Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 14 R 544/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 906/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 15.8.2013 geändert. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bewilligt und Rechtsanwalt K, T, beigeordnet. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung von Rechtsanwalt K für ein Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, in dem die Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten für die Begleitung durch ihre Mutter während der Dauer der bewilligten stationären Kinderrehabilitationen verpflichtet werden sollte.
Den am 00.00.2004 geborenen Antragstellern bewilligte die Antragsgegnerin eine stationäre Kinderrehabilitation in der Klinik Bad H, lehnte die Kostenübernahme für den Mitaufenthalt der Mutter als Begleitperson während der stationären Rehabilitation jedoch ab (Bescheide vom 25.3.2013, 9.4.2013, 5.6.2013, Widerspruchs-bescheid vom 26.6.2013). Die Bewilligungsbescheide enthielten jeweils folgenden Hinweis:
"Im Interesse der Gesundheit Ihres Kindes sollen die erforderlichen Leistungen zeitnah innerhalb der nächsten drei Monate beginnen."
Zur Ablehnung der Kostenübernahme für eine Begleitperson legte die Beklagte dar, dass diese nicht aus medizinischen Gründen notwendig sei.
Hiergegen wandten sich die Antragsteller mit Klagen - unter dem Aktenzeichen (Az) S 14 R 535/13 geführt - und Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen - Az S 14 R 544/13 ER - zum Sozialgericht (SG) Münster. Sie brachten zur Stützung ihres Begehrens Erklärungen und Stellungnahmen ihrer Mutter (in Form einer eidesstattlichen Versicherung), ihres behandelnden Kinderarztes Dr. S, des Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien des Kreises Warendorf und der Leiterin der von ihnen besuchten Grundschule bei, in denen eine Begleitperson befürwortet wurde. Dr. S hielt die Begleitperson für dringend notwendig. In ihrer eidesstattlichen Versicherung gab die Mutter der Antragsteller unter anderem an, dass der Chefarzt der Klinik Bad H, Dr. N, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Begleitung der Antragsteller durch sie befürwortet habe.
Das SG Münster lehnte mit Beschluss vom 12.8.2013 - den Antragstellern am 15.8.2013 zugestellt - die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen vom 22.7.2013 ab. Es sei bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung nicht erkennbar, dass die Übernahme der Reisekosten für die Mutter der Antragsteller geboten sei, um den Erfolg der Kinderheilmaßnahme zu sichern. Da die Maßnahme in einer speziell auf Kinderheilbehandlung ausgerichteten Einrichtung durchgeführt werden solle, könne erwartet werden, dass dort fachkundiges Personal vorhanden sein werde, das auch im Hinblick auf eine psychologische Begleitung geschult sei. Die vorgelegten Bescheinigungen belegten nichts anderes. Die Bescheinigung des Kinderarztes benenne eine medikamentöse Therapie sowie die Diagnose einer hyperkenetischen Störung des Sozialverhaltens, lasse aber nicht erkennen, warum die Antragsteller dadurch in einer Kinderheilbehandlung - wo geschultes Personal vorausgesetzt werden könne - gefährdet seien. Auf die weiteren Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
Mit Beschluss vom 15.8.2013 - den Antragstellern am 19.8.2013 zugestellt - lehnte das SG Münster die Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts unter Bezugnahme auf seine Sachentscheidung vom 12.8.2013 mangels hinreichender Erfolgsaussichten ab.
Gegen beide Entscheidungen haben sich die Antragsteller mit den am 13.9.2013 erhobenen Beschwerden gewandt.
In dem Verfahren der Beschwerden gegen die Sachentscheidung des SG Münster, beim Senat unter dem Aktenzeichen L 8 R 893/13 B ER anhängig gewesen, haben die Antragsteller geltend gemacht, dass die Begleitung durch ihre Mutter während der stationären Rehabilitation aus medizinischen Gründen notwendig sei und wegen der Gefährdung ihrer Gesundheit der Ausgang der bereits eingeleiteten Klageverfahren nicht abgewartet werden könne. Die Antragsgegnerin hat die angefochtene Sachentscheidung verteidigt.
Zur Begründung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 15.8.2013 tragen die Antragsteller vor, dass aus den Gründen ihrer Beschwerdebegründung im Verfahren L 8 R 893/13 B ER hinreichende Erfolgsaussichten für ihre ER-Anträge bestünden.
In dem Verfahren L 8 R 893/13 B ER hat der Senat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte von Dr. S angefordert.
Im Klageverfahren S 14 R 535/13 hat die Antragsgegnerin unter dem 20.8.2013 mitgeteilt, dass vor Abgabe einer ausführlichen Stellungnahme eine schriftliche Aussage des Chefarztes Dr. N der Rehabilitationseinrichtung Bad H eingeholt werden möge, ob eine Begleitperson am Ort aus medizinischer Sicht in diesem Fall befürwortet werde. Eine entsprechende Anfrage der Beklagten hat Dr. N dahingehend beantwortet, dass aus medizinischer und therapeutischer Sicht eine Aufnahme der Mutter als Begleitperson aufgrund der Entwicklungsschwierigkeiten und -verzögerungen der Antragsteller notwendig sei. Daraufhin hat die Antragsgegnerin den Anspruch der Antragsteller anerkannt und zur Ausführung den Bescheid vom 8.10.2013 erlassen.
Das Verfahren L 8 R 893/13 B ER haben die Antragsteller daraufhin für erledigt erklärt.
II.
Die Beschwerden der Antragsteller sind zulässig. Sie sind insbesondere statthaft. Ein Beschwerdeausschluss gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Die Kosten einer Begleitperson für Unterkunft und Verpflegung während einer sechswöchigen stationären Rehabilitation übersteigen 750 Euro, sodass in der Hauptsache die Berufung gem. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig wäre. Nach den über das Internet abrufbaren Informationen der Klinik Bad H liegen die Kosten für Unterkunft (im Patientenzimmer) und Verpflegung pro Übernachtung der Begleitperson bei 41 Euro, sodass bei 42 Tagen Dauer der Rehabilitation hierfür Kosten in Höhe von 1.722 Euro anfallen. Auch nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG sind die Beschwerden nicht ausgeschlossen. Die Ablehnung der PKH durch das SG ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten und damit nicht wegen der Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH erfolgt.
Die Beschwerden sind auch begründet. Die Antragsteller haben Anspruch auf Bewilligung von PKH und Beiordnung von Rechtsanwalt K.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH sind bei den Antragstellern, die neben Kindergeld und Unterhaltszahlungen ergänzend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen, erfüllt. Ein Anspruch auf einen Prozesskostenvorschuss gegen die Mutter als einzusetzendes Vermögen scheidet aus, da diese ebenfalls ergänzend SGB II-Leistungen erhält.
Die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen boten auch hinreichende Erfolgsaussichten. Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen dabei zum einen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, zum anderen, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache zwischen den Beteiligten strittig sind und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen würde (statt aller: BVerfG, Beschluss vom 8.12.2009, 1 BvR 2733/06, NJW 2009, 1129 m.w.N.). Bei der Beurteilung, ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz) berücksichtigt werden; die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, Rechtsverfolgung oder -verteidigung selbst in das PKH-Verfahren vorzuverlagern; die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rn. 7 ff m.w.N.).
Nach diesen Kriterien reicht es für ein ER-Verfahren auf Erlass einer sog. Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 im Hinblick auf die Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten im Rahmen des PKH-Prüfungsverfahrens aus, wenn die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und -grund - ggf. nach ergänzender Sachverhaltsaufklärung (vgl. zur Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Verfahren der einstweiligen Anordnung BVerfG, Beschluss vom 25.2.2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674-676) - möglich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung umso niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen, insbesondere auch mit Blick auf ihre Bedeutung für die Grundrechte des Antragstellers, wiegen (BVerfG, Beschluss v. 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange aller Beteiligten zu entscheiden (BVerfG, Beschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Breith 2005, 803; BVerfG, Beschluss v. 22.11.2002, aaO).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze erscheint es nach dem bisherigen Sachstand nicht ausgeschlossen, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch mittels weiterer Tatsachenfeststellungen glaubhaft zu machen gewesen wären bzw. eine Folgenabwägung bei nicht vollständiger Aufklärung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten der Antragsteller ausgefallen wäre.
Der Anordnungsanspruch folgt aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 5 Abs. 2 Gemeinsame Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI für Kinderheilbehandlungen, wonach die Unterbringung der Begleitperson im Rahmen der Durchführung von Kinderheilbehandlungen zu Lasten der Rentenversicherung aus medizinischen Gründen erfolgen kann. Die Entscheidung hierüber steht somit grundsätzlich im Ermessen des Rentenversicherungsträgers, wobei eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen sein wird, wenn die Begleitung zur Erreichung des Rehabilitationserfolges medizinisch notwendig ist. Auch wenn die bisher vorliegenden, von den Antragstellern beigebrachten Erklärungen und Stellungnahmen zur Glaubhaftmachung nicht als ausreichend erachtet werden, boten diese doch Ansatzpunkte zu Ermittlungen von Amts wegen, um das Vorliegen der medizinischen Notwendigkeit einer Begleitperson glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich zu machen. Immerhin hatte der behandelnde Kinderarzt diese Notwendigkeit schon mit knapper Begründung bejaht und auch als dringend bezeichnet. Die Einholung eines Befundberichts unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit wäre geeignet gewesen, die Begründung durch den Kinderarzt Dr. S ergänzen und präzisieren zu lassen, wie es auch in dem vom Senat eingeholten Befundbericht geschehen ist. Zudem wies die Mutter der Antragsteller in ihrer eidesstattlichen Versicherung darauf hin, dass auch der Chefarzt der Reha-Klinik eine Begleitung der Antragsteller durch sie befürwortet habe. Es bot sich daher eine Rückfrage bei diesem Arzt an, ob und ggf. aus welchen Gründen er diesen Standpunkt eingenommen hat. Nach Einholung einer entsprechenden Auskunft sah sich die Antragsgegnerin schließlich in der Lage, den Anspruch der Antragsteller anzuerkennen. Es liegen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese ergänzenden Ermittlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten der Antragsteller ausgefallen wären.
Ebenso ist davon auszugehen, dass die Eilbedürftigkeit einer Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile hätte glaubhaft gemacht werden können. Denn im Hinblick auf die Bewilligung der Kinderrehabilitationen durch die Antragsgegnerin stand der Rehabilitationsbedarf fest. Die Eilbedürftigkeit der Rehabilitation ergab sich nicht nur aufgrund des das Rehabilitationsrecht prägenden Beschleunigungsgebots (vgl. § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch), sondern kommt auch in den Hinweisen der Bewilligungsbescheide zum Ausdruck. Darin wurde die Mutter der Antragsteller darauf hingewiesen, dass im Interesse der Gesundheit der Antragsteller die erforderlichen Leistungen zeitnah innerhalb der nächsten drei Monate beginnen sollten. Ergänzend hätten hierzu auch Dr. S und Dr. N befragt werden können.
Die Rechtsverfolgung war zudem nicht mutwillig. Weder waren die Erfolgsaussichten der Anträge als gering einzuschätzen noch sonst als rechtsmissbräuchlich anzusehen.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). Entscheidend hierfür ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfG, Beschluss v. 24.3.2011, 1 BvR 1737/10, NJW 2011, 2039 m.w.N.). Bewertungsmaßstab für die Frage der Beiordnung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG somit nicht in erster Linie das Verhältnis von Streitwert und Kostenrisiko. Vielmehr kommt es vornehmlich darauf an, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten verletzt ist. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn - wie hier - den Antragstellern prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung von Rechtsanwalt K für ein Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, in dem die Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten für die Begleitung durch ihre Mutter während der Dauer der bewilligten stationären Kinderrehabilitationen verpflichtet werden sollte.
Den am 00.00.2004 geborenen Antragstellern bewilligte die Antragsgegnerin eine stationäre Kinderrehabilitation in der Klinik Bad H, lehnte die Kostenübernahme für den Mitaufenthalt der Mutter als Begleitperson während der stationären Rehabilitation jedoch ab (Bescheide vom 25.3.2013, 9.4.2013, 5.6.2013, Widerspruchs-bescheid vom 26.6.2013). Die Bewilligungsbescheide enthielten jeweils folgenden Hinweis:
"Im Interesse der Gesundheit Ihres Kindes sollen die erforderlichen Leistungen zeitnah innerhalb der nächsten drei Monate beginnen."
Zur Ablehnung der Kostenübernahme für eine Begleitperson legte die Beklagte dar, dass diese nicht aus medizinischen Gründen notwendig sei.
Hiergegen wandten sich die Antragsteller mit Klagen - unter dem Aktenzeichen (Az) S 14 R 535/13 geführt - und Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen - Az S 14 R 544/13 ER - zum Sozialgericht (SG) Münster. Sie brachten zur Stützung ihres Begehrens Erklärungen und Stellungnahmen ihrer Mutter (in Form einer eidesstattlichen Versicherung), ihres behandelnden Kinderarztes Dr. S, des Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien des Kreises Warendorf und der Leiterin der von ihnen besuchten Grundschule bei, in denen eine Begleitperson befürwortet wurde. Dr. S hielt die Begleitperson für dringend notwendig. In ihrer eidesstattlichen Versicherung gab die Mutter der Antragsteller unter anderem an, dass der Chefarzt der Klinik Bad H, Dr. N, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Begleitung der Antragsteller durch sie befürwortet habe.
Das SG Münster lehnte mit Beschluss vom 12.8.2013 - den Antragstellern am 15.8.2013 zugestellt - die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen vom 22.7.2013 ab. Es sei bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung nicht erkennbar, dass die Übernahme der Reisekosten für die Mutter der Antragsteller geboten sei, um den Erfolg der Kinderheilmaßnahme zu sichern. Da die Maßnahme in einer speziell auf Kinderheilbehandlung ausgerichteten Einrichtung durchgeführt werden solle, könne erwartet werden, dass dort fachkundiges Personal vorhanden sein werde, das auch im Hinblick auf eine psychologische Begleitung geschult sei. Die vorgelegten Bescheinigungen belegten nichts anderes. Die Bescheinigung des Kinderarztes benenne eine medikamentöse Therapie sowie die Diagnose einer hyperkenetischen Störung des Sozialverhaltens, lasse aber nicht erkennen, warum die Antragsteller dadurch in einer Kinderheilbehandlung - wo geschultes Personal vorausgesetzt werden könne - gefährdet seien. Auf die weiteren Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
Mit Beschluss vom 15.8.2013 - den Antragstellern am 19.8.2013 zugestellt - lehnte das SG Münster die Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts unter Bezugnahme auf seine Sachentscheidung vom 12.8.2013 mangels hinreichender Erfolgsaussichten ab.
Gegen beide Entscheidungen haben sich die Antragsteller mit den am 13.9.2013 erhobenen Beschwerden gewandt.
In dem Verfahren der Beschwerden gegen die Sachentscheidung des SG Münster, beim Senat unter dem Aktenzeichen L 8 R 893/13 B ER anhängig gewesen, haben die Antragsteller geltend gemacht, dass die Begleitung durch ihre Mutter während der stationären Rehabilitation aus medizinischen Gründen notwendig sei und wegen der Gefährdung ihrer Gesundheit der Ausgang der bereits eingeleiteten Klageverfahren nicht abgewartet werden könne. Die Antragsgegnerin hat die angefochtene Sachentscheidung verteidigt.
Zur Begründung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 15.8.2013 tragen die Antragsteller vor, dass aus den Gründen ihrer Beschwerdebegründung im Verfahren L 8 R 893/13 B ER hinreichende Erfolgsaussichten für ihre ER-Anträge bestünden.
In dem Verfahren L 8 R 893/13 B ER hat der Senat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte von Dr. S angefordert.
Im Klageverfahren S 14 R 535/13 hat die Antragsgegnerin unter dem 20.8.2013 mitgeteilt, dass vor Abgabe einer ausführlichen Stellungnahme eine schriftliche Aussage des Chefarztes Dr. N der Rehabilitationseinrichtung Bad H eingeholt werden möge, ob eine Begleitperson am Ort aus medizinischer Sicht in diesem Fall befürwortet werde. Eine entsprechende Anfrage der Beklagten hat Dr. N dahingehend beantwortet, dass aus medizinischer und therapeutischer Sicht eine Aufnahme der Mutter als Begleitperson aufgrund der Entwicklungsschwierigkeiten und -verzögerungen der Antragsteller notwendig sei. Daraufhin hat die Antragsgegnerin den Anspruch der Antragsteller anerkannt und zur Ausführung den Bescheid vom 8.10.2013 erlassen.
Das Verfahren L 8 R 893/13 B ER haben die Antragsteller daraufhin für erledigt erklärt.
II.
Die Beschwerden der Antragsteller sind zulässig. Sie sind insbesondere statthaft. Ein Beschwerdeausschluss gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Die Kosten einer Begleitperson für Unterkunft und Verpflegung während einer sechswöchigen stationären Rehabilitation übersteigen 750 Euro, sodass in der Hauptsache die Berufung gem. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig wäre. Nach den über das Internet abrufbaren Informationen der Klinik Bad H liegen die Kosten für Unterkunft (im Patientenzimmer) und Verpflegung pro Übernachtung der Begleitperson bei 41 Euro, sodass bei 42 Tagen Dauer der Rehabilitation hierfür Kosten in Höhe von 1.722 Euro anfallen. Auch nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG sind die Beschwerden nicht ausgeschlossen. Die Ablehnung der PKH durch das SG ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten und damit nicht wegen der Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH erfolgt.
Die Beschwerden sind auch begründet. Die Antragsteller haben Anspruch auf Bewilligung von PKH und Beiordnung von Rechtsanwalt K.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH sind bei den Antragstellern, die neben Kindergeld und Unterhaltszahlungen ergänzend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen, erfüllt. Ein Anspruch auf einen Prozesskostenvorschuss gegen die Mutter als einzusetzendes Vermögen scheidet aus, da diese ebenfalls ergänzend SGB II-Leistungen erhält.
Die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen boten auch hinreichende Erfolgsaussichten. Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen dabei zum einen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, zum anderen, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache zwischen den Beteiligten strittig sind und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen würde (statt aller: BVerfG, Beschluss vom 8.12.2009, 1 BvR 2733/06, NJW 2009, 1129 m.w.N.). Bei der Beurteilung, ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht, muss der verfassungsrechtliche Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz) berücksichtigt werden; die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, Rechtsverfolgung oder -verteidigung selbst in das PKH-Verfahren vorzuverlagern; die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rn. 7 ff m.w.N.).
Nach diesen Kriterien reicht es für ein ER-Verfahren auf Erlass einer sog. Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 im Hinblick auf die Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten im Rahmen des PKH-Prüfungsverfahrens aus, wenn die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und -grund - ggf. nach ergänzender Sachverhaltsaufklärung (vgl. zur Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Verfahren der einstweiligen Anordnung BVerfG, Beschluss vom 25.2.2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674-676) - möglich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung umso niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen, insbesondere auch mit Blick auf ihre Bedeutung für die Grundrechte des Antragstellers, wiegen (BVerfG, Beschluss v. 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange aller Beteiligten zu entscheiden (BVerfG, Beschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Breith 2005, 803; BVerfG, Beschluss v. 22.11.2002, aaO).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze erscheint es nach dem bisherigen Sachstand nicht ausgeschlossen, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch mittels weiterer Tatsachenfeststellungen glaubhaft zu machen gewesen wären bzw. eine Folgenabwägung bei nicht vollständiger Aufklärung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten der Antragsteller ausgefallen wäre.
Der Anordnungsanspruch folgt aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 SGB VI i.V.m. § 5 Abs. 2 Gemeinsame Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI für Kinderheilbehandlungen, wonach die Unterbringung der Begleitperson im Rahmen der Durchführung von Kinderheilbehandlungen zu Lasten der Rentenversicherung aus medizinischen Gründen erfolgen kann. Die Entscheidung hierüber steht somit grundsätzlich im Ermessen des Rentenversicherungsträgers, wobei eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen sein wird, wenn die Begleitung zur Erreichung des Rehabilitationserfolges medizinisch notwendig ist. Auch wenn die bisher vorliegenden, von den Antragstellern beigebrachten Erklärungen und Stellungnahmen zur Glaubhaftmachung nicht als ausreichend erachtet werden, boten diese doch Ansatzpunkte zu Ermittlungen von Amts wegen, um das Vorliegen der medizinischen Notwendigkeit einer Begleitperson glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich zu machen. Immerhin hatte der behandelnde Kinderarzt diese Notwendigkeit schon mit knapper Begründung bejaht und auch als dringend bezeichnet. Die Einholung eines Befundberichts unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit wäre geeignet gewesen, die Begründung durch den Kinderarzt Dr. S ergänzen und präzisieren zu lassen, wie es auch in dem vom Senat eingeholten Befundbericht geschehen ist. Zudem wies die Mutter der Antragsteller in ihrer eidesstattlichen Versicherung darauf hin, dass auch der Chefarzt der Reha-Klinik eine Begleitung der Antragsteller durch sie befürwortet habe. Es bot sich daher eine Rückfrage bei diesem Arzt an, ob und ggf. aus welchen Gründen er diesen Standpunkt eingenommen hat. Nach Einholung einer entsprechenden Auskunft sah sich die Antragsgegnerin schließlich in der Lage, den Anspruch der Antragsteller anzuerkennen. Es liegen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese ergänzenden Ermittlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten der Antragsteller ausgefallen wären.
Ebenso ist davon auszugehen, dass die Eilbedürftigkeit einer Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile hätte glaubhaft gemacht werden können. Denn im Hinblick auf die Bewilligung der Kinderrehabilitationen durch die Antragsgegnerin stand der Rehabilitationsbedarf fest. Die Eilbedürftigkeit der Rehabilitation ergab sich nicht nur aufgrund des das Rehabilitationsrecht prägenden Beschleunigungsgebots (vgl. § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch), sondern kommt auch in den Hinweisen der Bewilligungsbescheide zum Ausdruck. Darin wurde die Mutter der Antragsteller darauf hingewiesen, dass im Interesse der Gesundheit der Antragsteller die erforderlichen Leistungen zeitnah innerhalb der nächsten drei Monate beginnen sollten. Ergänzend hätten hierzu auch Dr. S und Dr. N befragt werden können.
Die Rechtsverfolgung war zudem nicht mutwillig. Weder waren die Erfolgsaussichten der Anträge als gering einzuschätzen noch sonst als rechtsmissbräuchlich anzusehen.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO). Entscheidend hierfür ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfG, Beschluss v. 24.3.2011, 1 BvR 1737/10, NJW 2011, 2039 m.w.N.). Bewertungsmaßstab für die Frage der Beiordnung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG somit nicht in erster Linie das Verhältnis von Streitwert und Kostenrisiko. Vielmehr kommt es vornehmlich darauf an, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten verletzt ist. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn - wie hier - den Antragstellern prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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