Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 3164/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 691/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 25. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt noch die Zuerkennung des Grades der Behinderung (GdB) von 50 bereits ab dem 11.02.2008 statt erst ab dem 01.09.2010. Die am 20.01.1953 geborene Klägerin ist Angehörige eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Am 11.02.2008 beantragte sie bei dem Landratsamt Konstanz als Versorgungsamt erstmals die Feststellung eines GdB. Sie verwies auf orthopädische Beeinträchtigungen an der Schulter und den Füßen sowie Krankheiten der Schilddrüse, der Gebärmutter und auf Hypertonie. Das LRA holte Befundscheine der behandelnden Ärzte ein. In der versorgungsärztlichen Auswertung vom 27.06.2008 schlug Dr. Jüngst vor, für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform und Arthrose des Großzehengrundlenks links (Einzel-GdB 20), für ein Bronchialasthma (10), Bluthochdruck (10) und Schwindel (10) einen Gesamt-GdB von 20 anzuerkennen. Diesen stellte das LRA mit Bescheid vom 03.07.2008 fest. Im Vorverfahren legte die Klägerin weitere ärztliche Unterlagen insbesondere zu Beeinträchtigungen der Wirbelsäule und zu den Fehlstellungen und Operationen an ihren Füßen vor. Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. A. vom 05.09.2008 wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2008 als unbegründet zurück. Am 31.10.2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie hat bereits hier geltend gemacht, schon die Funktionsstörung der Wirbelsäule bedinge einen GdB von 30. Insgesamt begehre sie - ab Antragstellung - einen GdB von 50. Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Aussagen des Allgemeinmediziners Dr. B. vom 07.12.2008, des Orthopäden Dr. C. vom 09.12.2008, des Chirurgen und Phlebologen Dr. D. vom 13.01.2009, des HNO-Arztes Dr. Blessing vom 25.04.2009 und des Neurochirurgen Dr. E. vom 06.10.2009 Bezug genommen. Sodann hat das SG die Klägerin von Amts wegen bei Dr. F. fachorthopädisch begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 07.03.2010 ausgeführt, die Klägerin leide an einer Polyarthrose der Hände, Beschwerden an der rechten Schulter wegen einer Rota-torenmanschettennaht (Revisions-OP am 08.01.2010 nach erstmaliger OP 2004) und subacromialer Dekompression, einem chronisch rezidivierenden cervicocephalen und cervicobrachialen (von oberer und unterer HWS ausgehenden) Wirbelsäulensyndrom bei Osteochondrose und degenerativen Bandscheibenveränderungen, an einem chronisch rezidivierenden lumboischialgieformen (LWS) Wirbelsäulensyndrom mit operativ behandeltem BSV (Bandscheibenvorfall) L4/L5 und an Senk-Spreiz-Füßen bds. mit Arthrodese D1 (Großzehengrundgelenk) links. Dr. F. hat für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule einen GdB von 20, für die übrigen Beeinträchtigungen jeweils einen GdB von 10 vorgeschlagen. Unter Berücksichtigung weiterer Erkrankungen (Bronchialasthma, Bluthochdruck, Schwindel) hat er einen Gesamt-GdB von 20 angenommen. Die Klägerin hat sodann den Entlassungsbericht der G.-Klinik, Dr. H., vom 31.03.2010 über einen stationären Aufenthalt vom 03.03. bis 31.03.2010 vorgelegt. Darin war insbesondere auf die Folgen der (operierten) Rotatorenmanschettenruptur und den Zustand nach (Z.n.) Operation des Bandscheibenvorfalls an der LWS hingewiesen. Unter dem 02.08.2010 hat der Beklagte der Klägerin im Vergleichswege die Zuerkennung eines GdB von 30 ab dem 01.01.2010 angeboten. Grundlage hierfür war die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. J. vom 29.07.2010, der - auch - die Beeinträchtigungen am rechten Schultergelenk mit einem Einzel-GdB von 20 (und damit höher als Dr. F.) bewertete. Auf Antrag der Klägerin hat das SG zwei weitere Behandler als Zeugen vernommen. Auf lungenfachärztlichem Gebiet hat Dr. K. unter dem 29.09.2010 von einer - nach einmaliger Vorstellung der Klägerin diagnostizierten - leichten und voll reversiblen Obstruktion bei normaler Sauerstoffsättigung berichtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. L. hat mit Schreiben vom 13.10.2010 - erstmals - auch von einer psychischen Erkrankung der Klägerin berichtet, die er bei der Vorstellung der Klägerin am 13.09.2010 als schwere reaktive Depression diagnostiziert habe und die er mit Citalopram 20 und Opipramol 100 behandle. Ergänzend hat Dr. L. unter dem 10.05.2011 berichtet, die Klägerin habe sich im Oktober, Januar und Mai jeweils einmal erneut vorgestellt, die Klägerin sei auf Grund "der festgestellten Tumorerkrankung" ängstlich-verunsichert, die Persönlichkeitsstruktur weise auf begleitende dysthyme Anteile im Sinne einer neurotischen Depressivität hin, die Situation habe sich stabilisiert, wobei die Beschwerden chronifiziert seien, die Behandlung werde unverändert fortgeführt. Auf Grund einer versorgungsärztlichen Auswertung dieser Aussagen durch Dr. M. vom 29.07.2011 (zusätzliche Anerkennung einer Depression mit einem Einzel-GdB 30), hat der Beklagte der Klägerin angeboten, zusätzlich zu dem GdB von 30 ab 01.01.2010 einen GdB von 50 ab dem 01.09.2010 anzuerkennen. Auf Antrag der Klägerin hat das SG den HNO-Arzt Dr. N. vernommen. Dieser hat unter dem 18.10.2011 mitgeteilt, es bestehe eine gering- bis mäßiggradig ausgeprägte Innenohrhörstörung mit relativen Hörverlusten von 20 % rechts und 23 % links. Mit Gerichtsbescheid vom 25.01.2012 hat das SG den Beklagten unter entsprechender Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 30 ab dem 01.01.2010 und von 50 ab dem 01.09.2010 festzustellen, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die depressive Erkrankung der Klägerin sei allenfalls als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem GdB von 30 zu belegen. Für die Wirbelsäulenerkrankung sei ein GdB von "30" (gemeint: 20) angemessen, ebenso ein solcher von 20 für die Schulterbeschwerden. Weitergehende Einschränkungen der Beweglichkeit oder Schmerzreizungen seien nicht zu erkennen. Für die Lungenerkrankung bei lediglich leichter Obstruktion sei nur ein GdB von 10 anzuerkennen. Ebenso bedingten die beginnende Fingerendgelenksarthrose, die Senk-Spreiz-Füße mit Hallux valgus und Fersensporn, das Carpaltunnelsyndrom, die Hypertonie und die Schwindelattacken je einen GdB von 10. Die Schilddrüsenbeschwerden und die Entfernung der Gebärmutter bedingten keinen GdB von wenigstens 10. Zusammenfassend ergebe sich ab dem 01.01.2010 - dem Hinzutreten erheblicher Schulterbeschwerden nach der OP vom 08.01.2010 - ein GdB von 30. Ab dem 01.09.2010 - wegen des Hinzutretens der depressiven Erkrankung, die erstmals bei der Vorstellung der Klägerin bei Dr. L. am 13.09.2010 diagnostiziert worden sei - könne ein Gesamt-GdB von 50 angenommen werden. Wegen der weiteren Ausführungen und der Begründungen im Einzelnen wird auf den angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen. Das LRA Konstanz hat den Gerichtsbescheid mit Bescheid vom 10.02.2012 ausgeführt. Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.01.2012 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 16.02.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, ihre orthopädischen Beeinträchtigungen hätten schon vor dem Hinzutreten der psychischen Erkrankung zu einem Gesamt-GdB von 50 geführt.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 25. Januar 2012 abzuändern und den Beklagten unter weitergehender Abänderung des Bescheids vom 03. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2008 zu verurteilen, bei ihr für die Zeit ab dem 11. Februar 2008 einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 (fünfzig) festzustellen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Götz vom 17.04.2013 den angegriffenen Gerichtsbescheid. Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat den Facharzt für Orthopädie Dr. O. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Sachverständige hat unter dem 18.02.2013 nach einer Untersuchung der Klägerin am 19.10.2012 bekundet, es sei schwierig zu sagen, welche der heute vorliegenden Gesundheitsschäden (chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom in drei Abschnitten, Z.n. zweimaliger OP der rechten Schulter mit Naht der Rotatorenmanschette und subacromialer Dekompression, Impingement-Syndrom rechts, Rhizarthrose bds., milde Fingerpolyarthrose bds., Z.n. Carpaltunnelsyndrom bds., Coxalgie bds. ohne nennenswerte Arthrose und ohne Funktionseinbußen, Gonarthrose bds. mit mild ausgeprägter Arthrose und muskulär kompensierbarer Instabilität des Kapsel-Band-Apparats, Z.n. Versteifung des Großzehengrundgelenks links sowie Senk-Spreizfuß und Hallux valgus rechts ohne statische Beeinträchtigung) sicher schon seit 2008 bestanden hätten und welche Auswirkungen sie jeweils gehabt hätten. Erfahrungsgemäß seien Wirbelsäulenschäden schon jahrelang vorhanden, bis sie exazerbierten oder operiert würden. Dr. E. habe die Klägerin bereits 2008 behandelt. Hier und bei der Schulter und den Carpaltunnelsyndromen sei von einer jahrelangen und daher höchstwahrscheinlich schon 2008 bestehenden Störung auszugehen. Bei den Kniegelenken sei nach den vorliegenden Untersuchungen (Messung bei Dr. F.) von einer leichten Verschlechterung seit 2008 auszugehen. Bezogen auf die Untersuchung jetzt sei von Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulensyndrom, Einzel-GdB von je 10 für die Schulterschäden einschließlich des Impingement-Syndroms, für die Gonalgie und die Schäden am Großzehengrundgelenk auszugehen. Dagegen bedingten die Rhizarthrose, die Fingerpolyarthrose, der Z.n. Carpaltunnelsyndrom, die Coxalgie und die Schäden an den Füßen jeweils keinen GdB. Wegen der weiteren Feststellungen und Einschätzungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen. Der Beklagte hat sich unter dem 27.05.2013, die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.06.2013 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG auf die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) den Beklagten nur zur Feststellung eines GdB von 30 ab Januar und von 50 ab September 2010 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Klägerin kann von dem Beklagten für die Zeitabschnitte von der Antragstellung am 11.02.2008 bis Ende 2009, von Januar bis September 2010 sowie ab Oktober 2010 nicht die Zuerkennung jeweils eines höheren GdB verlangen. a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Grades der Behinderung nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie die Anforderungen an die Festlegung eines GdB für einzelne Behinderungen bzw. krankheitsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen nach den Kriterien der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), der Anlage zu § 2 der nach § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). b) Hiernach bestand bei der Klägerin bis Ende 2009 ein Gesamt-GdB von 20; ab Januar 2010 konnte insoweit ein Gesamt-GdB von 30 anerkannt werden. aa) Hinsichtlich der orthopädischen Beeinträchtigungen stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die Feststellungen und Vorschläge der beiden Sachverständigen, kann aber den jeweils vorgeschlagenen GdB nicht vollständig folgen. Dr. F. hatte noch im März 2010 - also nach der Revisions-OP an der Schulter der Klägerin am 18.01.2010 - einen GdB von 20 für die Wirbelsäule angenommen. Er hatte zwar Beeinträchtigungen an zwei Abschnitten (HWS und LWS) festgestellt, diese aber nicht als mittel-, sondern nur als geringgradig eingestuft. Dies erscheint nachvollziehbar. Dr. F. hatte nur eine leichte Hohlrückenbildung festgestellt, die er als muskulär bedingt und teilweise reversibel eingestuft hat. Eine Skoliose im Sinne einer Verformung, wie sie die VG voraussetzen, konnte er dagegen nicht feststellen. Für die Bewertung relevante Beweglichkeitseinschränkungen bestanden allenfalls an der HWS, und dies nur in äußerst geringem Maße: Die Vor- und Rückneigung war mit 45/0/45° (jeweils gemessen nach der Neutral-Null-Methode) gerade noch normgerecht, die Seitneigung war gut, die Drehfähigkeit mit 30° bds. nur etwas eingeschränkt, die Entfaltbarkeit normal (Ott’sches Zeichen 30:32 cm). An der LWS bestanden keine wesentlichen Einschränkungen: Seitneigung und Drehung (je 30/0/30°) waren normgerecht, die Entfaltbarkeit sogar etwas besser (Schober’sches Zeichen 10:16 bzw. 10:14 bei Normwerten 10:15 bzw. 10:13 cm). Die Klägerin konnte bei der Vorneigung einen Finger-Boden-Abstand von 0 erreichen. Es blieben lediglich die von der Klägerin geklagten, z.T. nicht verifizierbaren Schmerzen. Vor diesem Hintergrund konnte damals die Wirbelsäulenbeeinträchtigung nur mit einem GdB von 10 bewertet werden. Ein GdB von 20 setzt nach Teil B Nr. 18.9 VG mindestens mittelgradige Beeinträchtigungen in einem Abschnitt voraus. Bei nur geringen Beeinträchtigungen selbst in mehreren Abschnitten bleibt es bei dem in erster Stufe vorgesehenen GdB von 10. Dr. O. hat in seinem Gutachten in etwa die gleichen Bewegungsmaße ermittelt wie Dr. F. (S. 6 des Gutachtens), nur einen schlechteren FBA von 16 cm und ein unterdurchschnittliches Schober’sches Zeichen von 10:11. Er hat aber sodann - in Übereinstimmung mit Dr. F. - ausgeführt, die "rein mechanische" Betrachtungsweise der genannten Maße ergebe eigentlich ein nur mäßig ausgeprägtes Bild eines WS-Leidens. Dr. O. hat aber die Schmerzen etwas stärker in den Vordergrund gerückt und außerdem drei WS-Abschnitte für betroffen gehalten. Deshalb hat er für die Wirbelsäule einen GdB von 30 vorgeschlagen. Dem folgt der Senat nicht vollständig. Zwar lässt sich vertreten, dass - nunmehr - Beeinträchtigungen auch an der BWS als dem dritten WS-Abschnitt vorlagen: Dr. O. hat dort einen Klopfschmerz und eine sehr milde linkskonvexe Seitneigung gesehen. Aber auch dies sind allenfalls äußerst geringfügige Einschränkungen. Nach seinen Feststellungen kann daher allenfalls von (nunmehr) mittelgradigen Beeinträchtigungen an einem Abschnitt, der LWS, und geringgradigen an den anderen beiden Abschnitten gesprochen werden. Für einen GdB von 30 sind aber nach Teil B Nr. 18.9 VG mittelgradige Beeinträchtigungen an wenigstens zwei Abschnitten notwendig. bb) Gleichwohl lassen sich die GdB-Werte von 20 und 30, wie sie Dr. F. und Dr. O. auch als Gesamt-GdB vorgeschlagen haben, rechtfertigen. Bei der Klägerin bestanden nämlich auch Beeinträchtigungen an der rechten Schulter in Folge der beiden Operationen wohl im Nachgang zu einer Rotatorenmanschettenruptur, die durchgängig einen GdB von 20 bedingen können. Dr. O. hat insoweit ausdrücklich auch ein Impingement-Syndrom diagnostiziert, während Dr. F. - nur - von einer subacromialen Dekompression, also womöglich einer vorbestehenden Enge, gesprochen hat. An der rechten Schulter liegen auch etwas stärkere Bewegungseinschränkungen vor: Dr. F. hatte Armhebungen von 60° seitwärts und 90° vorwärts am rechten Arm gemessen (links: 180°, 180°; Normwerte 180°, 170°). Für eine restliche Armhebung "bis zu 90°" bei "entsprechender" Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit kann aber nach Teil B Nr. 18.13 VG ein GdB von 20 vergeben werden. Dies erscheint hier vertretbar. cc) Ein noch höherer Gesamt-GdB als 20 bzw. 30 ab Januar 2010 besteht dagegen nicht. Es lagen keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von wenigstens 20 vor. Beeinträchtigungen mit einem GdB von bis zu 10 aber führen nach Teil A Nr. 3 lit. d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VG nur in sehr seltenen Ausnahmefällen zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Der Bluthochdruck der Klägerin war nach Teil B Nr. 9.3 VG mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten, da keine oder nur geringe Leistungsbeeinträchtigungen und höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen vorlagen. Die Lungenerkrankung bedingt ebenfalls keinen GdB von wenigstens 20. Dr. K. hat in seiner Zeugenaussage vom 29.09.2010 mitgeteilt, es bestehe ein beginnendes Asthma bronchiale mit leichter Hyperreagibilität und einer Pollenallergie. Da die allergische Auslösung saisonal eingeschränkt ist, kann insoweit nach Teil B Nr. 8.5 VG für ein Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mit Hyperreagibilität und seltenen und/oder leichten Anfällen ein GdB von 10, also dem Mittelwert der dort vorgesehenen Spanne von 0 bis 20, angenommen werden. Eine Höherbewertung nach Teil B Nr. 8.3 VG scheidet aus. Die Lungenfunktionen der Klägerin sind nicht nennenswert eingeschränkt und jedenfalls nicht um jeweils bis zu 1/3 gegenüber den Sollwerten: Nach der von Dr. K. eingereichten Lungenfunktionsprüfung vom 28.07.2010 lagen die statischen Werte (Vitalkapazität - VC) bei 93,8 % und die dynamischen (Einsekundenkapazität - FEV1) bei 94,6 % des Sollwerts. Die Blutgaswerte waren normgerecht. Hinsichtlich der weiteren Beeinträchtigungen der Klägerin, insbesondere der Schilddrüsenerkrankung, verweist der Senat ebenfalls auf die Ausführungen in dem angegriffenen Gerichtsbescheid. c) Nach dem Hinzutreten der psychischen Erkrankung kann kein GdB von mehr als 50 angenommen werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob für die psychische Erkrankung ein Einzel-GdB von 30 angenommen werden kann. Eine solche Bewertung ist bei einer depressiven Erkrankung nach Teil B Nr. 3.7 VG erst gerechtfertigt, wenn sei stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verursacht. Für derartige Einbußen ist an sich nichts ersichtlich. Der behandelnde Psychiater Dr. L. hat unter dem 10.05.2011 - nur noch - von einer etwas herabgesetzten Schwingungsfähigkeit und einer traurigen Grundstimmung mit leichter Herabsetzung der Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit berichtet. Die weiteren Kriterien - Orientierung, Kontaktfähigkeit, Denkstörungen, Gedächtnisfunktionen, Suizidalität - für eine stärker behindernde Störung lagen nicht vor. Zu berücksichtigen ist zudem die vorbestehende Persönlichkeitsstruktur der Klägerin, die Dr. L. beschreibt, die aber keinen Krankheitswert hat. Ob daher nach wie vor die Diagnose einer schweren depressiven Episode, wie sie Dr. L. noch unter dem 13.10.2010 mitgeteilt hatte, gestellt werden kann, erscheint fraglich (vgl. hierzu die Anforderungen nach Nr. F32.2 der ICD-10 [Internationale Klassifikation der Krankheiten, hrsg. von der WHO]). Die Auswirkungen auf das psychische, physische und soziale Erleben der Klägerin waren jedenfalls nicht so erheblich, dass ein GdB von mehr als 30 in Betracht kommt. Ginge man hiernach von einem Einzel-GdB von nur 20 auf psychiatrischem Gebiet aus, so wäre ein Gesamt-GdB von 50 nicht zu erreichen. Jedenfalls kann ein noch höherer als der von der Beklagten ab dem 01.09.2010 festgestellte GdB von 50, selbst dann nicht angenommen werden, wenn die psychische Erkrankung tatsächlich mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet wird. d) Der höhere GdB von 50 kann auch, wie es der Beklagte anerkannt und wie es auch das SG entschieden hat, erst ab September 2010 festgestellt werden. Erstmals in diesem Monat, am 13.09.2010, hat sich die Klägerin in psychiatrische Behandlung begeben. Die Vorstellung 2006 bei Dr. L. betraf nur, wie der Arzt ausgesagt hat, das Carpaltunnelsyndrom. In der Zeit vor September 2010 sind keine medizinischen Unterlagen zu einer psychischen Erkrankung vorhanden, auch hat eine Behandlung nicht stattgefunden. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass hier schon eine psychische Erkrankung mit erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen vorlag. Eine solche Feststellung ist aber für die Zuerkennung eines GdB notwendig. Kann sie nicht erfolgen, weil entsprechende Nachweise und ggfs. Anknüpfungstatsachen fehlen, so geht dies zu Lasten des behinderten Menschen, der sich auf die fragliche Beeinträchtigung beruft.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt noch die Zuerkennung des Grades der Behinderung (GdB) von 50 bereits ab dem 11.02.2008 statt erst ab dem 01.09.2010. Die am 20.01.1953 geborene Klägerin ist Angehörige eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Am 11.02.2008 beantragte sie bei dem Landratsamt Konstanz als Versorgungsamt erstmals die Feststellung eines GdB. Sie verwies auf orthopädische Beeinträchtigungen an der Schulter und den Füßen sowie Krankheiten der Schilddrüse, der Gebärmutter und auf Hypertonie. Das LRA holte Befundscheine der behandelnden Ärzte ein. In der versorgungsärztlichen Auswertung vom 27.06.2008 schlug Dr. Jüngst vor, für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform und Arthrose des Großzehengrundlenks links (Einzel-GdB 20), für ein Bronchialasthma (10), Bluthochdruck (10) und Schwindel (10) einen Gesamt-GdB von 20 anzuerkennen. Diesen stellte das LRA mit Bescheid vom 03.07.2008 fest. Im Vorverfahren legte die Klägerin weitere ärztliche Unterlagen insbesondere zu Beeinträchtigungen der Wirbelsäule und zu den Fehlstellungen und Operationen an ihren Füßen vor. Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. A. vom 05.09.2008 wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2008 als unbegründet zurück. Am 31.10.2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie hat bereits hier geltend gemacht, schon die Funktionsstörung der Wirbelsäule bedinge einen GdB von 30. Insgesamt begehre sie - ab Antragstellung - einen GdB von 50. Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Aussagen des Allgemeinmediziners Dr. B. vom 07.12.2008, des Orthopäden Dr. C. vom 09.12.2008, des Chirurgen und Phlebologen Dr. D. vom 13.01.2009, des HNO-Arztes Dr. Blessing vom 25.04.2009 und des Neurochirurgen Dr. E. vom 06.10.2009 Bezug genommen. Sodann hat das SG die Klägerin von Amts wegen bei Dr. F. fachorthopädisch begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 07.03.2010 ausgeführt, die Klägerin leide an einer Polyarthrose der Hände, Beschwerden an der rechten Schulter wegen einer Rota-torenmanschettennaht (Revisions-OP am 08.01.2010 nach erstmaliger OP 2004) und subacromialer Dekompression, einem chronisch rezidivierenden cervicocephalen und cervicobrachialen (von oberer und unterer HWS ausgehenden) Wirbelsäulensyndrom bei Osteochondrose und degenerativen Bandscheibenveränderungen, an einem chronisch rezidivierenden lumboischialgieformen (LWS) Wirbelsäulensyndrom mit operativ behandeltem BSV (Bandscheibenvorfall) L4/L5 und an Senk-Spreiz-Füßen bds. mit Arthrodese D1 (Großzehengrundgelenk) links. Dr. F. hat für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule einen GdB von 20, für die übrigen Beeinträchtigungen jeweils einen GdB von 10 vorgeschlagen. Unter Berücksichtigung weiterer Erkrankungen (Bronchialasthma, Bluthochdruck, Schwindel) hat er einen Gesamt-GdB von 20 angenommen. Die Klägerin hat sodann den Entlassungsbericht der G.-Klinik, Dr. H., vom 31.03.2010 über einen stationären Aufenthalt vom 03.03. bis 31.03.2010 vorgelegt. Darin war insbesondere auf die Folgen der (operierten) Rotatorenmanschettenruptur und den Zustand nach (Z.n.) Operation des Bandscheibenvorfalls an der LWS hingewiesen. Unter dem 02.08.2010 hat der Beklagte der Klägerin im Vergleichswege die Zuerkennung eines GdB von 30 ab dem 01.01.2010 angeboten. Grundlage hierfür war die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. J. vom 29.07.2010, der - auch - die Beeinträchtigungen am rechten Schultergelenk mit einem Einzel-GdB von 20 (und damit höher als Dr. F.) bewertete. Auf Antrag der Klägerin hat das SG zwei weitere Behandler als Zeugen vernommen. Auf lungenfachärztlichem Gebiet hat Dr. K. unter dem 29.09.2010 von einer - nach einmaliger Vorstellung der Klägerin diagnostizierten - leichten und voll reversiblen Obstruktion bei normaler Sauerstoffsättigung berichtet. Der Neurologe und Psychiater Dr. L. hat mit Schreiben vom 13.10.2010 - erstmals - auch von einer psychischen Erkrankung der Klägerin berichtet, die er bei der Vorstellung der Klägerin am 13.09.2010 als schwere reaktive Depression diagnostiziert habe und die er mit Citalopram 20 und Opipramol 100 behandle. Ergänzend hat Dr. L. unter dem 10.05.2011 berichtet, die Klägerin habe sich im Oktober, Januar und Mai jeweils einmal erneut vorgestellt, die Klägerin sei auf Grund "der festgestellten Tumorerkrankung" ängstlich-verunsichert, die Persönlichkeitsstruktur weise auf begleitende dysthyme Anteile im Sinne einer neurotischen Depressivität hin, die Situation habe sich stabilisiert, wobei die Beschwerden chronifiziert seien, die Behandlung werde unverändert fortgeführt. Auf Grund einer versorgungsärztlichen Auswertung dieser Aussagen durch Dr. M. vom 29.07.2011 (zusätzliche Anerkennung einer Depression mit einem Einzel-GdB 30), hat der Beklagte der Klägerin angeboten, zusätzlich zu dem GdB von 30 ab 01.01.2010 einen GdB von 50 ab dem 01.09.2010 anzuerkennen. Auf Antrag der Klägerin hat das SG den HNO-Arzt Dr. N. vernommen. Dieser hat unter dem 18.10.2011 mitgeteilt, es bestehe eine gering- bis mäßiggradig ausgeprägte Innenohrhörstörung mit relativen Hörverlusten von 20 % rechts und 23 % links. Mit Gerichtsbescheid vom 25.01.2012 hat das SG den Beklagten unter entsprechender Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 30 ab dem 01.01.2010 und von 50 ab dem 01.09.2010 festzustellen, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die depressive Erkrankung der Klägerin sei allenfalls als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem GdB von 30 zu belegen. Für die Wirbelsäulenerkrankung sei ein GdB von "30" (gemeint: 20) angemessen, ebenso ein solcher von 20 für die Schulterbeschwerden. Weitergehende Einschränkungen der Beweglichkeit oder Schmerzreizungen seien nicht zu erkennen. Für die Lungenerkrankung bei lediglich leichter Obstruktion sei nur ein GdB von 10 anzuerkennen. Ebenso bedingten die beginnende Fingerendgelenksarthrose, die Senk-Spreiz-Füße mit Hallux valgus und Fersensporn, das Carpaltunnelsyndrom, die Hypertonie und die Schwindelattacken je einen GdB von 10. Die Schilddrüsenbeschwerden und die Entfernung der Gebärmutter bedingten keinen GdB von wenigstens 10. Zusammenfassend ergebe sich ab dem 01.01.2010 - dem Hinzutreten erheblicher Schulterbeschwerden nach der OP vom 08.01.2010 - ein GdB von 30. Ab dem 01.09.2010 - wegen des Hinzutretens der depressiven Erkrankung, die erstmals bei der Vorstellung der Klägerin bei Dr. L. am 13.09.2010 diagnostiziert worden sei - könne ein Gesamt-GdB von 50 angenommen werden. Wegen der weiteren Ausführungen und der Begründungen im Einzelnen wird auf den angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen. Das LRA Konstanz hat den Gerichtsbescheid mit Bescheid vom 10.02.2012 ausgeführt. Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.01.2012 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 16.02.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, ihre orthopädischen Beeinträchtigungen hätten schon vor dem Hinzutreten der psychischen Erkrankung zu einem Gesamt-GdB von 50 geführt.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 25. Januar 2012 abzuändern und den Beklagten unter weitergehender Abänderung des Bescheids vom 03. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2008 zu verurteilen, bei ihr für die Zeit ab dem 11. Februar 2008 einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 (fünfzig) festzustellen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Götz vom 17.04.2013 den angegriffenen Gerichtsbescheid. Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat den Facharzt für Orthopädie Dr. O. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Sachverständige hat unter dem 18.02.2013 nach einer Untersuchung der Klägerin am 19.10.2012 bekundet, es sei schwierig zu sagen, welche der heute vorliegenden Gesundheitsschäden (chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom in drei Abschnitten, Z.n. zweimaliger OP der rechten Schulter mit Naht der Rotatorenmanschette und subacromialer Dekompression, Impingement-Syndrom rechts, Rhizarthrose bds., milde Fingerpolyarthrose bds., Z.n. Carpaltunnelsyndrom bds., Coxalgie bds. ohne nennenswerte Arthrose und ohne Funktionseinbußen, Gonarthrose bds. mit mild ausgeprägter Arthrose und muskulär kompensierbarer Instabilität des Kapsel-Band-Apparats, Z.n. Versteifung des Großzehengrundgelenks links sowie Senk-Spreizfuß und Hallux valgus rechts ohne statische Beeinträchtigung) sicher schon seit 2008 bestanden hätten und welche Auswirkungen sie jeweils gehabt hätten. Erfahrungsgemäß seien Wirbelsäulenschäden schon jahrelang vorhanden, bis sie exazerbierten oder operiert würden. Dr. E. habe die Klägerin bereits 2008 behandelt. Hier und bei der Schulter und den Carpaltunnelsyndromen sei von einer jahrelangen und daher höchstwahrscheinlich schon 2008 bestehenden Störung auszugehen. Bei den Kniegelenken sei nach den vorliegenden Untersuchungen (Messung bei Dr. F.) von einer leichten Verschlechterung seit 2008 auszugehen. Bezogen auf die Untersuchung jetzt sei von Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulensyndrom, Einzel-GdB von je 10 für die Schulterschäden einschließlich des Impingement-Syndroms, für die Gonalgie und die Schäden am Großzehengrundgelenk auszugehen. Dagegen bedingten die Rhizarthrose, die Fingerpolyarthrose, der Z.n. Carpaltunnelsyndrom, die Coxalgie und die Schäden an den Füßen jeweils keinen GdB. Wegen der weiteren Feststellungen und Einschätzungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen. Der Beklagte hat sich unter dem 27.05.2013, die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.06.2013 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG auf die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) den Beklagten nur zur Feststellung eines GdB von 30 ab Januar und von 50 ab September 2010 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Klägerin kann von dem Beklagten für die Zeitabschnitte von der Antragstellung am 11.02.2008 bis Ende 2009, von Januar bis September 2010 sowie ab Oktober 2010 nicht die Zuerkennung jeweils eines höheren GdB verlangen. a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Grades der Behinderung nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie die Anforderungen an die Festlegung eines GdB für einzelne Behinderungen bzw. krankheitsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen nach den Kriterien der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), der Anlage zu § 2 der nach § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). b) Hiernach bestand bei der Klägerin bis Ende 2009 ein Gesamt-GdB von 20; ab Januar 2010 konnte insoweit ein Gesamt-GdB von 30 anerkannt werden. aa) Hinsichtlich der orthopädischen Beeinträchtigungen stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die Feststellungen und Vorschläge der beiden Sachverständigen, kann aber den jeweils vorgeschlagenen GdB nicht vollständig folgen. Dr. F. hatte noch im März 2010 - also nach der Revisions-OP an der Schulter der Klägerin am 18.01.2010 - einen GdB von 20 für die Wirbelsäule angenommen. Er hatte zwar Beeinträchtigungen an zwei Abschnitten (HWS und LWS) festgestellt, diese aber nicht als mittel-, sondern nur als geringgradig eingestuft. Dies erscheint nachvollziehbar. Dr. F. hatte nur eine leichte Hohlrückenbildung festgestellt, die er als muskulär bedingt und teilweise reversibel eingestuft hat. Eine Skoliose im Sinne einer Verformung, wie sie die VG voraussetzen, konnte er dagegen nicht feststellen. Für die Bewertung relevante Beweglichkeitseinschränkungen bestanden allenfalls an der HWS, und dies nur in äußerst geringem Maße: Die Vor- und Rückneigung war mit 45/0/45° (jeweils gemessen nach der Neutral-Null-Methode) gerade noch normgerecht, die Seitneigung war gut, die Drehfähigkeit mit 30° bds. nur etwas eingeschränkt, die Entfaltbarkeit normal (Ott’sches Zeichen 30:32 cm). An der LWS bestanden keine wesentlichen Einschränkungen: Seitneigung und Drehung (je 30/0/30°) waren normgerecht, die Entfaltbarkeit sogar etwas besser (Schober’sches Zeichen 10:16 bzw. 10:14 bei Normwerten 10:15 bzw. 10:13 cm). Die Klägerin konnte bei der Vorneigung einen Finger-Boden-Abstand von 0 erreichen. Es blieben lediglich die von der Klägerin geklagten, z.T. nicht verifizierbaren Schmerzen. Vor diesem Hintergrund konnte damals die Wirbelsäulenbeeinträchtigung nur mit einem GdB von 10 bewertet werden. Ein GdB von 20 setzt nach Teil B Nr. 18.9 VG mindestens mittelgradige Beeinträchtigungen in einem Abschnitt voraus. Bei nur geringen Beeinträchtigungen selbst in mehreren Abschnitten bleibt es bei dem in erster Stufe vorgesehenen GdB von 10. Dr. O. hat in seinem Gutachten in etwa die gleichen Bewegungsmaße ermittelt wie Dr. F. (S. 6 des Gutachtens), nur einen schlechteren FBA von 16 cm und ein unterdurchschnittliches Schober’sches Zeichen von 10:11. Er hat aber sodann - in Übereinstimmung mit Dr. F. - ausgeführt, die "rein mechanische" Betrachtungsweise der genannten Maße ergebe eigentlich ein nur mäßig ausgeprägtes Bild eines WS-Leidens. Dr. O. hat aber die Schmerzen etwas stärker in den Vordergrund gerückt und außerdem drei WS-Abschnitte für betroffen gehalten. Deshalb hat er für die Wirbelsäule einen GdB von 30 vorgeschlagen. Dem folgt der Senat nicht vollständig. Zwar lässt sich vertreten, dass - nunmehr - Beeinträchtigungen auch an der BWS als dem dritten WS-Abschnitt vorlagen: Dr. O. hat dort einen Klopfschmerz und eine sehr milde linkskonvexe Seitneigung gesehen. Aber auch dies sind allenfalls äußerst geringfügige Einschränkungen. Nach seinen Feststellungen kann daher allenfalls von (nunmehr) mittelgradigen Beeinträchtigungen an einem Abschnitt, der LWS, und geringgradigen an den anderen beiden Abschnitten gesprochen werden. Für einen GdB von 30 sind aber nach Teil B Nr. 18.9 VG mittelgradige Beeinträchtigungen an wenigstens zwei Abschnitten notwendig. bb) Gleichwohl lassen sich die GdB-Werte von 20 und 30, wie sie Dr. F. und Dr. O. auch als Gesamt-GdB vorgeschlagen haben, rechtfertigen. Bei der Klägerin bestanden nämlich auch Beeinträchtigungen an der rechten Schulter in Folge der beiden Operationen wohl im Nachgang zu einer Rotatorenmanschettenruptur, die durchgängig einen GdB von 20 bedingen können. Dr. O. hat insoweit ausdrücklich auch ein Impingement-Syndrom diagnostiziert, während Dr. F. - nur - von einer subacromialen Dekompression, also womöglich einer vorbestehenden Enge, gesprochen hat. An der rechten Schulter liegen auch etwas stärkere Bewegungseinschränkungen vor: Dr. F. hatte Armhebungen von 60° seitwärts und 90° vorwärts am rechten Arm gemessen (links: 180°, 180°; Normwerte 180°, 170°). Für eine restliche Armhebung "bis zu 90°" bei "entsprechender" Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit kann aber nach Teil B Nr. 18.13 VG ein GdB von 20 vergeben werden. Dies erscheint hier vertretbar. cc) Ein noch höherer Gesamt-GdB als 20 bzw. 30 ab Januar 2010 besteht dagegen nicht. Es lagen keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von wenigstens 20 vor. Beeinträchtigungen mit einem GdB von bis zu 10 aber führen nach Teil A Nr. 3 lit. d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VG nur in sehr seltenen Ausnahmefällen zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Der Bluthochdruck der Klägerin war nach Teil B Nr. 9.3 VG mit einem GdB von 0 bis 10 zu bewerten, da keine oder nur geringe Leistungsbeeinträchtigungen und höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen vorlagen. Die Lungenerkrankung bedingt ebenfalls keinen GdB von wenigstens 20. Dr. K. hat in seiner Zeugenaussage vom 29.09.2010 mitgeteilt, es bestehe ein beginnendes Asthma bronchiale mit leichter Hyperreagibilität und einer Pollenallergie. Da die allergische Auslösung saisonal eingeschränkt ist, kann insoweit nach Teil B Nr. 8.5 VG für ein Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mit Hyperreagibilität und seltenen und/oder leichten Anfällen ein GdB von 10, also dem Mittelwert der dort vorgesehenen Spanne von 0 bis 20, angenommen werden. Eine Höherbewertung nach Teil B Nr. 8.3 VG scheidet aus. Die Lungenfunktionen der Klägerin sind nicht nennenswert eingeschränkt und jedenfalls nicht um jeweils bis zu 1/3 gegenüber den Sollwerten: Nach der von Dr. K. eingereichten Lungenfunktionsprüfung vom 28.07.2010 lagen die statischen Werte (Vitalkapazität - VC) bei 93,8 % und die dynamischen (Einsekundenkapazität - FEV1) bei 94,6 % des Sollwerts. Die Blutgaswerte waren normgerecht. Hinsichtlich der weiteren Beeinträchtigungen der Klägerin, insbesondere der Schilddrüsenerkrankung, verweist der Senat ebenfalls auf die Ausführungen in dem angegriffenen Gerichtsbescheid. c) Nach dem Hinzutreten der psychischen Erkrankung kann kein GdB von mehr als 50 angenommen werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob für die psychische Erkrankung ein Einzel-GdB von 30 angenommen werden kann. Eine solche Bewertung ist bei einer depressiven Erkrankung nach Teil B Nr. 3.7 VG erst gerechtfertigt, wenn sei stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verursacht. Für derartige Einbußen ist an sich nichts ersichtlich. Der behandelnde Psychiater Dr. L. hat unter dem 10.05.2011 - nur noch - von einer etwas herabgesetzten Schwingungsfähigkeit und einer traurigen Grundstimmung mit leichter Herabsetzung der Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit berichtet. Die weiteren Kriterien - Orientierung, Kontaktfähigkeit, Denkstörungen, Gedächtnisfunktionen, Suizidalität - für eine stärker behindernde Störung lagen nicht vor. Zu berücksichtigen ist zudem die vorbestehende Persönlichkeitsstruktur der Klägerin, die Dr. L. beschreibt, die aber keinen Krankheitswert hat. Ob daher nach wie vor die Diagnose einer schweren depressiven Episode, wie sie Dr. L. noch unter dem 13.10.2010 mitgeteilt hatte, gestellt werden kann, erscheint fraglich (vgl. hierzu die Anforderungen nach Nr. F32.2 der ICD-10 [Internationale Klassifikation der Krankheiten, hrsg. von der WHO]). Die Auswirkungen auf das psychische, physische und soziale Erleben der Klägerin waren jedenfalls nicht so erheblich, dass ein GdB von mehr als 30 in Betracht kommt. Ginge man hiernach von einem Einzel-GdB von nur 20 auf psychiatrischem Gebiet aus, so wäre ein Gesamt-GdB von 50 nicht zu erreichen. Jedenfalls kann ein noch höherer als der von der Beklagten ab dem 01.09.2010 festgestellte GdB von 50, selbst dann nicht angenommen werden, wenn die psychische Erkrankung tatsächlich mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet wird. d) Der höhere GdB von 50 kann auch, wie es der Beklagte anerkannt und wie es auch das SG entschieden hat, erst ab September 2010 festgestellt werden. Erstmals in diesem Monat, am 13.09.2010, hat sich die Klägerin in psychiatrische Behandlung begeben. Die Vorstellung 2006 bei Dr. L. betraf nur, wie der Arzt ausgesagt hat, das Carpaltunnelsyndrom. In der Zeit vor September 2010 sind keine medizinischen Unterlagen zu einer psychischen Erkrankung vorhanden, auch hat eine Behandlung nicht stattgefunden. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass hier schon eine psychische Erkrankung mit erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen vorlag. Eine solche Feststellung ist aber für die Zuerkennung eines GdB notwendig. Kann sie nicht erfolgen, weil entsprechende Nachweise und ggfs. Anknüpfungstatsachen fehlen, so geht dies zu Lasten des behinderten Menschen, der sich auf die fragliche Beeinträchtigung beruft.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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