L 4 KR 18/13 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 25 KR 7/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 18/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 14. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin und Klägerin (im Folgenden: Klägerin) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Halle (SG), das die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung eines Klageverfahrens abgelehnt hat. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin die Kosten für eine geplante beidseitige Mammareduktionsplastik zu erstatten sind.

Die am ... 1988 geborene Klägerin, die bei der Beklagten familienversichert ist, beantragte am 22. Januar 2010 die Kostenübernahme für eine Mamma-Reduktionsplastik und führte zur Begründung an: Sie leide physisch und psychisch sehr unter dem Gewicht und der Größe ihrer Brüste. Andauernd habe sie starke Rückenschmerzen sowie Verspannungen in der Brustwirbelsäule und im Nacken. Weder eine Physiotherapie noch ein individuelles Training habe Besserung gebracht. Die Operation sei die einzige Möglichkeit, eine weitere gesundheitliche Schädigung abzuwenden. In vorgelegten Lichtbildern (Bl. 8 d. Verwaltungsakte) werden als Körpermaße eine Größe von 170 cm sowie ein Gewicht von 61 kg und ein Brustumfang von 103 cm angegeben. In einer beigefügten Stellungnahme gibt die Fachärztin für Innere Medizin R. am 18. Januar 2010 an: Die Klägerin befinde sich bei ihr seit März 2009 in regelmäßiger hausärztlicher Behandlung. Eine Schilddrüsenentzündung sei vor einigen Monaten erfolgreich behandelt worden. Aus der beidseitigen Mammahypertrophie ergäben sich bei der Klägerin starke Gesundheitsstörungen. Zunächst bestünden chronische, nahezu therapieresistente Beschwerden im Thorakolumbalbereich bei einer gesicherten thoraxbedingten Skoliose. Dies habe auch aus orthopädischer Sicht zu einer Empfehlung für eine Mammareduktionsplastik geführt. Der behandelnde Psychologe habe eine durch die Mammahypertrophie verursachte psychische Leidensituation festgestellt. Auf diesem Fachgebiet bestehe eine ängstlich-depressive Symptomatik, was sich in einem Vermeideverhalten der Klägerin zeige. Aus hausärztlicher Sicht sei die geplante Operation zu unterstützen. Der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. P. bezeichnete unter dem 2. Dezember 2009 wegen Skoliose und häufigen Verspannungen eine Mammareduktionsplastik als "zwingend". In einem beigefügten Arztbrief gab der Orthopäde Dr. B. am 17. November 2009 an: Diagnostisch sei eine thoraxbedingte Skoliose gesichert. Die geplante Mammareduktionsplastik sei aus orthopädischer Sicht zu empfehlen. Therapeutisch sei Eigengymnastik sowie sechs Mal Krankengymnastik und Physiotherapie verordnet worden. Die Psychotherapeutin Dr. A. berichtete für den Kostenträger am 11. August 2009: Sie habe mit der Klägerin einen Interaktionsfragebogen sowie eine multidimensionale Selbstwertskala erstellt. Hier habe sich ein deutlich geminderter Selbstwert gezeigt. In größeren Gruppen fühle sich die Klägerin unwohl und meide sportliche Aktivitäten. Aus psychotherapeutischer Sicht verursache die Mammahypertrophie ein deutliches psychisches Leiden. Dies zeige sich in einer ängstlich-depressiven Symptomatik, Vermeideverhalten, Grübeln sowie in einem geminderten Selbstwert.

Die Beklagte beauftrage den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens (Untersuchung vom 16. Februar 2010). Die MDK-Gutachterin Dr. K. teilte mit: Die Untersuchung habe eine altersentsprechende Beweglichkeit der Wirbelsäule und der oberen Extremitäten bei muskulären Verspannungen im Schulter-Nackenbereich und einen Klopfschmerz über der LWS ergeben. Der Befund einer Mammahypertrophie mit einer Ptose I. Grades beidseits sei zu bestätigen. Ein regelwidriger Körperzustand bestehe jedoch nicht. Zwar sei nachvollziehbar, dass große, schwere Brüste Schmerzen im Stütz- und Bewegungssystem intensivieren. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen großen Brüsten und Wirbelsäulensymptomen sei jedoch wissenschaftlich nicht belegt. Sie empfehle eine konsequente Fortsetzung der orthopädischen und physiotherapeutischen Behandlung sowie die von der Klägerin vorgenommenen Eigenübungen. Die psychische Belastung rechtfertige es nicht, Eingriffe am gesunden Körper vorzunehmen.

Mit Bescheid vom 3. März 2010 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme unter Hinweis auf das MDK-Gutachten ab. In dem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend: Die Rückenschule habe die Beschwerden nur kurzfristig bessern können. Aktuell werde eine Schmerztherapie bei Dr. L. H. durchgeführt. Nach anwaltlicher Mandaterteilung hat die Klägerin ihren Sachvortrag ergänzt und geltend gemacht: Ihre behandelnden Ärzte empfehlen übereinstimmend die Durchführung einer Mammareduktionsplastik. Die MDK-Gutachterin habe während der Untersuchung dagegen über eigene Beschwerden berichtet und sie nicht einmal genau angesehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Klägerin am 11. Januar 2011 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und ihr Begehren mit der bisherigen Begründung weiter verfolgt sowie die Bewilligung von PKH beantragt. Nachdem das SG mitgeteilt hat, dass anhand der vorliegenden Einkünfte eine Ratenzahlung von 30,00 EUR in Betracht komme könne, hat die Klägerin ihren PKH-Antrag am 4. April 2011 zurückgenommen.

Das SG hat Befundberichte von Dr. P., Dr. H. sowie Dr. B. eingeholt. Dr. P. hat am 14. März 2011 angegeben, er habe die Klägerin am 2. Dezember 2009 und 11. März 2010 untersucht und empfehle eine Mammareduktionsplastik wegen der häufigen und erheblichen Verspannungen im Schulter-Nackenbereich. Dr. H. hat am 15. März 2011 mitgeteilt, die Klägerin sei bei ihm am 15. Juni 2010 sowie am 28. Juni 2010 in Behandlung gewesen. Er hat ein chronisches HWS-BWS-LWS-Syndrom, ein chronisches Schmerzsyndrom sowie eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Die Klägerin habe eine schmerztherapeutische Basismedikation erhalten, jedoch die Praxis nur zwei Mal aufgesucht. Dr. B. hat am 7. April 2011 über Behandlungen vom 17. November 2009 und 29. April 2010 berichtet und anhand eines Röntgenbildes eine angedeutete Thorakalskoliose diagnostiziert.

Die Beklagte hat ein MDK-Gutachten nach Aktenlage von Dr. K. vom 23. Mai 2011 vorgelegt. Diese hat angegeben: Die beantragte Mammareduktionsplastik stelle nach den Leitlinien keine Therapieoption für Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates oder für ein psychisches Erkrankungsbild dar. Auch der neue Vortrag begründe keine medizinische Notwendigkeit einer Mammareduktionsplastik.

Die Klägerin hat hiergegen geltend gemacht: Die MDK-Gutachterin sei offenbar durch Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers verletzt worden und sehe sich gezwungen, eine Verteidigungsposition einzunehmen. Ohnehin sei der Sinn des MDK nach Fernsehberichten über zahlreichen Falschbegutachtungen zu überdenken, da dieser die Erforderlichkeit von Behandlungen für notleidende Patienten häufig ohne vernünftigen Grund in Abrede stelle.

Das SG hat Beweis erhoben durch ein Sachverständigengutachten des Privatdozenten (PD) Dr. habil. W. vom 28. November 2011 (Untersuchung vom 28. November 2011). Dabei habe die Klägerin dem Sachverständigen mitgeteilt, sie werde aufgrund ihrer großen Brüste vom Umfeld nicht so wahrgenommen, wie sie es möchte. Ihr Aussehen könnte ihr Fortkommen daher massiv einschränken. Von der Reduktionsplastik erhoffe sie sich ein verbessertes Selbstbild und eine Stärkung ihres Selbstbewusstseins. Aktuell sei sie eher verkrampft und zurückhaltend; sie wolle diesen Zustand verbessern. Außerdem wolle sie ihre Rückenprobleme in den Griff bekommen, um dann auch sportlich aktiver zu werden. Als Konfektionsgröße habe sie 42 bis 44. Sie habe ständig Rötungen und Reizungen durch die BH-Bänder. Sie benötige einen BH der Größe 30 HH einer britischen Firma. Dies würde der deutschen Größe 65 M entsprechen. Die Kleidung müsse so groß gekauft werden, dass sie mehr oder weniger "verhüllt" rumlaufe. Sie fühle sich durch die großen Brüste stark belastet und nicht angenommen. Einen Psychiater habe sie deswegen nicht aufgesucht. Sie habe Rückenschmerzen vom BH-Unterrand bis zum Steißbein und auch öfters Blockaden. Auch träten Verspannungen im oberen Rückenbereich, im Schulterbereich und Nacken auf. Sie gehe mehr oder weniger immer in Schonhaltung und versuche Rückenschmerzen zu vermeiden. Auch im unteren Rücken habe sie beim Bücken und Aufrichten Schmerzen. Sie fühle sich in größeren Menschenmengen unwohl. Teilweise werde sie wegen ihres Aussehens verbal angegriffen und mit Schimpfworten belegt. Der Sachverständige hat auf orthopädischem Gebiet ein vertebragenes Schmerzsyndrom diagnostiziert. Klinisch bestehe eine Dysbalance der Rumpfmuskulatur mit Insuffizienz der gesamten Rückenmuskulatur bei kräftiger Bauchmuskulatur. Die Schulter- und Nackenmuskulatur sei nicht verspannt. Sensible, motorische oder reflektorische Defizite seien nicht vorhanden. Im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates bestehe eine angedeutete, klinisch kaum verifizierbare, rechtskonvexe Throkalskoliose. Die Klägerin habe eine normale Haltung. Auffallend sei die schwache Rückenmuskulatur. Die Arm- und Handmuskulatur deute nicht darauf hin, dass ein sportliches Training absolviert werde. Bauch- und Beinmuskulatur seien dagegen kräftig ausgeprägt. Der Klägerin sei eine intensive konservative physikalische und balneophysikalische Therapie zur Kräftigung der Rückenmuskulatur zu empfehlen. Wegen der psychiatrischen Befunde sei noch ein entsprechendes Gutachten einzuholen.

Am 7. August 2012 hat die Klägerin gegen das Gutachten geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, wie der Sachverständige zu den Messdaten gekommen sei, da eine Messung tatsächlich nicht stattgefunden habe. Bei einer von der Klägerin selbst veranlassten Messung bei einem Physiotherapeuten hätten sich deutlich abweichende Werte ergeben. Das Gutachten sei daher ungeeignet, die maßgeblichen Fragen zur Mammareduktionsplastik zu beantworten. Auch habe der Gutachter die Klägerin nicht ernst genommen, da er sinngemäß geäußert habe, wo eigentlich ihr Problem sei, da andere Frauen über so große Brüste glücklich wären.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2012 hat das SG die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung für den 26. Oktober 2012 geladen. Am 19. Oktober 2012 hat die Klägerin erneut einen PKH-Antrag gestellt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.

In der öffentlichen Sitzung vom 26. Oktober 2012 hat die Klägerin erklärt: Bei Dr. B. habe sie im nächsten Jahr wieder einen Termin. Ungefähr vier Mal im Jahr werde ihr Physiotherapie (je sechs Einheiten) verschrieben. Bei der Psychologin sei sie nur ein Mal gewesen, um eine medizinische Stellungnahme zu erlangen. Eine laufende psychotherapeutische Behandlung finde nicht statt. Der Sachverständige habe ihre Angaben nur verkürzt wieder gegeben. Er habe sie körperlich untersucht, die Beweglichkeit der Gelenke am ganzen Körper getestet sowie die Stärke der Muskulatur geprüft. Die Maße habe er dann in ein Diktiergerät gesprochen.

Mit Urteil vom 26. Oktober 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage eines Anspruchs auf Durchführung der begehrten Mammareduktionsplastik sei § 27 Abs.1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Hiernach könne ein Eingriff ambulant oder stationär nur verlangt werden, wenn dieser notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit sei dabei ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitunfähig macht (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, zitiert nach juris). Ein derartiger regelwidriger Körperzustand lasse sich an der Brust der Klägerin nicht feststellen. Die Größe der Brust bewirke keine Entstellung. Dies habe auch der persönliche Eindruck der Kammer von dem äußeren Erscheinungsbild der Klägerin bestätigt. Eine mittelbare Therapie wie hier, bei der mittels chirurgischen Eingriffs eine gezielte Verletzung gesunder Körpersubstanz vorgenommen werde, um hieraus medizinischen Nutzen zu ziehen, bedürfe nach der BSG-Rechtsprechung einer besonderen Rechtfertigung. Nach diesen Voraussetzungen könne die Mammareduktionsplastik weder im Hinblick auf die orthopädischen noch auf die psychischen Leiden der Klägerin gerechtfertigt werden.

Sowohl der Sachverständige Dr. W. als auch Dr. B. bestätigen allenfalls eine angedeutete Thorakalskoliose. Schwerere Veränderungen an der Wirbelsäule seien ärztlich nicht bestätigt worden. Zudem habe der Sachverständige anlässlich der Untersuchung keine Verspannungen in der Schulter- und Nackenmuskulatur festgestellt. Soweit die festgestellten Messwerte von der Klägerin bezweifelt würden, sei dies unbeachtlich, da ein erfahrener Gutachter und Facharzt für Orthopädie mit bloßem Auge einschätzen könne, ob relevante Bewegungseinschränkungen festzustellen seien. Auch habe die Klägerin nicht bestritten, dass eine Untersuchung samt Bewegungstest stattgefunden habe.

Mit Beschluss vom 14. Januar 2013 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und ausgeführt: Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe keine Erfolgsaussicht mehr bestanden, da der Sachverhalt ermittelt und die Klage abweisungsreif gewesen sei. Auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil werde ergänzend verwiesen.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 17. Januar 2013 zugestellten Beschluss am 18. Februar Beschwerde beim SG eingelegt, was dieses an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Es sei bereits rechtswidrig, dass das SG die ablehnende PKH-Entscheidung nicht vor dem in dieser Sache verkündeten Urteil erlassen habe. Die Begründung sei auch unzureichend, da die Erfolgsaussicht zum Zeitpunkt des PKH-Antrages habe geprüft werden müssen. Erhebliche Entwicklungen aus der mündlichen Verhandlung sowie dem verkündeten Urteil hätten daher nicht einbezogen werden dürfen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 14. Januar 2013 aufzuheben und ihr Prozesskostenhilfe für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren.

Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Nach dem gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entsprechend anzuwendenden § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) setzt die Bewilligung von PKH voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung muss der durch Art. 3 Abs.1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz gebotenen Rechtsschutzgleichheit gerecht werden. Danach muss einerseits der Prozesserfolg nicht schon gewiss sein, reicht andererseits aber eine nur entfernte Erfolgsaussicht nicht aus (vgl. BVerfGE 81, 347, 356 ff.). Nach dem vorgetragenen Sachverhalt und den vorliegenden Unterlagen müssen der Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar und eine Beweisführung möglich sein (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer in SGG, 10. Auflage 2012, § 73 a Rn. 7 a).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Rechtsuchenden bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. nur BVerfGE 9, 124,130 f.). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von PKH davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der PKH zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347, 357). Es läuft dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens PKH verweigert wird, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – 1 BvR 1450/00, NJW–RR 2002, S. 1069). Eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren ist nur in eng begrenztem Rahmen zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1997 –1 BvR 296/94, NJW 1997, S. 2745, 2746). Andernfalls überspannt das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und verfehlt so den Zweck der PKH, der unbemittelten Partei den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 81, 347, 358).

Dabei ist zudem umstritten, ob der für die Prüfung der Erfolgsaussichten maßgebliche Zeitpunkt derjenige der erstinstanzlichen Entscheidung ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – L 5 AS 338/09 B, juris) oder derjenige der Entscheidung des Beschwerdegerichts (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 73a Rn. 7d; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., 75. Erg.-Lieferung, § 176 Rn. 4; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Oktober 1991 – IX B 37 u. a. – Rn. 12; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. Januar 2013 – L 11 AS 876/12 B – Rn. 10, juris). Der Senat kann diese Frage, wie schon im Beschluss des 7. Senats des LSG vom 4. März 2013 – L 7 SB 84/11 B, juris, hier offenlassen, da auch zum Zeitpunkt der erneuten PKH-Antragstellung am 19. Oktober 2012 keine hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage mehr bestanden hat.

Allerdings ist der Klägerin grundsätzlich darin zuzustimmen, dass der Beschluss über einen bereits entscheidungsreifen PKH-Antrag nicht bis zur Verkündung eines Urteils oder danach herausgezögert werden darf, wenn eine Beweisaufnahme oder zumindest eine persönliche Anhörung der Beteiligten noch durchzuführen ist, deren Ergebnisse nicht von vornherein feststehen (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 16. Februar 2011 – X S 29/10 mit weiteren Nachweisen, zitiert nach juris). Eine zeitlich vorgezogene PKH-Entscheidung durch das SG hätte die Klägerin noch vor dem 26. Oktober 2012 in die Lage versetzt, die vorläufige tatsächliche und rechtliche Bewertung des SG zu erfahren. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat jedoch nicht unwesentlich zu der verspäteten PKH-Entscheidung beigetragen. Zunächst hat er den ursprünglich erfolgreichen PKH-Antrag offenbar lediglich wegen der Ratenzahlungsanordnung zurückgenommen und den neuen PKH-Antrag erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung gestellt. Nach dem gerichtlichen Protokoll hat er während der mündlichen Verhandlung keine vorgezogene Entscheidung über den PKH-Antrag verlangt und damit auch selbst Gründe für die verspätete PKH-Entscheidung gesetzt.

Das gleichwohl verfahrensrechtlich bedenkliche Vorgehen des SG, über einen entscheidungsreifen PKH-Antrag nicht vor einer anstehenden mündlichen Verhandlung zu entscheiden, führt jedoch im vorliegenden Fall nicht zu einer hinreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage zum Antragszeitpunkt. Zu diesem Zeitpunkt war die Beweisaufnahme praktisch abgeschlossen und die Klage bereits abweisungsreif. Dies ergibt sich aus Folgendem: Der Anspruch der Klägerin auf Behandlung ergibt sich aus § 27 Abs. 1 SGB V. Bei der Mammahypertrophie der Klägerin kann nach den bereits am 19. Oktober 2012 ermittelten Erkenntnissen nicht von einem regelwidrigen Zustand ausgegangen werden. Nach den von der Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Lichtbildern und ihrem eigenen Sachvortrag bestanden für eine Leistungspflicht der Beklagten wegen äußerlicher Entstellung keinerlei Anhaltspunkte. Insoweit kam es auf den Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht mehr entscheidend an. Auch unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Beeinträchtigung war eine Leistungspflicht der Beklagten nicht begründbar. Eine psychische Störung ist mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Jedenfalls umfasst die Leistungspflicht der Krankenkasse nicht die Kosten für operative Eingriffe in einen regelrechten Körperzustand, um auf diesem Wege eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern (vgl. schon LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Februar 2009 – L 10 KR 25/06, zitiert nach juris). Zudem hat die Klägerin nach ihren eigenen Angaben am 24. Februar 2011 keinerlei Behandlungen auf psychiatrischem Gebiet aufgenommen. Es ist daher zum Zeitpunkt des 19. Oktober 2012 nicht ersichtlich, dass ein mögliches psychisches Leiden fachspezifisch behandelt worden ist. Dies hat die Klägerin im Übrigen bereits gegenüber dem Sachverständigen PD Dr. W. und dann auch auf Nachfrage des SG in der Sitzung vom 26. Oktober 2012 bestätigt.

Nach Aktenlage lässt sich die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste auch nicht mit orthopädischen Beschwerden rechtfertigen. Hierbei ist von folgender Rechtslage auszugehen. Die Leistungspflicht der Krankenversicherung für eine chirurgische Therapie dieser Krankheit kann nicht schon mit der Erwägung verneint werden, dass es sich nur um eine mittelbare Therapie handelt (BSG, Urteil vom 19. Februar 2003, 1 KR 1/02, juris zum Magenband bei Übergewicht). Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz allerdings eingeschränkt: Wird durch eine solche Operation - wie hier - in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie dies durch eine Brustverkleinerung geschieht, bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG, a.a.O. m.w.N; sowie LSG a.a.O.).

Nach diesen Kriterien war die Notwendigkeit einer Mammareduktionsplastik bei der Klägerin aus orthopädischen Gründen nicht begründbar. Es fehlt bereits an einer hinreichend schweren Wirbelsäulenerkrankung. So diagnostizierte der Sachverständige PD Dr. W. lediglich ein vertebragenes Schmerzsyndrom sowie eine Rumpfmuskeldysbalance. Der kaum verifizierbaren rechtskonvexen Thorakalskoliose kann hierbei keine besondere Bedeutung zukommen. Die damit eher vernachlässigungswürdigen orthopädischen Diagnosen hat auch der die Klägerin behandelnde Orthopäde Dr. B. bestätigt. Auf die Zweifel der Klägerin an den vom Sachverständigen erhoben Messwerten kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Im Übrigen ist es keineswegs unüblich, dass erfahrene Gutachter Bewegungsmaße kraft Augenscheinnahme einschätzen können, ohne genaue Messungen vorzunehmen.

Nach den vorliegenden MDK-Gutachten sowie der Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen ist zudem der Zusammenhang zwischen einer Mammareduktion und dem Verschwinden von Wirbelsäulenbeschwerden keinesfalls gesichert. Gegenteiliges haben auch die die Klägerin behandelnden Ärzte nicht behauptet. Angesichts der Gesamtumstände kann hier offen bleiben, ob generell ein wissenschaftlich belegbarer Zusammenhang zwischen der Größe der weiblichen Brust und Wirbelsäulenbeschwerden besteht. Der Senat gibt aber zu bedenken, dass viele Frauen angesichts der handelsüblichen Konfektionsgrößen für BHs über größere Brüste als die Klägerin verfügen müssen. Würde dies stets zu Beschwerden an der Wirbelsäule führen, so müssten viele Frauen mit großen Brüsten an Wirbelsäulenbeschwerden leiden und zudem die Frauen häufiger davon betroffen sein als Männer. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch weder generell belegt noch dem Senat aus eigener Praxis bekannt.

Vorrangig zu beachten ist hier die bereits am 19. Oktober 2012 ermittelte Tatsache, dass die Behandlungsalternativen bei der Klägerin bei weitem noch nicht ausgeschöpft waren. Bereits die begonnene Schmerztherapie bei Dr. H. hat die Klägerin bereits nach zwei Sitzungen ohne Angabe von Gründen abgebrochen. Gleiches gilt für den psychotherapeutischen Behandlungsansatz bei Dr. A., obwohl Dr. H. die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung gestellt hatte. Nach Auffassung von PD Dr. W. war die Schulter-Nackenmuskulatur der Klägerin nicht verspannt oder neurologisch auffällig. Er hat insbesondere auf die schwache Rückenmuskulatur sowie die nicht trainierte Arm- und Handmuskulatur hingewiesen und eine intensive konservative physikalische und balneophysikalische Therapie zur Kräftigung der Rückenmuskulatur empfohlen. Insoweit genügt es nicht, dass die Klägerin die wenigen genehmigten physiotherapeutischen Maßnahmen in Anspruch nimmt. Durch Massagen und manuelle Therapie kann eine Muskulatur nicht aufgebaut werden. Dies kann in erster Linie durch Wirbelsäulengymnastik (auch zur Selbstanwendung zu Hause) und Sport erreicht werden. Die insuffiziente Muskulatur der Klägerin zeigt, dass sie diese Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft hat. Außerdem scheinen die körperlichen Beschwerden angesichts nur zweier Behandlungen bei Dr. B. am 17. November 2009 und im April 2011 noch nicht stark ausgeprägt zu sein.

Gegen eine Austherapierung der Klägerin sprechen auch die sehr weiten Behandlungsintervalle beim Orthopäden Dr. B., die dieser am 7. April 2011 mit nur zwei Terminen angegeben hatte (17. November 2009; 29. April 2010). Zusammenfassend kann daher am 19. Oktober 2012 von einer geringen Behandlungsdichte ausgegangen werden. Die Klägerin hat die konventionellen Therapien und Sportmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Außerdem hätte sie die Behandlung akuter Beschwerden durch die Schmerztherapie fortsetzen können. Insgesamt sind daher die Erfolgsaussichten der Klage eindeutig zu verneinen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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