L 9 SO 485/13 B ER; L 9 SO 486/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 39 SO 355/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 485/13 B ER; L 9 SO 486/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt grundsätzlich bei Ablehnung des Kammervorsitzenden vor der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht in Betracht.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.10.2013 über die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.10.2013 über die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche einstweilige Anordnungsverfahren wird als unzulässig verworfen. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Kosten sind auch in den Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 15.10.2013 über die Ablehnung seiner Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Eilverfahren haben keinen Erfolg.

1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung seines sinngemäß gestellten Antrags, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verurteilen, ihm eine Beihilfe für den Einbau eines Treppenliftes in die von ihm bewohnte Wohnung zu gewähren, ist unbegründet.

a) Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig ist. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Beschluss an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt u.a. dann, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, sein Rechtsschutzziel ohne gerichtliche Hilfe zu erreichen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die begründete Aussicht besteht, dass der Antragsteller die begehrten Leistungen durch zumutbare Mitwirkungshandlungen gegenüber der zuständigen Behörde erhalten kann (vgl. hierzu u.a. den Beschluss des Senats vom 23.07.2013 - L 9 SO 225/13 B ER, L 9 SO 226/13 B -, juris Rn. 51; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31.03.2011 - L 6 B 86/09 AS -, juris Rn. 16 m.w.N., siehe auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30.10.2009 - 1 BvR 2442/09 -, juris Rn. 3). Zu den zumutbaren Mitwirkungshandlungen gehört nach Maßgabe von §§ 62, 65 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) auch die Bereitschaft, sich zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die begehrte Leistung amtsärztlich untersuchen zu lassen. Es ist nicht erkennbar, dass im Falle des Antragstellers die Grenzen der Mitwirkung im Sinne von § 65 SGB I überschritten sind. Dass die vom Antragsgegner zu Recht für notwendig gehaltenen Untersuchung des Antragstellers in seinem häuslichen Umfeld unverhältnismäßig (vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I) oder dem Antragsteller unzumutbar (vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB I) ist, ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller selbst beschränkt sich auf die haltlose Behauptung, "die Person" (wohl der untersuchende Arzt) habe sich strafbar gemacht, und nimmt für sich in Anspruch, den untersuchenden Arzt und den Zeitpunkt der Untersuchung selbst zu bestimmen. Er verkennt damit, dass es nach §§ 20 f. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Aufgabe des Antragsgegners ist, den Sachverhalt ggf. durch Einholung einer sachverständigen Expertise von Amts wegen objektiv zu ermitteln. Dies schließt die Befugnis, die Person des Sachverständigen und den Zeitpunkt der Untersuchung zu bestimmen, ein. "Freie Arztwahl" hat der Antragsteller, wenn er sich von einem Arzt im Falle einer Krankheit behandeln lassen will, nicht jedoch, wenn er, wie hier, einer steuerfinanzierte Sozialleistung wünscht, deren Voraussetzungen von medizinischen Gegebenheiten abhängen, die ohne sachverständige Stellungnahme nicht festgestellt werden können. Letztlich findet hier § 200 Abs. 2 SGB VII keine Anwendung.

b) Der Beschluss des SG leidet auch nicht deshalb an einem Verfahrensfehler, weil der Antragsteller den Kammervorsitzenden, der die angefochtenen Entscheidung erlassen hat, im Verfahren S 39 SO 358/12 wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Zwar hat der Befangenheitsantrag auch das vorliegende Verfahren erfasst (vgl. den Schriftsatz des Antragstellers vom 22.08.2013) und war der Kammervorsitzende nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bis zu Erledigung des Ablehnungsgesuchs gehindert, aufschiebbare Verfahrenshandlungen, zu denen auch die endgültige Entscheidung über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gehört, vorzunehmen. Ein Verfahrensfehler liegt hier jedoch deshalb nicht vor, weil die für die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 und 2 ZPO berufene 38. Kammer des SG bereits mit dem am 24.09.2013 zugestellten Beschluss vom 20.09.2013 - S 38 SF 250/13 AB - und damit vor Erlass des hier angefochtenen Beschlusses das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurückgewiesen hat.

Dass der Antragsteller gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt hat, die nach wie vor beim 11. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen anhängig ist (Az.: L 11 SO 438/13 B), führt zu keiner anderen Bewertung. Nach der Rechtsprechung des 11. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen soll zwar nach dem hier einschlägigen, bis zum 24.10.2013 geltenden Recht (vgl. nunmehr aber § 172 Abs. 2 SGG in der ab dem 25.10.2013 geltenden Fassung) die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs statthaft sein (vgl. Beschl. v. 29.05.2012 - L 11 KR 206/12 B, L 11 KR 299/12 B -, juris Rn. 6 ff.). Zudem wird verbreitet vertreten, dass sich ein Befangenheitsgesuch erst mit der Rechtskraft des Beschlusses über seine Zurückweisung erledigt (vgl. BSG, Beschl. v. 30.06.2008 - B 2 U 1/08 RH -, juris Rn. 17 m.w.N.). Abgesehen davon, dass nach Auffassung des Senats im Hinblick auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers (vgl. BR-Drs. 315/11, S. 40; BT-Drs. 17/6764, S. 27) viel dafür spricht, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung von Befangenheitsgesuchen gegen Gerichtspersonen auch nach dem bis zum 24.10.2013 geltenden Recht gemäß § 172 Abs. 2 SGG a.F. ausgeschlossen war (so auch die wohl herrschende Meinung, vgl. statt vieler Thüringer LSG, Beschl. v. 21.08.2013 - L 6 SF 1156/13 B -, juris Rn. 2 m.w.N.) und deshalb der Beschluss vom 20.09.2013 bereits rechtskräftig ist, ist die Mitwirkung des abgelehnten Richters nach (erstinstanzlicher) Zurückweisung des Befangenheitsgesuch nicht verfahrensfehlerhaft, auch wenn der Beschluss über die Zurückweisung noch nicht rechtskräftig ist (so ausdrücklich BFH, Beschl. v. 02.03.1978 - IV R 120/76 -, juris Rn. 22 ff., zitiert auch in BSG, Beschl. v. 27.06.2001 - B 6 KA 12/01 B -, juris Rn. 5). Die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs hat, selbst wenn sie statthaft wäre, nach § 175 SGG keine aufschiebende Wirkung. Zu einer unzumutbaren Verkürzung des Rechtswegs kommt es ungeachtet der gemäß § 177 SGG bindenden Entscheidung des Senats im vorliegenden Verfahren nicht. Falls das Befangenheitsgesuch auf die Beschwerde für begründet erklärt würde, könnte der Antragsteller gemäß § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Wiederaufnahme des Eilverfahrens verlangen. Gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) wird schließlich nicht verstoßen, wenn an einer Entscheidung ein Richter mitwirkt, der ohne Erfolg von einer Partei als befangen abgelehnt wurde, auch wenn die Zurückweisung der Ablehnung noch nicht rechtskräftig ist. Die Frage eines möglichen Rechtsschutzes gegen die vom Gericht beschlossene Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs hat mit dem Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters unmittelbar nichts zu tun. Es gibt andere Gerichtszweige, in denen das Gesetz eindeutig von vornherein keine gesonderten Beschwerdemöglichkeiten gegen die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen vorsieht (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung (StPO) und §§ 49 Abs. 3, 64 Abs. 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG)), ohne dass das Fehlen solcher Beschwerdemöglichkeiten als Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters betrachtet werden kann (dazu BFH, a.a.O., Rn. 30).

2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzlich abgeschlossene Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig, weil dem Antragsteller, der vor dem SG nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde, insoweit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte auf das bereits vor dem Sozialgericht abgeschlossene Verfahren keine Auswirkungen, weil die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren mangels anwaltlicher Vertretung des Antragstellers nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 122 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ins Leere liefe.

Nach § 122 Abs. 1 ZPO bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass 1. die Bundes- oder Landeskasse a) die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten, b) die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann, 2. die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist, 3. die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können. Vorliegend sind im erstinstanzlichen Verfahren aber weder Anwaltskosten noch Gerichtskosten entstanden und auch eine Sicherheitsleistung ist nicht erfolgt. Unter diesen Umständen könnte die rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe, die sonstige Allgemeinkosten (Schreibauslagen etc.) der Partei nicht erfasst, keine Wirkung mehr entfalten (vgl. zum Ganzen LSG NRW, Beschluss vom 24.03.2011 - L 19 AS 365/11 B ER, L 19 AS 366/11 B -, juris Rn. 14 f. m.w.N.).

II.

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nach den vorstehenden Ausführungen zu keinen Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Soweit sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch auf die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das SG bezog, ist dieser Antrag im Übrigen schon deshalb abzulehnen, weil die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Prozesskostenhilfeverfahren selbst nicht in Betracht kommt.

III.

Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde die Ablehnung seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das SG angegriffen hat, folgt die Kostenentscheidung aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 183, 193 SGG. Soweit sich seine Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

IV.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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