S 21 AS 3986/10 WA

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AS 3986/10 WA
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 50/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Bescheide des Beklagten vom 14.08.2006, 19.10.2006 und 15.02.2007 in Form des Widerspruchbescheids vom 25.09.2007 werden teilweise aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an den Kläger – als Mitglied der temporärer Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater – zu dessen Händen für die Zeit vom 08.09.2005 bis 06.04.2008 insgesamt 1954,50 Euro abzgl. In diesem Zeitraum vom Beklagten jeweils monatlich gezahlter 40,00 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der mit der Ausübung des Umgangsrechts zwischen einem Elternteil und seinem Kind verbundenen Kosten im Streit. Der im Jahr 2000 geborene Kläger – in diesem Verfahren gesetzlich vertreten durch den Kindesvater ausweislich der Einwilligung der Kindesmutter – ist Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter, die Leistungen nach dem SGB II von dem Leistungsträger der Stadt X bezieht. In diesem Rahmen erhielt der Kläger ebenfalls Leistungen. Seine Eltern sind geschieden. Sein Vater der vormalige Kläger steht im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die Kindeseltern waren nach Trennung zerstritten über die Frage der elterlichen Sorge und des Umgangs. Vor dem Familiengericht Wuppertal waren und sind eine Vielzahl von Verfahren zur Frage des Umgangs und der elterlichen Sorge rechtshängig. Im Juni 2007 wurde vor durch das Amtsgericht Wuppertal – Familiengericht – unter Aufhebung älterer Umgangsvereinbarung eine Umgangsregelung dahingehend getroffen, dass der Kläger zu 1) alle 2 Wochen freitags, 17.00 Uhr bis sonntags, 18.00 Uhr bei seinem Vater ist; zusätzlich am 2. Weihnachts- und Osterfeiertag jeweils in der Zeit von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Darüber hinaus wurde geregelt, dass er die letzten beiden vollen Wochen der NRW-Sommerferien bei seinem Vater in der Zeit von Samstag 10.00 Uhr bis (2 Wochen später) Samstag 18.00 Uhr verbringen soll. Die vorhergehende Regelung, wie sich aus den Gründen des vorgenannten Beschlusses ergibt, war dahingehend getroffen worden, dass ein regelmäßiger Umgang in der Zeit von Donnerstag bis zum darauffolgenden Monat alle 14 Tage stattfinden sollte und darüber hinaus eine Ferienregelung für die Oster-, Sommer- und Winterferien getroffen wurde. Diese Regelung wurde mit einstweiliger Anordnung vom 18.07.2006 dahingehend beschränkt, dass mit Schulbeginn der regelmäßige 14-tägige Umgang beschränkt war auf den Zeitraum freitags (Schulschluss) bis Montags (Schulbeginn). Es wurde ein Umgangspfleger bestellt, der für die Durchführung des Umgangsrechts sorgte. Gegen den Beschluss vom 15.06.2007 legte der Kindesvater Beschwerde zum Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Auf die Beschwerde wurde das Umgangsrecht dahingehend erweitert, dass der Weihnachtskontakt in der Zeit vom 2. Weihnachtsfeiertag 10.00 Uhr bis Neujahrstag 18.00 Uhr, von jedem 2. Osterfeiertag bis zu dem darauffolgenden Samstag 18.00 Uhr sowie in der 2. Woche der Herbstferien NRW beginnend mit dem jeweiligen Freitag von 17.00 Uhr bis Samstag 18.00 Uhr sowie in der 2. Hälfte der Sommerferien NRW von freitags 17.00 Uhr bis samstags 18.00 Uhr stattfindet. Es wurde weiterhin ein Umgangspfleger eingesetzt.

Am 05.09.2005 beantragte der Vater des Klägers bei dem Beklagten, ihm die Kosten des Umgangs mit seinem Sohn als Hilfe in besonderen Lebenslagen zu gewähren. Dies wurde mit Bescheid vom 26.10.2005, da die bei Ausübung des Umgangs entstehenden Kosten grundsätzlich vom Regelsatz umfasst seien, abgelehnt. Ergänzend wurde auf die Einzelfallregelung nach § 23 SGB II hingewiesen. Der Widerspruch gegen diese Entscheidung datiert vom 05.11.2005. Ein Anhörungsschreiben des Beklagten wurde am 11.01.2006 verfasst. Im Rahmen einer Untätigkeitsklage, die unter dem Aktenzeichen S 35 AS 118/06 geführt wurde, überprüfte der Beklagte seine Rechtsposition; aus der internen Stellungnahme des Beklagten vom 14.06.2006 geht hervor, dass der Beklagte die Rechtsposition, die zur Ablehnung von Zahlungen führte unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und § 23 Abs. 1, S. 1 SGB II nicht mehr aufrecht halten werde. Das Verfahren wurde dann auch von Beklagtenseite für erledigt erklärt und es wurde dann rückwirkend für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis 31.03.2007 ergänzende Leistungen nach § 23 Abs. 1, S. 1 SGB II i.H.v. 90,00 Euro monatlich bewilligt mit Bescheid vom 19.10.2006. Der Kindesvater hatte zuvor unter dem 28.02.2006 sowie 22.05.2006 Folgeanträge hinsichtlich der Kostenübernahme gestellt, diese waren in das vorgenannte Verfahren ebenfalls einbezogen. Gegen den (Änderungs-)Bescheid vom 19.10.2006 wurde am 16.11.2006 Widerspruch eingelegt. Im Rahmen des Widerspruchverfahrens wurde vom Kindesvater mitgeteilt, dass der Mehrbedarf 125,00 Euro betrage.

Am 05.07.2006 stellte der Kindesvater einen weiteren (Folge-) Antrag zur Übernahme von kulturellen Kosten (z.b. Russischkurs und Mathematiknachhilfe) Dieser Antrag wurde am 14.08.2006 abgelehnt. Widerspruch wurde am 29.08.2006 eingelegt. Diesbezüglich erfolgte die Anhörung am 02.10.2006. Weitere Leistungen i.H.v. 90,00 Euro monatlich wurden mit Bescheid vom 15.02.2007 versagt. Der Widerspruch wurde am 12.03.2007 gefertigt. Am 25.09.2007 wurde der Widerspruchbescheid erlassen. Hier bezieht sich der Widerspruch in der Betreffzeile auf den Bescheid vom 14.08.2006. Gleichzeitig wurde mit diesem Widerspruchsbescheid auch über die Widersprüche gegen die monatlich bewilligen 90,00 Euro entschieden. Im Juni 2007 beantragte der Kindesvater zusätzlich beim Amt für soziale Sicherung und Integration für die ihm durch die Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Fahrtkosten eine Hilfe in besonderen Lebenslagen. Dieser Antrag wurde positiv beschieden. Hinsichtlich der bewilligten Leistungen i.H.v. 90,00 Euro ist ein anteiliger Betrag von 50,00 Euro für Fahrtkosten angesetzt.

Der Kläger trägt vor: Es bestehe ein Anspruch auf Zahlung des anteiligen Tagessatzes für die Zeiten des Umgangs. Diese seien im Regelbedarf nicht enthalten. Zu beachten sei, dass bereits das Bundessozialgericht davon ausgehe, dass in den Zeiten des Umgangs eine temporäre Bedarfsgemeinschaft vorliege. Bei einer Regelleistung von 207 Euro betrage der Tagessatz 6,90 für den Zeitraum vom 08.08.2005 bis 07.10.2007. Dies seien 223 Tage, wobei bei der Berechnung der jeweils letzte Umgangstag nicht mitgezählt worden sei. Dies entspreche einem Betrag von 1538,70 Euro. Von Juli 2007 bis Juni 2008 habe der Tagessatz bei 6,93 Euro gelegen. Unter Berücksichtigung von 95 Umgangstagen mit mehr als 12 Stunden seien 658,35 Euro zu zahlen. Im August 2008 seine – bei einem Tagessatz von 7,03 Euro – 6 Umgangstage angefallen. Dies entspreche einem Betrag von 42,18 Euro.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 14.08.2006, 19.10.2006 sowie 15.02.2007 in der Fassung der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 25.09.2007 zu verurteilen, an den Kläger zu Händen des Kindesvaters einen Betrag i.H.v. 1954,50 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor: Dass die Umgänge an den geltend gemachten Tagen stattgefunden habe, müsse mit Nichtwissen bestritten werden. Weiterhin sei die hier streitige Frage höchstrichterlich noch nicht entschieden. Zu beachten sei, dass unabhängig von der Frage, ob eine temporäre Bedarfsgemeinschaft besteht, der Kläger bereits Sozialgeld in X erhalte und seine Mutter ebenfalls Leistungen nach dem SGB II von dort beziehe. Weitere Leistungen könnten auch vor dem Hintergrund der Regelung des § 73 SGB XII vom hier verklagten Leistungsträger nicht erbracht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zu der Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen. Die Verwaltungsakte war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Das Gericht hat Beweis erhoben gem. dem Beweisbeschluss vom 27.01.2012 (Bl. 129 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen H und L. Wegen des Ereignisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2012 (Bl. 128 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenständlich sind die im Tenor näher aufgeführten Bescheide in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 25.09.2007. Da der Kläger als Mitglied der temporären Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater keine Leistungen erhalten hat und ergänzende Leistungen lediglich bis 30.09.2007 gezahlt worden sind, war es zulässig im Rahmen des Klageverfahrens den streitgegenständlichen Zeitraum auf die Zeit bis April 2008 zu erstrecken.

Nachdem die Parteien nach Durchführung der Beweisaufnahme unstreitig gestellt haben, dass im Jahr 2005 an 46 Tagen, im Jahr 2006 an 126 Tagen, im Jahr 2007 an 99 Tagen sowie im Jahr 2008 an 12 Tagen der Kläger jeweils mehr als 12 Stunden bei seinem Vater war, hat der Kläger für jeden Aufenthaltstag als Teil der Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 1/30 des maßgeblichen Regelsatzes. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen H und L – ergänzt durch die Aufstellung des Kindesvaters – erklärten die Beteiligten übereinstimmend die vorgenannten Umgangstage für unstreitig. Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II besagt, dass nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld erhalten, sofern sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Die sich aus § 19 Satz 2 SGB II ergebenden Leistungen (§ 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II) sind in diesem Anspruch enthalten. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Regelleistung im streitigen Zeitraum bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II maßgebenden Regelleistung beträgt (§ 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II). Da die Abhängigkeit des Leistungsanspruchs vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen abhängt, ist es weitere Voraussetzung, dass der Kläger seinen Bedarf weder aus seinem eigenem Einkommen oder Vermögen (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) noch aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen anderer zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen sichern kann (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II).

Dies ist hier der Fall. Eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft hat zwischen dem Kläger und seinem Vater in dem hier relevanten Zeitraum bestanden. Dass er seinen eigentlichen Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter, der Zeugin H hat und hatte und sich somit nur im Rahmen der Besuchskontakte bei dem Kindesvater aufgehalten hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn laut der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urt. v. 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R; Urt.v. 02.07.2009, Az.: B 14 AS 75/08 R) kann ein dem Haushalt angehörendes Kind mit seinem erwerbsfähigen und hilfebedürftigen Vater eine (zeitweise) Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II bilden. So hat die höchstrichterliche Rechtsprechung aus ausgeführt, "( ) dass die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nach ihrem Wortlaut kein dauerhaftes "Leben" der unverheirateten Kinder im Haushalt des jeweiligen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verlangt, wie es etwa für andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in den Tatbeständen des § 7 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 SGB II vorausgesetzt wird. Es genügt vielmehr ein dauerhafter Zustand in der Form, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit länger als einen Tag bei einem Elternteil wohnen, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen ( )". Das BSG hat in der vorgenannten Entscheidung diesbezüglich ausführt, dass "( ) Diese Auslegung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, die eine SGB-II-immanente Lösung des Problems der Umgangskosten sicherstellt, angesichts der besonderen Förderungspflicht des Staates nach Art 6 Abs 1 Grundgesetz geboten ist ( ) und hat es insoweit für genügend gehalten, wenn sich das Kind entsprechend der von seinen Eltern getroffenen Umgangsregelung vierzehntägig an den Wochenenden sowie für zwei Wochen während der Sommerferien im Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils aufhält ( )". Höchstrichterlich wurde dann nach den vorgenannten Ausführungen eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft mit dem umgangsberechtigen Elternteil grundsätzlich für jeden Kalendertag angenommen, an dem sich das Kind überwiegend - in der Regel länger als zwölf Stunden bezogen auf den Kalendertag – dort aufhält.

Nachdem nunmehr unstreitigen Ergebnis der Beweisaufnahme war dies im hier relevanten Zeitraum der Fall. Der Kläger befand sich im Jahr 2005 und bis zum Schuleintritt im Jahr 2006 jeweils zum Wochenende insgesamt für mindestens 4 Tage beim Kindesvaterim sowie auch überwiegend während der üblichen Ferienzeiten, wobei die Kammer hierbei nicht verkennt, dass der Kläger im Jahr 2005 noch ein sog. Kindergartenkind war; die Eltern sich aber hinsichtlich von Ferienregelungen an den Schulferien orientiert haben. Im weiteren Verlauf des Jahres 2006 waren die Wochenendkontakte zunächst auf 3 Tage i.S.d. vorgenannten Rechtsprechung reduziert, um dann zunächst im Jahr 2007 teilwiese wieder an insgesamt 4 Tagen stattzufinden.

Die Kammer folgt der Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung (LSG NRW, Urt. v.20.01.2011, Az.: L 7 AS 119/08), "dass die Regelleistungen für den Lebensunterhalt (§§ 28 Abs. 1 Satz 2 und 3, 19 Satz 1, 20 Abs. 1 und 2 SGB II) dem Kläger auch grundsätzlich in voller Höhe zusteht. Abschläge für Bedarfe, die in der temporären Bedarfsgemeinschaft regelmäßig oder gar typischerweise nicht zu decken sind (Bekleidung, Haushaltsgeräte usw.) kommen grundsätzlich nicht in Betracht, was aus dem Gedanken der Pauschalierung der Regelleistung folgt (BSG, Urt. v. 02.07.2009 Az.: B 14 AS 75/08 R)".

Dass der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 9, 11 ff SGB II gewesen ist, steht außer Frage. Denn weder hatte er eigenes Einkommen verfügt, noch wurde vom Kindesvater Einkommen bedarfdeckendes Einkommen erzielt, welches zu berücksichtigen wäre (§ 11 Abs. 1, § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Dass an die Kindesmutter bereits Sozialgeld ausgezahlt wurde, ist nicht relevant. Denn dieses stand nicht zur Verfügung. Unstreitig erhielt die Kindesmutter dieses Sozialgeld im Wege der Überweisung. Eine anteilige Auszahlung des Sozialgeldes von der Kindesmutter an den Kindesvater hat nicht stattgefunden, was unstreitig ist. Eine mittelbare Weiterleistung in Form von Sachleistungen ist unstreitig ebenfalls nicht erfolgt. Hierbei dürfte auch bereits zu berücksichtigen sein, dass familienrechtlich die Kindesmutter hierzu auch nicht verpflichtet ist; sie hat lediglich für eine angemessene Bekleidung (Wechselkleidung) sowie die Mitgabe von unerlässlichen Dingen, wie z. b. besonders notwendige Medikamente, zu sorgen. Unabhängig davon, dass die Nichtweiterleitung des Sozialgeldes zwischen den Parteien unstreitig ist, spricht dagegen auch das höchststreitige Verhältnis der Kindeseltern. Die Frage des Umgangs und des Sorgerechts war Gegenstand einer Vielzahl von familiengerichtlichen Verfahren.

Zu berücksichtigen ist auch, wie auch bereits obergerichtlich ausgeführt, dass der Kläger nicht auf eine Geltendmachung seines Bedarfs gegenüber seiner Mutter im Rahmen eines Klageverfahrens verwiesen werden kann. "( )Ein solcher Verweis erscheint schon deswegen ungeeignet, weil nach der Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB II ein möglicher Unterhaltsanspruch des Empfängers von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach bürgerlichem Recht nicht auf den Träger der Leistungen nach dem SGB II übergeht, wenn die unterhaltsberechtigte Person mit dem Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Insofern tritt das Selbsthilfegebot nach § 2 SGB II hinter die spezielle Regelung des § 33 SGB II zurück (Münder in LPK-SGB II, 3. Auflage, 2009, § 33, Rdn. 34)( )" (LSG NRW Urt. v.20.01.2011,Az.: L 7 AS 119/08).

"( ) Anknüpfungspunkt für die Sozialhilfe ist nach ständiger Rechtsprechung die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen, als sein – tatsächliches – Unvermögen, sich die Mittel zu beschaffen, die eine Lebensführung ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht (Faktizitätsprinzip). Jedoch folgt aus dem in § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II normierten Subsidiaritätsprinzip, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden dürfen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. In diesem Zusammenhang steht grundsätzlich auch die Verpflichtung des Hilfesuchenden, alle Selbsthilfemöglichkeiten auszuschöpfen (§ 2 SGB II). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), dass eine Hilfebedürftigkeit nicht besteht, wenn mit realisierbaren Ansprüchen bzw. "bereite" Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen. Ansprüche bzw. Rechte sind dabei nur dann in angemessener Zeit realisierbar, wenn sie rechtzeitig zur Deckung des Bedarfs durchgesetzt werden können. Es genügt dagegen nicht, wenn Abhilfe allenfalls im Wege des langwierigen Rechtsmittelverfahrens möglich ist ( )"(LSG NRW, Urt.v.20.01.2011, Az.: L 7 AS 119/08).

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, der in Art. 6 GG besonders normierte Schutz der Familie und die besondere staatliche Förderungspflicht diesbezüglich. Sofern der Kläger und/oder der Kindesvater tatsächlich auf langwierige Klage- und Rechtsmittelverfahren verwiesen würden, könnte dies in ähnlich gelagerten Fällen, dann zu einer tatsächlichen Vereitelung des Umgangs führen.

Im Ergebnis führt dies dann insgesamt dazu, dass ein Betrag von 1954,50 Euro an den Kläger zu Händen des Kindesvaters zu zahlen ist. Hierbei war zu berücksichtigen, dass im Jahr 2005 an 46 Tagen Umgänge i.S.d. vorgenannten Ausführungen stattgefunden haben. Bei einem anteiligen Tagessatz von 6,90 Euro ergibt dies 317,40 Euro. In den Jahren 2006 lag der anteilige Tagessatz ebenfalls bei 6,90 Euro. Bei 126 Umgangstagen ergibt dies einen Betrag i.H.v. 869,40 Euro. In 2007 lag bei 51 Umgangstagen der anteilige Tagessatz bei 6,90 Euro, was einem Betrag von 351,90 Euro entspricht. Der Tagesssatz erhöhte sich zum Juli 2007 auf 6,93 Euro, so dass für 48 Umgangstage der Betrag 332,64 Euro beträgt. Da für den hier noch umgangstechnisch relevanten Zeitraum in 2008 der Tagessatz unverändert blieb, sind für weitere 12 Tage insgesamt 83,16 Euro zu veranschlagen. Dies entspricht dann in der Addition der ausgeurteilten Summe. Zu beachten ist allerdings, dass die ergänzenden Zahlungen i.H.v. 90,00 Euro monatlich soweit sie als Hilfe für besondere Lebenslagen und nicht für die Fahrtkosten gezahlt wurden, die zu zahlende Summe reduzieren. Zwar hat die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeführt, wie bereits vorstehend erläutert – dass Abschläge für Bedarfe, die in der temporären Bedarfsgemeinschaft regelmäßig oder gar typischerweise nicht zu decken sind (Bekleidung, Haushaltsgeräte, usw.) grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Zu beachten ist aber, dass es bei dem Abzug gerade nicht um eine individuelle Bedarfsberechnung geht, sondern dass diejenigen Zahlungen, die von der Beklagtenseite im Hinblick auf den Umgang unter Verneinung eines weitergehenden Anspruchs als Leistung bedarfsmindernd zu berücksichtigen sind. Laut unstreitiger Auskunft des Beklagten und ausweislich der diesbezüglichen Bescheide entfiel ein Betrag von 50,00 Euro auf die Fahrtkosten, so dass die weiteren 40,00 Euro hier im konkreten Fall berücksichtigt werden können.

Der Sozialhilfeträger ist nicht beizuladen nach § 75 Abs. 2, 2. Alternative SGG. In dem hier konkret vorliegenden Streitfall kommt der Sozialhilfeträger als Leistungspflichtiger nicht in Betracht. Aus diesem Grund ist auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers hier nicht anwendbar (BSG, Urt.v. 7.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Rechtskraft
Aus
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