach Januar 2013 lediglich einmal wegen der chronifizierten Verbitterungsstörung in ärztlicher Behandlung gestanden habe, liege noch keine dauernde nervenärztliche Behandlung vor. Damit komme auch weiterhin ein Teil-GdB von mehr als 20 für ein psychisches Leiden und damit auch ein Gesamt-GdB von 50 nicht in Betracht.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 08.10.2013 (Beklagte) und 17.10.2013 (Kläger) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Maßgeblich für die Beurteilung des GdB ist die zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), welche die im Wesentlichen gleichlautenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2008 ersetzt haben.
Beim Kläger besteht ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit geringgradiger Tagessymptomatik. Eine Behandlung mit einer CPAP-Therapie ist nicht erforderlich. Der Senat stützt sich hierbei auf den Bericht des Schlaflabors der St. B.-Kliniken C. vom 16.06.2011 sowie die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. F. vom 14.11.2012 und Dr. E. vom 12.11.2012. Nach Teil B. Nr. 8.7 VG bedingt ein Schlafapnoe-Syndrom ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung einen Teil-GdB von 0-10. Erst wenn eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung notwendig wird, was beim Kläger nicht der Fall ist, ist hierfür ein Teil-GdB von 20 festzustellen. Nur in Zusammenhang mit den psychovegetativen Störungen ist der Teil-GdB hierfür auf 20 zu erhöhen.
Auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehen beim Kläger darüber hinaus eine geringgradige Schwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Schwerhörigkeit links, wobei durch die Versorgung mit einem Hörgerät ein wesentlicher Hörgewinn erzielt werden kann. Unter Zugrundelegung der von Dr. E. mit der sachverständigen Zeugenauskunft vom 12.11.2012 vorgelegten tonaudiometrischen Befunde ist hierfür nach der in Teil B Nr. 5.2.4 VG aufgeführten Tabelle ein GdB von 20 festzustellen.
Soweit der Kläger zur Berufungsbegründung vorgetragen hat, er sehe auf einem Auge sehr schlecht, hat Dr. G. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 15.01.2013 hierzu mitgeteilt, von augenärztlicher Seite sei kein Schweregrad einer Behinderung festzustellen. Zwar hat Dr. G. auch mitgeteilt, es bestünden Gesichtsfeldausfälle an beiden Augen, weshalb der Kläger zum Neurologen überwiesen worden sei. Eine entsprechende Behandlung ist dann jedoch nicht erfolgt. Der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. A. vom 09.11.2012 kann jedoch entnommen werden, dass der Kläger bei diesem bereits am 02.09.2011 wegen rezidivierender Kopfschmerzen mit Sehstörungen in Behandlung gestanden hatte. Der neurologische Befund bezüglich Hirnnervenstatus, Pupillo- und Okulomotorik war ohne Befund. Dementsprechend stellte Dr. A. lediglich die Diagnose eines Spannungskopfschmerzes, Gesichtsfeldausfälle hat auch er nicht feststellen können. Auch ein MRT des Schädels im August 2011 zeigte ein unauffälliges Neurocranium, so dass diesbezüglich ein GdB nicht festzustellen ist.
Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen aktuell lediglich Beschwerden im Lumbalbereich im Segment L 4/5, wegen derer der Kläger bis zum 15.09.2011 bei Dr. D. in Behandlung gestanden hat. Nach Teil B Nr. 18.9 VG bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20. Der Senat hält dies in Übereinstimmung mit der Beurteilung des behandelnden Orthopäden Dr. D. für angemessen.
Soweit in der Berufungsbegründung vorgetragen worden ist, die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks habe zur Folge, dass der Kläger mit der rechten Hand nicht greifen könne, ist eine entsprechende Funktionsbeeinträchtigung durch die Aussagen der behandelnden Ärzte nicht belegbar. Dr. D. hat in der sachverständigen Zeugenaussage vom 16.04.2013 hierzu vielmehr mitgeteilt, das Schultergelenks-Impingement rechts sei lediglich kurzfristig 1999 behandelt worden. Die Nichtberücksichtigung dieser Gesundheitsstörung sei korrekt.
Entgegen dem Vortrag in der Berufungsbegründung ist der Bluthochdruck des Klägers zutreffend mit einem Teil-GdB von 10 berücksichtigt worden. Nach Teil B Nr. 9.3 VG ist ein Teil-GdB von mindestens 20 erst bei einer Hypertonie in mittelschwerer Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades - die beim Kläger nicht vorliegt - gerechtfertigt.
Auch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet bedingen keinen höheren GdB als 20. Dr. J. hat zwar in der sachverständigen Zeugenaussage vom 25.02.2013 die Diagnose einer chronifizierten Verbitterungsstörung gestellt. Er hat die Erkrankung des Klägers jedoch dem Diagnoseschlüssel F 34.1 zugeordnet. Nach dem ICD-10-GM 2013 ist unter diesem Diagnoseschlüssel als Krankheit die Dysthymia aufgeführt. In der ergänzenden sachverständigen Zeugenaussage vom 23.07.2013 hat Dr. J. hierzu ausgeführt, bei der Erkrankung des Klägers wirke ein chronisch depressives Moment mit, wobei sicherlich persönlicheitsstrukturelle Eigenschaften wirksam seien, die vorher kompensiert gewesen seien und durch ein Erleben sich dann chronifiziert hätten. Er hat die von ihm gestellte Diagnose abgeändert in Dysthymia - depressive Persönlichkeit- Verbitterungsstörung. Auch der sachverständigen Zeugenaussage vom 23.07.2013 kann jedoch keine kontinuierliche diesbezügliche Behandlung entnommen werden, denn nach dem 24.01.2013 war der Kläger lediglich ein weiteres Mal am 05.04.2013 bei Dr. J. in Behandlung. Eine medikamentöse Behandlung ist offensichtlich nicht erfolgt. Dr. J. hat hierzu mitgeteilt, beim Kläger bestehe wenig Motivation, über eine Behandlung etwas zu verändern. Ein höherer Teil-GdB als 20 ist hierdurch nicht gerechtfertigt. Gem. Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 - 20 zu bewerten. Erst stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen), die beim Kläger nicht vorliegen, bedingen einen GdB von 30 - 40.
Die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 ist danach nicht gerechtfertigt. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3 a) der VG dürfen bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen führen dabei zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Beim Kläger bedingen zwar die Beeinträchtigungen in 4 Funktionssystemen jeweils einen Teil-GdB von 20 vor. Diese überschneiden sich jedoch in der Weise, dass sie sich gegenseitig verstärken und jeder Teil-GdB zu einer weiteren Erhöhung führt, so dass insgesamt der Gesamt-GdB mit 40 zutreffend festgestellt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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