Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 522/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2444/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. April 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nrn. 1302 und 1317 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die 1952 geborene Klägerin arbeitete von 1975 bis 1987 in verschiedenen Dentallaboren in Polen als Kunststoffzahntechnikerin. Nach der Übersiedlung nach Deutschland war sie bis zum Jahr 2000 weiterhin als Kunststoffzahnarzttechnikerin tätig, zuletzt von 01.04.1993 bis 31.01.2000 im Dentallabor Zahntechnik S ... Seitdem ist sie arbeitsunfähig erkrankt bzw. nicht wieder berufstätig geworden. Ebenfalls seit dem Jahr 2000 machte sie durch ihren Bevollmächtigten bei der Beklagten das Vorliegen verschiedener Berufskrankheiten (BK´en) nach Nrn. 1316, 1317, 1315, 1201, 1103, 1102, 2104, 2105 und BK 5101 geltend (zu Letzterer s. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2007 - L 10 U 2871/04 -).
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.10.2005 beantragte die Klägerin die Feststellung (auch) der BK´en 1302 und 1317 und legte hierzu umfangreiche medizinische Unterlagen vor (u.a. Dr. D., Hautarzt, 03.07.2000 und 10.10.2000: Verdacht auf Vorliegen einer beruflich induzierten krankhaften Störung im Bereich der Augen, der Augenlider und des Augapfels, außerdem Störung des Allgemeinbefindens, ders., 18.07.2000: Epicutantestung mit Standard- und Prothesensubstanzen, auch mit dem Monomer Methylmetacrylat vom Arbeitsplatz ohne Reaktion; Sozialmedizinisches Gutachten des MDK (Dr. Filipowski), 27.03.2001: U.a. Verdacht auf toxische Conjunktivitis; St. Josefskrankenhaus Freiburg, Prof. Dr. Zähringer, 23.02.2001: Karpaltunnelsyndrom, bekannte Kontaktallergie, Parästhesien und Hypästhesie unklarer Genese in der rechten stärker als in der linken Hand, bekannte Psoriasis, in der internistischen Untersuchung kein krankhafter Befund; Dr. B., Nervenarzt, 16.01.2002: Neuropathie, Myopathie, Ataxie, Leistungsminderung, erhebliche Störung in Positronen-Emission-Tomographie (PET) - durchgeführt von Dr. H., Radiologe, Plochingen in 11/01 - in Form deutlich ausgeprägter und ausgedehnter Störung der Glucoseutilisation, "das PET beweist also eindeutig eine hirnorganische Schädigung", zunehmende chemische Überempfindlichkeit, Überempfindlichkeit Typ IV im LTT, nach langjähriger toxisch belasteter Arbeit als Zahntechnikerin; Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Klinik und Poliklinik, Prof. Dr. P. Dr. W. und Dr. S., 29.07.2002: u.a. Raynaud-Syndrom, Allergisch-toxische Konjunktivitis, bisherige Diagnostik: u.a. Fettgewebsanalyse 05/02: ungewöhnlich stark erhöhte Konzentrationen von Toluol, Benzol, Xylol, Ethylbenzol, Chloroform und Perchlorethylen, in 06/02 Bestätigung der stark erhöhten Konzentrationen an Benzol und Toluol; Universitätsklinikum F., Zentrum für Geriatrie und Gerontologie, PD Dr. S. und Dr. Dr. K., 04.12.2002: Kognitive Defizite ohne sicheren Nachweis eines organischen Korrelats, leichte depressive Störung, Fremdaufnahmen Dr. H., PET des Gehirns: herabgesetzte Glucoseutilisation asymmetrische rechtsbetonte Ausprägung; "das auffällige Ergebnis der PET-Untersuchung passt bei deutlich asymmetrischer Ausprägung nicht zu einer degenerativen Hirnerkrankung; der letztlich unspezifische Befund ist nicht sicher einzuordnen.").
Zu dem Antrag nahm das Regierungspräsidium Stuttgart - Staatlicher Gewerbearzt (C. G., Ärztin für Arbeitsmedizin) - unter dem 17.03.2006 dahingehend Stellung, eine BK 1317 werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Die aktenkundigen medizinischen Befunde sprächen gegen einen solchen Zusammenhang. Die Klägerin sei nach eigenen Angaben seit Januar 2000 arbeitslos, somit nicht berufstätig und beruflichen Noxen ausgesetzt. Nach eigenen Angaben und den vorliegenden medizinischen Unterlagen bestünden die Beschwerden aber fast unverändert weiter trotz Aufgabe der beruflichen Tätigkeit, was gegen einen Zusammenhang mit der angeschuldigten beruflichen Exposition spreche.
Mit Bescheid vom 09.05.2006 stellte die Beklagte fest, dass bei der Klägerin keine BK nach Nr. 1302 oder Nr. 1317 vorliege (Ziffer 1) und keine Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken (Ziffer 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, unabhängig davon, ob eine relevante Exposition gegenüber Kohlenwasserstoffen oder Lösungsmitteln erfolgt sei, liege nach den vorgelegten medizinischen Unterlagen kein Befund vor, der dem Krankheitsbild einer der genannten BK´en entspreche.
Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 12.06.2006 Widerspruch und machte unter Vorlage weiterer Befundberichte behandelnder Ärzte geltend, es ergäben sich eindeutige Hinweise für das Vorliegen einer toxischen Polyneuropathie bzw. einer Enzephalopathie. Da sie auch mit benzolhaltigen Substanzen gearbeitet habe, werde auch die Anerkennung einer BK 1303 beantragt.
Die Beklagte holte unter dem 21.11.2006 eine Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. W. ein, die weitere Ermittlungen zum arbeitstechnischen Sachverhalt unter Hinweis auf vorliegende Befundberichte (Prof. Dr. Z., a.a.O.: in der internistischen Untersuchung kein krankhafter Befund; Universitätsklinikum F., Dr. P., 29.07.2002: Raynaud-Syndrom, neurologischer Befund grob orientierend unauffällig; Universitätsklinikum Freiburg Prof. Dr. Dr. B., 20.08.2002: Verdacht auf Multiple Chemikaliensensibilität (MCS), neuropsychologisch bewusstseinsklare, zu allen Qualitäten orientierte Patientin, Sensibilität ohne Befund) nicht für erforderlich hielt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006 zurück und führte zur Begründung aus, es seien weiterhin keine medizinischen Befunde ersichtlich, die den geltend gemachten BK´en entsprächen. Dies gelte auch für die BK´en 1303 und 2104.
Dagegen hat die Klägerin am 26.01.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, zunächst nur fristwahrend "wegen Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 bzw. 1317 der BKV". Mit der am 16.07.2007 nachgereichten Klagebegründung hat die Klägerin sodann die Anerkennung der "BK´en 1302, 1303 und 1317" sowie die Verurteilung der Beklagten beantragt, ihr Entschädigungsleistungen, insbesondere eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Auf Anregung des SG hat die Beklagte sodann Ermittlungen zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK´en 1302, 1303 und 1317 angestellt und den letzten Arbeitsplatz der Klägerin beim Dentallabor S. durch ihren Präventionsdienst aufsuchen lassen. Im Bericht des Präventionsdienstes vom 11.04.2008 wird ausgeführt, die Klägerin habe im Kunststoffbereich gearbeitet. Zu ihren Tätigkeiten habe hauptsächlich das Desinfizieren und Ausgießen von Abdrücken und die Prothetik von Brücken usw. (inklusive dem Einkleben der Zähne in die Schienen) gehört. Es seien folgende Produkte verwendet worden: Impresept Fa. Espe (Desinfektionsmittel) 1733-0100, Fa. Renfert (Sekundenkleber), verschiedene Kunststoffe auf Basis von Methylmetacrylat (MMA) und verschiedene Füllkörperpulver auf Basis von anorganischen Oxiden. Eine Einwirkung gemäß dem Merkblatt zur BK 1302 liege nicht vor (kein Umgang mit Halogenkohlenwasserstoffen). Eine Einwirkung gemäß dem Merkblatt zur BK 1303 liege vor; es habe kein Umgang mit Benzol bestanden, allerdings habe ein Einsatzstoff (Selectaplus Flüssigkeit CN) als Stabilisator Hydrochinon (Dihydroxybenzol) enthalten. Es könne aber ausgeschlossen werden, dass der ehemals gültige Luftgrenzwert (MAK-Wert) von 2 mg/m³ (bezogen auf die einatembare Staubfraktion) überschritten worden sei, da Hydrochinon nur in geringen Mengen und in gelöstem Zustand vorgelegen habe. Eine Einwirkung gemäß dem Merkblatt zur BK 1317 liege vor (Umgang mit ESPE Modellisolierung - enthält geringe Mengen an Ethanol). Allerdings könne ausgeschlossen werden, dass der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) von 960 mg/m³ in der Luft annähernd erreicht worden sei, da Ethanol nur in geringen Mengen in einer wässrigen Lösung vorgelegen habe.
Das SG hat Beweis erhoben zunächst durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens bei Dr. B. (M.) und eines ergänzenden neuropsychologischen Zusatzgutachtens bei Dr. S. (Demenzambulanz der Psychiatrischen Universitätsklink M.). Dieser hat im Gutachten vom 08.01.2008 auf der Grundlage umfangreicher psychologischer und neuropsychologischer Testungen ausgeführt, in der Untersuchung seien bei der Klägerin kognitive und nicht-kognitive psychische Störungen festgestellt worden. Im Hinblick auf kognitive Leistungsbeeinträchtigungen stünden deutliche Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit, der Aufmerksamkeit und des Konzentrationsvermögens sowie partiell ein vermindertes Denkvermögen im Vordergrund. Es seien allerdings innerhalb desselben Funktionsbereichs (Aufmerksamkeitsfunktionen) erhebliche Leistungsdiskrepanzen festgestellt worden zwischen computerisierten Testverfahren einerseits und korrespondierenden Verfahren mit Papier und Bleistift andererseits. So habe die Klägerin in einem Computertest (TAP-Subtest-Go/Nogo) eine stark verminderte selektive Wahrnehmung gezeigt, während sie im korrespondierenden d2-Test (Papier und Bleistift) eine weitgehend unbeeinträchtigte Leistung zeigte. Derlei Leistungsdiskrepanzen innerhalb desselben Funktionsbereichs seien schwerlich mit einem hirnorganisch bedingten Leistungsdefizit zu vereinbaren. Im Hinblick auf nicht-kognitive Beeinträchtigungen zeige die Klägerin eine ausgeprägte Belastung durch psychische und somatische Beschwerden. Phänomenologisch entspreche das gezeigte Beschwerdebild zwar zum Teil dem Bild bei lösungsmittelbedingten chronisch-toxischen Enzephalopathien, insgesamt betrachtet sei es jedoch dafür untypisch. Eine lösungsmittelbedingte Enzephalopathie liege mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Verlauf und Konfiguration der Befunde sprächen auch gegen die Annahme einer (anders) verursachten hirnorganischen Leistungsstörung, wie z.B. einer Demenz. Die von der Patientin beklagten kognitiven, psychischen und somatischen Beschwerden entsprächen weitgehend den Beschwerden, die von MCS-Patienten geäußert würden. Bei der Klägerin lägen ausgeprägte psychosomatische Symptombelastungen vor. Ebenso sei eine erhöhte Vulnerabilität für die Entwicklung psychischer Störungen anzunehmen. Unter psychosomatischer Perspektive liege bei ihr mit Wahrscheinlichkeit eine Somatisierungsstörung vor, welche die Lebensqualität maßgeblich beeinträchtige. Psychische Störungen seien häufig auch mit kognitiven Leistungsminderungen verbunden. Unter neuropsychologischer Perspektive seien die bei der Klägerin beobachteten kognitiven Leistungsminderungen mit Wahrscheinlichkeit psychisch-reaktiv und nicht hirnorganisch bedingt.
Im Gutachten vom 06.07.2008 (mit ergänzender Stellungnahme vom 05.01.2009) hat Dr. B. ausgeführt, keine der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen sei nach derzeit herrschender medizinischer Lehrmeinung durch die ermittelte berufliche Exposition verursacht worden. Hinsichtlich der BK 1302 lägen weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen vor. Aufgrund der Ermittlungen des TAD sei von keinem Umgang mit Halogenkohlenwasserstoffen (BK 1302) auszugehen. Aufgrund der von der Klägerin geschilderten, teils ungünstigen arbeitshygienischen Arbeitsbedingungen und der anzunehmenden Verbrauchsmengen für organische Lösungsmittel sei allerdings ein Umgang mit teils in Kunststoffen enthaltenen Weichmachern wie polychlorierten Biphenylen (PCB) zumindest in Betracht zu ziehen und unter Berücksichtigung einer möglichen Resorption über Haut und Atemwege von einer nennenswerten Belastung gegenüber diesen Stoffen auszugehen. Eine Überschreitung der Grenzwerte sei möglich, aber unwahrscheinlich, denn typische auf starken Lösungsmittelverbrauch hinweisende Symptome von Seiten des zentralen Nervensystems, wie z.B. Übelkeit und pränarkotische Symptome während der Arbeit seien von der Klägerin auch auf mehrfaches explizites Nachfragen nicht berichtet worden. Auch seien bei der Klägerin keine typischen Gesundheitsveränderungen aktenkundig, wie sie bei langjährig gegenüber den in Kunststoffen enthaltenen Weichmachern wie PCB auftreten. Insbesondere lägen keine Haut- und Schleimhautveränderungen vor, wie z.B. Chlorakne oder Symptome einer chronischen Vergiftung wie unklare Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Gelbsucht oder eine gelbe Dystrophie der Leber mit Leberkoma. Bei ihr seien lediglich einzelne Symptome aufgetreten, während bei einer PCB-Vergiftung in der Regel eine Vielzahl von entsprechenden Symptome auftrete. Auch bezüglich der BK 1303 seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es habe zwar Umgang mit Hydrochinon (Dihydroxybenzol) bestanden. Da dieser Stoff lediglich als Stabilisator in Selectaplus Flüssigkeit CN eingesetzt war, könne ausgeschlossen werden, dass der ehemals gültige Luftgrenzwert (MAK) von 2 mg/m³ (bezogen auf die einatembare Staubfraktion) überschritten wurde, da Hydrochinon nur in geringen Mengen und in gelöstem Zustand vorgelegen habe. Es sei auch nicht sehr wahrscheinlich, dass die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen durch die eher geringe Exposition zu Dihydroxybenzol bedingt seien. Die insoweit typischen Gesundheitsveränderungen wie Hautdepigmentierungen oder Pigmentierungen und Schädigungen der Augen lägen nicht vor. Die übrigen bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen stünden nach herrschender medizinischer Lehrmeinung in keinem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Exposition zu Hydrochinon.
Eine BK 1307 liege ebenfalls nicht vor. Laut den Ermittlungen des TAD habe die Klägerin zwar Umgang mit ESPE Modellisolierung gehabt, das geringe Mengen an Ethanol enthalte. Allerdings könne ausgeschlossen werden, dass der Arbeitsplatzgrenzwert von 960 mg/m³ in der Luft annähernd erreicht wurde, da Ethanol nur in geringen Mengen in einer wässrigen Lösung vorgelegen habe. Ein übergrenzwertiger Kontakt gegenüber Ethanol sei nicht zweifelsfrei auszuschließen, wenngleich nicht nachgewiesen. Jedenfalls liege mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Klägerin keines der beiden wichtigsten durch organische Lösungsmittel ausgelösten Krankheitsbilder (toxische Enzephalopathie, toxische Polyneuropathie) vor. Eine Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische liege mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Er stimme mit Dr. Singer überein, dass das Beschwerdebild partiell dem Bild einer lösungsmittelbedingten toxischen Enzephalopathie entspreche, dafür aber insgesamt untypisch sei. Auch sprächen insbesondere der Verlauf und die Konfiguration der Befunde gegen die Annahme einer extraberuflich verursachten Hirnleistungsstörung, wie z.B. einer Demenz. Bei der Klägerin liege mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Somatisierungsstörung bzw. eine somatisierte Depression vor; in ihrer Vorgeschichte seien schon seit 1992 depressive Störungen und Angststörungen dokumentiert. Die in der neuropsychologischen Untersuchung beobachteten kognitiven Leistungsminderungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit psychisch-reaktiv und nicht hirnorganisch bedingt. Schon die im Jahr 2002 im Zentrum für Geriatrie und Gerontologie des Universitätsklinikums Freiburg durchgeführte neuropsychologische Untersuchung habe wie die aktuelle Untersuchung lediglich leichte kognitive Defizite ohne sicheren Nachweis eines organischen Korrelats und zudem auch eine leichte depressive Störung ergeben. Eine Polyneuropathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische liege ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Dr. Binz habe diese Diagnose zwar im Jahr 2002 aufgrund einer klinischen Untersuchung gestellt. Dagegen seien vom Neurologen Dr. Warlo im Jahr 2001 bis auf eine Hypästhesie und Hypalgie im Bereich des Daumens keine objektivierbaren Sensibilitätsstörungen bei der Klägerin festgestellt worden. Auch in der aktuellen klinischen Untersuchung hätten sich keine eindeutig wegweisenden Hinweise für eine Polyneuropathie gefunden. Die Klägerin habe zwar im Rahmen der aktuellen Untersuchung über Schmerzen und Schwäche in der gesamten Muskulatur, Kribbeln der Hände und Füße sowie über Taubheit und ein Einschlafen von Händen und Füßen berichtet. Die Oberflächensensibilität im Bereich der Arme und Beine sei unauffällig gewesen, das Vibrationsempfinden im Bereich beider Malleoli etwas reduziert. Typische mit Polyneuropathie assoziierte Beschwerden wie Sensibilitätsdefizite oder motorische Einschränkungen seien hingegen auch auf explizites Nachfragen von der Klägerin verneint worden.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr. H. (Internist und Nephrologe, H.) und - ebenfalls nach § 109 SGG - eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens bei der Diplom-Psychologin Dr. V. (Universitätsklinikum H. sowie eines fachneurologischen Zusatzgutachtens bei Dr. G.-B. (Fachärztin für Neurologie und Neurophysiologie, Müllheim).
Dr. Vogt hat im Gutachten vom 05.05.2010 auf der Grundlage von Vorbefunden und eigener Testdiagnostik ausgeführt, die von der Klägerin gezeigten kognitiven Leistungsminderungen könnten zum Untersuchungszeitpunkt nicht bestätigt werden, da ein begründeter Verdacht auf Aggravation bestehe. Die Klägerin habe bereits bei nachgewiesenermaßen sehr leichten Gedächtnisaufgaben schlechtere Ergebnisse, als sie eine Gruppe von Personen mit diagnostizierter beginnender Demenz erreiche; eine dementielle Entwicklung sei bei ihr aber auszuschließen. Auch die MRT-Bildgebung aus 2002 beschreibe keine entzündlichen bzw. traumabedingten Läsionen oder hirnarthrophischen Veränderungen, welche die aktuelle extrem auffällige Merkfähigkeitsstörung erklären könnten. Dass in den letzten acht Jahren eine Hirnschädigung derartigen funktionellen Ausmaßes neu eingetreten sei, sei aus der Anamnese heraus nicht zu vermuten.
Dr. G.-B. hat im Gutachten vom 27.02.2010 ausgeführt, die Differentialdiagnose einer diffusen Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems sei relativ beschränkt. Eine infektiöse oder metabolische Ursache für die von der Klägerin angegebenen Beschwerden (Kopf- und Ganzkörperschmerzen, kognitive Leistungsstörungen) sei anhand der Laborergebnisse unwahrscheinlich. Es lägen auch keine MRT-Nachweise einer Mikrozirkulationsstörung im Gehirn vor. Die Sensibilisierung vom Spättyp gegen Arbeitsstoffe der Zahntechnik wie Benzoylperoxyd, Phenylquecksilberacetat, Zinn(II)-chlorid und Amalgam-Legierungs-materialien könne unspezifische Entzündungsreaktionen mit multipler Organbeteiligung hervorrufen und sei mit dem klinischen Verlauf kongruent. Ihres Erachtens sollte die Therapie auf diese Arbeitshypothese aufgebaut werden. Zum Schutz des Patienten müsse bis zum sicheren und unwiderruflichen Ausschluss die toxische Exposition als Ätiologie angenommen werden. Hiervon ausgehend hat Dr. G.-B. eine Enzephalopathie toxischer Genese, eine periphere Polyneuropathie toxischer Genese sowie weitere Gesundheitsstörungen, ebenfalls toxischer Genese diagnostiziert.
Prof. Dr. H. hat im Gutachten vom 01.07.2010 ausgeführt, eine Erkrankung durch Kohlenwasserstoffe (BK 1302) liege nicht vor, da keine Belastung durch diese Stoffe bestanden habe. Es bestehe bei der Klägerin aber (unter anderem) eine toxische Enzephalopathie sowie eine toxische Polyneuropathie. Hierfür sprächen die Minderung der kognitiven Informationsverarbeitungskapazität, die Minderung der cerebralen Glucoseinfiltration, wie sie im PET des Gehirns vom 29.11.2002 (Dr. H.) dokumentiert sei, die Erhöhung des Blutschrankenproteins PS 100, sowie die Speicherung von Benzol und Toluol im Fettgewebe. Es bestehe daher eine Berufskrankheit "nach 1303 oder 1317". Für eine Ursächlichkeit durch berufliche Exposition sprächen auch die über 20 Jahre rezidivierende kognitive Leistungsstörung und die von der Klägerin geschilderten pränarkotischen Zustände während der beruflichen Tätigkeit, die sich im Urlaub und nach der Expositionsvermeidung ab dem Jahr 2001 zurückgebildet hätten.
Mit Urteil vom 19.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit sie auf die Anerkennung und gegebenenfalls Entschädigung einer BK 1303 gerichtet sei. Denn hierüber liege bislang keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten vor. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 09.05.2006 habe die Beklagte, wie sich aus dessen Verfügungssatz ergebe, lediglich über die BK´en 1302 und 1317 entschieden. Im Widerspruchsbescheid habe sie zwar auch die BK 1303 erwähnt, dies jedoch lediglich - auf die Widerspruchsbegründung eingehend - im Rahmen der Begründung. Der Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids habe sich auf die Zurückweisung des Widerspruchs und damit die Bestätigung der Ablehnung der BK´en 1302 und 1217 beschränkt. Die Klage sei auch insoweit unzulässig, als die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zu Entschädigungsleistungen, insbesondere zur Gewährung einer Rente, begehre. Die Beklagte habe zwar im angefochtenen Bescheid nicht nur das Vorliegen der Versicherungsfälle BK 1302 und 1317 verneint, sondern darüber hinaus nicht näher bezeichnete Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt. Tatsächlich handele es sich dabei freilich nur scheinbar um eine unter anderem Rente ablehnende Verwaltungsentscheidung über Leistungen. Denn aus der Begründung des Bescheides, den Begleitumständen und dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens sowie aus grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen ergebe sich, dass damit gerade nicht über konkrete Leistungsansprüche, wie etwa eine Rente, entschieden werden sollte. Die pauschale Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mangels Berufskrankheit sei daher nicht als Ablehnung konkreter Leistungsansprüche, u. a. eines solchen auf Rente, zu verstehen. Die im Übrigen zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung der BK´en 1302 und 1317, da weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen dieser BK´en erfüllt seien. Diese Überzeugung stütze das Gericht auf das schlüssige und wohlbegründete Sachverständigengutachten des Dr. B ... Dieser habe zur BK 1302 ausgeführt, dass zwar zugunsten der Klägerin abweichend von den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten ein gewisser Umgang mit dem Listenstoff Halogenkohlenwasserstoffe unterstellt werden könne und zwar in Form von Weichmachern in Kunststoffmonomeren. Hierdurch sei jedoch kaum von einer gefährdenden Exposition auszugehen. Medizinisch liege bei der Klägerin keine für die Einwirkung von Halogenkohlenwasserstoffen typische Erkrankung vor. Dies wäre z. B. eine Chlorakne oder eine Erkrankung mit Symptomen einer chronischen Vergiftung, wie etwa Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Leberveränderungen. Lediglich einzelne der unspezifischen Symptome der Klägerin würden Dr. B. zufolge auch im Zusammenhang mit der BK 1302 beschrieben. Dabei handele es sich jedoch nicht um solche, die für sich genommen die Annahme einer derartigen Berufskrankheit zu rechtfertigen vermochten. Insoweit decke sich die Beurteilung des Dr. Buchta mit der von Prof. Dr. H., der ebenfalls eine BK 1302 verneine.
Die Klägerin habe zwar Umgang mit dem Listenstoff der BK 1317 in Form von ESPE, einem gering ethanolhaltigen Arbeitsmittel, gehabt. Der einschlägige Arbeitsplatzgrenzwert sei nach den Feststellungen des Präventionsdienstes aber nicht annähernd erreicht worden. Zudem habe die Klägerin zumindest bei der Untersuchung durch Dr. B. keine akuten Zeichen einer Grenzwertüberschreitung (z. B. Übelkeit, pränarkotische Symptome o. ä.) beschrieben. Vor allem aber, so Dr. Buchta, sei kein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild nachgewiesen. Zwar seien einzelne, unspezifische Symptome denen bei einer Enzephalopathie vergleichbar. Sie würden aber nach der Auffassung von Dr. B. eher durch das von diesem diagnostizierte Multiple-Chemical-Sensitivity-Syndrom (MCS) sowie die seit langen Jahren aktenkundigen depressiven und Angststörungen der Klägerin erklärt. Eine Polyneuropathie sei weder nach den klinischen Befunden noch neurophysiologisch nachgewiesen. Die entgegengesetzten Schlussfolgerungen des Prof. Dr. H., der entgegen Dr. B. eine Enzephalopathie Typ IIa und eine periphere Polyneuropathie toxischer Genese annehme und empfehle, diese als BK 1303 oder 1317 anzuerkennen, seien nicht überzeugend. So begründe Prof. Dr. H. die Annahme einer toxischen Enzephalopathie zum einen damit, dass während der beruflichen Tätigkeit der Klägerin pränarkotische Zustände aufgetreten seien. Die diesbezüglichen Schilderungen der Klägerin, erstma. B., blieben jedoch vage ("Betrunkensein"). Die Annahme einer relevanten Belastung gegenüber Toluol und Benzol werde allein mit dem - nach medizinischer Lehrmeinung nicht aussagekräftigen - Befund der erhöhten Werte im Fettgewebe im Jahr 2002 begründet. Die von Prof. Dr. H. unterstellten arbeitstechnischen Voraussetzungen seien daher durch diese beiden Gesichtspunkte nicht nachgewiesen. Die von Prof. Dr. H. zur Begründung der Diagnose Enzephalopathie angeführte Persistenz einer entsprechenden neurologischen Symptomatik ergebe sich aus dem neuropsychologischen Zusatzgutachten von Dr. V. gerade nicht. Dieses Gutachten führe vielmehr laut ausdrücklicher Schlussfolgerung von Dr. V. wegen Aggravationsverdachts nicht zu einem verwertbaren Ergebnis. Das von Dr. B. veranlasste neuropsychologische Zusatzgutachten des Dr. S. habe demgegenüber keine eindeutigen Hinweise auf eine Enzephalopathie gezeigt. Der ebenfalls von Prof. Dr. H. angeführte Befund einer PET sei nach wissenschaftlicher Lehrmeinung zum Nachweis einer Enzephalopathie nicht geeignet. Für die Diagnose einer Polyneuropathie schließlich fehle es im Gutachten des Prof. Dr. H. an jeder Begründung.
Gegen den am 09.05.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 01.06.2011 Berufung eingelegt und ihr bisheriges Prozessziel weiterverfolgt. Auf Hinweis der Beklagten, dass über das Vorliegen einer BK 1303 durch gesonderten, von der Klägerin nicht angefochtenen Bescheid vom 14.02.2012 entschieden worden sei, hat die Kläger-Seite erklärt, dass eine BK 1303 im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht geltend gemacht wird.
Auf die schriftliche Anfrage des Gerichts, ob ein als sachdienlich vorgeschlagener Antrag (ohne die Geltendmachung von Leistungsansprüchen) gestellt wird, hat die Kläger-Seite nicht reagiert. Sie hält aber die Einholung weiterer Arztauskünfte und Sachverständigengutachten sowie einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. Buchta für erforderlich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2006 aufzuheben, festzustellen, dass sie unter einer BK Nr. 1302 oder 1317 leidet und die Beklagte zu verurteilen, ihr Entschädigungsleistungen nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H., zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die ergangene Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. H. eingeholt. Dieser hat unter dem 25.10.2012 ausgeführt, es bestehe aufgrund der Lösungsmittelexposition über 25 Jahre bei der Klägerin die hohe Wahrscheinlichkeit einer additiven Lösungsmittelbelastung durch die Lösungsmittel Benzol, Toluol und Lösungsmittelgemische. Ein wichtiger Hinweis auf die Überschreitung der Lösungsmittelkonzentrationen sei die Angabe von narkotischen Symptomen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Hierfür spreche auch die hohe Konzentration der Lösungsmittel im Fettgewebe im Jahr 2002. Bei Benzol bestehe auch kein neurotoxischer Schwellenwert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerin neben der Feststellung des Vorliegens der BK´en 1302 bzw. 1317 die Gewährung von Leistungen im gesetzlichen Umfang begehrt, ist die Klage unzulässig. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 09.05.2006 zusätzlich ausgeführt hat, es seien - mangels Nachweis einer BK - Leistungen (aus der gesetzlichen Unfallversicherung) ausgeschlossen, hat es sich um keine Entscheidung über konkrete Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Behandlungskosten, Verletztengeld, -rente etc.) gehandelt. Denn die Beklagte hat vor dem Hintergrund der Nichtanerkennung einer BK insofern keine nähere Prüfung hinsichtlich konkreter Leistungen, die bei Anerkennung einer BK zu gewähren wären, vorgenommen. Ein entsprechendes Begehren bezüglich solcher "Leistungen" ist somit unzulässig (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 45/03 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 und Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 25 und in Juris; ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, s. Urteil vom 14.05.2013 - L 9 U 2557/10 -).
Der Senat teilt auch die Auffassung des SG, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der BK´en 1302 und 1317 der Anlage 1 zur BKV hat. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und bis heute unter den Nrn. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und 1307 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage 1 zur BKV die hier streitigen BK´en bezeichnet.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die in der BKV bezeichnete Krankheit gehören, nachgewiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die das BSG in der Entscheidung vom 06.05.2006 (B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30; 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusammenhang nicht nachweisbar ist.
Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung an einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als solcher sind durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzunehmen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Hiervon ausgehend hat das SG zutreffend das Vorliegen der BK´en 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) verneint. Der Senat teilt die Auffassung des SG, wonach es insoweit jeweils am - erforderlichen - Nachweis sowohl der arbeitstechnischen als auch der medizinischen Voraussetzungen fehlt. Der Senat nimmt daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist im Hinblick auf die ergänzende Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. H. im Berufungsverfahrens (lediglich) auszuführen, dass es für die BK 1302 schon am (vollen) Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen fehlt und die Feststellung des Vorliegens dieser BK daher nach den insoweit übereinstimmenden Beurteilungen der Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. H., denen sich der Senat anschließt, ausscheidet. Auch bezüglich der BK 1317 sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen mit Blick auf die Feststellungen des Präventionsdiensts der Beklagten, der am letzten Arbeitsplatz der Klägerin lediglich eine allerdings geringe, deutlich unter dem Arbeitsplatzgrenzwert liegende Exposition mit Ethanol ermittelt hat, nicht erfüllt. Zwar kann eine BK 1317 nicht nur durch Ethanol oder Methanol ausgelöst werden, sondern auch durch andere organische Lösungsmittel wie Benzol, Toluol o.ä. Allerdings hat der Präventionsdienst der Beklagten am Arbeitsplatz der Klägerin keinen Umgang mit Benzol ermittelt. Soweit Prof. Dr. H. aufgrund der Analyse des Fettgewebes der Klägerin einen solchen Umfang für nachgewiesen gehalten hat, fehlt es gleichwohl am Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen, da eine Überschreitung von gesundheitsgefährdenden Werten gerade am Arbeitsplatz nicht nachgewiesen ist.
Unabhängig davon scheitert die Feststellung der BK´en 1302 und 1317 auch am Nachweis der medizinischen Voraussetzungen. Dr. B. hat in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin keine typischen bei langjährig gegenüber PCB (als Halogenkohlenwasserstoff i.S. der BK 1302) exponierten Personen auftretende Gesundheitsveränderungen aktenkundig sind und solche auch nicht im Rahmen seiner Untersuchungen nachgewiesen wurden. Ebenso fehlt es am Nachweis einer Enzephalopathie bzw. einer Polyneuropathie i.S. der BK 1317. Die von Prof. Dr. H. veranlasste neuropsychologische Begutachtung durch Dr. V. hat kein greifbares Ergebnis erbracht, nachdem die Gutachterin wegen der festgestellten Aggravationstendenzen nicht vermocht hat, aus den von ihr ermittelten Leistungseinbußen nachvollziehbare und reproduzierbare diagnostische Ableitungen vorzunehmen. Die ebenfalls von Prof. Dr. H. hinzugezogene Neurologin Dr. G.-B. hat zwar die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie gestellt, allerdings ergibt sich aus ihren vorangegangenen Ausführungen, dass es sich hierbei um eine hypothetische Annahme und nicht um eine tatsächliche Feststellung im Sinne eines zweifelsfreien Nachweises handelt.
Demgegenüber umfassend und in der Schlussfolgerung überzeugend ist das neuropsychologische Gutachten von Dr. S., in welchem dieser aufgrund der von ihm durchgeführten Testungen und Leistungsdiskrepanzen innerhalb desselben Funktionsbereichs, die als hirnorganisch bedingt kaum zu begründen sind, abgeleitet hat, dass es sich im Falle der Klägerin bei den dokumentierten kognitiven Beeinträchtigungen im Bereich der Merkfähigkeit, der Aufmerksamkeit und des Konzentrationsvermögens um psychisch-reaktive und nicht hirnorganisch bedingte Folgen einer Somatisierungsstörung handelt. Auch im Übrigen lässt sich kein Nachweis einer Enzephalopathie führen. Wie Dr. B. schlüssig ausgeführt hat, liegen bei der Klägerin - ebenso wie bei der Neuropathie - lediglich einige unspezifische Symptome dieses Krankheitsbildes vor, nicht aber das spezifische Krankheitsbild. Soweit Prof. Dr. H. insoweit auf pränarkotische Symptome während der Arbeit abstellt, die die Klägerin ihm gegenüber angegeben habe, fällt auf, dass diese Symptome bei der vorangegangenen Begutachtung durch Dr. Buchta trotz ausführlicher Befragung nicht dokumentiert sind - und die Klägerin solche Symptome sogar in Bezug auf verschiedene Labore, in denen sie tätig war, verneint hat (Gutachten Seite 32 und 53). Auch dem von Prof. Dr. H. herangezogenen Befund der PET-Untersuchung kommt keine wesentliche Aussagekraft zu. Denn die herabgesetzte Glucoseutilisation passt, worauf bereits Dres. Schmidtke und Dr. K. (Universitätsklinikum F., Zentrum für Geriatrie und Gerontologie, Bericht vom 04.12.2002) hingewiesen haben, bei deutlich asymmetrischer Ausprägung nicht zu einer degenerativen Hirnerkrankung und stellt daher letztlich einen unspezifischen Befund dar, der nicht sicher einzuordnen ist (s. ebenso die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. Deutung des PET entspricht nicht allgemeiner arbeitsmedizinischer und neurologischer Lehrmeinung). Auch im medizinischen Schrifttum wird die Auffassung geteilt, dass im Bereich neurotoxischer Krankheitsbilder wie der Enzephalopathie funktionsabbildende nuklearmedizinische Verfahren wie die PET keine enge Korrelation von Befund und Symptomatik auszeichnet (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 241).
Schließlich fehlt es auch zur Überzeugung des Senats am Nachweis einer Polyneuropathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische. Der Nervenarzt Dr. B. hat diese Diagnose zwar im Jahr 2002 - im Wesentlichen aufgrund der Angaben der Klägerin - gestellt. Dagegen wurden im Rahmen mehrerer anderer Untersuchungen im selben zeitlichen Zusammenhang, unter anderem im Universitätsklinikum F., keine wesentlichen objektivierbaren Sensibilitätsstörungen bei der Klägerin festgestellt, weshalb nicht diese, sondern abweichende Diagnosen gestellt wurden, wie Karpaltunnelsyndrom (Neurologe Dr. W. aufgrund von Untersuchungen der Klägerin am 13.09. und 18.09.2000 und 06.02.2011), Raynaud-Syndrom bzw. Verdacht auf MCS (Universitätsklinikum F., Prof. Dr. Dr. B. vom 20.08.2002). Auch der Sachverständige Dr. B. fand im Rahmen seiner klinischen Untersuchung im Jahr 2008 keine eindeutig wegweisenden Hinweise für diese Krankheit. Insbesondere waren typische mit Polyneuropathie assoziierte Beschwerden wie Sensibilitätsdefizite oder motorische Einschränkungen auch auf explizites Nachfragen von der Klägerin verneint worden.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Der Senat sieht auch keine Veranlassung für weitere Ermittlungen durch Einholung neuer Gutachten oder nochmalige Befragung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. H. bzw. der tätig gewordenen Zusatzgutachter, etwa zu den Einschätzungen der jeweils anderen Sachverständigen. Die Würdigung gegebenenfalls unterschiedlicher Gutachtensergebnisse gehört zur Beweiswürdigung (BSG, Urteil vom 22.10.2008 – B 5 KN 1/06 B – (Juris)), die dem Senat vorbehalten ist.
Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nrn. 1302 und 1317 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die 1952 geborene Klägerin arbeitete von 1975 bis 1987 in verschiedenen Dentallaboren in Polen als Kunststoffzahntechnikerin. Nach der Übersiedlung nach Deutschland war sie bis zum Jahr 2000 weiterhin als Kunststoffzahnarzttechnikerin tätig, zuletzt von 01.04.1993 bis 31.01.2000 im Dentallabor Zahntechnik S ... Seitdem ist sie arbeitsunfähig erkrankt bzw. nicht wieder berufstätig geworden. Ebenfalls seit dem Jahr 2000 machte sie durch ihren Bevollmächtigten bei der Beklagten das Vorliegen verschiedener Berufskrankheiten (BK´en) nach Nrn. 1316, 1317, 1315, 1201, 1103, 1102, 2104, 2105 und BK 5101 geltend (zu Letzterer s. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2007 - L 10 U 2871/04 -).
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.10.2005 beantragte die Klägerin die Feststellung (auch) der BK´en 1302 und 1317 und legte hierzu umfangreiche medizinische Unterlagen vor (u.a. Dr. D., Hautarzt, 03.07.2000 und 10.10.2000: Verdacht auf Vorliegen einer beruflich induzierten krankhaften Störung im Bereich der Augen, der Augenlider und des Augapfels, außerdem Störung des Allgemeinbefindens, ders., 18.07.2000: Epicutantestung mit Standard- und Prothesensubstanzen, auch mit dem Monomer Methylmetacrylat vom Arbeitsplatz ohne Reaktion; Sozialmedizinisches Gutachten des MDK (Dr. Filipowski), 27.03.2001: U.a. Verdacht auf toxische Conjunktivitis; St. Josefskrankenhaus Freiburg, Prof. Dr. Zähringer, 23.02.2001: Karpaltunnelsyndrom, bekannte Kontaktallergie, Parästhesien und Hypästhesie unklarer Genese in der rechten stärker als in der linken Hand, bekannte Psoriasis, in der internistischen Untersuchung kein krankhafter Befund; Dr. B., Nervenarzt, 16.01.2002: Neuropathie, Myopathie, Ataxie, Leistungsminderung, erhebliche Störung in Positronen-Emission-Tomographie (PET) - durchgeführt von Dr. H., Radiologe, Plochingen in 11/01 - in Form deutlich ausgeprägter und ausgedehnter Störung der Glucoseutilisation, "das PET beweist also eindeutig eine hirnorganische Schädigung", zunehmende chemische Überempfindlichkeit, Überempfindlichkeit Typ IV im LTT, nach langjähriger toxisch belasteter Arbeit als Zahntechnikerin; Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Klinik und Poliklinik, Prof. Dr. P. Dr. W. und Dr. S., 29.07.2002: u.a. Raynaud-Syndrom, Allergisch-toxische Konjunktivitis, bisherige Diagnostik: u.a. Fettgewebsanalyse 05/02: ungewöhnlich stark erhöhte Konzentrationen von Toluol, Benzol, Xylol, Ethylbenzol, Chloroform und Perchlorethylen, in 06/02 Bestätigung der stark erhöhten Konzentrationen an Benzol und Toluol; Universitätsklinikum F., Zentrum für Geriatrie und Gerontologie, PD Dr. S. und Dr. Dr. K., 04.12.2002: Kognitive Defizite ohne sicheren Nachweis eines organischen Korrelats, leichte depressive Störung, Fremdaufnahmen Dr. H., PET des Gehirns: herabgesetzte Glucoseutilisation asymmetrische rechtsbetonte Ausprägung; "das auffällige Ergebnis der PET-Untersuchung passt bei deutlich asymmetrischer Ausprägung nicht zu einer degenerativen Hirnerkrankung; der letztlich unspezifische Befund ist nicht sicher einzuordnen.").
Zu dem Antrag nahm das Regierungspräsidium Stuttgart - Staatlicher Gewerbearzt (C. G., Ärztin für Arbeitsmedizin) - unter dem 17.03.2006 dahingehend Stellung, eine BK 1317 werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Die aktenkundigen medizinischen Befunde sprächen gegen einen solchen Zusammenhang. Die Klägerin sei nach eigenen Angaben seit Januar 2000 arbeitslos, somit nicht berufstätig und beruflichen Noxen ausgesetzt. Nach eigenen Angaben und den vorliegenden medizinischen Unterlagen bestünden die Beschwerden aber fast unverändert weiter trotz Aufgabe der beruflichen Tätigkeit, was gegen einen Zusammenhang mit der angeschuldigten beruflichen Exposition spreche.
Mit Bescheid vom 09.05.2006 stellte die Beklagte fest, dass bei der Klägerin keine BK nach Nr. 1302 oder Nr. 1317 vorliege (Ziffer 1) und keine Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken (Ziffer 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, unabhängig davon, ob eine relevante Exposition gegenüber Kohlenwasserstoffen oder Lösungsmitteln erfolgt sei, liege nach den vorgelegten medizinischen Unterlagen kein Befund vor, der dem Krankheitsbild einer der genannten BK´en entspreche.
Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 12.06.2006 Widerspruch und machte unter Vorlage weiterer Befundberichte behandelnder Ärzte geltend, es ergäben sich eindeutige Hinweise für das Vorliegen einer toxischen Polyneuropathie bzw. einer Enzephalopathie. Da sie auch mit benzolhaltigen Substanzen gearbeitet habe, werde auch die Anerkennung einer BK 1303 beantragt.
Die Beklagte holte unter dem 21.11.2006 eine Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. W. ein, die weitere Ermittlungen zum arbeitstechnischen Sachverhalt unter Hinweis auf vorliegende Befundberichte (Prof. Dr. Z., a.a.O.: in der internistischen Untersuchung kein krankhafter Befund; Universitätsklinikum F., Dr. P., 29.07.2002: Raynaud-Syndrom, neurologischer Befund grob orientierend unauffällig; Universitätsklinikum Freiburg Prof. Dr. Dr. B., 20.08.2002: Verdacht auf Multiple Chemikaliensensibilität (MCS), neuropsychologisch bewusstseinsklare, zu allen Qualitäten orientierte Patientin, Sensibilität ohne Befund) nicht für erforderlich hielt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006 zurück und führte zur Begründung aus, es seien weiterhin keine medizinischen Befunde ersichtlich, die den geltend gemachten BK´en entsprächen. Dies gelte auch für die BK´en 1303 und 2104.
Dagegen hat die Klägerin am 26.01.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, zunächst nur fristwahrend "wegen Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 bzw. 1317 der BKV". Mit der am 16.07.2007 nachgereichten Klagebegründung hat die Klägerin sodann die Anerkennung der "BK´en 1302, 1303 und 1317" sowie die Verurteilung der Beklagten beantragt, ihr Entschädigungsleistungen, insbesondere eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Auf Anregung des SG hat die Beklagte sodann Ermittlungen zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK´en 1302, 1303 und 1317 angestellt und den letzten Arbeitsplatz der Klägerin beim Dentallabor S. durch ihren Präventionsdienst aufsuchen lassen. Im Bericht des Präventionsdienstes vom 11.04.2008 wird ausgeführt, die Klägerin habe im Kunststoffbereich gearbeitet. Zu ihren Tätigkeiten habe hauptsächlich das Desinfizieren und Ausgießen von Abdrücken und die Prothetik von Brücken usw. (inklusive dem Einkleben der Zähne in die Schienen) gehört. Es seien folgende Produkte verwendet worden: Impresept Fa. Espe (Desinfektionsmittel) 1733-0100, Fa. Renfert (Sekundenkleber), verschiedene Kunststoffe auf Basis von Methylmetacrylat (MMA) und verschiedene Füllkörperpulver auf Basis von anorganischen Oxiden. Eine Einwirkung gemäß dem Merkblatt zur BK 1302 liege nicht vor (kein Umgang mit Halogenkohlenwasserstoffen). Eine Einwirkung gemäß dem Merkblatt zur BK 1303 liege vor; es habe kein Umgang mit Benzol bestanden, allerdings habe ein Einsatzstoff (Selectaplus Flüssigkeit CN) als Stabilisator Hydrochinon (Dihydroxybenzol) enthalten. Es könne aber ausgeschlossen werden, dass der ehemals gültige Luftgrenzwert (MAK-Wert) von 2 mg/m³ (bezogen auf die einatembare Staubfraktion) überschritten worden sei, da Hydrochinon nur in geringen Mengen und in gelöstem Zustand vorgelegen habe. Eine Einwirkung gemäß dem Merkblatt zur BK 1317 liege vor (Umgang mit ESPE Modellisolierung - enthält geringe Mengen an Ethanol). Allerdings könne ausgeschlossen werden, dass der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) von 960 mg/m³ in der Luft annähernd erreicht worden sei, da Ethanol nur in geringen Mengen in einer wässrigen Lösung vorgelegen habe.
Das SG hat Beweis erhoben zunächst durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens bei Dr. B. (M.) und eines ergänzenden neuropsychologischen Zusatzgutachtens bei Dr. S. (Demenzambulanz der Psychiatrischen Universitätsklink M.). Dieser hat im Gutachten vom 08.01.2008 auf der Grundlage umfangreicher psychologischer und neuropsychologischer Testungen ausgeführt, in der Untersuchung seien bei der Klägerin kognitive und nicht-kognitive psychische Störungen festgestellt worden. Im Hinblick auf kognitive Leistungsbeeinträchtigungen stünden deutliche Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit, der Aufmerksamkeit und des Konzentrationsvermögens sowie partiell ein vermindertes Denkvermögen im Vordergrund. Es seien allerdings innerhalb desselben Funktionsbereichs (Aufmerksamkeitsfunktionen) erhebliche Leistungsdiskrepanzen festgestellt worden zwischen computerisierten Testverfahren einerseits und korrespondierenden Verfahren mit Papier und Bleistift andererseits. So habe die Klägerin in einem Computertest (TAP-Subtest-Go/Nogo) eine stark verminderte selektive Wahrnehmung gezeigt, während sie im korrespondierenden d2-Test (Papier und Bleistift) eine weitgehend unbeeinträchtigte Leistung zeigte. Derlei Leistungsdiskrepanzen innerhalb desselben Funktionsbereichs seien schwerlich mit einem hirnorganisch bedingten Leistungsdefizit zu vereinbaren. Im Hinblick auf nicht-kognitive Beeinträchtigungen zeige die Klägerin eine ausgeprägte Belastung durch psychische und somatische Beschwerden. Phänomenologisch entspreche das gezeigte Beschwerdebild zwar zum Teil dem Bild bei lösungsmittelbedingten chronisch-toxischen Enzephalopathien, insgesamt betrachtet sei es jedoch dafür untypisch. Eine lösungsmittelbedingte Enzephalopathie liege mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Verlauf und Konfiguration der Befunde sprächen auch gegen die Annahme einer (anders) verursachten hirnorganischen Leistungsstörung, wie z.B. einer Demenz. Die von der Patientin beklagten kognitiven, psychischen und somatischen Beschwerden entsprächen weitgehend den Beschwerden, die von MCS-Patienten geäußert würden. Bei der Klägerin lägen ausgeprägte psychosomatische Symptombelastungen vor. Ebenso sei eine erhöhte Vulnerabilität für die Entwicklung psychischer Störungen anzunehmen. Unter psychosomatischer Perspektive liege bei ihr mit Wahrscheinlichkeit eine Somatisierungsstörung vor, welche die Lebensqualität maßgeblich beeinträchtige. Psychische Störungen seien häufig auch mit kognitiven Leistungsminderungen verbunden. Unter neuropsychologischer Perspektive seien die bei der Klägerin beobachteten kognitiven Leistungsminderungen mit Wahrscheinlichkeit psychisch-reaktiv und nicht hirnorganisch bedingt.
Im Gutachten vom 06.07.2008 (mit ergänzender Stellungnahme vom 05.01.2009) hat Dr. B. ausgeführt, keine der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen sei nach derzeit herrschender medizinischer Lehrmeinung durch die ermittelte berufliche Exposition verursacht worden. Hinsichtlich der BK 1302 lägen weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen vor. Aufgrund der Ermittlungen des TAD sei von keinem Umgang mit Halogenkohlenwasserstoffen (BK 1302) auszugehen. Aufgrund der von der Klägerin geschilderten, teils ungünstigen arbeitshygienischen Arbeitsbedingungen und der anzunehmenden Verbrauchsmengen für organische Lösungsmittel sei allerdings ein Umgang mit teils in Kunststoffen enthaltenen Weichmachern wie polychlorierten Biphenylen (PCB) zumindest in Betracht zu ziehen und unter Berücksichtigung einer möglichen Resorption über Haut und Atemwege von einer nennenswerten Belastung gegenüber diesen Stoffen auszugehen. Eine Überschreitung der Grenzwerte sei möglich, aber unwahrscheinlich, denn typische auf starken Lösungsmittelverbrauch hinweisende Symptome von Seiten des zentralen Nervensystems, wie z.B. Übelkeit und pränarkotische Symptome während der Arbeit seien von der Klägerin auch auf mehrfaches explizites Nachfragen nicht berichtet worden. Auch seien bei der Klägerin keine typischen Gesundheitsveränderungen aktenkundig, wie sie bei langjährig gegenüber den in Kunststoffen enthaltenen Weichmachern wie PCB auftreten. Insbesondere lägen keine Haut- und Schleimhautveränderungen vor, wie z.B. Chlorakne oder Symptome einer chronischen Vergiftung wie unklare Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Gelbsucht oder eine gelbe Dystrophie der Leber mit Leberkoma. Bei ihr seien lediglich einzelne Symptome aufgetreten, während bei einer PCB-Vergiftung in der Regel eine Vielzahl von entsprechenden Symptome auftrete. Auch bezüglich der BK 1303 seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es habe zwar Umgang mit Hydrochinon (Dihydroxybenzol) bestanden. Da dieser Stoff lediglich als Stabilisator in Selectaplus Flüssigkeit CN eingesetzt war, könne ausgeschlossen werden, dass der ehemals gültige Luftgrenzwert (MAK) von 2 mg/m³ (bezogen auf die einatembare Staubfraktion) überschritten wurde, da Hydrochinon nur in geringen Mengen und in gelöstem Zustand vorgelegen habe. Es sei auch nicht sehr wahrscheinlich, dass die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen durch die eher geringe Exposition zu Dihydroxybenzol bedingt seien. Die insoweit typischen Gesundheitsveränderungen wie Hautdepigmentierungen oder Pigmentierungen und Schädigungen der Augen lägen nicht vor. Die übrigen bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen stünden nach herrschender medizinischer Lehrmeinung in keinem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Exposition zu Hydrochinon.
Eine BK 1307 liege ebenfalls nicht vor. Laut den Ermittlungen des TAD habe die Klägerin zwar Umgang mit ESPE Modellisolierung gehabt, das geringe Mengen an Ethanol enthalte. Allerdings könne ausgeschlossen werden, dass der Arbeitsplatzgrenzwert von 960 mg/m³ in der Luft annähernd erreicht wurde, da Ethanol nur in geringen Mengen in einer wässrigen Lösung vorgelegen habe. Ein übergrenzwertiger Kontakt gegenüber Ethanol sei nicht zweifelsfrei auszuschließen, wenngleich nicht nachgewiesen. Jedenfalls liege mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Klägerin keines der beiden wichtigsten durch organische Lösungsmittel ausgelösten Krankheitsbilder (toxische Enzephalopathie, toxische Polyneuropathie) vor. Eine Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische liege mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Er stimme mit Dr. Singer überein, dass das Beschwerdebild partiell dem Bild einer lösungsmittelbedingten toxischen Enzephalopathie entspreche, dafür aber insgesamt untypisch sei. Auch sprächen insbesondere der Verlauf und die Konfiguration der Befunde gegen die Annahme einer extraberuflich verursachten Hirnleistungsstörung, wie z.B. einer Demenz. Bei der Klägerin liege mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Somatisierungsstörung bzw. eine somatisierte Depression vor; in ihrer Vorgeschichte seien schon seit 1992 depressive Störungen und Angststörungen dokumentiert. Die in der neuropsychologischen Untersuchung beobachteten kognitiven Leistungsminderungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit psychisch-reaktiv und nicht hirnorganisch bedingt. Schon die im Jahr 2002 im Zentrum für Geriatrie und Gerontologie des Universitätsklinikums Freiburg durchgeführte neuropsychologische Untersuchung habe wie die aktuelle Untersuchung lediglich leichte kognitive Defizite ohne sicheren Nachweis eines organischen Korrelats und zudem auch eine leichte depressive Störung ergeben. Eine Polyneuropathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische liege ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Dr. Binz habe diese Diagnose zwar im Jahr 2002 aufgrund einer klinischen Untersuchung gestellt. Dagegen seien vom Neurologen Dr. Warlo im Jahr 2001 bis auf eine Hypästhesie und Hypalgie im Bereich des Daumens keine objektivierbaren Sensibilitätsstörungen bei der Klägerin festgestellt worden. Auch in der aktuellen klinischen Untersuchung hätten sich keine eindeutig wegweisenden Hinweise für eine Polyneuropathie gefunden. Die Klägerin habe zwar im Rahmen der aktuellen Untersuchung über Schmerzen und Schwäche in der gesamten Muskulatur, Kribbeln der Hände und Füße sowie über Taubheit und ein Einschlafen von Händen und Füßen berichtet. Die Oberflächensensibilität im Bereich der Arme und Beine sei unauffällig gewesen, das Vibrationsempfinden im Bereich beider Malleoli etwas reduziert. Typische mit Polyneuropathie assoziierte Beschwerden wie Sensibilitätsdefizite oder motorische Einschränkungen seien hingegen auch auf explizites Nachfragen von der Klägerin verneint worden.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr. H. (Internist und Nephrologe, H.) und - ebenfalls nach § 109 SGG - eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens bei der Diplom-Psychologin Dr. V. (Universitätsklinikum H. sowie eines fachneurologischen Zusatzgutachtens bei Dr. G.-B. (Fachärztin für Neurologie und Neurophysiologie, Müllheim).
Dr. Vogt hat im Gutachten vom 05.05.2010 auf der Grundlage von Vorbefunden und eigener Testdiagnostik ausgeführt, die von der Klägerin gezeigten kognitiven Leistungsminderungen könnten zum Untersuchungszeitpunkt nicht bestätigt werden, da ein begründeter Verdacht auf Aggravation bestehe. Die Klägerin habe bereits bei nachgewiesenermaßen sehr leichten Gedächtnisaufgaben schlechtere Ergebnisse, als sie eine Gruppe von Personen mit diagnostizierter beginnender Demenz erreiche; eine dementielle Entwicklung sei bei ihr aber auszuschließen. Auch die MRT-Bildgebung aus 2002 beschreibe keine entzündlichen bzw. traumabedingten Läsionen oder hirnarthrophischen Veränderungen, welche die aktuelle extrem auffällige Merkfähigkeitsstörung erklären könnten. Dass in den letzten acht Jahren eine Hirnschädigung derartigen funktionellen Ausmaßes neu eingetreten sei, sei aus der Anamnese heraus nicht zu vermuten.
Dr. G.-B. hat im Gutachten vom 27.02.2010 ausgeführt, die Differentialdiagnose einer diffusen Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems sei relativ beschränkt. Eine infektiöse oder metabolische Ursache für die von der Klägerin angegebenen Beschwerden (Kopf- und Ganzkörperschmerzen, kognitive Leistungsstörungen) sei anhand der Laborergebnisse unwahrscheinlich. Es lägen auch keine MRT-Nachweise einer Mikrozirkulationsstörung im Gehirn vor. Die Sensibilisierung vom Spättyp gegen Arbeitsstoffe der Zahntechnik wie Benzoylperoxyd, Phenylquecksilberacetat, Zinn(II)-chlorid und Amalgam-Legierungs-materialien könne unspezifische Entzündungsreaktionen mit multipler Organbeteiligung hervorrufen und sei mit dem klinischen Verlauf kongruent. Ihres Erachtens sollte die Therapie auf diese Arbeitshypothese aufgebaut werden. Zum Schutz des Patienten müsse bis zum sicheren und unwiderruflichen Ausschluss die toxische Exposition als Ätiologie angenommen werden. Hiervon ausgehend hat Dr. G.-B. eine Enzephalopathie toxischer Genese, eine periphere Polyneuropathie toxischer Genese sowie weitere Gesundheitsstörungen, ebenfalls toxischer Genese diagnostiziert.
Prof. Dr. H. hat im Gutachten vom 01.07.2010 ausgeführt, eine Erkrankung durch Kohlenwasserstoffe (BK 1302) liege nicht vor, da keine Belastung durch diese Stoffe bestanden habe. Es bestehe bei der Klägerin aber (unter anderem) eine toxische Enzephalopathie sowie eine toxische Polyneuropathie. Hierfür sprächen die Minderung der kognitiven Informationsverarbeitungskapazität, die Minderung der cerebralen Glucoseinfiltration, wie sie im PET des Gehirns vom 29.11.2002 (Dr. H.) dokumentiert sei, die Erhöhung des Blutschrankenproteins PS 100, sowie die Speicherung von Benzol und Toluol im Fettgewebe. Es bestehe daher eine Berufskrankheit "nach 1303 oder 1317". Für eine Ursächlichkeit durch berufliche Exposition sprächen auch die über 20 Jahre rezidivierende kognitive Leistungsstörung und die von der Klägerin geschilderten pränarkotischen Zustände während der beruflichen Tätigkeit, die sich im Urlaub und nach der Expositionsvermeidung ab dem Jahr 2001 zurückgebildet hätten.
Mit Urteil vom 19.04.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit sie auf die Anerkennung und gegebenenfalls Entschädigung einer BK 1303 gerichtet sei. Denn hierüber liege bislang keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten vor. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 09.05.2006 habe die Beklagte, wie sich aus dessen Verfügungssatz ergebe, lediglich über die BK´en 1302 und 1317 entschieden. Im Widerspruchsbescheid habe sie zwar auch die BK 1303 erwähnt, dies jedoch lediglich - auf die Widerspruchsbegründung eingehend - im Rahmen der Begründung. Der Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids habe sich auf die Zurückweisung des Widerspruchs und damit die Bestätigung der Ablehnung der BK´en 1302 und 1217 beschränkt. Die Klage sei auch insoweit unzulässig, als die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zu Entschädigungsleistungen, insbesondere zur Gewährung einer Rente, begehre. Die Beklagte habe zwar im angefochtenen Bescheid nicht nur das Vorliegen der Versicherungsfälle BK 1302 und 1317 verneint, sondern darüber hinaus nicht näher bezeichnete Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt. Tatsächlich handele es sich dabei freilich nur scheinbar um eine unter anderem Rente ablehnende Verwaltungsentscheidung über Leistungen. Denn aus der Begründung des Bescheides, den Begleitumständen und dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens sowie aus grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen ergebe sich, dass damit gerade nicht über konkrete Leistungsansprüche, wie etwa eine Rente, entschieden werden sollte. Die pauschale Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mangels Berufskrankheit sei daher nicht als Ablehnung konkreter Leistungsansprüche, u. a. eines solchen auf Rente, zu verstehen. Die im Übrigen zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung der BK´en 1302 und 1317, da weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen dieser BK´en erfüllt seien. Diese Überzeugung stütze das Gericht auf das schlüssige und wohlbegründete Sachverständigengutachten des Dr. B ... Dieser habe zur BK 1302 ausgeführt, dass zwar zugunsten der Klägerin abweichend von den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten ein gewisser Umgang mit dem Listenstoff Halogenkohlenwasserstoffe unterstellt werden könne und zwar in Form von Weichmachern in Kunststoffmonomeren. Hierdurch sei jedoch kaum von einer gefährdenden Exposition auszugehen. Medizinisch liege bei der Klägerin keine für die Einwirkung von Halogenkohlenwasserstoffen typische Erkrankung vor. Dies wäre z. B. eine Chlorakne oder eine Erkrankung mit Symptomen einer chronischen Vergiftung, wie etwa Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Leberveränderungen. Lediglich einzelne der unspezifischen Symptome der Klägerin würden Dr. B. zufolge auch im Zusammenhang mit der BK 1302 beschrieben. Dabei handele es sich jedoch nicht um solche, die für sich genommen die Annahme einer derartigen Berufskrankheit zu rechtfertigen vermochten. Insoweit decke sich die Beurteilung des Dr. Buchta mit der von Prof. Dr. H., der ebenfalls eine BK 1302 verneine.
Die Klägerin habe zwar Umgang mit dem Listenstoff der BK 1317 in Form von ESPE, einem gering ethanolhaltigen Arbeitsmittel, gehabt. Der einschlägige Arbeitsplatzgrenzwert sei nach den Feststellungen des Präventionsdienstes aber nicht annähernd erreicht worden. Zudem habe die Klägerin zumindest bei der Untersuchung durch Dr. B. keine akuten Zeichen einer Grenzwertüberschreitung (z. B. Übelkeit, pränarkotische Symptome o. ä.) beschrieben. Vor allem aber, so Dr. Buchta, sei kein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild nachgewiesen. Zwar seien einzelne, unspezifische Symptome denen bei einer Enzephalopathie vergleichbar. Sie würden aber nach der Auffassung von Dr. B. eher durch das von diesem diagnostizierte Multiple-Chemical-Sensitivity-Syndrom (MCS) sowie die seit langen Jahren aktenkundigen depressiven und Angststörungen der Klägerin erklärt. Eine Polyneuropathie sei weder nach den klinischen Befunden noch neurophysiologisch nachgewiesen. Die entgegengesetzten Schlussfolgerungen des Prof. Dr. H., der entgegen Dr. B. eine Enzephalopathie Typ IIa und eine periphere Polyneuropathie toxischer Genese annehme und empfehle, diese als BK 1303 oder 1317 anzuerkennen, seien nicht überzeugend. So begründe Prof. Dr. H. die Annahme einer toxischen Enzephalopathie zum einen damit, dass während der beruflichen Tätigkeit der Klägerin pränarkotische Zustände aufgetreten seien. Die diesbezüglichen Schilderungen der Klägerin, erstma. B., blieben jedoch vage ("Betrunkensein"). Die Annahme einer relevanten Belastung gegenüber Toluol und Benzol werde allein mit dem - nach medizinischer Lehrmeinung nicht aussagekräftigen - Befund der erhöhten Werte im Fettgewebe im Jahr 2002 begründet. Die von Prof. Dr. H. unterstellten arbeitstechnischen Voraussetzungen seien daher durch diese beiden Gesichtspunkte nicht nachgewiesen. Die von Prof. Dr. H. zur Begründung der Diagnose Enzephalopathie angeführte Persistenz einer entsprechenden neurologischen Symptomatik ergebe sich aus dem neuropsychologischen Zusatzgutachten von Dr. V. gerade nicht. Dieses Gutachten führe vielmehr laut ausdrücklicher Schlussfolgerung von Dr. V. wegen Aggravationsverdachts nicht zu einem verwertbaren Ergebnis. Das von Dr. B. veranlasste neuropsychologische Zusatzgutachten des Dr. S. habe demgegenüber keine eindeutigen Hinweise auf eine Enzephalopathie gezeigt. Der ebenfalls von Prof. Dr. H. angeführte Befund einer PET sei nach wissenschaftlicher Lehrmeinung zum Nachweis einer Enzephalopathie nicht geeignet. Für die Diagnose einer Polyneuropathie schließlich fehle es im Gutachten des Prof. Dr. H. an jeder Begründung.
Gegen den am 09.05.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 01.06.2011 Berufung eingelegt und ihr bisheriges Prozessziel weiterverfolgt. Auf Hinweis der Beklagten, dass über das Vorliegen einer BK 1303 durch gesonderten, von der Klägerin nicht angefochtenen Bescheid vom 14.02.2012 entschieden worden sei, hat die Kläger-Seite erklärt, dass eine BK 1303 im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht geltend gemacht wird.
Auf die schriftliche Anfrage des Gerichts, ob ein als sachdienlich vorgeschlagener Antrag (ohne die Geltendmachung von Leistungsansprüchen) gestellt wird, hat die Kläger-Seite nicht reagiert. Sie hält aber die Einholung weiterer Arztauskünfte und Sachverständigengutachten sowie einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. Buchta für erforderlich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2006 aufzuheben, festzustellen, dass sie unter einer BK Nr. 1302 oder 1317 leidet und die Beklagte zu verurteilen, ihr Entschädigungsleistungen nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H., zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die ergangene Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. H. eingeholt. Dieser hat unter dem 25.10.2012 ausgeführt, es bestehe aufgrund der Lösungsmittelexposition über 25 Jahre bei der Klägerin die hohe Wahrscheinlichkeit einer additiven Lösungsmittelbelastung durch die Lösungsmittel Benzol, Toluol und Lösungsmittelgemische. Ein wichtiger Hinweis auf die Überschreitung der Lösungsmittelkonzentrationen sei die Angabe von narkotischen Symptomen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Hierfür spreche auch die hohe Konzentration der Lösungsmittel im Fettgewebe im Jahr 2002. Bei Benzol bestehe auch kein neurotoxischer Schwellenwert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerin neben der Feststellung des Vorliegens der BK´en 1302 bzw. 1317 die Gewährung von Leistungen im gesetzlichen Umfang begehrt, ist die Klage unzulässig. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 09.05.2006 zusätzlich ausgeführt hat, es seien - mangels Nachweis einer BK - Leistungen (aus der gesetzlichen Unfallversicherung) ausgeschlossen, hat es sich um keine Entscheidung über konkrete Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Behandlungskosten, Verletztengeld, -rente etc.) gehandelt. Denn die Beklagte hat vor dem Hintergrund der Nichtanerkennung einer BK insofern keine nähere Prüfung hinsichtlich konkreter Leistungen, die bei Anerkennung einer BK zu gewähren wären, vorgenommen. Ein entsprechendes Begehren bezüglich solcher "Leistungen" ist somit unzulässig (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 45/03 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 und Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 25 und in Juris; ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, s. Urteil vom 14.05.2013 - L 9 U 2557/10 -).
Der Senat teilt auch die Auffassung des SG, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der BK´en 1302 und 1317 der Anlage 1 zur BKV hat. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und bis heute unter den Nrn. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und 1307 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) der Anlage 1 zur BKV die hier streitigen BK´en bezeichnet.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die in der BKV bezeichnete Krankheit gehören, nachgewiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die das BSG in der Entscheidung vom 06.05.2006 (B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30; 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusammenhang nicht nachweisbar ist.
Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung an einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als solcher sind durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzunehmen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Hiervon ausgehend hat das SG zutreffend das Vorliegen der BK´en 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) verneint. Der Senat teilt die Auffassung des SG, wonach es insoweit jeweils am - erforderlichen - Nachweis sowohl der arbeitstechnischen als auch der medizinischen Voraussetzungen fehlt. Der Senat nimmt daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist im Hinblick auf die ergänzende Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. H. im Berufungsverfahrens (lediglich) auszuführen, dass es für die BK 1302 schon am (vollen) Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen fehlt und die Feststellung des Vorliegens dieser BK daher nach den insoweit übereinstimmenden Beurteilungen der Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. H., denen sich der Senat anschließt, ausscheidet. Auch bezüglich der BK 1317 sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen mit Blick auf die Feststellungen des Präventionsdiensts der Beklagten, der am letzten Arbeitsplatz der Klägerin lediglich eine allerdings geringe, deutlich unter dem Arbeitsplatzgrenzwert liegende Exposition mit Ethanol ermittelt hat, nicht erfüllt. Zwar kann eine BK 1317 nicht nur durch Ethanol oder Methanol ausgelöst werden, sondern auch durch andere organische Lösungsmittel wie Benzol, Toluol o.ä. Allerdings hat der Präventionsdienst der Beklagten am Arbeitsplatz der Klägerin keinen Umgang mit Benzol ermittelt. Soweit Prof. Dr. H. aufgrund der Analyse des Fettgewebes der Klägerin einen solchen Umfang für nachgewiesen gehalten hat, fehlt es gleichwohl am Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen, da eine Überschreitung von gesundheitsgefährdenden Werten gerade am Arbeitsplatz nicht nachgewiesen ist.
Unabhängig davon scheitert die Feststellung der BK´en 1302 und 1317 auch am Nachweis der medizinischen Voraussetzungen. Dr. B. hat in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin keine typischen bei langjährig gegenüber PCB (als Halogenkohlenwasserstoff i.S. der BK 1302) exponierten Personen auftretende Gesundheitsveränderungen aktenkundig sind und solche auch nicht im Rahmen seiner Untersuchungen nachgewiesen wurden. Ebenso fehlt es am Nachweis einer Enzephalopathie bzw. einer Polyneuropathie i.S. der BK 1317. Die von Prof. Dr. H. veranlasste neuropsychologische Begutachtung durch Dr. V. hat kein greifbares Ergebnis erbracht, nachdem die Gutachterin wegen der festgestellten Aggravationstendenzen nicht vermocht hat, aus den von ihr ermittelten Leistungseinbußen nachvollziehbare und reproduzierbare diagnostische Ableitungen vorzunehmen. Die ebenfalls von Prof. Dr. H. hinzugezogene Neurologin Dr. G.-B. hat zwar die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie gestellt, allerdings ergibt sich aus ihren vorangegangenen Ausführungen, dass es sich hierbei um eine hypothetische Annahme und nicht um eine tatsächliche Feststellung im Sinne eines zweifelsfreien Nachweises handelt.
Demgegenüber umfassend und in der Schlussfolgerung überzeugend ist das neuropsychologische Gutachten von Dr. S., in welchem dieser aufgrund der von ihm durchgeführten Testungen und Leistungsdiskrepanzen innerhalb desselben Funktionsbereichs, die als hirnorganisch bedingt kaum zu begründen sind, abgeleitet hat, dass es sich im Falle der Klägerin bei den dokumentierten kognitiven Beeinträchtigungen im Bereich der Merkfähigkeit, der Aufmerksamkeit und des Konzentrationsvermögens um psychisch-reaktive und nicht hirnorganisch bedingte Folgen einer Somatisierungsstörung handelt. Auch im Übrigen lässt sich kein Nachweis einer Enzephalopathie führen. Wie Dr. B. schlüssig ausgeführt hat, liegen bei der Klägerin - ebenso wie bei der Neuropathie - lediglich einige unspezifische Symptome dieses Krankheitsbildes vor, nicht aber das spezifische Krankheitsbild. Soweit Prof. Dr. H. insoweit auf pränarkotische Symptome während der Arbeit abstellt, die die Klägerin ihm gegenüber angegeben habe, fällt auf, dass diese Symptome bei der vorangegangenen Begutachtung durch Dr. Buchta trotz ausführlicher Befragung nicht dokumentiert sind - und die Klägerin solche Symptome sogar in Bezug auf verschiedene Labore, in denen sie tätig war, verneint hat (Gutachten Seite 32 und 53). Auch dem von Prof. Dr. H. herangezogenen Befund der PET-Untersuchung kommt keine wesentliche Aussagekraft zu. Denn die herabgesetzte Glucoseutilisation passt, worauf bereits Dres. Schmidtke und Dr. K. (Universitätsklinikum F., Zentrum für Geriatrie und Gerontologie, Bericht vom 04.12.2002) hingewiesen haben, bei deutlich asymmetrischer Ausprägung nicht zu einer degenerativen Hirnerkrankung und stellt daher letztlich einen unspezifischen Befund dar, der nicht sicher einzuordnen ist (s. ebenso die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. Deutung des PET entspricht nicht allgemeiner arbeitsmedizinischer und neurologischer Lehrmeinung). Auch im medizinischen Schrifttum wird die Auffassung geteilt, dass im Bereich neurotoxischer Krankheitsbilder wie der Enzephalopathie funktionsabbildende nuklearmedizinische Verfahren wie die PET keine enge Korrelation von Befund und Symptomatik auszeichnet (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 241).
Schließlich fehlt es auch zur Überzeugung des Senats am Nachweis einer Polyneuropathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische. Der Nervenarzt Dr. B. hat diese Diagnose zwar im Jahr 2002 - im Wesentlichen aufgrund der Angaben der Klägerin - gestellt. Dagegen wurden im Rahmen mehrerer anderer Untersuchungen im selben zeitlichen Zusammenhang, unter anderem im Universitätsklinikum F., keine wesentlichen objektivierbaren Sensibilitätsstörungen bei der Klägerin festgestellt, weshalb nicht diese, sondern abweichende Diagnosen gestellt wurden, wie Karpaltunnelsyndrom (Neurologe Dr. W. aufgrund von Untersuchungen der Klägerin am 13.09. und 18.09.2000 und 06.02.2011), Raynaud-Syndrom bzw. Verdacht auf MCS (Universitätsklinikum F., Prof. Dr. Dr. B. vom 20.08.2002). Auch der Sachverständige Dr. B. fand im Rahmen seiner klinischen Untersuchung im Jahr 2008 keine eindeutig wegweisenden Hinweise für diese Krankheit. Insbesondere waren typische mit Polyneuropathie assoziierte Beschwerden wie Sensibilitätsdefizite oder motorische Einschränkungen auch auf explizites Nachfragen von der Klägerin verneint worden.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Der Senat sieht auch keine Veranlassung für weitere Ermittlungen durch Einholung neuer Gutachten oder nochmalige Befragung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. H. bzw. der tätig gewordenen Zusatzgutachter, etwa zu den Einschätzungen der jeweils anderen Sachverständigen. Die Würdigung gegebenenfalls unterschiedlicher Gutachtensergebnisse gehört zur Beweiswürdigung (BSG, Urteil vom 22.10.2008 – B 5 KN 1/06 B – (Juris)), die dem Senat vorbehalten ist.
Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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