L 1 KR 91/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 208 KR 1630/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 91/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Der 1944 geborene Kläger beantragte am 11. Februar 2009 bei der Beklagten unter Vorlage einer entsprechenden Verordnung seiner behandelnden Ärztin eine Maßnahme der stationären Rehabilitation.

Durch Bescheid vom 25. Februar 2009 lehnte die Beklagte ab. Der Kläger habe bereits vom 21. Juni 2005 bis zum 24. Juli 2005 eine stationäre Rehabilitation durchgeführt. Vor dem Ablauf von vier Jahren könne nur im Ausnahmefall erneut eine stationäre Rehabilitation in Anspruch genommen werden. Die Beschwerden des Klägers seien zwar behandlungsbedürftig, rechtfertigten aber keine vorzeitige stationäre Rehabilitation, da die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausreichend seien. Empfohlen werde eine standardisierte Kombination physiotherapeutischer Maßnahmen ähnlich einer ambulanten wohnortnahen Rehabilitation.

Auf den Widerspruch des Klägers befragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) unter Hinweis darauf, dass schon vom 3. April 2007 bis 9. Juni 2007 eine ambulante Rehabilitation durchgeführt worden sei. Der MDK befand nach Auswertung der Angaben der behandelnden Ärztin des Klägers, dass eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden solle, die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitation aber nicht ersichtlich wäre.

Die Beklagte bot daraufhin dem Kläger durch Schreiben vom 25. Juni 2009 eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme an und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 11. September 2009 im Übrigen zurück. Die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte stationäre Rehabilitationsmaßnahme lägen nicht vor. Die Beklagte sei gehalten, bei Rehabilitationsmaßnahmen das gesetzlich vorgesehene Stufensystem einzuhalten. Die im Rahmen einer stationären Rehabilitation vorgenommenen Behandlungsmaßnahmen (Krankengymnastik, Physiotherapie, Schulungsprogramme und Empfehlungen zur Lebensweise) würden sämtlich auch bei einer ambulanten Rehabilitation durchgeführt. Die Indikation für eine stationäre Aufnahme sei nur gegeben, wenn die Mobilität so stark eingeschränkt sei, dass der Weg zwischen Wohnort und Behandlungsstätte nicht bewältigt werden könne, eine Distanzierung vom häuslichen Umfeld erforderlich sei oder wenn ein erhöhter Hilfe- und Pflegebedarf bestehe, der nur durch besonders geschultes Personal zu bewältigen sei.

Dagegen richtet sich die am 9. Oktober 2009 bei dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage. Das Sozialgericht hat bei der behandelnden Ärztin M einen Befundbericht eingeholt. Anschließend hat es die Klage durch Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die vorhandenen orthopädischen Leiden unstreitig behandlungsbedürftig seien. Die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten seien aber noch nicht ausgeschöpft. Gegen die entsprechende Stellungnahme des MDK sei von der behandelnden Ärztin in der Sache nur vorgebracht worden, dass eine stationäre Behandlung effizienter sei, weil der Kläger im Straßenverkehr leicht erregbar sei und in öffentlichen Verkehrsmitteln an Phobien leide. Die Beklagte stelle aber gegebenenfalls einen Fahrdienst zur Verfügung. Für das Vorliegen behandlungsbedürftiger psychischer Leiden habe der Kläger bislang nichts geltend gemacht.

Gegen den ihm am 6. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 6. März 2012. Er stütze sich auf medizinisch begründete Tatsachen, weshalb er nicht täglich zu einer ambulanten Reha-Maßnahme anreisen könne. An den medizinisch-psychischen Gründen, die für die Vermeidung einer täglichen Anreise sprächen, ändere der Hinweis des Sozialgerichts auf die Möglichkeit eines Fahrdienstes nichts. Dessen Nutzung würde die Beeinträchtigungen möglicherweise reduzieren, aber nicht aufheben. Eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung habe er nicht aufgenommen. Die behandelnde Ärztin habe ihre ursprünglichen Angaben zur Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht ausdrücklich widerrufen, sie habe auch nicht begründet, warum es keine medizinischen Gründe gebe, die einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme entgegen stehen würden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Bescheides vom 25. Juni 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2009 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat einen weiteren Befundbericht bei der behandelnden Ärztin M angefordert. Für dessen Inhalt und für die sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist zutreffend. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Betracht. Nach dieser Vorschrift erbringen Krankenkassen stationäre Rehabilitation, wenn die Leistungen nach Abs. 1 nicht ausreichen. Nach § 40 Abs. 1 SGB V erbringt die Krankenkasse die aus medizinischen Gründen erforderlichen ambulanten Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen. Demnach gibt es zwischen Leistungen der ambulanten und Leistungen der stationären Rehabilitation ein Stufenverhältnis. Auf Leistungen der stationären Rehabilitation besteht nur dann Anspruch, wenn die Leistungen der ambulanten Rehabilitation nicht ausreichend sind (Ricken in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 40 Rn. 20/21).

Maßgebend für die Beurteilung von Verpflichtungsklagen ist auch bei Ermessensentscheidungen, zu denen die Bewilligung von Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 Abs. 3 SGB V gehört, der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl., § 54 Rn. 34a).

Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass die Voraussetzungen für eine stationäre Rehabilitation bei dem Kläger erfüllt sind. Die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele sind eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Bei dem Kläger liegt zwar eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vor, nämlich eine länger als sechs Monate lang anhaltende Gesundheitsstörung mit Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor. Der Kläger leidet unter verschiedenen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet. Ausweislich der Befundberichte der behandelnden Ärztin M bestehen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Schultern, Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, Osteoporose, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen beider Hüftgelenke sowie der Ellenbogen und Knie. Dagegen gibt es keine Belege für eine psychische Erkrankung. Der Kläger befindet sich nach eigenen Angaben nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung. Die behandelnde Ärztin M hat auf die Nachfrage des Senat nach Einzelheiten betreffend die angebliche leichte Erregbarkeit und die teilweisen Phobien nur mitgeteilt, dass ihr dazu keine Aussage möglich sei.

Nachvollziehbar ist, dass die bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen eine Behandlungsbedürftigkeit bedingen. Dies wird aber auch von der Beklagten und dem MDK nicht in Frage gestellt. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass ambulante Rehabilitationsmaßnahmen nicht zur Behandlung ausreichen würden. Die Beklagte hat unwidersprochen und unterstützt vom MDK vorgetragen, dass die in einer stationären Rehabilitation möglichen Behandlungsmaßnahmen wie Krankengymnastik, Physiotherapie, Schulungsprogramme und Empfehlungen zur Lebensweise sämtlich auch in einer ambulanten Rehabilitation erbracht werden können. Der Senat hat keine Veranlassung, die Wahrheit dieses Vortrags in Frage zu stellen. Auch der Kläger hat dazu nichts Gegenteiliges geltend gemacht. Er beruft sich darauf, dass ihm die tägliche Anfahrt nicht möglich wäre, führt aber nicht an, dass es in einer stationären Rehabilitation qualitativ bessere Behandlungsmöglichkeiten geben würde. Soweit seine behandelnde Ärztin in dem Befundbericht vom 8. November 2011 angegeben hat, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten ausgereizt seien, bezieht sich das offensichtlich nicht auf eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme, da der Kläger eine solche bislang trotz des Angebotes der Beklagten nicht durchgeführt hat. Zur Begründung der Notwendigkeit gerade einer stationären Rehabilitation hat die behandelnde Ärztin in ihrem ursprünglichen Befundbericht vom 8. November 2011 auf fehlende Fahrtauglichkeit sowie soziale Phobien in öffentlichen Verkehrsmitteln verwiesen. Das zielt jedenfalls nicht auf besondere medizinische Behandlungsmöglichkeiten, die sich nur bei stationärer Unterbringung verwirklichen lassen würden.

Bei bestehender Gleichwertigkeit der Behandlungsmöglichkeit in einer ambulanten oder stationären Rehabilitation gibt es vorliegend keine sonstigen Gegebenheiten, die einen Anspruch auf stationäre Rehabilitation begründen würden. Ein Anspruch gerade auf stationäre Rehabilitation kann sich nur auf medizinische Gründe stützen, es reicht nicht aus, dass eine stationäre Aufnahme aus anderen Gründen als nützlich oder gar erforderlich angesehen werden kann (BSG, Urt. v. 26. Juni 2007 – B 1 KR 36/06 R – juris Rn. 22-25). Die von dem Kläger angegebene eingeschränkte Fahrtauglichkeit und soziale Phobie kann aber nicht als medizinischer Grund anerkannt werden. Für diese Beeinträchtigungen ist bereits der Krankheitswert nicht nachgewiesen. Der Kläger befindet sich weder in psychiatrischer noch in psychotherapeutischer Behandlung. Auch ansonsten fehlt es an überprüfbaren ärztlichen Befunden und Diagnosen zu diesen angeblichen Gesundheitsstörungen.

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Beklagten im Rahmen der ambulanten Rehabilitation einen Fahrdienst angeboten hat. Welche medizinischen Gründe dessen Inanspruchnahme ausgeschlossen erscheinen lassen könnten, ist nicht ersichtlich. Auch die behandelnde Ärztin M hat das Vorliegen solcher Gründe in dem von dem Senat angeforderten Befundbericht verneint. Soweit der Kläger vorträgt, die Inanspruchnahme eines Fahrdienstes würde seine Beeinträchtigungen nur vermindern, nicht aber beseitigen, lässt sich diesem Vortrag nichts dazu entnehmen, welchen Krankheitswert die verbleibenden Beeinträchtigungen haben könnten. Danach bestand keine Veranlassung für weitere medizinische Ermittlungen durch den Senat.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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